Der Wetterbericht sagt zwar keine Gewitter, für den nächsten Tag dafür durchgängig Regen an. Wir wollen den heutigen Tag daher noch ausnutzen und "schnell" noch mal über die Dreitausend hinaus. Falls sich die Bedingungen bessern sollten, zu Fuß sogar noch deutlich weiter hinauf! Aber mal schauen ...
Um 5.30 Uhr piept der Wecker! Direkt mal rausgeschaut und den Himmel gecheckt. OK, leicht bewölkt, aber kein Regen! Vielleicht wird's doch noch was heute!
Nach einem ausgiebigen Frühstück wird das Auto gepackt und schon bald sind wir auf dem Weg zur Bergbahn. Claude hatte sich zuvor telefonisch nach der Bike-Mitnahme erkundigt und wir sind froh über die Aufstiegshilfe. Schließlich haben wir auch so noch einiges vor!
Am Schalter holt uns jedoch die Realität ein. "Mit dem Bike? Nein, wir nehmen sie nur bis hierhin mit!" Äh, wie bitte?! "Weiter hinaus macht das keinen Sinn und ist viel zu gefährlich! Der Weg ist unfahrbar, voller Felsen und mit Leitern versehen." Ja, schon klar. Die freundliche, aber bestimmte Frau glaubt uns leider nicht, dass wir uns selber und die Wanderer nicht gefährden würden. Nun gut, wir möchte wissen, wie der Aufstieg ab der Mittelstation sei. "Nein, den Weg können Sie auch nicht nehmen, der ist verboten!"
Und falls wir es trotzdem versuchen sollten, würde man uns von der Bahn aus sehen und oben eventuell abfangen. Ne, nicht so gut. So'n Mist aber auch, vom Tal aus zu starten würde zeitlich einfach viel zu knapp werden! Es muss doch zumindest ab der Mittelstation einen Weg hinauf geben!
Und tatsächlich - Flo findet einen unmarkierten Weg auf der Karte der auf dem ersten Blick so aussah als würde er in der Felsschraffur enden, bei genauerem Hinsehen aber geradewegs durch den Fels hinauf zu unserem eigentlich Aufstieg führt. Die Tour ist gerettet!
Allerdings heißt es jetzt erstmal wieder alle Räder aufs Auto laden und zur Bahn auf der anderen Talseite fahren. Denn die neue Ausgangslage bietet interessantere Abfahrtsmöglichkeiten. Trotzdem blöd! Schließlich verlieren wir dadurch mal wieder viel Zeit die uns hinten raus fehlen wird. Die Stirnlampen sind zwar eingepackt, aber wir können von mir aus ruhig noch im Hellen ankommen.
Wenigstens läuft nun alles reibunglos und wir werden problemlos mitgenommen. Endlich geht's voran! Wir verlassen die Station auf einem windigen Wiesenkamm. Von Westen her ziehen dunkle Wolken auf uns zu. Na, wenigstens Rückenwind!
Gerade als wir eine verlassene, verbarrikadierte Militäreinrichtung erreichen, zieht schließlich der erste Regen über uns hinweg. Während wir die Räder auf der windabgewandten Seite abstellen, fällt uns ein offener Verschlag auf! Das Fenster läßt sich auch von außen öffnen. Also, rein ins Trockene und im Dunklen den Gebäudekomplex untersuchen. Hätte nicht gedacht, dass wir die Lampen schon so schnell brauchen würden!

Wir lassen uns Zeit während draußen ein Schauer nach dem anderen über uns hinwegzieht und die nur kurz aufblitzenden Sonnenlücken wieder vertreibt. Die Tropfen fliegen im flachen Winkel am Fenster vorbei und als ich zu einem Rundgang rausgehe, fällt es mir schwer im Gegenwind normal zu atmen!
Nach über einer Stunde Warten wird's aber langsam Zeit. Regen hin oder her, wenn wir nicht weitergehen, wird's heute nichts mehr! Nach dem nächsten Regenschauer brechen wir auf. Wir sind nicht lange unterwegs, als der Niederschlag erneut einsetzt. Der unmarkierte Weg ist dafür sehr gut ausgebaut. Schnell gewinnen wir an Höhe. Nach ca. 40 Minuten hört auch der Regen dauerhaft auf! Als wir uns endlich auf der Leeseite befinden, gönnen wir uns eine kurze Rast. Unter und über uns ziehen die Wolken rasch das Tal hindurch.
Der weitere Weg führt von hier aus an alten Markierungen entlang über ein Geröllfeld zu einem steilen Hang voller losem Geröll und Schotter. Nun beginnt also der eigentliche Aufstiegsspaß! Da es aber ziemlich rutschig ist und wir schon bald an der ersten versicherten Passage ankommen, schaue ich mir die restlichen 200 Hm bis zur Felskante erst einmal ohne Rad an. Bevor wir um uns einen schwierigen Rückwegzu ersparen.
So geht es auch wirklich schnell vorwärts. Flo und Lev folgen mir. An Schwierigkeiten folgen noch eine Seilstelle, zwei steile Rutschpassagen. Ab und zu ist es auch etwas exponiert. Auf den letzten 50 Hm gibt es jedoch wieder einen Pfad. Oben angekommen werfe ich nur kurz einen Blick über das geröllige Plateau hinweg zu dem Weg auf den wir eigentlich wollen. Auch der sieht machbar aus. Sehr gut!
Ich gehe den anderen schnell entgegen und gemeinsam treten wir den Rückweg zu Claude und den Rädern an. Sowohl beim Ab- wie beim Aufstieg mit den Rädern müssen wir darauf achten Abstand zu lassen und möglichst keine Steine loszutreten.
Eigentlich schon etwas verrückt! Die Wege die für uns angeblich zu gefährlich sind, müssen wir nun durch einen viel anspruchsvolleren Aufstieg umgehen. Es ist auf jeden Fall nicht langweilig!
Als wir am Ende des Hangs das flache Schuttfeld erreichen, suchen wir uns erste einmal eine windgeschützte Mulde und durchforsten den Rucksack nach Essbarem. Wanderer und Bergsteiger laufen nicht weit von uns vorbei und scheinen doch etwas überrascht zu sein hier oben Biker anzutreffen.
Eigentlich hatte ich mich nun auf eine satte Viertausender-Aussicht gefreut. Doch diese verflixten Wolken umhüllen schon wieder alles und gewähren nur kurzzeitige Blicke auf die vergletscherte Flanke vor uns. Nach all der Planung ist es doch enttäuschend auch an diesem Tag kein Glück zu haben.
Wir gehen natürlich trotzdem weiter und wollen zumindest das erste Etappenziel für heute erreichen, eine Hütte am Rand eines kleinen Gletschers. Dazu müssen wir nur noch ein paar Hundert Höhenmeter einen Kamm entlang und den Gletscher queren.
Anfangs geht es auch noch recht gut vorwärts. Der Abstand zwischen uns und der großen Bergsteigergruppe vor uns wird zusehens kleiner. Doch je höher wir kommen, desto stärker wird der Wind der ungebremst auf den ausgesetzten Kamm trifft. Zum Glück weht er konstant und nicht in Böen. Aber sobald wir dem Wind in den Spitzkehren den Rücken zudrehen, werden wir richtig nach vorne gedrückt. Einmal hebt sogar das Rad von den Schultern ab und stößt gegen meinen Hinterkopf! Krass!
Nach einer kurzen Beratschlagung lassen wir die Räder lieber liegen. Sehr schade, wir haben vielleicht nur noch 150 Hm bis zur Hütte und der Weg sieht sehr interessant aus! Die Abfahrt erscheint uns bei den Windverhältnissen allerdings doch etwas zu heikel.
Ohne Zusatzgewicht geht es dafür nun richtig gut voran und wir haben die Bergsteiger bald eingeholt. Das ist auch sehr wichtig, denn auch sie scheinen die nächste Hütte anzusteuern. Rasch geht es über das teilweise recht blanke Gletschereis zu ihr hinüber. Wir laufen an zwei Zelten vorbei zum Rand des Steilhangs auf der anderen Seite. Der Windschutz aus Geröllmäuerchen markiert die restlichen, verlassenen Zeltplätze. Aber was liegt denn hier herum? Warum können die ihren Müll nicht selber mitnehmen oder zumindest zur Hütte bringen!?
Nachdem wir den Blick von der Felskante aus die unter uns liegenden Eismassen bewundert habe - die Wolken versperrten ansonsten weiterhin die Sicht, zieht es uns recht schnell weiter zur Hütte.
Dort können wir uns aufwärmen, die Regenklamotten trocknen lassen und etwas Warmes zu uns nehmen. Später kommen wir auch noch mit dem Führer der nach uns eintrudelnden russischen Bergsteigergruppe ins Gespräch. Sie wollen morgen eigentlich noch auf den Mont Blanc, auch wenn sie nach dem Wetterbericht nicht wirklich daran glauben.
Für uns geht es nun aber in der anderen Richtung weiter bzw. zurück. Der steife Wind hat auch nach der Rast nicht nachgelassen und wir sind gespannt auf die Abfahrt. Und die verläuft erstaunlich gut! In der eine Richtung dreht sich das Hinterrad beim Versetzten halt wie von selbst.
Vereinzelt kommen uns noch Bergsteiger entgegen die uns freundlich, aber ungläubig zuschauen und Fotos schießen. Bald schon sind wir aber völlig alleine und erreichen den für uns noch unbekannten Weg der angeblich so gefährliche ist. Während Claude noch einen Abstecher zu einem Geocache macht, fahren wir schon mal den Weg einen Geländeeinschnitt hinab und "spielen" ein wenig im Geröll.
Der Weg ist zwar etwas rutschig, hat aber durchaus Flow, so dass wir jetzt schnell voran kommen. Das ist auch gut so, denn es wird auch nicht heller! Da wir noch einiges an Strecke vor uns haben, trödeln wir nicht lange rum. Der Trail führt uns dabei immer näher zur Gletscherzunge heran, der wir ins Tal hinab folgen.
Der Regen vom Vortag scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. An einer Stelle müssen wir die matschigen Reste einer Moräne überqueren, welche den Weg unter sich begraben hat. Und wenig später hat es auch das Geländer mitgerissen.
Schließlich kommen wir an die erste Leiter. Mit Bikes ist das ja immer so 'ne Sache. Deshalb hatte ich mich auch nicht wirklich darauf gefreut. Aber hey, das sind gar keine Leitern, nur steile Treppen! Na, das ist ja nun gar kein Problem.
Der Trail läuft schließlich eben an einer Alm aus von der wir den einen leicht ansteigenden Pfad zurück zur Bergstation einschlagen. Dort steigen wir in die letzten 900 Hm unserer 2.000-Hm-Abfahrt ein und erreichen kurz vor 20 Uhr den Parkplatz. Gutes Timing! Wenig später wär's im Wald wieder recht dunkel geworden.
Recht zufrieden mache wir uns zur Fewo auf. Der Tag war eigentlich doch nicht so schlecht verlaufen. Zwar hatten wir unser eigentliches Ziel nicht erreicht und mit guter Sicht war's auch nichts gewesen. Vom Biken und dem Gesamterlebnis her können wir allerdings nicht meckern.
@Romarius:
Ja, ist wirklich schade anzusehen. Anhand alter Gemälde und Fotos wird der Rückgang der Gletscher übrigens auf
glaciers-climat.fr dokumentiert