Natürlich führt ein höheres Kraftniveau zu einer besseren Fahrleistung. Jeder der schon länger Rad fährt und erst später mit zusätzlichem Krafttraining begonnen hat, wird das bestätigen können. Das erklärt jedoch nicht, warum viele die am Berg schwächeln, das in erster Linie durch Kraftausdauertraining versuchen auszugleichen.
Man kann das nicht auf die einfache Formel bringen: "Ich brauche über einen längeren Zeitraum etwas Kraft, also trainiere ich im Fitness-Studio genau das, nämlich Kraftausdauer."
Leider ist es schwierig jemanden davon zu überzeugen, dass das nicht der beste Weg ist, um die Leistung gerade am Berg zu verbessern. Wenn man es auf die einfache Formel bringen würde: Hohe Kraft = guter Radfahrer, wären Powerlifter mit Kniebeugeleistungen von über 400kg die besten Radfahrer.
Dem Powerlifter fehlt es jedoch an der allgemeinen Ausdauer. Radfahren erfordert eben eine Mischung aus Kraft und Ausdauer. Also wird versucht Ausdauer und Kraft unter einen Hut zu bringen und es wird Kraftausdauer im Studio trainiert.
Wenn anfänglich genügend Kraft vorhanden ist, man aber trotzdem die Leistung nicht über den kompletten Zeitraum erbringen kann (siehe Dubbels Frage), schwächelt eine Komponente. (Kraft oder Ausdauer, natürlich stark vereinfacht, weil jeder um die hoch komplizierten Stoffwechselvorgänge im Körper weiß.) Es ist jedoch nicht die Kraft, sondern die Energieversorgung in der Muskulatur, an der es mangelt.
Ich bezeichne das jetzt der Einfachheit halber mal als Energieversorgung, auch wenn Sauerstoff und Nahrungsversorgung gemeint ist.
Dazu als Beispiel, auch wenn es etwas hinkt:
Ich will mit einem PKW mit 400 Ps hundert Kilometer weit fahren. 400PS ist die maximale Kraft, die der Motor leisten kann. Ein Verbrennungsmotor braucht zur Energieerzeugung ein Gemisch aus Sauerstoff und Kraftstoff.
Hier kann man durchaus eine Übereinstimmung mit dem Radfahrer sehen. Er kann eine maximale Kraft aufbringen (angeommen 150kg Kniebeugeleistung bei einer Wiederholung) und funktioniert ebenfalls als eine Art Verbrennungsmotor. Er braucht zum Arbeiten ebenfalls Sauerstoff und Kraftstoff (Energie in Form von Kohlehydraten und Fett).
Der PKW schafft die Strecke von hundert Kilometern jedoch nicht, da ihm nach zwanzig Kilometern der Sprit ausgeht. Eine Erhöhung der Kraftleistung des PKW auf 500PS, würde in diesem Fall nichts nutzen, da hier nicht die Ursache des Problems liegt, sondern in der mangelnden Energieversorgung.
Ähnlich ist es beim Radfahrer, der eine Steigung von zehn Kilometern Länge bewältigen will und der gezwungen ist nach zwei Kilometern die Leistung zurück zunehmen. Anfangs hat die Kraft gereicht (siehe Dubbels Frage, ob er mit der anfänglichen Kraftleistung zufrieden ist), es mangelt jedoch an der Energieversorgung um die Kraftleistung aufrecht zu erhalten.
Die Energieversorgung funktioniert hier nicht wegen mangelndem Sauerstoff, wenn man davon ausgeht, dass genügend Kohlehydrate bereit stehen. Hier hinkt der Vergleich zum PKW, da der genügend Sauerstoff, aber nicht genügend Sprit zur Verfügung hat.
Im Endeffekt kommt jedoch beides auf das Gleiche raus, nämlich das die Leistung abgebrochen werden muß. In beiden Fällen würde eine Erhöhung der Maximalkraft nichts nutzen, es muß also an der Energieversorgung gearbeitet werden. (siehe Dubbels Vorschläge)
Warum ist es beim Krafttraining trotzdem sinnvoller die Maximalkraft und nicht die Kraftausdauer zu trainieren?
Dazu muß man wissen, dass die Maximalkraft und die Kraftausdauer in direktem Zusammenhang zueinander stehen, wobei die Maximalkraft übergeordnet ist. Das bedeutet, wenn ich die Maximalkraft erhöhe, steigere ich automatisch auch die Kraftausdauer.
Im umgekehrten Fall, also wenn ich Kraftausdauer trainiere, verbessere ich die Maximalkraft nur minimal. Das kann man sich leicht vorstellen: Wenn ich ein Gewicht von 20kg x-mal heben kann, bedeutet das noch lange nicht, dass ich auch 100kg heben kann.
Im umgekehrten Fall kann man davon ausgehen, dass jemand der 100kg hebt es auch schafft 20kg x-mal zu heben. (Wenn auch nicht ganz so oft, als wenn er ständig mit 20kg auf Wiederholung trainiert.)
Man sieht also, dass sich gesteigerte Maximalkraft positiv auf das Radfahren auswirkt.
Warum sollte man aber nicht direkt Kraftausdauer im Studio trainieren, wenn man doch fürs Radfahren Kraftausdauer benötigt?
Ganz einfach, weil die Übereinstimmung zwischen Kraftausdauertraining im Studio und der Kraftausdauer auf dem Rad eben nicht so hoch ist, wie man meinen könnte.
Im Studio mit 20 oder 25 Wiederholungen bis zur Ausbelastung, kommt die Energieversorgung fürs Radfahren zu kurz, weil die Belastungsdauer zu kurz ist.
Für das Radfahren am Berg werden nicht so hohe Kräfte wie im Studio benötigt, es steht eine ausreichende Energieversorgung im Vordergrund.
Das Kraftausdauertraining im Studio ist also nicht optimal geeignet die Fahrleistung am Berg zu trainieren. Da aber die Maximalkraft automatisch die Kraftausdauer steigert, ist sie auf jeden Fall schonmal geeignet die Radleistung zu verbessern. Hier fehlt es lediglich an der Energieversorgung. (Powerlifter sind eben nicht die besseren Radfahrer.)
Die Ausdauerleistung trainiert man sinnvollerweise auf dem Rad. (siehe Dubbel)
Warum sollte man dann nicht einfach ein direktes Kraftausdauertraining zur Steigerung der Kraft auf dem Rad durchführen?
Weil der Kraftanteil bei Fahrten auf dem Rad einfach zu gering ist. Es lässt sich auf dem Rad weder wirkungsvoll Kraftausdauer, noch Maximalkrafttraining durchführen. (im Sinne von richtigem Krafttraining im Studio)
Warum ist ein Radtraining mit höherem Widerstand am Berg trotzdem wirkungsvoll?
Weil hier in erster Linie die Energieversorgung über eine längere Dauer trainiert wird. (Weit länger als beim Kraftausdauertraining im Studio.)
Warum ist es trotzdem sinnvoll für Radfahrer im Studio die Maximalkraft zu trainieren?
Siehe Antwort von Mod31.
Hier bleibt noch der alte Trainingsgrundsatz zu erwähnen, dass Trainingsinhalte nach Möglichkeit nicht gemischt trainiert werden sollen. (frei nach Dubbel)
Also Krafttraining im Studio und Ausdauertraining auf dem Rad.
Dass eine erhöhte Maximalkraft auf jeden Fall erstrebenswert ist, kann man auch wieder am PKW-Beispiel deutlich machen. Mit einem 400PS starken Wagen sind die hundert Kilometer auf jeden Fall besser und schneller zu bewältigen, als mit einem 100PS starken PKW, wenn die Energieversorgung stimmt.
Krückenmäßig auf den Radfahrer übertragen bedeutet das:
Der Radfahrer mit einer Kniebeugeleistung von 150kg wird den Berg schneller und leichter überwinden als die alte Oma, auch wenn bei beiden die Energieversorgung ausreicht.
Radfahren ist eben nicht nur ein reiner Ausdauersport, sondern erfordert auch ein gewisses Maß an Kraft, wie man leicht an den Beinen der Bahnfahrer sehen kann. Mit zunehmender Dauer der Belastung überwiegt jedoch die Ausdauer.
Diese Mischung aus Kraftleistung und Ausdauer wird bei der Leistungsdiagnose ermittelt.
Sollte hier irgend etwas nicht richtig dargestellt sein, haut ruhig feste drauf, ich kann das vertragen.