Mega, macht Lust selbst wieder aufn Bock zu steigen. Danke für eure Reiseberichte
Stimmt
Daher kopiere ich meinen auch mal vom
anderen Thread rüber ...
BERICHT 8: RHÖNTOUR
Der erste richtige Urlaub seit langem steht an und geplant ist eine schöne Tour u.a. durch die Alpen. Dann fallen zwei während der Tour geplante Besuche flach und vor allem scheint das Wetter auch nicht mitspielen zu wollen. Will ich mir nun knapp zwei Wochen mit Regen, Gewitter und ggf. sogar Hagel als Begleiter geben? Nein, nicht in diesem URLAUB

Da ich nun aber auch seit Jahren nicht mehr fliege, kommt nur eine pragmatische, lokale Lösung infrage. Heißt: Erstmal wird zuhause ausgeschlafen, dann radel ich hier vor Ort etwas durch die Gegend und breche dann zu drei relativ entspannten Tagen mit sicher gutem Wetter in die Rhön auf ...
Tag 1: Rotenburg (Fulda) - Wüstensachsen/Rhön Camping (105 km)
"Übermotiviert" bin ich zwei Haltestellen früher ausgestiegen ... geht ja gut los! Also grob dem alten
Garmin, grob gelegentlichen Beschilderungen folgend erstmal (unnötig) ein Berg rauf, aber dann irgendwann auf richtiger Route nach Bad Hersfeld, von wo es eigentlich losgehen sollte - und nun endlich geht.
Der Himmel ist gräulich, aber es bleibt abgesehen von kurzem Nieselregen trocken. Jedenfalls habe ich die Strecke für mich allein, bis ich plötzlich einen Blick im Nacken spüre. Dieser Blick, der sagt: "Ich sehe dich und behalte dich genau im Auge, Freundchen!" Also langsam angehalten, umgedreht und dann gab es etwa eine Minute Blickkontakt mit Herrn Reineke.
Das ist schon ein besonderer Moment (den ich hier nur pixelig reingezoomt wiedergeben kann). Gleichzeitig wirkt der Gute schon etwas in die Jahre gekommen und altersschwach (oder krank?). Jedenfalls ziehen wir dann irgendwann einvernehmlich doch jeder wieder unserer Wege.
Für mich geht es auf sehr ruhigen, meist glatt asphaltierten Wegen Richtung Süd-Ost. Gelegentlich streife ich kleinere Dörfer oder Ortschaften, von denen ich nicht weiß, ob sie sich schon "Kleinstadt" nennen.
Den Biologen vermutlich klar, ich muss zweimal hingucken: Der Kopf ist links.
Eine eigene Lostplaces-Tour wäre in der Rhön sicher mal interessant (wobei in diesem Fall dahinter noch jemand wohnt).
Tja, und dann habe ich mich zur Milseburg emporpedaliert. Zur Milseburg? Nein, genauer gesagt nur bis kurz nach der Milseburgstube, denn dann heißt es für mich: Schieben!
Eine kurze Passage ist noch einmal fahrbar (für mein bepacktes Tourenrad - der Rest ginge vllt. auch mit MTB?) und von hier aus gibt es einen schönen Blick nach Süden zur Wasserkuppe (Mitte des Bildes, rechts neben den Bäumen). Zu Rucksack-Wanderzeiten habe ich auch einmal bei einer Schutzhütte an dem hellen Weg im Tal gepennt.
Irgendwann ist es aber auch mit dem Schieben vorbei und ich muss das Rad an einen Baum anschließen, die Packtaschen zumindest abnehmen und den felsigen Weg weiter emporstapfen. Da merke ich dann langsam doch die bisherige Strecke, die Höhenmeter und die Knie. Aber die Aussicht von der Milseburg oder mehr noch: die gesamte Atmosphäre da oben lohnt einfach die Mühen. Kurz bin ich dort tatsächlich auch allein. Ein kurzer Schnappschuss und dann sind schon wieder andere Menschen da - die sich natürlich schon gefragt haben, wem dieses einsame Rad mitten im Wald auf unfahrbarem Weg gehören würde. Kurzer Smalltalk, dann aber weiter, denn die Zeit drängt: Ich will noch vor 18 Uhr den Camping-Platz erreichen.
Irgendwie habe ich mir das Höhenprofil aber falsch gemerkt: Statt schnurrstracks und nur noch bergab zum Platz zu rauschen, zieht sich das Ganze noch ewig mit stetem Auf und Ab hin. Ziemlich platt rolle ich dann erst ca. 18:45 beim Camping-Platz in der Nähe von Wüstensachsen ein. Dort dann das übliche Procedere und zur Feier das Tages eine kalte Cola, während noch zwei Kinder im Dunkeln fangen spielen und die Erwachsenen mit Kerzen vor ihren Wohnwägen hockten.
Tag 2: Rotenburg (Fulda) - Camping Strandbad Breitungen (81 km)
Überraschend erholt (für Camping-Verhältnisse auf einer Radtour

) wache ich nach der ersten Nacht im neuen Lanshan 1 auf. Dazu hat beigetragen, dass ich erstmalig (1.) eine aufblasbare Isomatte (mit der alten Isomatte als Unterlage), (2.) ein aufblasbares Kopfkissen und (3.) Ohrenstöpsel dabei hatte. Man wird alt - aber nicht unglücklicher. Ich jedenfalls bin heilfroh, halbwegs gepennt zu haben und so erholt in einen Tag starten zu können, von dem ich noch nicht weiß, dass ich zweimal den puren Hass auf die (bzw. meine ...) Streckenplanung von Brouter entwickeln würde.
Nachdem ich nämlich meinen Kram zusammengepackt habe und nun bereit bin für die Attacke auf die Wasserkuppe lotst mich mein
Garmin (bzw. der Track bzw. letztlich meine Streckenauswahl) bald immer mehr auf nicht mehr fahrbare Wanderwege. Eine Zeit lang mache ich das Geschiebe noch mit - in der Hoffnung auf Besserung. Dann kommt neben dem ersten Moment des Hasses die Einsicht: Ich habe zuhause vermutlich "sicherste Route" bei Brouter ausgewählt und lande nun entsprechend auf der "sicherste Route", während die nicht allzu ferne Landstraße die todbringende Gefahr darstellt. Waghalsig wähle ich aber nun genau diesen Weg und kurbele schwitzend, aber deutlich zufriedener gen Wasserkuppe.
Dort oben ist ein riesiges Spektaktel. Massen an Segelfliegern sind unterwegs. Ein Trupp älterer Herren vom Amateurfunk-Verein geht seinem Hobby nach. Viele Familien, viele Radler, viel Trubel. Während ich im Schatten raste, Kalorien nachschiebe und Wasser nachkippe lausche ich dem "Gespräch" eines älteren Herren mit seiner Familie und bin einmal mehr froh, "normale" Kommunikationsformen erfahren zu haben, statt seines permanenten Gemotzes und Geblaffes - vermutlich war er noch nicht einmal wütend. Naja, ich genieße dann lieber die Aussicht und das spätere Gespräch mit einem weiteren älteren Herren, der wegen Schulter-OP nun ein Jahr auf dem Liegerad verbringt und sich dann auf weitere Brevets freut. Chapeau!
Nach dem Trubel geht's in die Waldeinsamkeit. Die Ulsterquelle kommt dann wie gerufen, denn die eigentlich zuvor anvisierte Fuldaquelle war nur noch ein Rinnsal.
Über den dann folgenden Landstraßen-Abschnitt freue ich mich aber doch auch, weil's einfach flüssiger rollt. Da auf dem Smartphone-Bild von mir eh kaum etwas zu erkennen ist, gibt's auch mal Mensch + Maschine - und im Hintergrund die Wasserkuppe.
Dann kommt der Satan mit all seinen schaurigen Schergen im Schlepptau und führt mich in Versuchung: Es ist heiß, ich bin durstig und hungrig und dann steht da am Wegesrand "EIS!". Keine Sekunde widerstehe ich und stapfe damit in die nächste Falle, denn das Eis befindet sich in einem Selbstbedienungsladen und kostet 3 Euro pro Becher. Hätte man 3 Euro passend, sähe das dann so aus:
Wenn man aber nur 1 Euro und einen 5 Euro Schein hat, sieht das quasi naturgesetzlich so aus:
Ich komme mir etwas dekadent vor, aber das Eis ist köstlich und ich werde die Energie brauchen, denn der zweite Moment des puren Hasses kommt bald. Ich folge brav meinem Track und ich folge damit auch brav einem Radweg. Nur, der Radweg geht dann so weiter:
Man sieht links Wiese und rechts Acker. Man erahnt vielleicht noch Reifenspuren. Das ist meine Hoffnung und ich kämpfe mich da auch im leichtesten Gang eine Zeit lang durch die buckelige Wiese, aber irgendwann ist der Ofen aus und ich schiebe wieder wie ein Ochse meinen Bock den Berg durchs hohe Gras bergauf. Sowas schlaucht mitunter mehr als langes Strampeln auf einer asphaltierten Straße.
Aber auch das währt nicht ewig und so komme ich schließlich noch halbwegs zeitig am Campingplatz an. Auf dem Weg dahin passiere ich noch einen weiteren Lostplace, der mich sehr gereizt hätte, aber auch direkt an der Straße liegt.
Der Campingplatz vom Strandbad Breitungen ist günstig und groß. Der gestrige Platz gefällt mir besser, aber auch hier will ich mich nicht beschweren: knapp 20 Euro, im einen Teil ordentliche/saubere Sanitäranlagen, ein Badesee und unkomplizierte Abwicklung. Alt werde ich aber auch hier nicht.
Tag 3: Camping Strandbad Breitungen - Bebra (60 km)
Heute bin ich früher als gestern auf den Beinen und rolle bereits um 8 Uhr los. Sehr erfreut bin ich darüber, dass die Knie sich bisher nicht beschweren. Weniger erfreut bin ich (wie schon am Tag zuvor) darüber, dass die Klamotten über Nacht kaum getrocknet sind. Immerhin die Radhose habe ich in zweifacher Ausführung mit. Also Regenjacke drüber und strampeln, damit es warm wird. Bei der "Hohle[n]hütte" mache ich nochmal Pause - nicht zuletzt weil sie so kurios war. Der "Galgen" rechts ist ein Grill und für den geneigten Grillmeister ist an alles gedacht (inklusive eines geschmiedeten Bierflaschen-Halters). Da Martin Luther familiäre Wurzeln in der Ecke hat, darf natürlich auch eine seiner wesentlichen Sentenzen auf dem Grill nicht fehlen: "Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?"
Danach geht's meist auf weiterhin ruhigen Wegen - mal asphaltiert, mal geschottert - weiter nach Bebra.
Ein Highlight (?) der Region ist noch der "Monte Kali", eine Salzaufschüttung des dortigen Kalibergbaus, der sich tatsächlich pompös auf einmal in der sonst wieder etwas flacher werden Landschaft abzeichnet.
Fast als Punktlandung komme ich in Bebra an, steige in den Zug und fahre tatsächlich ohne größere Ausfälle (bis auf das WC der DB, aber man ist ja froh, wenn die Züge in Deutschland überhaupt rollen) nachhause. Dort angekommen empfängt mich Regen. Das trockene Zeitfenster habe ich also voll ausgenutzt und vor allem die Tour sehr genossen.