M
Menis
Guest
Original geschrieben von Ackebua
Danke Ropp,
daß Du als einer der wenigen Kader die alte Tradition des Radfahrens und des anschließenden Verfassens des Tatsachenberichtes beibehältst...
diesem zitat folgend, möchte ich mich aufmachen, von der kleinen radtour durch das fremde italien zu berichten. doch der reihe nach...
.... zuerst die arbeit dann der spass. eigentlich stand eine messe in bologna im vordergrund des interesses. statt modernsten reise- und fortbewegungsmitteln aufzusitzen, wurde das gepflegte und mit neuer sitzgelegenheit versehene rennrad in den kofferraum des vierrads gezwungen. bei regnerischem, ja - winterlichem wetter wurden die 1200 km nach bologna zu einem freudenritt. auch diese sonst um diese jahreszeit schon mit sommerlichen temperaturen prahlende stadt verbarg sich in einem mantel aus nebel, regen und schneestaub. so war die messe weniger von vorfreude auf herrliche radtouristische ausflüge geprägt, sondern schwebte vielmehr der dunkle verdacht in den hallen, dass wohlmöglich das rad den kofferraum in diesem fremden lande nicht verlassen werde.
doch - wie sollte es anders sein - am samstag erstrahlte der himmel in herrrlichem azurblau und auch die temperaturen kletterten auf akzeptable 10 grad. ruckzuck verschwand bologna im rückspiegel und ich näherte mich den bergen in richtung florenz. kaum die autostrada verlassen, zeigten sich schon viele radler - alle in klassischen outfit, bis an die zähne bewaffnet und generell in kompletten teamfarben (natürlich meistens team saeco...).
plötzlich fühlte sich mein lenkrad feucht an und in hektischer eile, vom ausblick auf schneebedeckte gipfel getrieben, durchzog ich in engen serpentinen die frühlingshafte kulisse der in der sonne liegenden hügel. auf etwa 600 meter höhe, eben hinten dem netten ort ciano di zocca (holla - was für eine steile ortsdurchfahrt...) zog ein einsam gelegenes, aber traumhaft restauriertes, altes gemäuer seine aufmerksamkeit auf sich.
vom hof dieses anwesens bot sich mir ein phantastischer rund-um-blick, der nur in etwa erahnen lies, welche schönen strecken auf mich warteten. die wirtin sprach erartungsgemäß kein wort englisch, kein wort deutsch und ich kein wort italienisch - trotzdem waren wir uns schnell handelseinig und nebenbei erfuhr ich, dass ich der erste "ausländer" in dieser lokalität zu sein schien. vom zimmer aus konnte ich über die hügel bis modena sehen, es war mit fussbodenheizung, langem bett (rifli, husten und acke können das sicher auch schätzen) und einem topp-bad, alles in dem typisch rustikalen baustil der region, ausgestattet (nebenbei: frühstück mit frischem grapefruitsaft, müsli, hausgemachter konfitüre und natürlich bestem kaffee - abends vorspeisenteller, dann zweimal pasta, dann hauptgericht, dann süßspeise mit wein und wasser satt. komplettpreis 45 ! daran war nix zu meckern! der platz ist als ausgangsbasis für radtouren in der region bestens geeignet...).
nach sichtung des basislagers flugs in die kampfausrüstung gesprungen und schon fühlte ich den italienischen asphalt unter den neuen gp 3000ern. im wiegetritt, mit blick auf die sich nähernden und mit schneebedeckten regionen, genoss ich die wärmende sonne. vorbei an blühenden kirschbäumen, an frischen frühlingsblumen, an rauschenden bergbächen erklomm ich langsam die ungewohnt langen steigungen. in endlosen serpentinen schraubte ich mich in die höhe. erst lag nur an den nördlichen berghängen etwas schnee, dann immer mehr, bis schliesslich in zocca die menschen ihre einfahrten und die bürgersteige schneeschiebender weise unter kontrolle zu bekommen versuchten.
es war eine reise vom frühling in den winter. von zocca aus fuhr ich auf verschiedenen bergkämmen nach castel d ajano. eine typisch italienisches dorf. es war gerade markt und die leicht abschüssige ortsdurchfahrt ermöglichte recht hohes tempo. die älteren herren - seit je her radsportgebeistert - feuern einen an und nie wird man von autos angehupt, geschnitten oder nach brandenburger vorbild schlecht behandelt. radsport gehört in italien eben zur tradition. nach gaggio montano ging es bergab. mit nahezu wahnsinnigen geschwindigkeiten durch die serpentinen richtung frühling. traumhaft. vor glück schreiend ging es mit um die 70 km/h bergab - suchterzeugend. allerdings stellte ich in gaggio montana fest, dass sich wieder eine speiche in meinem hinterrad verabschiedet hat. radiale speichung ist eben nichts für einen schweren sack wie mich... .
ein fahrradhändler zog eine kiste mit unsortierten speichen hervor und mit laufender untermalung von gesten und allerhand italienischem kauderwelsch (inzwischen hatten sich einige herren in dem laden versammelt, die alle irgendwas von mir zu erfahren versuchten...) fanden wir schliesslich eine passende speiche, die schnell eingesetzt und nachzentriert war. nur mit mühe konnte ich dem händler einen euro aufzwingen und so verliess ich gaggio in richtung lizzano.
inzwischen hatte mich der frühling wieder und ich konnte sogar den windbraker ausziehen. im rausch einer abfahrt verpasste ich leider die abzweigung nach fanano und brauste so bis ins tal. dort sprang mir ein nettes cafe ins auge. die sonne schien, die herren sassen draussen und so gönnte ich mir auch einen kaffee, einen liter wasser und ein stück klebriges gebäck.
doch dann wieder hoch und irgendwie hat es mich nicht geärgert. die abfahrt und die pause waren schön und auch dieses "sich langsam den berg hocharbeiten" machte wahnsinnig spass. über den pass verliess ich die berge richtung westen und nagelte auf einsamen strassen ins tal. von fanano aus ging es bei recht heftigem gegenwind am fluss panaro entlang. 40 kilometer weit wehte es recht kühl und kräftig, bis ich in marano sul panaro wieder rechts in die berge abbog. mir war klar, dass sich jetzt ein recht heftiger anstieg anschliessen würde und so versuchte ich die ersten serpentinen locker anzugehen. bis guiglia waren es zwar nur 12 kilometer, aber steil war es! ich hatte schon etwa 110 kilometer und etwa 1500 höhenmeter in den beinen und so sollte in guiglia nochmals etwas kuchen in die mühle geschoben werden.
wieder wurde ich in ein durch wildes fuchteln geprägtes gespräch verwickelt. scheinbar war ich in touristisch noch nicht völlig erschlossenen gebieten unterwegs - zumindest verirrten sich nicht viele deutsche radfahrer hierher. nur unwillig nahm auch dieser wirt die bezahlung entgegen und so griff ich die letzten 20 kilometer steigung bis zocca an.
kurz hinter roccamalatina bemerkte ich wieder ein zartes "ping" in meinem hinterrad. wieder eine speiche weg... . nagut - dachte ich - ist ja nicht mehr weit. wenige kilometer weiter folgte eine weitere speiche und es machte sich ein etwas mulmiges fahrgefühl breit. super. dann eben keinen wiegetritt mehr, sondern zart kleine gänge kurbeln. so erreichte ich etwas frustriert zocca und musste dann die letzten kilometer bis zu der pension vorsichtig bergab rollern.
ich war froh dort angekommen zu sein. das hinterrad war komplett im ar$ch - so wie ich auch. es war eine der schönsten radtouren meines lebens! der ständige wechsel zwischen sommer und winter, die nahezu autofreien serpentinen, die sensationellen ausblicke! es war top und sicher war ich nicht das letzte mal dort... menis