Bremseinsatz

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Hallo zusammen

Die Theorie besagt (und die Praxis bestätigt es idR.), dass man v.a. als Anfänger eher mit permanent schleifender Bremse den Hang runter rollt/rutscht und mit zunehmender Erfahrung rollen lässt und dafür heftiger ankert, wenn nötig.

Ich versuche mich zu achten, wie das die Pro`s in den Steinfeldern und Wurzelteppichen dieser Welt machen, nur sehe ich das nicht. Gut, manchmal hört man ein Scharren der Reifen, aber ich kann mir echt nicht vorstellen, dass man wie z.B. letzte Woche in Fort William über die Steine im Wald, oder jetzt in Leogang im Steilstück mit den abgesägten Bäumen, einfach laufen lassen kann. Das würde doch eine Beschleunigung generieren, die nicht mehr kontrollierbar ist. Zumindest nach meinem Verständnis/Können und eigener Erfahrung.

Ist es nicht eher so, dass es ein permanentes Abtasten zwischen Kontrolle (bremsen schleifen/antippen) und Zeitgewinn (rollen lassen) ist? Mit anderen Worten, dass auch der Pro länger schleifen lässt, als gemeinhin vermutet.

Gibt ja sicher auch Leute hier, die ein fahrerisches Niveau haben um diese Frage aus eigener Praxis zu erklären. Würde mich echt mal interessieren.

Gruss Sespri
 
oder jetzt in Leogang im Steilstück mit den abgesägten Bäumen, einfach laufen lassen kann. Das würde doch eine Beschleunigung generieren, die nicht mehr kontrollierbar ist. Zumindest nach meinem Verständnis/Können und eigener Erfahrung.
Wie lange ist dieses Steilstück und wie lange läßt du da die Bremse schleifen ? Ein paar Sekunden .
Und was ist mit dem sonstigen schleifenlassen gemeint ? Ein paar hundert Hm ? Bis die Scheibe anläuft u. die Beläge zum rauchen anfangen .
Das mußt schon differenzieren
 
Das ist ja meine Frage...Weiss jetzt nicht, inwieweit ich das noch differenzieren muss?

Anderer Ansatz:

In meinen Anfängen des MTB bin ich sehr steile, ein paar hundert Hm lange Stücke, durchaus mit permanent schleifender Bremse und verkrampfter Haltung mehr runtergerutscht als gefahren, bis die Bremsen gestunken haben. Dass das suboptimal ist, war mir auch bewusst, nur habe ich mich halt nicht mehr getraut. Heute lasse ich es eher mal laufen und verzögere dann, wenn`s Fahrtechnisch noch möglich wäre zu fahren, aber mir nicht mehr wohl ist. Diese Grenze muss beim Pro weiter weg angesiedelt sein, will er gewinnen, aber auch für ihn gelten physikalische Gesetze. Bringt ja nichts, wenn man es mit völlig geöffneter Bremse krachen lässt und kurze Zeit später in der Botanik liegt.

ODER - und da setzt eben meine Frage an - lassen es die Pro`s wirklich mehrheitlich ungebremst laufen und fangen alles mit Können auf? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Wie lang ist das Steilstück in Leogang? In einem Monat bin ich dort, dann kann ich es Dir sagen:bier:. Nach TV Bilder so 100-200 m mit abgesägten Baumstümpfen und dahinter badewannengrosse Löcher und das Ganze gespickt mit Wurzeln und das alles im nahezu freien Fall.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort ohne Bremskontrolle runterkommt...
 
lassen es die Pro`s wirklich mehrheitlich ungebremst laufen und fangen alles mit Können auf? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen
Warum gewinnt einer Downhillrennen und du nicht ? Weil er ganz einfach besser fährt . Und dazu gehört Bremsen , Kurfentechnik ev. auch der Antritt , springen usw. . D.h. die Summe aus allen . Und das gilt für alle diese Sportarten . Also fahr einfach und schau denen die dich lächelnd überholen zu wie sie dass machen . Und nur Mut ist zuwenig . Da geht es um Training , Training , Training .
 
Wer bremst verliert :D war schon immer so, um schnell zu sein ist es halt wichtig sein Rad zu beherrschen und an den richtigen Stellen zu bremsen, an nassen Stellen (Wurzeln, Steinfelder)wie letzte Woche in FW wird nicht gebremst, das gibt meist Aua
 
Grundsätzlich wird auch der Pro versuchen die Bremse nur "schleifen" zu lassen, da ein blockiertes Rad in mehrerlei Hinsicht unvorteilhaft ist.
Heute lasse ich es eher mal laufen und verzögere dann, wenn`s Fahrtechnisch noch möglich wäre zu fahren, aber mir nicht mehr wohl ist. Diese Grenze muss beim Pro weiter weg angesiedelt sein, will er gewinnen, aber auch für ihn gelten physikalische Gesetze.
Das dürfte der Knackpunkt sein. Du verzögerst weil es zu wild wird, der Pro weil irgendwann die Grenzen der Physik erreicht sind.
Um möglichst nah an diese zu kommen, wird der Pro so wenig und spät wie möglich bremsen (und die Bremse sobald als möglich wieder öffnen). Das beinhaltet aber auch, dass er die Geschwindigkeit in einem Steilstück soweit kontrolliert, dass er vor der darauffolgenden Kurve noch ausreichend verzögern kann. Im heftigen Gelände kann das durchaus anspruchsvoller sein als "Bremse auf und durch" (Beispiel dafür kommt gleich). Bei dem Teilstück mit den Stümpfen in Leogang würde ich behaupten, dass die Pros die Bremse durchaus öffnen.

Jetzt zum eben genannten Beispiel: In der Streckenvorschau bei 1:26 sagt Gee "hard on the brakes here", sprich er verzögert vor dem Steilstück stark und ich behaupte, dass er auch in dem Steilstück die Geschwindigkeit durch Bremsen kontrolliert um die direkt folgende Rechtskurve zu erwischen. Etwas ältere Bilder von dem Steilstück auf: https://www.bikepark-info.com/bikeparks/at/bikepark-leogang/ (nach unten scrollen, Bild 5 und 6 in der Galerie). Zum Zeitpunkt der Bildaufnahme konnte man problemlos langsam in das Steilstück einrollen und dieses mit offener Bremse durchfahren. Im Anschluss war genug Auslauf um für die folgende Kurve (die auch noch als Anlieger gebaut war) abzubremsen. => "Bremse auf und durch" ist an der Stelle deutlich einfacher, als während der Steilabfahrt mit Kanten auch noch die Bremse gefühlvoll einzusetzen. Die Pros sind bei Rennen ins Steilstück reingesprungen und dann in die Eisen :)
Auch beim Steilstück am Schluss (3:31) kommen imho die Bremsen zum Einsatz um die Geschwindigkeit zu kontrollieren. Würde er ab 3:31 die laufen lassen, reicht der Bremsweg vor der Rechtskurve nicht aus.

Das sind die beiden offensichtlichsten Punkte, aber gibt sicher genügend dazwischen. Wie gesagt wird der Pro versuchen, so nah wie möglichen an die Grenzen des physikalisch Machbaren zu kommen und dementsprechend die Bremse nach einer Kurve schnellstmöglich öffnen, z.B. 3:17 - anbremsen, Einfahrt ins Steinfeld, Bremse auf, vor der engen Baumdurchfahrt wieder anbremsen, danach vermutlich Geschwindigkeit mit der Bremse kontrolliert und wenn's durch die Linkskurve in die Gerade geht Bremse wieder auf.
Auch die Pros fahren sicherlich nicht "Vollbremsung" oder "Bremse offen" sondern nutzen die Stufen dazwischen.

tl;dr Anfangs bremst einen der Mut, anschließend das Können und am Ende die Physik.
 
@oeger

Herzlichen Dank für deine ausführliche und kompetente Antwort!

Das ich selber kein Pro bin, weiss ich auch, aber um das ging es mir in der Frage auch nicht. Um die Frage annähernd abschliessend beantworten zu können, müsste man mit dem Pro zusammen an der Kante stehen und ihn fragen wo und wie stark er in der folgenden Sektion bremst.

Aber der Hinweis auf die Streckenvorschau ist Gold wert. Ich kannte diese schon, habe mich aber zu wenig auf den Text geachtet. Und in der Tat, er weisst doch an einigen Stellen darauf hin, was er Geschwindigkeitstechnisch gerade macht. Bei 3:31 geht er definitiv in die Eisen. Man hört die Reifen schaben und er sagt "...on the brakes". Bei 3:40 "need to hold speed through" und bei 3:50 "slowly down the for the woods and then back to speed".

Erstaunt hat mich die Stelle bei 3:50. Rein optisch sieht es aus, als würde er ungebremst durchkrachen, aber da kommt vermutlich die von Dir erwähnte Zwischenstufe. Leichtes Antippen zur Kontrolle und wenn die Karre wieder stabil steht - Bremse auf!

Aber eben, nur schon der Abschnitt zwischen 3:31 und 3:40. Hart anbremsen und dann Augen zu und durch um Speed zu generieren - da würde bei mir das Gesäss schon lange auf Grundeis gehen.o_O
 
Das kommt mMn einfach komplett auf die betrachteten Abschnitte an und Können an. Irgendwann ist dann auch wie schon gesagt eine physikalische Grenze erreicht. Es gibt tausend verschiedene Fahrsituationen, für die es bessere und schlechtere Bremstaktiken gibt. Oft ist es einfach eine Kurve am Ende einer Sektion, Kurven kann man einfach nicht unendlich schnell fahren. Könner bremsen dann oft kürzer und härter vor der Kurve um dann durchzurollen. Es gibt aber auch tausend verschiedene Kurven und Situationen und garantiert auch welche wo Profis schleifen lassen.
Wenn es dauerhaft richtig Steil und rutschig wird muss man irgendwann ständig/öfter die Geschwindigkeit kontrollieren, weil es sonst durch den geringen Grip nicht mehr abzufangen ist in kurzer Zeit. In drei Wochen ist der DH Worldcup in Andorra da gibts enige solcher Situationen wo ich mit Sicher bin, dass da auch Profis mal die Bremse schleifen lassen.
 
Habe gestern etwas zu diesem Thema gefunden. Geht hauptsächlich um die Telemetrie, aber der Bremseinsatz wird auch aufgezeichnet. Erstaunt bin ich, wie häufig die HR Bremse zur Stabilisation eingesetzt wird. Das wird ein korrigierendes Schleifen sein, gross abbremsen sehe ich ihn nicht.

Und auch bei welchen Abschnitten er überhaupt nicht bremst! Da wäre mir Stellenweise nicht mehr wohl bei der Sache...

 
Leichtes Antippen zur Kontrolle und wenn die Karre wieder stabil steht - Bremse auf!
Ist das nicht das normale verhalten um den Speed zu kontrollieren? Ich versuche immer: so wenig und spät wie möglich und so hart wie nötig zu bremsen. aber eigentlich gerade in schwierigen Passagen versuche ich so wenig wie möglich zu bremsen und eben maximal anzutippen. Je langsamer man sein muss desto mehr wird aus dem tippen dann ein wirkliches bremsen.

coole idee mit dem video, aber mein italienisch ist leider nicht so gut ;)

sieht man auch schön im video um das tempo zu kontrollieren wird meist hinten angetippt. Wenn es richtig übel wird ist hinten mehr zu und vorne tippt auch immer mal wieder.

Und auch bei welchen Abschnitten er überhaupt nicht bremst! Da wäre mir Stellenweise nicht mehr wohl bei der Sache...
der trick ist so schnell wie möglich rein zu fahren. gebremst wird vorher.
 
Ist das nicht das normale verhalten um den Speed zu kontrollieren?
Ja schon, ich dachte eher, dass später gebremst und dafür umso heftiger mit beiden Bremsen. Klar, wenn man dann fast wieder still steht, ist es auch kontraproduktiv. Letztlich ist es ein möglichst geschmeidiges Durchflutschen mit minimalstem Einsatz.

Aber das mal so zu sehen, ist allemal interessant.

Btw. den ersten Satz, den zu zitierst - wo hast du das so von mir geschrieben gesehen...? :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Btw. den ersten Satz, den zu zitierst - wo hast du das so von mir geschrieben gesehen...? :D

darin: der hintere teil.

Erstaunt hat mich die Stelle bei 3:50. Rein optisch sieht es aus, als würde er ungebremst durchkrachen, aber da kommt vermutlich die von Dir erwähnte Zwischenstufe. Leichtes Antippen zur Kontrolle und wenn die Karre wieder stabil steht - Bremse auf!
 
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