Grundsätzliches ... zum Thema 
Helm tragen
Helm oder nicht 
Helm? Diese
Frage bringt immer wieder
die Gemüter in Wallung. Als
Auftakt zur neuen aR-Serie
Grundsätzliches zu 
 also
genau richtig. In dieser setzt
sich die Redaktion mit Themen
auseinander, die bewegen.
Es soll natürlich auch um
Fahrräder gehen, um nötige
oder eigentlich unnötige
Ausstattung und um Aspekte,
die vielleicht bisher zu kurz
gekommen sind.
Die letzten warmen Tage des
Jahres lockten die Radfahrer
wieder reihenweise an die frische
Luft. In der Stadt, auf dem Land,
überall schwärmten sie aus, bewegten
sich und ihre Räder vielfach ein letztes
Mal in diesem Jahr. Mal mit, mal ohne
Helm. Und genau das Ohne bereitet
mir Kopfzerbrechen. Erst recht, wenn
ich Familien sehe, die auf kurvigen und
unübersichtlichen Landstraßen radeln.
Dort eben, wo Autos mitunter viel zu
schnell und ohne ausreichende Vorausschau
unterwegs sind. Die Kinder
sind ja immerhin noch gut behütet.
Die Eltern aber nicht! Das macht doch
nachdenklich. Ich meine: Alle Radfahrer
sollten einen Kopfschutz tragen,
weil die Vorteile die Nachteile deutlich
überwiegen!
Damit sind wir auch schon mittendrin
in der Diskussion um das Thema Fahrradhelm
 ja oder nein?, die ich anregen
beziehungsweise weiterführen
möchte. Bevor wir tiefer in die Materie
einsteigen, will ich noch zwei Punkte
klarstellen. Eine generelle Helmpflicht
lehne ich zunächst einmal ab. Wäre
wirklich schade, wenn dadurch Menschen
wieder vom Rad stiegen  und
so die vielen positiven Vorteile des
Radfahrens zunichte gemacht würden.
Wobei dieser von vielen  auch
Radverbänden  prophezeite Effekt
aber erst mal zu beweisen wäre. Ich
appelliere lieber an die Vernunft.
Zweitens möchte ich deutlich machen,
dass ich weder missionieren noch den
Helm-Herstellern einen Gefallen tun
will. Vielmehr sehe ich diese in der
Verantwortung, bei Aufklärung und
Design nachzulegen  im Interesse
ihrer Kunden und damit letztlich auch
im eigenen Interesse.
Mein Ziel ist es, Verständnis für das
Tragen von Helmen beim Radfahren
zu wecken. Trotzdem kann ich mir
eine kleine Provokation nicht ganz
verkneifen und eröffne die zweite
Runde mit den deutlichen Worten
Wo nichts im Kopf ist, muss auch
nichts geschützt werden.
Emotionale Debatte
Stöbert man im Internet oder hört
man sich mal um, wird klar, die Diskussion
erhitzt die Gemüter. Und
durch die Meinungsverschiedenheiten
türmen sich schnell scheinbar unüberwindbare
Gegensätze auf. So ist
eine emotionale Debatte entstanden,
die sich eigentlich im Kreis dreht. Die
Contra-Seite bildet da genauso wenig
eine Ausnahme wie die Pro-Fraktion.
Aber ich  und mit mir die Redaktion
 finde eben, die Befürworter haben
bessere Argumente auf ihrer Seite.
Zurück zu den Standpunkten der Kritiker:
Die Frisur werde ruiniert, heißt
es zum Beispiel an beinahe prominentester
Stelle. Sehr schnell bei der Hand
ist auch das Schild der Risikokompensation.
Danach sollen Menschen,
die sich mit besonderen Maßnahmen
schützen, diese gewonnene Sicherheit
durch riskantere Verhaltensweisen
ausgleichen. Für Radfahrer hieße
das, ein 
Helm verleite zu gefährlicherer
Fahrweise. Manche Auto- und
einige Radfahrer (!) zeigen dazu besonders
gerne auf Helmträger, die
sich allzu rasant und rücksichtslos im
Straßenverkehr bewegen. Gut, solche
Rabauken gibt es immer und überall.
Sie sollten uns abschreckendes Beispiel,
nicht aber Grundlage unserer
Meinungsbildung sein.
Sicher erfahren
Diese und die vielen anderen Argumente
kann ich ja grundsätzlich verstehen.
Nur nachvollziehen kann ich sie eben nicht! Waren sie nicht alle auch schon
mindestens einmal da? Als es um eine
allgemeine Helmpflicht für Motorradfahrer
ging? Oder die Anschnallpflicht
für PKW-Insassen? Was war das für ein
Zeter und Mordio. Noch heute schnallen
sich Unverbesserliche nur an,
wenn Polizei naht. War letztlich alles
wirklich so schlimm? Oder war alles
für die Katz? Ich denke, dass wir doch
einiges an Sicherheit gewonnen haben
und viele lebensbedrohliche Verletzungen
erspart wurden. Bezogen auf uns
Radfahrer spricht für mich also vieles für
einen 
Helm. Klar, Übung und Erfahrung
bringen ebenfalls Sicherheit, weil man
manche Situation besser beherrschen
kann oder besser im Blick hat. Wer
sich aber nur auf die eigene jahrelange
Erfahrung verlässt, übersieht, dass
man sich nicht allein im Straßenverkehr
bewegt. Erst die Verbindung mit Rücksicht,
vorausschauender Vorsicht und sicherem Equipment minimiert
das Risiko. Und trotzdem, wer
kennt nicht das Auto, das plötzlich
aus der Einfahrt schießt? Der
Ball, dem ein Kind folgt. Oder den
Fußgänger, der gerade noch nicht
da war? Nicht immer reicht dann
die Zeit für erfahrenes, überlegtes
Handeln.
Schützt der 
Helm nun?
Ein kurzer Seitenblick auf den
Skisport mit einem prominenten
Beispiel offenbart: Meist muss
erst etwas Erschütterndes geschehen,
bevor Freiheit oder gar
Frisuren nicht mehr als Gegenargument
zur Sicherheit herhalten
müssen! Eigentlich traurig.
Ich gebe der Oben ohne-
Fraktion aber Recht, wenn sie
behauptet, in den meisten Fällen
helfe ein 
Helm eh nicht. Denn oft fällt man auf die Hände oder
die Knie. Die dort entstehenden
Verletzungen kann ein 
Helm natürlich
nicht verhindern. Doch im
Gegensatz zu Abschürfungen
an der Handinnenfläche oder einem
verschrammten Knie ist der
Schädel und mit ihm die deutlich
empfindlichere Hirnmasse schon
bei leichten Boden- oder Blechkontakten
ernsthaft erschüttert.
Bei stärkeren Einflüssen ist sie
meist verletzt und heilt auch
nur äußerst schlecht und extrem
langwierig. Ist es nicht so, dass
Ihr mit sehr vielen wichtigen Aufgaben
betrautes zentrales Denkorgan
eines der am besten zu
schützenden Teile Ihres Körpers
sein sollte? Ich behaupte, dass
unser Kopf weit wichtiger ist als
unsere Hände und dessen innere
Werte schützenswerter sind als
sein äußeres Erscheinungsbild.
Ich verstehe auch, dass ein
Kopfschutz unsere Spontaneität
einschränkt und Fahrrad fahren
ohne ihn viel lässiger ist. Eben ein
Ausdruck von Lebensgefühl, wobei
die Betonung für mich deutlich
auf Leben liegen sollte.
O.k., auch ich habe meine Zeit
ohne 
Helm gehabt. Schließlich
habe ich lange in Münster gelebt.
Dort fährt beinahe die ganze
Stadt oben ohne. Aber weil
es jeder macht ist wohl das
schwächste aller Argumente.
Risiko abwägen
In jedem Moment, jeder Situation
betreiben wir aktiv und passiv
eine Risikoabschätzung, wägen
Sicherheit gegen Wagnis ab. Und
entscheiden uns danach für oder
gegen zusätzliche Maßnahmen.
Ich fände es gut, wenn Sie dabei
einmal mehr aktiv über die,
zugegeben, nicht hart bewiesenen
Vorteile eines Fahrradhelms
entschieden und die potentiellen
Nachteile ad acta legten. Ich
finde, und hoffentlich Sie auch,
allein die Sicherheit, die ein
Helm möglicherweise bringen
kann, sollte ihn zu einem wertvollen
Begleiter auf Ihrem Kopf
machen. Ich wünsche Ihnen eine
gute Fahrt.
Von Jens Kockerbeck aus Aktiv Radfahren 1-2/10