Die "Yungas Road" in Bolivien, von den Einwohnern "El Camino de la Muerte" genannt, gilt als die gefährlichste Straße der Welt. Obwohl sie bereits Tausende das Leben gekostet hat, jagen Jahr für Jahr Adrenalinjunkies, Mountainbiker und Touristen die berüchtigte Andenstraße hinunter - mit dem Tod als ständigem Begleiter.
Eine Schweißperle bildet sich auf Stefanies Stirn. Wie in Zeitlupe sucht sie sich ihren Weg über Schläfe und Wange, bleibt kurz am Kinn hängen und löst sich schließlich von der weichen Haut. Beim Aufschlag auf dem staubigen Boden hinterlässt sie einen dunklen Fleck auf der kalten Erde.
Doch die Studentin merkt nichts davon. Zu angespannt ist die 24-Jährige, die für 40 Dollar eine waghalsige Downhill-Fahrt auf der angeblich gefährlichsten Straße der Welt, der El Camino de la Muerte in Bolivien, gebucht hat.
Ein letzter Check: der Helm ist festgezurrt, die Reifen aufgepumpt, die Bremsen greifen. Manuelito und Jose, die Führer von Stefanie und zehn anderen Südamerikareisenden, rufen zum Aufbruch in 4.600 Metern Höhe. In der Nähe von Boliviens Hauptstadt La Paz geht es vom La Cumbre-Pass bis ins circa 60 Kilometer entfernte, auf 1.295 Metern gelegene Städtchen Yolosa; Downhill-Action mit einem Höhenunterschied von 3.305 Metern.
Die Luft ist bitterkalt. Es fängt an zu regnen, schwere Wolken versperren die Sicht auf die kargen Hügelketten der Anden. Immerhin ist der Blick auf die Straße frei. Eine nervöse Spannung liegt in der Luft. Noch einmal tief durchatmen, dann setzen sich die zehn Wagemutigen, die beiden Guides und das Begleitauto in Bewegung. Stefanie tritt in die Pedale.
Die ersten Kilometer werden auf asphaltierter Straße zurückgelegt. Die Gruppe passiert schroffe Felsformationen und kleine Dörfer, gewöhnt sich an ihre Fahrräder und nimmt Fahrt auf. Bei Chusquipata, einer kleinen Siedlung, ändert sich die Beschaffenheit des Untergrunds. Statt komfortablem Asphalt befindet sich nur noch nackter Lehmboden unter den Reifen. Ein Schild warnt die Reisenden: Die "Death Road" beginnt.
Manuelito und Jose erklären die besonderen Regeln, die auf der Straße des Todes gelten: Es muss eine Sonnenbrille getragen werden, damit der aufgewirbelte Staub nicht in die Augen gerät. Bis Caranavi herrscht Linksverkehr, der bergaufwärts fahrende Verkehr hat Vorfahrt. Licht ist Pflicht, vor jeder Kurve muss gehupt werden. Biker müssen entgegenkommende Autos an die Hintermänner mittels Zuruf melden. Regeln, deren Nichtbeachtung das Leben kosten können.
Nicht umsonst hat die Death Road von der Inter American Development Bank 1995 ihren Titel als "gefährlichste Straße der Welt" erhalten. Bis 2007 verunglückten jährlich geschätzte 200 bis 300 Menschen. Angesichts der Zustände, die auf der Straße herrschen, eine verhältnismäßig niedrige Zahl.
Denn Leitplanken sind Fehlanzeige, unmittelbar am Straßenrand fallen Steilwände bis zu 500 Meter tief ab. Vor allem im Winter und bei Regen ist die Lehmstraße trotz Einspurigkeit wird sie in beiden Richtungen befahren - hochgefährlich, da sie rutschig und somit unberechenbar wird. Wer hier abstürzt, gilt als verloren. Eine Bergung ist angesichts der widrigen Umstände meist unmöglich.
Den Touristen ist das egal. Sie haben sich mittlerweile in zwei Gruppen aufgeteilt und rasen mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde die Andenstraße hinunter. Die Reifen hüpfen über Steine und versinken in Schlaglöchern, von denen es auf der staubigen Strecke Tausende gibt.
Der entgegenkommende Verkehr tut sein Übriges. Ist ein LKW, Bus oder Auto in Sicht, wird die Meldung von vorne nach hinten weiter gegeben. Bereits nach wenigen Metern schmerzen die Handgelenke vom vielen Bremsen. Da trifft es sich gut, dass in einer Ausweichstelle die erste Pause gemacht wird: Ein Fahrrad hat einen Platten.
Flugs wird aus dem Begleitauto, in dem auch die Rucksäcke der Touristen und Proviant verstaut sind, Flickmaterial geholt. Wenn es hart auf hart kommt, kann auch das komplette Vorder- oder Hinterrad gewechselt werden. Nach wenigen Minuten geht die Fahrt weiter, vorbei an vielen mit Moos bedeckten Kreuzen und schwarzen Hunden, die überall an der Strecke herumstreunen.
Die Ureinwohner glauben, dass die Hunde die Seelen der dort Verstorbenen seien, weshalb sie von den Indios gefüttert werden. Außerdem wird vor jeder Fahrt gebetet und Bier auf den Boden geschüttet, um die Erdengöttin Pachamama zu besänftigen. Doch nicht immer werden die Gebete von der Gottheit erhört.
Der schlimmste Unfall geschah am 24. Juli 1983: Carlos Pizarroso Inde rutschte mit seinem Bus über den Straßenrand und stürzte einige hundert Meter tief in den Abgrund. Keiner der hundert Businsassen überlebte. 2003 kamen 31 Musiker bei einem ähnlichen Unfall ums Leben, 16 überlebten wie durch ein Wunder den Sturz in 200 Meter Tiefe. Die Stelle, an der das Unglück geschah, hat sogar einen Spitznamen: "Central Sacrament".
Erbaut wurde die "Yungas Road", so ihr offizieller Name, in den 30er Jahren von paraguayanischen Kriegsgefangenen des Chacokriegs. Bereits damals ließen zahlreiche Menschen aufgrund der strapaziösen und gefährlichen Bauarbeiten ihr Leben.
Für die Hauptstadt La Paz war die Yungas Road lebensnotwendig: Sie war die einzige Verbindung zu den fruchtbaren Außenbezirken, die für die Lebensmittelversorgung der Einwohner sorgte. So schleppten sich voll beladene LKWs die enge, unbefestigte Straße hinauf, die unter dem schweren Gewicht der Laster oft einbrach und Mensch und Ware in die Tiefe riss. Nachdem im Lauf der Jahre immer mehr Opfer zu beklagen waren, beschloss die bolivianische Regierung, eine Umgehungsstraße zu bauen.
Seit Februar 2007 ist die Death Road deshalb nur noch für Mountainbike-Touren freigegeben, motorisierter Verkehr muss über die neue Umgehungsstraße nach La Paz fahren. Einheimische LKW- und Busfahrer kümmert das jedoch wenig; sie setzen lieber nach wie vor ihr Leben aufs Spiel, da die Ausweichroute länger ist und dies höhere Benzinkosten für die Fahrer bedeutet.
Stefanie und ihre Kollegen haben dieses Problem nicht. Trotz schmerzender Handgelenke treten sie weiter in die Pedale. Auf ihrem Weg nach unten passieren sie insgesamt drei Vegetations- und Klimazonen, preschen durch Bäche, die mitten über die Straße fließen, und fahren hinter zahlreichen Wasserfällen hindurch.
Als die Gruppe schließlich nach sechs Stunden am Ziel ankommt, ist jeder einzelne mit einer dicken Schmutzkruste überzogen und todmüde. Trotzdem sind die Abenteurer glücklich und stolz, die Death Road ohne Zwischenfälle gemeistert zu haben.
Doch selbst die warme Dusche im Hotel kann den Ganzkörpermuskelkater, der sie am nächsten Tag plagen wird, nicht verhindern. Angesichts der tödlichen Gefahr, der sie sich ausgesetzt haben, ein eher geringer Preis.
Eine Schweißperle bildet sich auf Stefanies Stirn. Wie in Zeitlupe sucht sie sich ihren Weg über Schläfe und Wange, bleibt kurz am Kinn hängen und löst sich schließlich von der weichen Haut. Beim Aufschlag auf dem staubigen Boden hinterlässt sie einen dunklen Fleck auf der kalten Erde.
Doch die Studentin merkt nichts davon. Zu angespannt ist die 24-Jährige, die für 40 Dollar eine waghalsige Downhill-Fahrt auf der angeblich gefährlichsten Straße der Welt, der El Camino de la Muerte in Bolivien, gebucht hat.
Ein letzter Check: der Helm ist festgezurrt, die Reifen aufgepumpt, die Bremsen greifen. Manuelito und Jose, die Führer von Stefanie und zehn anderen Südamerikareisenden, rufen zum Aufbruch in 4.600 Metern Höhe. In der Nähe von Boliviens Hauptstadt La Paz geht es vom La Cumbre-Pass bis ins circa 60 Kilometer entfernte, auf 1.295 Metern gelegene Städtchen Yolosa; Downhill-Action mit einem Höhenunterschied von 3.305 Metern.
Die Luft ist bitterkalt. Es fängt an zu regnen, schwere Wolken versperren die Sicht auf die kargen Hügelketten der Anden. Immerhin ist der Blick auf die Straße frei. Eine nervöse Spannung liegt in der Luft. Noch einmal tief durchatmen, dann setzen sich die zehn Wagemutigen, die beiden Guides und das Begleitauto in Bewegung. Stefanie tritt in die Pedale.
Die ersten Kilometer werden auf asphaltierter Straße zurückgelegt. Die Gruppe passiert schroffe Felsformationen und kleine Dörfer, gewöhnt sich an ihre Fahrräder und nimmt Fahrt auf. Bei Chusquipata, einer kleinen Siedlung, ändert sich die Beschaffenheit des Untergrunds. Statt komfortablem Asphalt befindet sich nur noch nackter Lehmboden unter den Reifen. Ein Schild warnt die Reisenden: Die "Death Road" beginnt.
Manuelito und Jose erklären die besonderen Regeln, die auf der Straße des Todes gelten: Es muss eine Sonnenbrille getragen werden, damit der aufgewirbelte Staub nicht in die Augen gerät. Bis Caranavi herrscht Linksverkehr, der bergaufwärts fahrende Verkehr hat Vorfahrt. Licht ist Pflicht, vor jeder Kurve muss gehupt werden. Biker müssen entgegenkommende Autos an die Hintermänner mittels Zuruf melden. Regeln, deren Nichtbeachtung das Leben kosten können.
Nicht umsonst hat die Death Road von der Inter American Development Bank 1995 ihren Titel als "gefährlichste Straße der Welt" erhalten. Bis 2007 verunglückten jährlich geschätzte 200 bis 300 Menschen. Angesichts der Zustände, die auf der Straße herrschen, eine verhältnismäßig niedrige Zahl.
Denn Leitplanken sind Fehlanzeige, unmittelbar am Straßenrand fallen Steilwände bis zu 500 Meter tief ab. Vor allem im Winter und bei Regen ist die Lehmstraße trotz Einspurigkeit wird sie in beiden Richtungen befahren - hochgefährlich, da sie rutschig und somit unberechenbar wird. Wer hier abstürzt, gilt als verloren. Eine Bergung ist angesichts der widrigen Umstände meist unmöglich.
Den Touristen ist das egal. Sie haben sich mittlerweile in zwei Gruppen aufgeteilt und rasen mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde die Andenstraße hinunter. Die Reifen hüpfen über Steine und versinken in Schlaglöchern, von denen es auf der staubigen Strecke Tausende gibt.
Der entgegenkommende Verkehr tut sein Übriges. Ist ein LKW, Bus oder Auto in Sicht, wird die Meldung von vorne nach hinten weiter gegeben. Bereits nach wenigen Metern schmerzen die Handgelenke vom vielen Bremsen. Da trifft es sich gut, dass in einer Ausweichstelle die erste Pause gemacht wird: Ein Fahrrad hat einen Platten.
Flugs wird aus dem Begleitauto, in dem auch die Rucksäcke der Touristen und Proviant verstaut sind, Flickmaterial geholt. Wenn es hart auf hart kommt, kann auch das komplette Vorder- oder Hinterrad gewechselt werden. Nach wenigen Minuten geht die Fahrt weiter, vorbei an vielen mit Moos bedeckten Kreuzen und schwarzen Hunden, die überall an der Strecke herumstreunen.
Die Ureinwohner glauben, dass die Hunde die Seelen der dort Verstorbenen seien, weshalb sie von den Indios gefüttert werden. Außerdem wird vor jeder Fahrt gebetet und Bier auf den Boden geschüttet, um die Erdengöttin Pachamama zu besänftigen. Doch nicht immer werden die Gebete von der Gottheit erhört.
Der schlimmste Unfall geschah am 24. Juli 1983: Carlos Pizarroso Inde rutschte mit seinem Bus über den Straßenrand und stürzte einige hundert Meter tief in den Abgrund. Keiner der hundert Businsassen überlebte. 2003 kamen 31 Musiker bei einem ähnlichen Unfall ums Leben, 16 überlebten wie durch ein Wunder den Sturz in 200 Meter Tiefe. Die Stelle, an der das Unglück geschah, hat sogar einen Spitznamen: "Central Sacrament".
Erbaut wurde die "Yungas Road", so ihr offizieller Name, in den 30er Jahren von paraguayanischen Kriegsgefangenen des Chacokriegs. Bereits damals ließen zahlreiche Menschen aufgrund der strapaziösen und gefährlichen Bauarbeiten ihr Leben.
Für die Hauptstadt La Paz war die Yungas Road lebensnotwendig: Sie war die einzige Verbindung zu den fruchtbaren Außenbezirken, die für die Lebensmittelversorgung der Einwohner sorgte. So schleppten sich voll beladene LKWs die enge, unbefestigte Straße hinauf, die unter dem schweren Gewicht der Laster oft einbrach und Mensch und Ware in die Tiefe riss. Nachdem im Lauf der Jahre immer mehr Opfer zu beklagen waren, beschloss die bolivianische Regierung, eine Umgehungsstraße zu bauen.
Seit Februar 2007 ist die Death Road deshalb nur noch für Mountainbike-Touren freigegeben, motorisierter Verkehr muss über die neue Umgehungsstraße nach La Paz fahren. Einheimische LKW- und Busfahrer kümmert das jedoch wenig; sie setzen lieber nach wie vor ihr Leben aufs Spiel, da die Ausweichroute länger ist und dies höhere Benzinkosten für die Fahrer bedeutet.
Stefanie und ihre Kollegen haben dieses Problem nicht. Trotz schmerzender Handgelenke treten sie weiter in die Pedale. Auf ihrem Weg nach unten passieren sie insgesamt drei Vegetations- und Klimazonen, preschen durch Bäche, die mitten über die Straße fließen, und fahren hinter zahlreichen Wasserfällen hindurch.
Als die Gruppe schließlich nach sechs Stunden am Ziel ankommt, ist jeder einzelne mit einer dicken Schmutzkruste überzogen und todmüde. Trotzdem sind die Abenteurer glücklich und stolz, die Death Road ohne Zwischenfälle gemeistert zu haben.
Doch selbst die warme Dusche im Hotel kann den Ganzkörpermuskelkater, der sie am nächsten Tag plagen wird, nicht verhindern. Angesichts der tödlichen Gefahr, der sie sich ausgesetzt haben, ein eher geringer Preis.