Erfolgreiche Körperlauscher gesucht!

carmin

...
Registriert
26. Dezember 2003
Reaktionspunkte
26
Ort
Alle Richtungen
Hallo zusammen,

mich beschäftigt seit einiger Zeit eine grundsätzliche Frage.

Wenn hier jemand Probleme mit Ernährung, Training oder Regeneration hat, wird gern und oft der Tip gegeben, er möge doch einfach mehr auf seinen Körper hören. Die Fundstellen sind zahllos, hier nur einige interessante Beispiele:
  • "Also: Auf den Körper hören - besonders bei GA Training. Nach 1-2 Stunden schaltet der Körper auf Schongang und das ist fühlbar..."
  • "Also ich halte ein gscheites Fieberthermometer für ne extrem nützliche Investition! Oder noch besser - auf die Signale seines Körpers hören..."
  • "Es ist halt so, viele sagen, du sollst auf deinen Körper hören. Nur nicht beim Durstempfinden, da mußt du saufen was reingeht..."
  • "man sollte mal ein wenig auf seinen Körper hören und nur soviel trinken wie der Körper auch wirklich braucht" (!)
  • "Klar ist auch: Jeder sollte auf seinen Arzt, wie auch auf seinen Körper hören"
Klingt ja durchaus plausibel. Wir haben ein großes (Ur-) Vertrauen in die Natur unseres Körpers, er ist geradezu ein Wunderwerk, das in Sachen Regeneration und Adaption Erstaunliches vollbringt, in tausenden ineinanderwirkenden Prozessen, die wir oft noch nicht mal ansatzweise verstehen. Also muss der Körper ja auch die richtigen Antworten parat haben! Und außerdem wissen wir ja seit Kindesbeinen, wer nicht hören will (zumal auf seinen Körper), muss fühlen!

Aber wie steht es eigentlich um die Substanz dieses Tips?

Entweder: Er ist eine Trivialität. Wer Hunger hat, isst. Wer müde ist, geht zu Bett. Wer sich austoben will, geht biken. Wer sich verspannt und unbeweglich fühlt, dehnt. Wer schlapp ist oder Muskelkater hat, legt einen Ruhetag ein.

(Wenn man dann noch die These mancher Hirnforscher hinzunähme, dass freier Willen sowieso Einbildung sei, hätte sich die Diskussion mit auf-den-Körper-hören sowieso schon erledigt. Aber stellen wir das mal zurück.)

Oder man hört etwas Falsches. Da muss sich ja noch nicht mal der arme Schweinehund zu Wort melden (der ja auch nur das Ich ist, bequemlichkeitshalber animalifiziert und damit aus der eigenen Identität verbannt).

Wie viele Leute berichten (nicht ohne Stolz), wie sehr ihr Sport mit Qual ("quaeldich.de") und Schmerzen verbunden sei? Und das sind keineswegs nur Profis, wo von Gesundheit sowieso nicht mehr die Rede ist. Nein, auch unter Hobbyracern und Alpencrossern scheint es common sense, die Aua-Rufe des Körpers mit eiserner Disziplin ignorieren zu müssen, um sie im finalen Endorphinrausch Lügen zu strafen.

Ein weiteres (leidiges) Beispiel sind Aromen und Geschmacksverstärker, die dafür sorgen, dass man nur noch industriell erzeugtes Junkfood zu sich nähme, überließe man die Gestaltung des Speiseplans allein dem Bauch.

Und über ein so krasses wie nachdenklich stimmendes Phänomen von falschen Signalen aus dem Körper berichtet GertFroebe:
GertFroebe schrieb:
Ich kann mich an zwei persönliche Bestleistungen (damals Laufen) auf meiner Trainingsrunde erinnern, die beide am Vortag einer Erkrankung erstellt wurden. Obwohl ich jeweils etwas groggy zur Trainingsgruppe kam, lief es einfach genial! Am Folgetag gab es dann Fieber.

Vor diesen Fieberläufen wird in der Laufszene explizit gewarnt. Genau vor Ausbruch einer Krankheit kommt es nicht selten zu einem Super-Feeling im Training. Da kann man richtig einen raushauen. Die Liste von Leistungssportlern, die sich bei solchen Gelegenheiten Hermuskelentzündungen zugezogen haben, ist beachtlich. Einen Todesfall eines Hobby-Sportlers hatte ich im entfernten Bekanntenkreis.

Das alles habe ich natürlich erst später gelernt. Bei Erkältungen mache ich langsamer, misstraue ganz arg dem Körpergefühl und achte brav auf die Pulsuhr.

Oder -- man hört gar nichts. Wie (mutmaßlich) unser Adrenalino zur Zeit. Bekümmert über eine Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, was nützt es ihm, auf Arzt oder Körper zu hören, ist er danach schlauer?

Oder warum scheinen so viele ins Übertraining zu rutschen? Ist denn der Grat zwischen optimal und zuviel so schmal? Warum meldet sich der Körper erst, wenn es quasi zu spät ist?

Freilich ist denkbar, im Nachhinein daraus zu lernen, und Warnsignale das nächste Mal ernster zu nehmen. Wenn es sie denn gibt. Gibt es Warnsignale?

Jetzt wollte ich Euch bewusst naiv, aber durchaus ernsthaft fragen: Was hört Ihr denn so, wenn Ihr auf Euren Körper hört? Kann jemand von einem nichttrivialen Beispiel berichten? Wusste Euer Körper einmal Rat, als Euer Geist nicht mehr weiterkam? Hat jemand schon einen Widerstreit zwischen Kopf und Körperstimme erlebt, und musste danach dem Körper Recht geben?

Bitte helft dem carmin aus der Körperstimmenkrise.
 
Auch wenn ich den Verdacht habe, dass du uns nur veräppeln willst -
ich finde das Thema schon ganz interessant.

Für mich ist das "Körpergefühl" so was wie der Geschmack- oder Geruchsinn.
Manche Leute haben es und andere überhaupt nicht. Man kann es aber trainieren.

carmin schrieb:
Ist denn der Grat zwischen optimal und zuviel so schmal?
Gibt es Warnsignale?
Ja, der Grat ist verdammt schmal.
Konkrete Warnsignale nehme ich keine wahr, aber wenn ich eine harte Einheit
geplant habe und mich nach 20 Minuten immer noch mies fühle, breche ich
halt ab und rolle heim. Das Lustprinzip hat mich die letzten Jahre zuverlässig
vor Übertraining geschützt und ich fahre wirklich viel und hart.

carmin schrieb:
Was hört Ihr denn so, wenn Ihr auf Euren Körper hört? Wusste Euer Körper einmal Rat, als Euer Geist nicht mehr weiterkam?
Äh - mein Geist? Was ist das? Mein Hirn ist Teil meines Körpers, ein Organ.
Ob ich mich psychisch oder physisch schlecht fühle, ist für mich kein Unterschied.
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, die Physis beeinflusst die Psyche etwas
stärker, als anders herum.

carmin schrieb:
Wusste Euer Körper einmal Rat, als Euer Geist nicht mehr weiterkam?
Klar wusste mein "Körper" (na ja, das Unbewusste) schon oft "Rat", wenn
mein Geist nicht mehr weiter kam => Instinkt.


Ach ja - von wegen Körper - ich habe gerade vorhin gelernt, dass das
Verhältnis von Bakterienzellen zu menschlichen Zellen im Körper 10:1 ist. :D

thb
 
Thunderbird schrieb:
Auch wenn ich den Verdacht habe, dass du uns nur veräppeln willst
nenene! Ich sag doch, dass ich ernst frage. Ich habe auch keine Verbrennungen oder so. Aber danke, dass Du Dich trotz Deiner Zweifel auf die (etwas schwierig zu vermittelnde) Sache einlässt.

Ich hätte vielleicht noch dazusagen sollen, dass der Tip mit "auf-den-Körper-hören" durchaus auch von mir hätte stammen können -- erst jetzt überlege ich ernsthaft, ob den Leuten damit wirklich geholfen wird, oder ob das nicht vielmehr ein metaphysisches Blabla ist.

Um nicht missverstanden zu werden... Ich finde es sehr gut und empfehlenswert, seinem Körper auch mal "nachzugeben" und ggf falsche Ansprüche von Seiten des Kopfes zu hinterfragen. Aber das ist ja auch schon fast wieder dieses Blabla. In wirklichen Zweifelsfällen kommt man so auch nicht weiter, oder? Körper, was meinst Du? Wenn man ihm immer nachgäbe, läge man wahrscheinlich rum wie ein Waschlappen.

Und GertFroebes Bericht finde ich auch wirklich beeindruckend.

Thunderbird schrieb:
Für mich ist das "Körpergefühl" so was wie der Geschmack- oder Geruchsinn.
Manche Leute haben es und andere überhaupt nicht. Man kann es aber trainieren.
Darüber will ich noch ein bisschen nachdenken, aber spontan meine ich, der Vergleich hinkt etwas. Bei den Sinnen kann man den Erfolg daran messen, dass durch bewussteren, konzentrierteren Einsatz mehr Infos "reinkommen". Bei den Signalen aus dem Körper ist es so: Wahrnehmung ist das eine, aber Deutung erst das schwierige. Wenn ich mehr von mir wahrnehme, krieg ich auch mehr widersprüchliche Infos, und die Sache wird vielleicht eher noch schwieriger. (Stichwort "Schmerzen beim Training gehören dazu" ???)

Thunderbird schrieb:
Äh - mein Geist? Was ist das?
Ich wollte an dieser Stelle nicht in die philosophische Frage abgleiten, was "Ich", "Bewusstsein" oder dgl ist. Egal, wie man sie nennen will, die Akteure sind doch bekannt, oder? Vorsichtig formuliert: Wie geht Ihr "kognitiv" mit "Signalen aus dem Körper" bzw. Widersprüchen zwischen diesen und "vernunftgegebenen" Plänen um?

Thunderbird schrieb:
Klar wusste mein "Körper" (na ja, das Unbewusste) schon oft "Rat", wenn mein Geist nicht mehr weiter kam => Instinkt.
Gelegentlich hört man, dass Menschen spüren, wenn nahe Angehörige zu Tode gekommen sind, auch wenn sie diese Information rein objektiv noch gar nicht haben können. Glaubst Du an sowas? Oder ist es nicht vielmehr so, dass man immer seine Sorgen hat und die
(a) vergisst, wenn man seine Angehörigen gesund wieder sieht
(b) retrospektiv zur Todesahnung uminterpretiert, wenn nicht.
 
hallo carmin,

vielleicht hast du auch meinen heutigen post auf das thema betreffend adrenalino gelesen hier

"jeder bekommt die krankheit, die zu ihm passt"

an diesem satz ist etwas wahres. ich habe das letzte jahr viel nachgedacht und an MIR gearbeitet. und das hat mir geholfen wieder ein "ur"gefühl zu entdecken.

"in ihrem versuch, wieder gesund zu werden,
konzentrieren sich die menschen
meistens auf die krankheit
so können sie nicht gesund werden.

mann muss sich auf das leben
und die lebensweise konzentrieren.

heilung, das heißt, mehr von dem zu tun,
was uns freude macht."

leichter gesagt als getan? nein, mann muss es nur tun. ich hatte es im anderen thread bereits angeschnitten. Meine krankheit ist und bleibt chronisch und sie bleibt auch unheilbar, aber deswegen kann ich auch "gesund" leben.

ernährung ist ein wichtiger punkt. wenn man mal beobachtet wie sich diese im laufe der jahre entwickelt hat, geht mal durch den supermarkt. was sieht man, kaum mehr frisch zeug, nur noch tiefkühl und dosen produkte. beim bäcker nur noch weissmehl erzeugnisse, kaum vollkorn. obst aus dosen? gemüse aus dosen? NEIN es geht auch anderst.

MS ist zb eine "nervenkrankheit" wusstet ihr das es in japan KEINEN an MS erkranken japaner gibt? oder china? der einzig bekannte an MS erkrankte, der in dieser region lebt ist engländer!!!

unsere nerven reagieren sensiebel, nicht nur auf jetzt ms bezogen sondern in so vielen situationen. "wenn die nerven blank liegen" nerven brauchen nahrung, vorallem die schicht, die sie schützen. und das sind ungesättigte fettsäuren. Olivenöl, Nussöl, Sonnenblumenöl, Sesamöl um nur einige beispiele zu nennen. andere sachen wie weissmehl schaden unserem körper, sowei zuviel tierische fette. ich rede hier nicht vom vollkommenen verzicht, aber von einschränkungen. Fisch ist ein wichtiger punkt, frisch vom grill oder gedünstet. Fisch sollte min. 2 x in der woche am speiseplan stehen. Salat, frisches obst, gemüse täglich.

weiter geht es mit der umwelt, wir menschen haben verlernt in usn hinein zu hören. wir müssen dies er wieder begreifen. aber das geht, wenn man sich die zeit dazu nimmt. einfach lernt auch mal NEIN zu sagen.

ich behaupte wirklich, das man ein körpergefühl hat und dies entwickeln kann und ausprägen kann. ich selbst merke zb. extrem früh, wenn ein "schub" in anmarsch ist udn kann dadurch reagieren. selbst mein neurologe ist fasziniert von meinem feingefühl mir selbst gegenüber.

grüße coffee
 
um dem ganzen mal ne profane wende zu geben:
- körpergefühl kann man lernen
- körpergefühl muss man sogar lernen, wenn man es z.B. zu trainingszwecken nutzen will
- körpergefühl ist aber nur zum teil aussagekräftig.


das heisst: wenn du keine ahnung hast, wo die unterschiedlichsten trainingsbereiche liegen, und was verschieden intensitäten für nen effekt haben, dann kannst du hören, bis du blau wirst.
erst der abgleich zwischen dem, was du so spürst (oder hörst oder so) mit dem, was tatsächlich passiert, bringt was.
die anaerobe schwelle zu spüren als den punkt, wo die beine afangen zu brennen o.ä. is für 99% der leute mumpitz.
andererseits kannst du mit ner LD diesen bereich erfassen und dann im training dieses gefühl lernen (abgleich soll- istwert).

ausserdem gibt es aber bereiche, die wohl nicht zu erspüren sind, z.B. deinen flüssigkeitsbedarf fühlst du erst, wenn es zu spät ist.
das beispiel kennt jeder, es gibt aber auch andere die weniger einleuchten:
jeder zumindest mittelmässige beiker sagt von sich, dass er beim pedalieren zieht, wenn man aber ne typische leistungskurve sieht, dann erkennt man, dass der depperte körper einen da gewaltig täuscht.
 
tja carmin es tut gut festzustellen, dass andere sich über die genau gleichen gedanken bzw nöte den kopf zerbrechen.

das von GertFröbe beschriebene phänomen durfte ich dieses jahr bereits 2 mal erfahren! :( aber es hat erst jetzt einen namen bekommen!
und ich hatte mich immer noch gewundert wie geil die jeweiligen trainingseinheiten gelaufen sind... und warum es mich am nächsten tag so dermaßen "zerlegt" hatte.

und als ich mich wieder fit "gefühlt" habe und dachte meinen körper richtig zu verstehen bin ich nach ca. 10 tagen erkältungspause wieder rauf aufs rad und es war nur grausam. puls für diese belastung zu hoch, beine bleischwer und es war zum los :heul: en!

aber tapfer durchgezwungen und am nächsten tag gleich nochmal und es war tatsächlich besser ... dachte ich zumindest! als resultat hat sich mein körper gleich wieder gerächt und die erkältung war wieder voll zurück! na danke ... und jetzt?
ich traue ihm nicht mehr und verstehe ihn nicht mehr.
ich fahre rad weil es spass macht. ich habe keinen wettkampfdruck oder muss irgendjemand was beweisen.
will aber auch nicht weitere 2 wochen couchpotato spielen ( dann hab ich danach auch keine freunde mehr wegen meiner laune :lol: )
aber habe eben auch angst vor so folgen wie sie GertFroebe beschreibt (woran merkt man eine herzmuskelentzündung eigentlich???)

bin etwas ratlos!
 
sideshowbob schrieb:
(woran merkt man eine herzmuskelentzündung eigentlich???)

bin etwas ratlos!

hallo,

die merkt man erst, oft jahre später, dann, wenn es nicht mehr rückgängig zu machen ist ;-(

deine "angst" nun zu "früh" wieder aufs rad zu gehen um dann evtl einen folgeschaden zu verursachen ist normal. viel wichtiger ist es zu erkennen nciht gleich wieder volle pulle zu beginnen, sondern langsam. erstmal nur 30 minuten locker in biergarten radeln, nicht jeden tag, nein vielelicht nur erst 2 oder 3 x die woche. in der ruhe liegt die kraft. meist geht man zu ungeduldig mit sich selbst um.

du hast es geschreiben. das zauberwort heist LUST ohne ZWANG.

grüße coffee
 
dubbel schrieb:
da war ich unpräzise,
es war gemeint zum thema training, da geht es nicht nach dem lustprinzip.

ich muss keine weltmeisterschaft mehr gewinnen. mir reicht es eben mir spaß und lujst zu fahren und dabei ein gutes gefühl zu haben und mich wohl zu fühlen. das alles ist mir persönlich viel mehr wert als sich durch leistungsdruck zu geiseln und evtl. körperlich sowie geistig zu überfordern. aber jeder wie er will, gell :D

grüße coffee
 
Coffee schrieb:
dann können wir ja zurück zum thema kommen :o

coffee

P.S. wie stehen die aktien?
thema war, dass nur lauschen und nach lust fahren für's training nicht ausreicht, immer vorausgesetzt, du willst systematisch & zielgerichtet trainieren (s.o.).

p.s. die erste million war die schwerste.
 
dubbel schrieb:
thema war, dass nur lauschen und nach lust fahren für's training nicht ausreicht, immer vorausgesetzt, du willst systematisch & zielgerichtet trainieren (s.o.).

.

aber auch hier gibt es unterschiede zwischen den zielen. der eine setzt seine ziele eben weit aus höher/unrealistischer als der andere. was nicht heisst das der, der sich kleinere ziele steckt deswegen erfolgloser ist!!

mein ziel heuer ist ein alpencross, mein erster. mein training deshalb auch regelmäßig udn durchaus systematisch aber eben meinen möglichkeiten entsprechend ;-)


grüße coffee
 
"hoch" heisst nicht automatisch "unrealistisch".

aber ich glaube nicht, dass carmin darauf abgezielt hat.
ich wart mal auf andere meinungen...
 
carmin schrieb:
Bei den Signalen aus dem Körper ist es so: Wahrnehmung ist das eine, aber Deutung erst das schwierige.
Das war auch das erste, was mir dazu eingefallen ist. Erklären kann ich das mit dem Fühlen auch nicht. Aber ohne hohe Kompetenz für Wahrnehmung und Bewertung der Körpersignale tut man sich man im Leistungssport schwer.

Ein krasses allgemeines (nicht-triviales?) Beispiel ist eine Frau, die ohne jegliches Schmerzempfinden ausgestattet war. Soweit ich mich an den Artikel erinnere, liegt der Fall rund 100 Jahre zurück. Schon in ihrer Kindheit hatte das Mädchen enorme Probleme. Als junge Frau war sie körperlich in sehr schlechtem Zustand. Sie hatte neben anderen Problemen fortwährend Gelenke, Wirbelsäule, Bänder, Knochen usw. fehlbelastet. Da wo unsereins unbewusst merkt, dass mal das Standbein zu wechseln ist, eine auf Dauer unangenehme Überstreckung vorliegt usw. fühlte sie nichts. Zahllose Operationen waren notwendig, um Gelenkfehlstellungen und unbemerkte Brüche zu heilen. Mit etwa Mitte 20 starb die Frau an einer unentdeckten Infektion.
Ich denke, hier sieht man schnell, dass Wahrnehmung und Beachtung der Körpersignale eine ganz wichtige Rolle spielen. Folgerung: Ohne geht's nicht.

carmin schrieb:
Wenn ich mehr von mir wahrnehme, krieg ich auch mehr widersprüchliche Infos, und die Sache wird vielleicht eher noch schwieriger. (Stichwort "Schmerzen beim Training gehören dazu" ???)
Ignorieren macht den Entscheidungsprozess einfacher, das Ergebnis aber recht zufällig.
Eine differenzierte und bewusstere Wahrnehmung der Körpersignale als im Beispiel von der Frau ist sicher anspruchsvoller. Es hilft, den Körper zu kennen. Jemand, der nicht zwischen Zerrung und Krampf unterscheiden kann, nimmt nur ein Problem war. Ein Schmerz an der Achillessehne kann unmöglich von der Sehne selbst ausgehen, es ist also hilfreich, differenzieren zu können z.B. zwischen Übergang zum Muskel und dem die Sehne umgebenden Gewebe. Ein Schmerz im Knie kann seitlich sein, unter der Kniescheibe, bei einer Drehbewegung auftreten usw. usw. Signale über Signale. Übrigens will all diese Dinge auch der Arzt wissen, wenn man ihn in Anspruch nehmen muss. Bei der Wahrnehmung der Körpersignale spielen Wissen und Erfahrung sicher spätestens dann eine wichtige Rolle, wenn man Probleme hat. Und eine effektive oder auch nur gesunde Trainingssteuerung ohne differenzierte Wahrnehmung der Körpersignale kann ich mir kaum vorstellen - siehe dubbel.

So, Körpersignale sind wichtig, eine differenzierte Wahrnehmung ist hilfreich, okay?

Bleiben Deutung und Reaktion. Was kommt mir da so unter?
A) Mein Körper signalisiert "Müde Beine", meine Trainingsaufzeichnungen zeigen normale Trainingsumfänge, in letzter Zeit aber etwas eintönig, ich bin gesund und normal ausgeruht: Locker einfahren, ein paar Dehnungen, eine knappe Steigerung und dann ein paar gepflegte Intervalle können Beine und Kopf wieder frei machen.
B) Mein Körper signalisiert "Müde Beine", meine Trainingsaufzeichnungen zeigen, dass ich jetzt schon zwei Wochen super drauf bin, jede Steigung liebe, jede Gruppenhatz freudig mitmache: Übertrainingsgefahr. Zwei Wochen Top-Zustand ist bei mir ganz selten. Also schnellstens Erholungseinheiten, Ruhetag(e) einschieben.
C) Hintern schmerzt. Hose, Rad, Kadenz usw. alles normal. Hm. Vielleicht der Rücken steif --> falsche Sitzhaltung? Besser ein paar Rückenübungen einplanen.
D) Ich habe eine Zerrung und verwechsle sie mit einem Krampf. Also sofort kräftig ausdehnen. Das war richtig schön blöd gewesen!

Alles triviale Beispiele. Ich bin auch kein übermäßig erfolgreicher Körperlauscher. Ich halte auch die Ansprüche an Wahrnehmung und Deutung der Körpersignale beim Radsport für deutlich weniger vielfältig als z.B. beim Laufen. Abgesehen vom Thema Übertraining. Beim Rennradtraining kann man sich viel leichter sehr viel langfristiger in den Keller fahren als beim Laufen.

carmin schrieb:
... erst jetzt überlege ich ernsthaft, ob den Leuten damit wirklich geholfen wird, oder ob das nicht vielmehr ein metaphysisches Blabla ist.
Wenn ich den "Aufsatz" hier so ansehe ... stimmt schon irgendwie. Sobald man einen Trainer oder erfahrenen Kollegen hat, kommt das aber ganz vernünftig rüber. Meist extrem hilfreich und gar nicht esoterisch. Aber eben sehr komplex. Also: Auf den Körper "hören" ist unverzichtbar und man macht das am besten nicht immer allein. Denn Metaphysik als Gruppenerfahrung macht viel mehr Spaß :D

@sideshowbob
Gerade kürzlich ist mir wieder so ein Fieberlauf-Fall bekannt geworden. Ein Professor, der schon seit vielen Jahrzehnten läuft und für eine renommierte Laufzeitschrift schreibt. Sehr erfahren. Fieberlauf - Herzmuskelentzündung - Intensivstation - glücklicherweise wieder einigermaßen genesen. So betroffen der Einzelfall auch macht: Über irgendwelche Ecken "kenne" ich ganz entfernt viele hundert Läufer und Ausdauersportler. Und die sterben nicht wie die Fliegen an den Folgen von Fiebertrainings. No risk - no fun. Passe trotzdem gut auf Dich auf! :daumen:
 
"Der Körperlauscher" wäre ein guter Name für einen neuen Bestseller !
Vielleicht so in der Reihe von:
"Der Medicus"
"Der Schamane"
"Die Erben des Schamanen"

Und nun ganz neu: "Der Körperlauscher"


carmin, ich will Dich damit nicht veräppeln, ist mir nur so eingefallen, als ich die Threadüberschrift gelesen habe. Der Autor des Buches sollte Dir natürlich vom Verkaufserlös, für den tollen Buchtitel was zukommen lassen :)
 
dubbel schrieb:
ich wart mal auf andere meinungen...

Ich bin da deiner Meinung. Um richtig gut zu werden, braucht man das entsprechende Körpergefühl! Leute, die dieses Gefühl haben, brauchen dann nicht bei jeder Tour ihren Pulsmesser. Aber um ein gutes Körpergefühl zu entwickeln braucht man eben Feedback! Und wenn möglich von objektiven Messwerten. Dann kann man Gefühl und Messwerte abgleichen und lernt so tatsächlich.

Beim Ausdauertraining fühlt man nicht die anaerobe Schwelle! Man fühlt 30-40min später, dass man drüber war. Man fühlt auch nicht direkt die ersten Auswirkungen eines Infektes, man merkt eine Herzmuskelentzündung meist zuerst nur an einer Leistungsverschlechterung, man merkt ein dauerhaft leicht zu intensives Training erst Wochen später, man merkt z.B. auch nicht, dass Muskeln bis zu 10 Tage nach einer hoch intensiven Belastung nicht mehr richtig Kohlenhydrate bunkern können; manch einer merkt eine hohe muskuläre Zerstörung nicht einmal als Muskelkater; und die AOK hat im letzten Jahr ihre schöne Studie veröffentlicht: Deutschland bewegt sich - falsch! Weil die meisten Sportler eben immer "fühlen", dass nur intensives Training was bringt.

Aber wer kann denn z.B. den Übergang von GA1 zu GA2 "fühlen"? Wer merkt denn die vermehrte Stresshormonausschüttung (Adrenalin, Cortisol) beim GA2-Training in den ersten Stunden? :confused:

Wer trainieren will, muss es planmäßig angehen. Die anderen treiben eben dann nur viel Sport. Und zum Entwickeln vom Körpergefühl müssen zuerst mal eine Zeit lang Messwerte her. Aber, damit wir uns nicht falsch verstehen: nicht jeder muss trainieren! Viele wollen halt nur viel Sport treiben; jeder wie er will!

Das war meine Meinung... :D
 
@ dubbel: auch wenn's vom Thema weggeht, was meinst du mit
"zu was bringen" und "zielgerichtet"?
Hier im Forum treibt sich nur eine kleine Zahl von Lizenzlern und noch
weniger angehende Profiradsportler rum. Es geht also um Leute, die
mehr oder weniger zum Spaß Biken / Rennen fahren. Ich kenne ein paar
Biker, die mit dem "Lustprinzip", ohne Trainingsplan, ohne Pulsmesser und
der Schnellste sogar ohne Tacho :rolleyes: trainieren und regelmäßig auf's
Treppchen kommen. Das ist doch das Optimum - Spaß an der Sache
haben und erfolgreich sein. Was willst du mehr? Vielleicht haben die durch
ihre langjährige Erfahrung einfach das richtige Körpergefühl entwickelt oder
es sind Ausnahmetalente. Möglich ist es aber.

carmin schrieb:
Gelegentlich hört man, dass Menschen spüren, wenn nahe Angehörige zu Tode gekommen sind, auch wenn sie diese Information rein objektiv noch gar nicht haben können. Glaubst Du an sowas? Oder ist es nicht vielmehr so, dass man immer seine Sorgen hat und die
(a) vergisst, wenn man seine Angehörigen gesund wieder sieht
(b) retrospektiv zur Todesahnung uminterpretiert, wenn nicht.
Ich glaube einerseits an deine Erklärungen (wie der "habe gerade an dich
gedacht"-Anruf), aber auch daran, dass man unbewusst sehr viel mehr
wahrnimmt, als man denkt. Das Bewusstsein könnte mit so viel (momentan
irrelevanter) Information gar nichts anfangen und ignoriert sie meistens.
Dass objektiv (noch) nichts nachweisbar ist, heisst vielleicht nur, dass die
Messmethode noch nicht gut genug ist. Der Schröder hat neulich ein
Taschentuch vor den Auspuff eines Diesels gehalten und es blieb kein
Feinstaub drin hängen. :rolleyes: Genau das Gleiche.

Thb
 
@ domme: Ich Stimme damit überein, dass Feedback hilft.
Mir persönlich reicht der Tacho, andere brauchen noch einen Pulsmesser,
andere eine LD und wieder andere gar nichts künstliches. Wir sind alle
verschieden. Zu unterstellen, dass rein Gefühlsgesteuertes Training kein Training
ist, finde ich ziemlich lächerlich. Auf das Ergebnis kommt es an. Wer schneller
ist, macht's (für sich persönlich) richtig.

Dass wir alle nur Walking, Schwimmen, und leichte Gymnastik machen würden,
wenn es nach den Krankenkassen ginge, ist ja wohl klar.

Thb
 
domme schrieb:
Ich bin da deiner Meinung. Um richtig gut zu werden, braucht man das entsprechende Körpergefühl! ...Aber um ein gutes Körpergefühl zu entwickeln braucht man eben Feedback! Und wenn möglich von objektiven Messwerten. Dann kann man Gefühl und Messwerte abgleichen und lernt so tatsächlich.
... Wer trainieren will, muss es planmäßig angehen. Die anderen treiben eben dann nur viel Sport. Und zum Entwickeln vom Körpergefühl müssen zuerst mal eine Zeit lang Messwerte her. Aber, damit wir uns nicht falsch verstehen: nicht jeder muss trainieren! Viele wollen halt nur viel Sport treiben; jeder wie er will!
Das war meine Meinung...
ganz genau so hab ich's eigentlich auch gemeint.
 
Oh Mann, wenn ich gewusst hätte was ich da für ne Lawine lostrete hätte ich wohl besser meinen Mund gehalten?

Im Ernst, das Thema ist unerschöpflich und verdammt schwierig. WEnn ich so die letzten Jahre Revue pasieren lasse dann muss ich feststellen daß es mir zu den Zeiten gesundheitlich&seelisch am besten ging als ich ohne festen Trainingsplan einfach drauflos gefahren bin. Das hat auch zu einigen Top-10 Platzierungen bei Maras gereicht ( Knüllwald, Rhön...)

Irgendwann aber mal sah ich die Sache wie Dubel es angesprochen hat: ohne ne vernünftige LD und einen entsprechenden Plan kommste nicht weiter - wobei es natürlich Ansichtsache ist welche Art des Training nun die beste ist!
Nun also. Ich hab mich bemüht, nach Plan zu fahren, egal wie das Wetter war und egal wie ich mich gefühlt habe-drauf aufs Rad! Ob das im Nachhinein ein Fehler war? Wenn ich nun heute schaue, krank, ausgelaugt,kaputt,unmotiviert, das Seelenleben leidet ebenfalls und dann immer dieser Gedanke sich selbst was beweisen zu müssen......Teufelskreis.

Dann kommen berufliche Probleme. Natürlich, selbstständig zu werden habe ich mir selbst ausgesucht. Aber was soll ich denn machen wenn das Geschäft nicht gut läuft, die Kunden bleiben weg aber die Kosten sind trotzdem da? jeden Monat bekommst du aufs neue irgend was präsentiert, sei es nun in meinem Falle GEMA-Gebühren ( Friseurgeschäft also viel Kundenverkehr ), Berufsgenossenschaft, Handwerkskammer, Steuer, Ware....das sind Posten die sind NICHT veränderbar, du MUSST sie bezahlen, ganz egal wie schlecht das Geschäft lief!
Ich rackere mich ab, versuche meinen Kunden neues zu bieten, strecke mich....es nützt nichts, die Leute bleiben weg und das vor allem Dingen deswegen weil sie woanderst weniger Geld fürn Haarschnitt bezahlen als bei mir. Daß ich wesentlich bessere Arbeit leiste als diese vielen Billig-Friseure, das wissen die Leute aber...."mir ham doch kei Geld"....... :mad: :mad:

Ich will hier keine geschäftlichen Tipps von euch. Glaubt mir, in den letzten 2 jahren habe ich viele Tipps ausprobiert und ich bin es mittlerweile leid, irgendwelche "Geheimrezepte", "Geschäftstheorien" oder neuartige Verdienstmärkte auszuprobieren. Solange die Wirtschaft nicht in Gang kommt wird es wohl nicht besser werden. Ich bin mit meinem Latein fast am Ende.

Wenn du dann auch noch Personal hast auf das du dich nicht verlassen kannst und als Sahnehäubchen quasi zu guter Letzt dein Körper den Dienst quittiert weil die Seele nicht mehr kann dann weisste wies mir im Moment geht!
Mann Mann Mann, ich schütte hier gerade mein komplettes inneres vor euch aus.
Und, was soll ich tun? Das Geschäft aufgeben? ich bin mit Leib und Seele Friseur, es war mein größter Wunsch ein eigenes Geschäft zu haben.

Das Biken bleiben lassen? Die fast letzte Freude die mir geblieben ist bringt mir auch nichts mehr da mein Körper nicht mehr will. Gottseidank stimmt es in meiner Beziehung. Meine Freundin unterstützt mich wo sie kann.

Ich hab wirklich versucht alles positiv zu sehen, aus Fehlern zu lernen, Probleme als Herausforderung anzusehen usw usw....wenn aber gar nix dabei rumkommt was bleibt dann noch?

Ich mach jetzt mal lieber Schluss bevor mir noch der Kopf platzt. Sorry für den Megalangen Post. Musste aber sein.
 
Thunderbird schrieb:
@ dubbel: auch wenn's vom Thema weggeht, was meinst du mit "zu was bringen" und "zielgerichtet"?
Hier im Forum treibt sich nur eine kleine Zahl von Lizenzlern und noch
weniger angehende Profiradsportler rum. Es geht also um Leute, die
mehr oder weniger zum Spaß Biken / Rennen fahren. ...
wie gesagt - das war unpräzise formuliert und als gegenposition zu coffee gemeint, die hgeschrieben hat "lust ohne zwang".
damit wollte ich nur sagen, dass du nicht ernsthaft trainieren kannst, wenn du dir nicht auch mal bei bestimmten einheiten selbst in dern hintern trittst.
training im kotzbereich ist nicht nur spaß, sondern saumässig anstrengend.
 
@Adrenalino
Körperlauscher hin, Körperlauscher her, ich glaube, du hast deinen Urlaub bitter nötig. Diese Auszeit aus dem im Moment etwas grauen und düsteren Alltag wird dir bestimmt gut tun. Wenn du auch mal wieder mehr freie Zeit für dich und deine Freundin hast, kannst du dich bestimmt auch besser erholen und dadurch wieder mehr Freude an allem bekommen.

Denke an Bella Italia und freue dich darauf

Lieber Gruß

Yvoxl
 
Zurück