Hardcore-Reparatur

Edelziege

levers are for flat tires
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21. April 2004
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Schweinfurt - german Kentucky
Moin Moin,

auch wenn auf der Gabel Hardcore steht, kann einmal ein Steuerrohr krumm sein. Es wäre schade um das gute Stück, auch um den Lack. Und deshalb ist auch eine aufwendigere Reparatur gerechtfertigt.
Nebenbei ist diese Gabel sehr ungünstig zu reparieren, das macht es interessant und erklärungsbedürftig. Also Bild ab...

So sieht der Schaft aus, als die Gabel ankommt: Kurz und krumm.





Wie man auf dem ersten Bild sieht, ist der Schaft schon kurz über dem Konussitz gebogen. Das ist eine sehr ungünstige Stelle, da dort die Belastung am höchsten ist. Dort schwächt man die Gabel eigentlich nicht durch eine Trennfuge am Schaftrohr. Zudem hat die Gabel offensichtlich einen wenig erfolgreichen Reparaturversuch im Schraubstock hinter sich. Da auch der Blick in die Gabel danach aussieht, als wäre der Schaft schon einmal repariert worden, empfehle ich einen kompletten Austausch des Schaftes mit Konussitz. Es würden also nur die beiden Gabelbeine mit den eckigen Segmenten übrigbleiben.
Dieser technisch gut gemeinte Vorschlag stößt aber wegen des erhaltenswerten Lackes, zu dem ja auch noch ein Rahmen gehört, auf wenig Gegenliebe. Zu Recht. Also wird es ein etwas steinigerer Weg...

Dazu etwas Gründsätzlicheres zum Aufbau einer Gabel:

So sieht ein üblicher Gabelschaft aus. Das Schaftrohr vergrößert nach unten hin seine Wandstärke, üblicherweise von etwa 1,55mm auf rund 2,5mm. Hier im Schnittmodell ist es etwas überdeutlich dargestellt:



Amerikanische Hersteller haben die Gabelschäfte oft anders verstärkt. Sie haben ein Stück dünneres Rohr (rot) unten in den eigentlichen Schaft gesteckt und am unteren Ende verschweißt. Das ist eigentlich ungünstiger als ein richtiger Gabelschaft, aber natürlich besser als gar nichts.



Beim Blick in die Hardcore Gabel sah es eher so aus, als ob im Schaft zwei getrennte Verstärkungsrohre übereinander sitzen. Das ist eigentlich unsinnig und nur durch einen wenig optimalen Reparaturversuch zu erklären. Aber es war eben auch durch den Blick in den Schaft nicht hundertprozentig zu erkennen, auch die Historie der Gabel war unbekannt.



Mein Vorschlag der Reparatur war dann, den Schaft kurz oberhalb des Konussitzes abzusägen, die Verstärkungsrohre innen komplett zu entfernen, ein neues, besonders dickwandiges Verstärkungsrohr und den fehlenden Teil des Schaftes anzuschweißen.



Nachdem es grünes Licht gab, wurde erstmal die Säge angesetzt, um den schmerzhaften Teil der Reparatur direkt zu erledigen.



Die Untersuchung des Gabelschaftes ergab, daß wirklich zwei Verstärkungsrohre verbaut wurden. Warum, ist mir ein Rätsel. Zumal es eher danach aussieht, als wäre da keine Reparatur im Spiel.



Fast genau an der Trennfuge ist auch der Gabelschaft vorne und hinten durch ein Loch geschwächt. Durch das Loch floß das Lot, daß den oberen Teil der Verstärkung dann sehr unvollkommen angelötet hat.



Also machen wir dem grausigen Spiel ein Ende und bauen die Gabel mal lieber wieder schön zusammen. Ein neues Schaftrohr wird gekürzt. Zum Glück habe ich noch schöne 1" Gabelschäfte von Columbus aus rostfreiem Metax-Rohr. Wahrscheinlich die besten 1" Gabelschäfte, die Columbus je hergestellt hat. Eigentlich schade, da das untere Ende abzusägen...



Dann muß ein gestuftes Verstärkungsrohr aus dem Vollmaterial gedreht werden. Ich habe mich entschieden, den unteren Teil des Verstärkungsrohres in der Gabel zu belassen, da er nach näherer Begutachtung kaum ohne Beschädigung der Gabel zu entfernen ist. Deshalb muß das Verstärkungsrohr gestuft sein, das dünnere Ende sitzt in der originalen Gabel. Wer schon mal ein 95mm tiefes Loch in Vergütungsstahl gebohrt hat, weiß, wie viel Spaß das macht.



So sieht jetzt der neue Schaft mit dem dem Verstärkungsrohr aus. Das Verstärkungsrohr ist recht dickwandig, da der Schaft ja an der am höchsten Belasteten Stelle getrennt werden mußte. Eigentlich technisch nicht optimal.



Mal probeweise in den Schaft stecken...



...und mal probeweise in die Gabel.



Frisch geschweißt, den Lack schützt nach dem Schweißen ein feuchtes Tuch, um ein übermäßiges Ansteigen der Temperatur zu vermeiden.



Jetzt wird auf der Drehmaschine noch die Schweißnaht so weit überdreht, daß ein Konus darübergeschoben werden kann. Nicht mehr, weil die Schweißnaht auch verstärkend wirkt.



Und so sieht es fertig aus. Nur der Lack am Konussitz hat sich minimal gelblich verfärbt.



Jetzt werden die blauen Anlauffarben noch mit Scotchbrite entfernt und das war es. Und natürlich habe ich vergessen, ein Bild der wieder kompletten Gabel zu machen. Aber das wird dann wohl bald an anderer Stelle hier im Forum zu sehen sein.:-)

Viele Grüße,

Georg
 
Georg, nach Deinen Beiträgen sitze ich in schöner Regelmäßigkeit mit offenem Mund vor dem Rechner und wünsche mir, sowas auch zu können. Großartig auch Deine anschaulichen Erklärungen, so dass auch ein technisch leider vollständig Unbegabter wie ich das einigermaßen verstehen kann.

Toll!
Christian :daumen:
 
alsoo nee, aufwendig aber genial - gefällt mir gut :daumen:
Super dass du das schöne originale Finish gerettet hast!


( Isch hädd da noch an gschdauchde Guwahara-Rahmen unn nen geschdauchde Diamond-Bägg... :D gehd des aach zu mache ? )
 
Georg,

da fällt mir nur eins zu ein :daumen: :anbet:, immer wieder schön deine Dokus zu lesen.
Und vor allem, den Originallack erhalten :love:

Gruß
Micha
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin einfach nur begeistert von soviel technischem Sachverstand und dieser meisterhaften Dokumentation mit all den kleinen Hintergrundinformationen wieso weshalb warum Du es gerade SO machst.

Du bist irgendwie schon der Inbegriff von "Made in Germany" :daumen:

Manchmal denke ich, daß man besser gleich seinen noch intakten Rahmen oder Gabel vorsorglich zu Dir bringt, da man nach Deinen Bearbeitungen das klare Gefühl hat, daß die deutlich haltbarer sind, als es das Original je war.
 
echt toll aber mal ehrlich eigentlich is die gabel ganz schön russig gemacht - oder ? die 2 bleche innen ... find ich schon fast lustig wenn es net so gefährlich wäre ...
 
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