Speichen sind wahrscheinlich am Fahrrad die letzte Anwendung, bei der mit Elementen aus Stahl der beste Kompromiss aus Leichtbau, Belastbarkeit und Langlebigkeit erreicht wird.
Von Titanspeichen ist aus dem ganz einfachen Grund abzuraten, weil Titanwerkstoffe bei
einer Vergütung (die für ein vernünftige Festigkeit gebraucht wird), eine Volumenvermin-
derung eintritt (Martensitische Phasentransformation). Dies führt dazu, dass Bauteile bereits ohne die geringste Beanspruchung eine spezifische Zugvorspannung aufweisen.
Dass es nicht günstig sein kann, weitere Zugspannung zu addieren, will einleuchten.
(Das "Kugelstrahlen" von Titan- und Alubauteilen dient einfach dazu, die Oberflächen
homogen "zusammenzuhämmern. Die Umformung bedingt eine Verfestigung und
Oberflächenelemente drücken gegeneinander - Druckvorspannung, in diesem Fall als
präexistierende Vorspannung eines Bauteils.)
Wer schon mal ein Stahteil gehärtet hat, weiss, das es nach dem Härten "etwas größer" war.
Dies hat eine günstige Druckvorspannung zur Folge. Speichen sind aber natürlich nicht
gehärtet! Ein anderer Grund ist, dass Stahl überragende Dauerschwingwerte besitzt.
Jedes Rad wird mit jeder Umdrehung mit einer gewissen Grunddynamik belastet, speziell
bei Hinterräder kommen durch Drehmoment und Asymmetrie weitere Faktoren hinzu. Bei Vorderrädern sind es nur Bremskräfte, die völlig anders zu bewerten sind.
Aluminium - wie
MAVIC das propagiert - ist auch alles andere als ideal. Aluminium ist
kerbempfindlich. D. h., die Kratzer in der Speiche vom Pedal Deines Nachbarn am Start
werden früher oder später den Bruch des Bauteils zur Folge haben. Außerdem liegt bei
Alu die Grenze der Dynamik, die keine bedeutenden Ermüdungserscheinungen erwarten
lässt, im Vergleich zu Stahl oder Titan sehr niedrig.
Mavic hat übrigens Zicral für ihre Speichen nicht (neu) erfunden - hochwertige Skilanglauf-
stöcke konnte man schon 1982 in diesem Werkstoff kaufen...
Für Rennräder kann man's durchgehen lassen - für Scheibenbremsräder ist es eine
technologische Geisterfahrt!
Bei Speichen aus Fasern steht man vor dem Problem der Verbindungen an Felge oder
Flansch. Bislang gibt es keine vielversprechenden Ansätze, Fasern und Metallver-
schraubungen sinnvoll zu verbinden. Daneben sind Carbonfasern sehr unelastisch und
Aramidfasern eher zu elastisch.
Fazit: leichter als mit verjüngten Stahlspeichen gehts eh kaum; ich empfehle eine Ein-
speichung mit DT Revolution vorne und hinten links, für hinten RECHTS auf jeden Fall
2,0-1,8-2,0 nehmen. Ein paar Gramm mehr sehr sinnvoll investiert!.
Warum? Die ausgeprägte Asymmetrie von Hinterrädern bedingt sehr ungleiche Speichen-
spannungen rechts und links. Durch die unterschiedlichen Durchmesser der HR-Speichen wird bei entsprechend unterschiedlichen Spannungen eine homogenere Dehnung erreicht . Dies verhindert, dass die rechten Speichen bei einem harten Schlag komplett spannungsfrei werden und sich beim "Herunterfahren" vom Hindernis schlagartig wieder spannen und im Flansch dann sehr unsanft ihr Widerlager finden. Nach einigen Dutzend Wiederholungen ist dann Feierabend für jene Speiche.
