Hallo Leute,
In dem Artikel in der Fachzeitschrift Mountain Bike (November) bezüglich der verschiedenen Hinterbaukinematiken sind einige Sachverhalte und Begriffe meiner Meinung nach falsch dargestellt.
Da ich mich seit geraumer Zeit mit Hinterbaukinematiken in Praxis und Theorie beschäftige, erlaube ich mir einige Richtigstellungen vorzunehmen.
Ich will den Text nicht im einzelnen kommentieren, sondern konzentriere mich außschließlich auf die Eigenheiten eines Viergelenkers.
Prinzipielles:
Wenn die Konstruktion eine Koppelung des vorderen Hauptrahmens mittels zweier Hebel mit der Hinterradaufnahme dessen Radzentrums außerhalb eines der beiden möglichen Gelenkpunkte liegt, spricht man von einem echten Viergelenker. Die Raderhebungsbahn eines Viergelenkers unterscheidet sich von der kreisförmigen Raderhebungsbahn eines Eingelenkers.
Der Verlauf der Bahn während des Federungsvorganges kann auf einer elliptischen oder S-förmigen Bahn erfolgen(auf das Rätsel des umgekehrten S komme ich am Ende des Textes zurück).
Falls die Radaufnahme auf einem der Koppel (Hebel) liegt spricht man von einem mehrgelenkig abgestützten Eingelenker. Die angesprochene Koppel (Hebel) ist in diesem Fall die Kettenstrebgabel.
Aus der genauen Analyse dieser Bahn leitet sich die Wirkungsweise der kinematischen Funktion des Hinterbaus ab. Um zu präzisieren:
Die Wirkungsweise eines echten Viergelenkers leitet sich ausschließlich aus der Raderhebungsbahn ab.
Die Raderhebungsbahn lässt sich rechnerisch oder graphisch ermitteln.
An dieser Stelle darf man keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Einer dieser mechanisch falschen Schlüsse welche in dem Artikel gezogen werden ist,
das der Koppelungspunkt der an der Hinterradaufhängung beteiligten Hebel sei der virtuelle Drehpunkt. Dies ist Falsch.
Der Koppelpunkt welcher sich im Verlauf der Hinterbaubewegung auf einer Bahn verläuft lässt keinerlei direkte Rückschlüsse auf die Raderhebungsbahn zu!.
Die Koppelbahn der beiden Hebel stellt lediglich den Schnittpunktverlauf der jeweiligen Verlängerung der beiden Hebel dar, und hat außer für den Konstrukteur keinerlei Bedeutung für die Wirkungsweise des Viergelenkers.
Um den vielzitierten virtuellen Drehpunktes eines Viergelenkers zu ermitteln und zu beschreiben muss man entweder eine mathematische Ableitung aus der Raderhebungsbahn ziehen oder ein einfaches graphisches Mittel anwenden:
Zu jedem Punkt auf der graphischen Kurve(Raderhebungsbahn) existiert eine sogenannte Normale. Diese Normale ist, soweit es noch aus dem Matheunterricht bekannt sein dürfte, die senkrechte Line auf einem Punkt der Bahn. Zeichnet man nun mehre mehrer Normalen hintereinander auf die Raderhebungsbahn so stellt man fest, das sich diese Linien vor oder hinter dem Raderhebungsbahn schneiden (verlaufen sie parallel so schneiden sie sich im Unendlichen)
Verbindet man die Schnittpunkte der Normalen so erhält man eine weitere Bahnkurve.(Momentanpolbahn) Diese richtig abgeleitete Bahnkurve ist nun der sogenannte Verlauf des Virtuellen Drehpunktes. Virtuell genannt aus dem Grund, da kein physisches Gelenk auf dieser Bahn vorliegt und es zugleich keinen fixen an einer Stelle lokalisierbaren Drehpunkt gibt.
Zusammenfassung:
Verwechselt man den Koppelpunkt der beiden Hebel eines Viergelenkers mit dem virtuellen Drehpunkt(Momentanpol) ist es zum einen falsch und für das Verstehen der Wirkungsweise eines Viergelenkers irreführend.
(z.B. üblicherweise liegen bei einem normalen Viergelenker, exemplarisch genannt seien: Specialized /Scott/ Bergwerk/Canyon etc.) die Koppelpunkte (Koppelpunktbahn) vor dem Tretlager; die aber aus der Raderhebungskurve abgeleitete virtuelle Drehpunkt-Bahn verläuft aber auf einer Bahn hinter /überhalb des Tretlagers.)
Mögliche Effekte des Hinterbaus bei verschiedenen Einfederungszuständen, wie Kurbelrückdrehung und Kettenzugmomente lassen sich mit der Koppelbahn (welche fälschlicherweise als Bahn der virtuellen Schwingendrehpunkte/Momentanpole bezeichnet werden) nicht erklären.
Eine Erklärung für diese Effekte liefert außschließlich der richtig über die Normalen ermittelte virtuelle Drehpunktbahn(Momentanpolbahn)
Explizit ist die Wirkungsweise des Modell Genius im Artikel der Zeitschrift falsch beschrieben.
Womit ich nicht sagen will das dieses Bike schlecht wäre, vielmehr ist das gute Funktionieren des Bikes seitens der Firma sowie in dem Artikel falsch beschrieben.
Ich denke das dieser Sachverhalt einigen maschinenbau-versierten Leser aufgefallen sein müsste. Aber die vielen anderen Leser könnten den Eindruck gewinnen das sich andere Firmen, welche schon wesentlich länger Viergelenker bauen die Viergelenk-Kinematik nicht verstanden hätten.
Generell könnte man jetzt mir Kleinkrämerei vorwerfen aber in Anbetracht das
in Zukunft die Diskussionen sich in den Fachmagazinen und den Foren auf diese Kleinigkeiten verlagern, da die großen Meilensteine bereits getätigt und aufgezeigt sind. Und gerade an der Kinematik kann man nachträglich bei einem Fehlkauf kaum noch Nachbessern. Natürlich ist der Dämpfer an der Funktionsweise eines Viergelenkers maßgeblich beteiligt. Über Anlenkungskennlinien und Federkennlinien in Verbindung mit einer intelligenten Dämpfung lässt sich enormes Potential aus dem Bike herausholen. An der Kinematik jedenfalls wird, solange man ohne Kettenumlenkungen oder Teilung des Antriebs in Primär /Sekundär Trieb auskommen will, keine ( im wahrsten Sinne des Wortes) bahnbrechend neue Erkenntnis aufkommen.
Liebe Grüße Lutz Scheffer
PS:
Es wurde von einigen VVP-Modellen, welche eine umgekehrte S-Förmige Einfederungsbahn besitzen gesprochen ..von welcher Rahmenseite wird dieses umgekehrte S aus betrachtet- von links oder rechts? .und was unterscheidet dann ein S von einem ? .Fragen über Fragen .
In dem Artikel in der Fachzeitschrift Mountain Bike (November) bezüglich der verschiedenen Hinterbaukinematiken sind einige Sachverhalte und Begriffe meiner Meinung nach falsch dargestellt.
Da ich mich seit geraumer Zeit mit Hinterbaukinematiken in Praxis und Theorie beschäftige, erlaube ich mir einige Richtigstellungen vorzunehmen.
Ich will den Text nicht im einzelnen kommentieren, sondern konzentriere mich außschließlich auf die Eigenheiten eines Viergelenkers.
Prinzipielles:
Wenn die Konstruktion eine Koppelung des vorderen Hauptrahmens mittels zweier Hebel mit der Hinterradaufnahme dessen Radzentrums außerhalb eines der beiden möglichen Gelenkpunkte liegt, spricht man von einem echten Viergelenker. Die Raderhebungsbahn eines Viergelenkers unterscheidet sich von der kreisförmigen Raderhebungsbahn eines Eingelenkers.
Der Verlauf der Bahn während des Federungsvorganges kann auf einer elliptischen oder S-förmigen Bahn erfolgen(auf das Rätsel des umgekehrten S komme ich am Ende des Textes zurück).
Falls die Radaufnahme auf einem der Koppel (Hebel) liegt spricht man von einem mehrgelenkig abgestützten Eingelenker. Die angesprochene Koppel (Hebel) ist in diesem Fall die Kettenstrebgabel.
Aus der genauen Analyse dieser Bahn leitet sich die Wirkungsweise der kinematischen Funktion des Hinterbaus ab. Um zu präzisieren:
Die Wirkungsweise eines echten Viergelenkers leitet sich ausschließlich aus der Raderhebungsbahn ab.
Die Raderhebungsbahn lässt sich rechnerisch oder graphisch ermitteln.
An dieser Stelle darf man keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Einer dieser mechanisch falschen Schlüsse welche in dem Artikel gezogen werden ist,
das der Koppelungspunkt der an der Hinterradaufhängung beteiligten Hebel sei der virtuelle Drehpunkt. Dies ist Falsch.
Der Koppelpunkt welcher sich im Verlauf der Hinterbaubewegung auf einer Bahn verläuft lässt keinerlei direkte Rückschlüsse auf die Raderhebungsbahn zu!.
Die Koppelbahn der beiden Hebel stellt lediglich den Schnittpunktverlauf der jeweiligen Verlängerung der beiden Hebel dar, und hat außer für den Konstrukteur keinerlei Bedeutung für die Wirkungsweise des Viergelenkers.
Um den vielzitierten virtuellen Drehpunktes eines Viergelenkers zu ermitteln und zu beschreiben muss man entweder eine mathematische Ableitung aus der Raderhebungsbahn ziehen oder ein einfaches graphisches Mittel anwenden:
Zu jedem Punkt auf der graphischen Kurve(Raderhebungsbahn) existiert eine sogenannte Normale. Diese Normale ist, soweit es noch aus dem Matheunterricht bekannt sein dürfte, die senkrechte Line auf einem Punkt der Bahn. Zeichnet man nun mehre mehrer Normalen hintereinander auf die Raderhebungsbahn so stellt man fest, das sich diese Linien vor oder hinter dem Raderhebungsbahn schneiden (verlaufen sie parallel so schneiden sie sich im Unendlichen)
Verbindet man die Schnittpunkte der Normalen so erhält man eine weitere Bahnkurve.(Momentanpolbahn) Diese richtig abgeleitete Bahnkurve ist nun der sogenannte Verlauf des Virtuellen Drehpunktes. Virtuell genannt aus dem Grund, da kein physisches Gelenk auf dieser Bahn vorliegt und es zugleich keinen fixen an einer Stelle lokalisierbaren Drehpunkt gibt.
Zusammenfassung:
Verwechselt man den Koppelpunkt der beiden Hebel eines Viergelenkers mit dem virtuellen Drehpunkt(Momentanpol) ist es zum einen falsch und für das Verstehen der Wirkungsweise eines Viergelenkers irreführend.
(z.B. üblicherweise liegen bei einem normalen Viergelenker, exemplarisch genannt seien: Specialized /Scott/ Bergwerk/Canyon etc.) die Koppelpunkte (Koppelpunktbahn) vor dem Tretlager; die aber aus der Raderhebungskurve abgeleitete virtuelle Drehpunkt-Bahn verläuft aber auf einer Bahn hinter /überhalb des Tretlagers.)
Mögliche Effekte des Hinterbaus bei verschiedenen Einfederungszuständen, wie Kurbelrückdrehung und Kettenzugmomente lassen sich mit der Koppelbahn (welche fälschlicherweise als Bahn der virtuellen Schwingendrehpunkte/Momentanpole bezeichnet werden) nicht erklären.
Eine Erklärung für diese Effekte liefert außschließlich der richtig über die Normalen ermittelte virtuelle Drehpunktbahn(Momentanpolbahn)
Explizit ist die Wirkungsweise des Modell Genius im Artikel der Zeitschrift falsch beschrieben.
Womit ich nicht sagen will das dieses Bike schlecht wäre, vielmehr ist das gute Funktionieren des Bikes seitens der Firma sowie in dem Artikel falsch beschrieben.
Ich denke das dieser Sachverhalt einigen maschinenbau-versierten Leser aufgefallen sein müsste. Aber die vielen anderen Leser könnten den Eindruck gewinnen das sich andere Firmen, welche schon wesentlich länger Viergelenker bauen die Viergelenk-Kinematik nicht verstanden hätten.
Generell könnte man jetzt mir Kleinkrämerei vorwerfen aber in Anbetracht das
in Zukunft die Diskussionen sich in den Fachmagazinen und den Foren auf diese Kleinigkeiten verlagern, da die großen Meilensteine bereits getätigt und aufgezeigt sind. Und gerade an der Kinematik kann man nachträglich bei einem Fehlkauf kaum noch Nachbessern. Natürlich ist der Dämpfer an der Funktionsweise eines Viergelenkers maßgeblich beteiligt. Über Anlenkungskennlinien und Federkennlinien in Verbindung mit einer intelligenten Dämpfung lässt sich enormes Potential aus dem Bike herausholen. An der Kinematik jedenfalls wird, solange man ohne Kettenumlenkungen oder Teilung des Antriebs in Primär /Sekundär Trieb auskommen will, keine ( im wahrsten Sinne des Wortes) bahnbrechend neue Erkenntnis aufkommen.
Liebe Grüße Lutz Scheffer
PS:
Es wurde von einigen VVP-Modellen, welche eine umgekehrte S-Förmige Einfederungsbahn besitzen gesprochen ..von welcher Rahmenseite wird dieses umgekehrte S aus betrachtet- von links oder rechts? .und was unterscheidet dann ein S von einem ? .Fragen über Fragen .