Mein "neues" Singlespeed... ;-)

Becak

Ein Becak hat drei Räder.
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6. August 2017
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Ort
An der Bieberbach
Die vergangene Wochen stand ich Abends öfters in meiner (Fahrrad-)Werkstatt und habe zerlegt, gereinigt, geschrubbt, entrostet, poliert, konserviert, zusammengebaut, eingestellt, gerichtet, ausgebessert, probiert und getüftelt, ja auch ein paar Teile online bestellt bzw. ersteigert, kurzum, es war viel Arbeit, so weit habe ich noch nie zuvor ein Fahrrad zerlegt.

Bis auf das Glockenlager des Tretlagers hatte ich alles auseinander, da das Glockenlager sich zwar trocken drehte, aber sehr leicht und spielfrei, also, Schmiernippel auf und "gib ihm" (Sprühfett) ... alles gut. Premiere war auch nach Anleitung aus der Wikipedalia den Achter aus der vorderen Stahlfelge rauszuziehen, naja so 1-2 mm hab ich drin gelassen, ich wollte die alte Felge und vor allem die originalen Speichen nicht überstrapazieren, aber das sieht man nicht... Eine andere Herausforderung, und da brauchte ich zwei Anläufe, bis es wieder so funktionierte, wie vorgesehen, war die hintere Freilaufnabe von F+S. Ja, und die Nähte des Ledersattels habe ich von Hand komplett neu gemacht.

Also jetzt, nach über 30 Jahren im Schuppen fährts wieder. Und es fährt sich ziemlich gut, wie ich finde, ich habe inzwischen etwa 15 km damit gefahren, schon während der Restauration um die Funktion der Rücktrittbremse zu testen, da war ich beim ersten Versuch nicht erfolgreich, weil ich es falsch geschmiert hatte. Alleine an dem Pferdchen und dem Steuerkopfschild habe ich jeweils eine gute Stunde mit Zahnbürste und Zahnpasta vorsichtig geschrubbt um den Dreck der Jahrzehnte aus allen Ritzen zu bekommen.

Glockenlager (im Prinzip sind die unverwüstlich!), "alte Felge", Rücktrittbremse, letzere übrigens von Fichtel&Sachs, neudeutsch SRAM, Ledersattel, Pferdchen auf dem vorderen Schutzblech, Steuerkofschild, ihr erratet es schon, es geht hier nicht um ein hochmodernes Singlespeed-Rad, sondern um ein

STRICKER Herrenrad, Bielefeld-Brackwede, Baujahr 1951.

Ohne Schaltung, also Single-Speed... Das ist das Fahrrad meines Großvaters, welches er sich Anfang des Wirtschaftswunders kaufte, um damit täglich pro Richtung etwa 12 km durch den Wald zur Arbeit zu fahren. Oder am Wochenende in den Garten außerhalb des Ortes, zur Verwandtschaft in der Umgebung, oder auch mal auf Ausflügen in die nähere und weitere Umgebung. Als ich noch klein war, bin ich ab und zu mit ihm hier in der Gegend unterwegs gewesen, er hatte meistens den Stricker benutzt. Meine Mutter erzählte mir, dass die Wochenend-Touren, und dabei fuhr mein Großvater dieses Rad, auch mal auf den Hahnenkamm und sogar auf den Feldberg (Taunus) führte. Respekt!

Der Stricker war eine Zeit lang sogar motorisiert, der entsprechende REX Hilfsmotor (Bj. 1952) ist auch noch da, dafür werde ich aber irgendwann mal ein ein anderes Rad dafür aufbauen, einen passenden Rahmen von Torpedo (Frankfurt-Rödelheim, 1949) habe ich schon, und (fast) alle anderen Teile sind noch da, denn mein Opa hat an den Rädern alles selbst gemacht und auch ein paar Teile gesammelt (und auch die Kunsträder des örtlichen Radsportvereins repariert). Als nächstes ist aber erstmal das Adler Damenrad meiner Großmutter an der Reihe, und dann noch das (vermutlich) Badenia Damenrad meiner Großmutter. Die sind von 1939 und 1926.

Der Stricker war weitestgehend im Originalzustand, ich habe an Altteilen nur die Klingel durch eine originale von Stricker ersetzt. Außerdem gab es einen neuen Zweibeinständer (ein originaler alter wäre mir lieber, die haben aber auch Liebhaberpreise...), neue Felgenbänder, Schläuche und Reifen (mir wären welche ohne Reflektionsring lieber gewesen, dann hätte ich aber Katzenaugen dran machen müssen) und eine Satteltasche. Nur das Schutzblech habe ich nach dem Entrosten etwas Farbe verwendet, weil das dann teils blanke Blech nicht zum Rest passen wollte, sonst ist alles nur mit Rostumwandler und Leinölfirnis behandelt. Mein Dank geht an zahlreiche Tippgeber im altesrad.net Forum, die jetzt natürlich wegen den Reifen meckern...

Zunächst ein "Vorher"-Foto, dann der aktuelle Zustand.

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Und dann vom aktuellen Zustand.


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Und hier liegen 66 Jahre Technikgeschichte dazwischen, das Grundprinzip wurde aber nur verfeinert...

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Ich hoffe, diese kleine Entführung in ein anderes Fahhrad-Thema hat gefallen. So alte Räder zu restaurieren macht viel Spaß.
 

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Hätte mein Opa ein Fahrrad gehabt, so hätte ich es selbst restauriert und selbst gefahren. Es ist durch kein Geld der Welt zu ersetzen, daher :daumen:
 
Feines Rad..hab ich in der Art auch vor kurzem hier eingestellt..deins ist aber deutlich hübscher..glaube dennoch das deine Wahl mit den Reifen nicht schön ist, wie du ja erwähnt hast, dann lieber ausnahmsweise ohne Katzenaugen , die Streifen sind irgendwie nicht schön..habs zumindest etwas umgangen indem ich Cremefarbende Reifen nutze(auch mit diesem Streifen drin)..aber das ist meckern auf hohem Niveau, lg Ringo
 
Da hast du aber auch einen schönen "Halbrenner", aber die Gabel geht ja garnicht, mit angeschweißter Montagemöglichkeit für den Dynamo. Die ist eindeutig zu neu.Wenn ich mir die Sattelrohr- und Gabelneigung so ansehe, würde ich sagen, das geht so Richtung 1920er Jahre. Hast du Wulstfelgen und Reifen? Das ist leider auf dem Sepia-Foto nicht gut zu erkennen.

Irgendwo hier im Forum hatte ich mal von Bremsenreiniger zum Ablösen der weißen Ringe und des Schriftzuges auf den Reifen gelesen, habs ausprobiert, funktionierte nicht. Vielleicht probiere ich es mal mit schwarzer Farbe, müsste halt matt sein.
 

Nein das ist nur ein altes Postrad, die Schutzbleche und der super hässliche Paketträger sind entfernt worden..wollte es so ein bisschen wie 20er Jahre wirken lassen..und es sind übliche Felgen..inkl 26x1,75er reifen glaub ich, die Gabel war dran als ich es gefunden habe. lg Ringo
 
Ah, jetzt sieht man auf dem einen Bild auch einen angeschweißten Gepäckträger-Halter. Ja das Rad ist im wahrsten Sinne des Wortes "Retro" - neu, (naja auch nicht so wirklich), aber auf älter aussehend gemacht. Dafür gut gelungen.
 
So, der nächste Oldtimer ist an der Reihe... Es ist das Rad meiner Großmutter, ein Adler Damenrad von 1939. Mir fehlen aber noch ein paar Teile (z.B. Kettenschutz mit Adler-Schriftzug). Das werde ich in der nächsten Zeit zerlegen, reinigen usw, im Prinzip gleiche Vorgehensweise wie beim Stricker. Das heißt, kein Sandstrahlen, Neulackieren und so weiter, wie manche Zeitgenossen den Originalzustand zerstören.

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Momentan hat es fälschlicherweise noch 26er Laufräder drauf, aber ich habe zwei Sätze 28 Zoll Laufräder von 1939 von Adler. Bei der originalen "Gallionsfigur" auf dem Schutzblech sind die Flügel abgebrochen. Habe mir schon vor Monaten eine Replika (rechts) besorgt, weil originale Adler normalerweise sehr teuer sind, mit ein bischen Glück bekam ich aber kurz vor Weihnachten in der Bucht ein Original (links) für recht kleines Geld. Eine Adler-Klingel im gleichen Stil fand ich kürzlich für nen 10er auf einem Flohmarkt, in der Bucht gehen die, wenn mal welche auftauchen, für 80++ Euros weg.
 

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Muss mal wieder ein Lebenszeichen in dieser Rubrik geben... The Eagle has landed... Nein, er ... sie ist wieder Flügge geworden.

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Die Kabellage für Dynamo und Lampen hab ich noch nicht gemacht, aber da diese Reifen leider keine Lauffläche für den Seitendynamo haben, ist das fast eh egal. Leider sind Reifen im Format 26x2,00 - sogenannte BAllonreifen - das hat fast schon MTB-Qualität - in Retro-Optik - schwer zu bekommen, da muss man nehmen was man kriegen kann.
 

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(...) Leider sind Reifen im Format 26x2,00 - sogenannte BAllonreifen - das hat fast schon MTB-Qualität - in Retro-Optik - schwer zu bekommen, da muss man nehmen was man kriegen kann.
Naja ist Ansichtssache ... Diese Schwalbe Big Apple usw. kommen dem optisch doch eigentlich schon ganz schoen nahe ... und eine Dynamorille haben sie auch :)

Ist halt dann 'mit leichten Zugestaendnissen ans 21. Jahrhundert' (z. B. Reflexstreifen) - finde das vertretbar.
 
Hallo, ich hatte nen Big Apple in der Hand und der hatte keine Dynamorille. Das Reifenprofil vom Big Apple ist auch sehr Postmodern, passt zu so einem Oldtimer nicht so wirklich.
 
Ich hab gegooglet, zur Illustration der (von mir so vermuteten) Dynamorille nochmal ein Screenshot mit roter Markierung in einem Teil des Bildes.
big_apple.png


Natuerlich ist der Reifen in vielen Details 'anders', aber ich finde sowas voellig in Ordnung.
Kommt halt drauf an ob man 'Museumsstueck originalgetreu' oder 'Klassiker modernisiert fuer den heutigen Alltag' will.

Und mit letzterem hast Du bei 26x2.0 kein Problem ;)
 

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Von den großen reifenherstellern gibt's auch aktuell allerlei klassisch gestaltete Ballonreifen für alte Räder.

Z.B. Schwalbe Century in 28"
Century_Gruppe-1.jpg


Conti Retro Ride bzw. Ride Cruiser in 26" und 28"
retro-ride-drahtreifen-122521.jpg


Vredestein classic in 28" / ERTRO 635
10008468_0001.png


Michelin World Tour in 28"
tire630-mich-worldtour.jpg



undsoweiter...
 
Die Contis hatte ich mir auch angesehen, sehen auch zu postmodern aus, und haben auch keine Dynamorennbahn. Und die 28er von den anderen Herstellern passen natürlich nicht, der Rahmen ist auch zu klein für 28er Laufräder (schon getestet).
 
Es werde Licht! Hab heute mal die Elektroinstallation gemacht. Das ist eine Batterielampe...

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Dynamobetrieb mit der mittleren Lampe. Hab ich doch noch hinbekommen, ohne geriffelte Lauffläche auf dem Reifen.

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Batteriebetrieb mit der oberen Lampe.

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Auch das Rücklicht funzelt im Batteriebetrieb.

haeckel10.jpg

Und so sieht das von innen aus. Der Kasten ersetzt die alten 4,5V Blockbatterien, drinnen sind drei AA-Batterien.
 
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