Letzte Woche frug (frogte? fragtete?) mich ein mir völlig Unbekannter (der wie sich später herausstellte, unerkannterweise jahrelang im selben Haus wie ich wohnte), ob ich nicht an etwas mir völlig unbekanntem, nämlich einem Mountainbike Orientierungs Team Rennen mit machen möchte. Sein bisheriger Kollege sei wegen des schlechten Wetters(!) abgesprungen. Bei sowas konnte ich natürlich nicht Nein sagen, und so sagte ich spontan Ja.
Nun, Orientierung ist etwas, das man als ernsthafter Mountainbiker einfach braucht, wie jeder weiss, der schon mal eine ESK Tour ohne den Oberst mitgefahren ist. Wer hat sie sich, nach langer Tour, das Hinterrad des Vordermannes in die Pupille eingebrannt, noch nicht gestellt, die Fragen: Wo bin ich? Fahre ich grade bergauf oder bergab? Und wie komm ich am schnellsten zu Mutti? ...
Bei so einem Orientierungsrennen steht man also vor der Aufgabe, innerhalb einer festgelegten Zeitspanne möglichst viele sog. Posten aufzufinden, die vorher von den Veranstaltern des Rennens liebevoll an allen möglichen und unmöglichen Stellen im Wald verbuddelt worden sind. Diese Stellen sind auf einer Karte markiert, die man sich vor dem Rennen ansehen darf, und möglichst genau memorieren sollte. Fieser Weise sind auf der Karte noch ein paar Posten mehr drauf, als es dann später tatsächlich gibt, welche dies sind erfährt man erst NACH dem Start. Dieses soll verhindern, das man sich vorher schon eine Route überlegen kann. Merke: Der Orientierungsfahrer orientiert beim Fahren, und nicht etwa schon vorher beim Gläschen Bier.
Bei diesem speziellen Rennen wurde in 2er-Teams gefahren, ein Team bestand also aus 2 Leuten, dem Orientierenden (checkb alias Ingo) und dem Orientierungslosen (mir). Ingos Aufgabe bestand darin, bewaffnet mit Karte, Kompass, Zirkel, Lineal und Feldstecher, nicht nur den nächsten anzufahrenden Posten zu finden, sondern auch schon die Route zu den darauffolgenden im Kopf zu berechnen, dabei die noch zur Verfügung stehende Zeit zu berücksichtigen, Alternativrouten für den Rückweg auszuarbeiten, und das ganze unter Einberechnung der unterschiedlichen Wertigkeit der einzelnen Posten im Hinblick auf eine zu erreichende Maximalpunktzahl hin zu optimieren.
Ich hatte die Verantwortung für die Postenlochkarte übernommen, welche ich in einem schicken Armtäschen trug, und von deren Existenz bzw. Verlust unser Sieg bzw. die Niederlage abhing. Meine Aufgabe bestand darin, bei Erspähen eines Postens in gestreckten Galopp auszubrechen, mir seitlich vom Rad hängenderweise, die Lochkarte zwischen den Zähnen, in voller Fahrt die Postenzange zu schnappen und ein Loch an die richtige Stelle hineinzustanzen, und dabei La Paloma zu singen (letzteres ist ein wichtiger Punkt, schließlich soll das ganze auch noch Spaß machen!)
Das eigentliche Rennen ging über 4 Stunden. 5min vor dem Start stellte ich noch etwas äusserst Peinliches fest. Ich hatte das Mundstück meines Camelbaks vergessen. Wie bekloppt, 4 Stunden ohne Wasser, keine Chance. Flaschenhalter hatte ich auch nicht, und alle 10min eine Volvic Flasche aus dem Rucksack zu fummeln, da ist man ja schneller wenn man die ganze Strecke schiebt. Sowas von frustrierend, wegen so eines 20Cent Plastik Dingens (auch wenns bei Camelbak 20Euro kostet) kann man doch nicht das Rennen schmeissen. Zum Glück war CheckGuyver gleich zur Stelle und bastelte aus einem durchgesägten Plastikkugelschreiber und etwas Klebeband einen komplett Camelbak kompatiblen Trinkschlauch Pfropfen. Zu bewundern ist das ganze auf dem Foto unten (ich kann das inzwischen auch gefahrlos veröffentlichen, Patent und kommerzielle Ausbeutungsrechte für die nächsten 50 Jahre sind schon eingereicht).
Untergrundtechnisch war alles dabei. Von Straße (für den Speed), Waldwegen (für den Fun), übelstes Kopfsteinpflaster (für die Fahrtechnik), bis hin zu Sand (für die Erinnerung an zuhause) und Schlamm (damit zuhause niemand sagt, wir seien gar nicht gefahren). Die ersten Posten waren rasch erledigt, wir flogen dahin, es war traumhaftes Wetter, strahlender Sonnenschein, mir tat jeder leid, der heute nicht Rad fahren durfte. Eine paar Ortschaften hindurch schloß sich uns ein Hund an, der uns auch bis in den nächsten Wald hinein verfolgte, bis sich ihm ein paar Rehe als lohnenswertere Beute anboten.
2 Stunden waren vorbei, es war viel wärmer als die 0Grad von heute früh einen hätten vermuten lassen, ich hätte wohl doch lieber das kurze Schwarze angezogen, anstatt meiner Winterausrüstung. Wir näherten uns dem Außenbereich der Karte, wo die wirklich wertvollen Posten standen. Hier kamen uns auch schon Leute entgegen, die offensichtlich schon dagewesen waren, Grummel Grummel, hmm, nun gut, die sind bestimmt direkt da raus gefahren, und so wussten wir wenigstens wo es lang geht. Ich zog meine Handschuhe zum 20.Mal heute aus., wegen der Sonne. Und gleich wieder an. Wegen dem Wind.
Unser Ziel waren zwei 100er Randposten, aber irgendwie ging es schon viel zu lange gradeaus, da plötzlich ein Ortsschild und ein Aufschrei von Ingo, Oh Nein! Irgendwo "da hinten" waren wir wohl falsch abgebogen und steuerten nun genau auf den falschen Posten zu. Grübel grübel, nehmen wir den ersten noch mit, obwohl wir so völlig vom Kurs sind? Ist ein ziemlicher Umweg, aber 100 Punkte sind 100 Punkte, und ausserdem sind wir noch fit (was?). Also gab es kein Halten und kein Zögern.
275 Punkte später und nach über 3 Stunden Fahrzeit begann ich ernsthaft am Sinn des ganzen Unternehmens zu zweifeln. Wir befanden uns immer noch im Randgebiet, ich konnte nicht mehr, wir waren immer noch auf Postensuche, und noch nicht auf dem Rückweg, und ich war fix und alle. Selbst die Aussicht auf den Hauptgewinn, ein Jahr lang kostenloser Urlaub auf den Bahamas, mit soviel Freibier und knapp bekleideten Mädels wie ich mir schon immer gewünscht hatte, vermochte mich nicht im geringsten zu reizen. Zumal ich inzwischen ernsthafte Zweifel daran hegte, dass wir den ersten Platz überhaupt noch belegen könnten.
Den nächsten Posten konnte ich nur noch mit halber Kraft knipsen. La Paloma war schon lange im Ruhestand und lebte von der Rente. Der Gegenwind, den wir auf der Hinfahrt in freudiger Erwartung auf die Rückfahrt ertragen hatten, hatte sich noch verstärkt, und vor allem festgestellt, daß es ihm in unserem Zielgebiet nun doch so gar nicht gefiel und wollte ganz dringend zurück. Noch dazu ging es die ganze Zeit bergauf, das war mir auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen.
Ein letzter Posten ("liegt quasi auf dem Weg"). Ich hatte inzwischen den festen Vorsatz gefasst, mein Rad in der nächsten Pfandleihe zu verscherbeln, und in einen Schachverein einzutreten. Ein gegnerisches Team tauchte auf, es gab noch ein Kopf an Kopf Rennen, die letzten Kräfte wurden mobilisiert und wir konnten die Bergwertung im Matsch für uns entscheiden. Mit viel Gejohle rollten wir 3min vor Ablauf der Zeit ins Ziel ein.
Geschafft! 500 Punkte von 900, Platz 11 von 18. Kein Hawaiiurlaub, aber glücklich, mein erstes Rennen, mein allererstes Rennen nicht nur orientierungstechnisch sondern überhaupt Rennen. Geil. Wenn man sich nach jedem so fühlt, freu ich mich schon auf die Sommersaison.
Ein toller Start in den Frühling.
* Flocke *
Nun, Orientierung ist etwas, das man als ernsthafter Mountainbiker einfach braucht, wie jeder weiss, der schon mal eine ESK Tour ohne den Oberst mitgefahren ist. Wer hat sie sich, nach langer Tour, das Hinterrad des Vordermannes in die Pupille eingebrannt, noch nicht gestellt, die Fragen: Wo bin ich? Fahre ich grade bergauf oder bergab? Und wie komm ich am schnellsten zu Mutti? ...
Bei so einem Orientierungsrennen steht man also vor der Aufgabe, innerhalb einer festgelegten Zeitspanne möglichst viele sog. Posten aufzufinden, die vorher von den Veranstaltern des Rennens liebevoll an allen möglichen und unmöglichen Stellen im Wald verbuddelt worden sind. Diese Stellen sind auf einer Karte markiert, die man sich vor dem Rennen ansehen darf, und möglichst genau memorieren sollte. Fieser Weise sind auf der Karte noch ein paar Posten mehr drauf, als es dann später tatsächlich gibt, welche dies sind erfährt man erst NACH dem Start. Dieses soll verhindern, das man sich vorher schon eine Route überlegen kann. Merke: Der Orientierungsfahrer orientiert beim Fahren, und nicht etwa schon vorher beim Gläschen Bier.
Bei diesem speziellen Rennen wurde in 2er-Teams gefahren, ein Team bestand also aus 2 Leuten, dem Orientierenden (checkb alias Ingo) und dem Orientierungslosen (mir). Ingos Aufgabe bestand darin, bewaffnet mit Karte, Kompass, Zirkel, Lineal und Feldstecher, nicht nur den nächsten anzufahrenden Posten zu finden, sondern auch schon die Route zu den darauffolgenden im Kopf zu berechnen, dabei die noch zur Verfügung stehende Zeit zu berücksichtigen, Alternativrouten für den Rückweg auszuarbeiten, und das ganze unter Einberechnung der unterschiedlichen Wertigkeit der einzelnen Posten im Hinblick auf eine zu erreichende Maximalpunktzahl hin zu optimieren.
Ich hatte die Verantwortung für die Postenlochkarte übernommen, welche ich in einem schicken Armtäschen trug, und von deren Existenz bzw. Verlust unser Sieg bzw. die Niederlage abhing. Meine Aufgabe bestand darin, bei Erspähen eines Postens in gestreckten Galopp auszubrechen, mir seitlich vom Rad hängenderweise, die Lochkarte zwischen den Zähnen, in voller Fahrt die Postenzange zu schnappen und ein Loch an die richtige Stelle hineinzustanzen, und dabei La Paloma zu singen (letzteres ist ein wichtiger Punkt, schließlich soll das ganze auch noch Spaß machen!)
Das eigentliche Rennen ging über 4 Stunden. 5min vor dem Start stellte ich noch etwas äusserst Peinliches fest. Ich hatte das Mundstück meines Camelbaks vergessen. Wie bekloppt, 4 Stunden ohne Wasser, keine Chance. Flaschenhalter hatte ich auch nicht, und alle 10min eine Volvic Flasche aus dem Rucksack zu fummeln, da ist man ja schneller wenn man die ganze Strecke schiebt. Sowas von frustrierend, wegen so eines 20Cent Plastik Dingens (auch wenns bei Camelbak 20Euro kostet) kann man doch nicht das Rennen schmeissen. Zum Glück war CheckGuyver gleich zur Stelle und bastelte aus einem durchgesägten Plastikkugelschreiber und etwas Klebeband einen komplett Camelbak kompatiblen Trinkschlauch Pfropfen. Zu bewundern ist das ganze auf dem Foto unten (ich kann das inzwischen auch gefahrlos veröffentlichen, Patent und kommerzielle Ausbeutungsrechte für die nächsten 50 Jahre sind schon eingereicht).
Untergrundtechnisch war alles dabei. Von Straße (für den Speed), Waldwegen (für den Fun), übelstes Kopfsteinpflaster (für die Fahrtechnik), bis hin zu Sand (für die Erinnerung an zuhause) und Schlamm (damit zuhause niemand sagt, wir seien gar nicht gefahren). Die ersten Posten waren rasch erledigt, wir flogen dahin, es war traumhaftes Wetter, strahlender Sonnenschein, mir tat jeder leid, der heute nicht Rad fahren durfte. Eine paar Ortschaften hindurch schloß sich uns ein Hund an, der uns auch bis in den nächsten Wald hinein verfolgte, bis sich ihm ein paar Rehe als lohnenswertere Beute anboten.
2 Stunden waren vorbei, es war viel wärmer als die 0Grad von heute früh einen hätten vermuten lassen, ich hätte wohl doch lieber das kurze Schwarze angezogen, anstatt meiner Winterausrüstung. Wir näherten uns dem Außenbereich der Karte, wo die wirklich wertvollen Posten standen. Hier kamen uns auch schon Leute entgegen, die offensichtlich schon dagewesen waren, Grummel Grummel, hmm, nun gut, die sind bestimmt direkt da raus gefahren, und so wussten wir wenigstens wo es lang geht. Ich zog meine Handschuhe zum 20.Mal heute aus., wegen der Sonne. Und gleich wieder an. Wegen dem Wind.
Unser Ziel waren zwei 100er Randposten, aber irgendwie ging es schon viel zu lange gradeaus, da plötzlich ein Ortsschild und ein Aufschrei von Ingo, Oh Nein! Irgendwo "da hinten" waren wir wohl falsch abgebogen und steuerten nun genau auf den falschen Posten zu. Grübel grübel, nehmen wir den ersten noch mit, obwohl wir so völlig vom Kurs sind? Ist ein ziemlicher Umweg, aber 100 Punkte sind 100 Punkte, und ausserdem sind wir noch fit (was?). Also gab es kein Halten und kein Zögern.
275 Punkte später und nach über 3 Stunden Fahrzeit begann ich ernsthaft am Sinn des ganzen Unternehmens zu zweifeln. Wir befanden uns immer noch im Randgebiet, ich konnte nicht mehr, wir waren immer noch auf Postensuche, und noch nicht auf dem Rückweg, und ich war fix und alle. Selbst die Aussicht auf den Hauptgewinn, ein Jahr lang kostenloser Urlaub auf den Bahamas, mit soviel Freibier und knapp bekleideten Mädels wie ich mir schon immer gewünscht hatte, vermochte mich nicht im geringsten zu reizen. Zumal ich inzwischen ernsthafte Zweifel daran hegte, dass wir den ersten Platz überhaupt noch belegen könnten.
Den nächsten Posten konnte ich nur noch mit halber Kraft knipsen. La Paloma war schon lange im Ruhestand und lebte von der Rente. Der Gegenwind, den wir auf der Hinfahrt in freudiger Erwartung auf die Rückfahrt ertragen hatten, hatte sich noch verstärkt, und vor allem festgestellt, daß es ihm in unserem Zielgebiet nun doch so gar nicht gefiel und wollte ganz dringend zurück. Noch dazu ging es die ganze Zeit bergauf, das war mir auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen.
Ein letzter Posten ("liegt quasi auf dem Weg"). Ich hatte inzwischen den festen Vorsatz gefasst, mein Rad in der nächsten Pfandleihe zu verscherbeln, und in einen Schachverein einzutreten. Ein gegnerisches Team tauchte auf, es gab noch ein Kopf an Kopf Rennen, die letzten Kräfte wurden mobilisiert und wir konnten die Bergwertung im Matsch für uns entscheiden. Mit viel Gejohle rollten wir 3min vor Ablauf der Zeit ins Ziel ein.
Geschafft! 500 Punkte von 900, Platz 11 von 18. Kein Hawaiiurlaub, aber glücklich, mein erstes Rennen, mein allererstes Rennen nicht nur orientierungstechnisch sondern überhaupt Rennen. Geil. Wenn man sich nach jedem so fühlt, freu ich mich schon auf die Sommersaison.
Ein toller Start in den Frühling.
* Flocke *