Marc, ich wundere mich etwas, dass du mich meinst, da ich mich bemüht habe, möglichst verständlich zu schreiben. Das würde noch wesentlich fachbezogener gehen.
Sollte mal ein unklares Wort dabei sein, kann aber jeder interessierte Leser es einfach suchen und sich die Erklärung dazu durchlesen.
Das ist auch für's Lernen und Einbinden ins eigene Wissen vorteilhaft... und sollte hier im (schriftlichen) Forum/ Internet auch ohne Probleme möglich sein.
Zum Wort "Sensomotorik":
Infos (Sinneseindrücke) kommen rein, motorische Antworten gehen raus.
Das ist ganz einfach erklärt.
Die Sinneseindrücke und Wahrnehmungen können dabei in viele einzelne Bereiche unterschieden werden, was aber sicher den Rahmen sprengen würde.
Was zwischen Reiz und (motorischer) Antwort passiert, ist noch komplexer und füllt Bücher.
Aber etwas Interessantes zu eingehenden Infos:
Alle 4-5 Sekunden nehmen wir ca. 500MB Eindrücke (Infos an Daten) aus der Umwelt auf, doch uns wird davon nur ein Bruchteil bewusst (weit unter 500kb).
Der Rest wird unterbewusst verarbeitet oder gar nicht benutzt.
Ich denke, dass ist ein guter (Schutz- oder Organisations-) Mechanismus des Gehirns, damit man nicht irre wird... oder mental überlastet umfällt.
Was würde ich dafür geben, wenn ich nur ein MB bewusst aufnehmen und verabeiten könnte.
(Inselbegabte/ Savants sind ein gutes Beispiel für ausserordentliche kognitive Leistungen, haben aber leider andere, meist soziale Defizite.)
So, zum Thema "Muskelgedächtnis" und der ursprünglichen Fragen von Air-Marky:
Ich denke, beides (Muskelgedächtnis und Fahrttechnik/ Bewegungen) greift relativ zeitnah ineinander.
Später verschiebt sich das Bewegen/ Lernen/ Technik in automatisierte Prozesse.
Muskelgedächtnis:
Ein Muskel (strukturell gesehen), der oft benutzt/ trainiert wird, passt sich neuromuskulär an (der von mir gewählte Terminus ist hier lasch gewählt, aber es konkreter zu formulieren, sprengt meine Zeit).
Das heißt, er wird schon mal von zentral (Gehirn), aber nach einiger Zeit auch von spinal (Rückenmark) besser und effektiver, bald auch effizienter, angesteuert.
Die motorischen Einheiten, die die entsprechenden Fasern im Muskel ansteuern, machen es schnell immer "besser". Durch "Vernetzungen" und Stoffwechselveränderungen an den Zellmembranen.
Je nach Muskel und Wichtigkeit/ Bedeutung für unsere Funktionalität und insbesondere für's Überleben, wird er von vielen oder von wenigen "Motor Units" angesteuert, angepasst und fein oder grob abgestuft.
Die mechanischen Reize im Muskel rufen bestimmte Stoffwechselreaktionen und hormonelle Veränderungen hervor.
Molekular verändern sich durch epigenetische Prozesse einige Vorgänge in den Fasern, die im Endeffekt zu einer Vermehrung/ Differenzierung von Satellitenzellen im Muskel führt.
Satellitenzellen fördern muskuläre Regeneration, Reparaturen und Hypertrophie im Sinne des Adaptationsprozesses an körperliche Belastungen.
Diese Adaption sehe ich hier als ein wesentliches Merkmal des "Muskelgedächtnisses" auf rein struktureller und lokaler Ebene.
Wenn ich eine Stufe höher gehe, nehme ich die verbesserte Ansteuerung über die Motor Units hinzu (zum Muskelgedächtnis; eine vollkommene Differenzierung wäre nicht ganz funktionell).
...
Denkt ihr dieser sogenannte Effekt tritt in abgewandelter Form auch bei der Fahrtechnik auf? Das sich Muskeln einen einmal erlernten Bewegungsablauf "merken"?
...
Somit:
Ja, ich denke, ein Muskel, der im Bewegungskontext bestimmte Fahrmanöver durchführen musste, "erinnert" sich daran.
Man fängt beim erneuten Üben, auch nach Monaten/ Jahren der Pause (oder weniger Intensität) nie bei Null an... sondern baut immer auf Gerlerntes/ Trainiertes auf.
Wo der jeweilige "Startpunkt" ist, ist sicher immer sehr individuell und hängt von vielen intrapersonellen Faktoren ab.
Zu dieser Meinung/ Erfahrung habe ich selbst viele persönliche Beispiele aus Beruf, Leben, Sport, motorischen Übungen und Techniken.
Wahrscheinlich Jeder von euch.
...Das man sozusagen garnicht zu bewusst über den geforderten Bewegungsablauf nachdenken muss, sondern einfach seinen Körper machen lässt. Oder ist das einfach die allgemeine Fahrerfahrung in solchen Fällen?...
Ab hier wird es für's Biken noch interessanter... und für uns Radfahrer, die ihre Fahrtechnik verbessern wollen, praktisch wichtiger und wertvoller.
Ein Ziel von Fahrtechnik/ Bewegungen ist es, dass ein Automatismus stattfindet.
Es gibt Studien, die dabei auf den Fokus des Sportlers (während der Bewegung/ Übung) gerichtet sind.
Es geht dabei um einen
internen Fokus und
externen Fokus.
Das sollte allen Trainern/ Therapeuten/ interessierten Sportlern bekannt sein und sollte meiner Meinung nach im Kurs/ in der Therapieeinheit unbedingt vermittlelt werden oder subtil mit eingebaut werden, um die bestmöglichste Bewegung (aber auch Sicherheit) zu generieren.
Dabei wird das motorische Lernen verbessert.
Beispiel Tennisball hochwerfen und wieder fangen:
Beim internen Fokus achtet man und konzentriert sich als Ausführender auf die Bewegung des Armes und der Hand.
Man denkt sich "in die Gelenke/ Muskeln" und nimmt sie beim Bewegen wahr.
Beim externen Fokus achtet man nur auf den Ball.
Man will, dass er aufsteigt, sieht ihn hoch fliegen, wieder runterkommen und in der Hand landen.
Der Fokus liegt im Bewegungseffekt.
Alle Studien, die ich kenne, haben ergeben, dass das motorische Lernen mit externem Fokus das Lernen und den Automatismus von Bewegungen stärker verbessert haben.
Ein externer Fokus und erzielter Automatismus führt noch zu anderen positiven Dingen:
Man erlangt mehr Aufmerksamkeitskapazitäten, die dann für andere oder plötzliche Situationen, von hohem Vorteil sein können.
Durch externen Fokus werden schnelle Korrekturen effektiver/ effizienter.
Externer Fokus verbessert durch mehr Effizienz in der beübten Bewegung ein "neuromuskuläres Rauschen". Das sind unnötige muskuläre Aktivitäten.
(Hier spielt zum Beispiel das Kleinhirn eine enorm wichtige Rolle).
Externer Fokus verbessert auch den Energiebedarf (strukturell und zentral).
Und schon hat man wieder mehr/ andere Kapazitäten frei.
Eine grundlegende Haltung/ Haltungskontrolle und Blickführung haben hier, beim Radfahren, eine grundlegende Funktion.
Das sollte passen, um dann beim Lernen von Manövern/ Technik schon eine sehr gute Basis zu haben.
Ein Beispiel für's Wheelie-Üben:
Wenn man einmal die Karre hochbekommt und seinen Sweetspot ansatzweise gefunden hat oder erahnen kann, sollte man zeitnah einen externen Fokus benutzen.
Z.B. einen Strich auf dem Boden (in 10m Entfernung) anpeilen, den man unbedingt erreichen möchte.
Gar nicht mehr stark auf seinen Körper achten, sondern nur den Strich, sein Ziel anpeilen.
Der Lernprozess verbessert sich dadurch enorm.
Ein interner Fokus, auf seine eigenen Bewegungen, würde hier bewusst in Kontrollprozesse eingreifen, die sonst (mit externem Fokus) effizienter ablaufen würden.
Versuche, Bewegungen im Wheelie bewusst zu kontrollieren, würden automatisierte Kontrollvorgänge stören.
Das Externe und immer mehr Automatisierte führt nämlich zur Verbesserung von unbewussten und reflexiven Bewegungsprozessen.
Reflexive motorische Antworten haben hier
nichts mit (angeborenen) Reflexen (Eigenreflexen) zu tun.
Sie (reflexive Aktivitäten) sind im Rahmen gelernter Bewegungen wichtig und kommen mit der Zeit/ mit dem Üben, was dann wieder zu mehr Kapazitäten, Verbesserungen usw. führt.
So, ich hoffe, ich konnte einen kleinen Teil meines Denkens und meiner Meinung zu dem Thema veranschaulichen.
Ich hoffe auch, dass es einigermaßen verständlich rübergekommen ist.
Schöne Grüße,
Kiwi.