Sonntag früh. 7 Uhr.
Der Blick in den zweiten Kaffee war heiÃ, doch die Kostprobe vom Quecksilberstab verriet, es wird noch heiÃer. Der Tag noch frisch, frei und hatte eigentlich noch nicht begonnen. Kipp ich erst den Löffel Zucker in die Tasse, damit dieser sich schnell auflöst in dem noch heiÃen Röstbohnentrunk oder erst die Milch und dann die süÃen Kristalle? Dann wäre der morgendliche Suchtstoff aber nicht mehr so heiÃ. Bei 95° aufgebrüht, hätte er danach nur noch 85, vielleicht auch nur 84 Grad. Welch Graus! Dann würde sich der Zucker auch nicht mehr so schnell auflösen.
Während das meine einzigen Sorgen waren, ich grübelte, abwägte, Kopf oder Zahl, Schnickschnackschnuck spielteâ¦
â¦saà norwpet schon seit über zwei Stunden auf dem Plastikesel. Von Potsdam startend, nachts um Fünf, sammelte er mod31 ein um sich mit cubation, titzy und vase2k in Grünau zur Rauchfangwerderrunde zu treffen. Kann man mal machen, ist schlieÃlich Sonntag.
Mein Anreisegefährt nach Strausberg schimpfte sich S-Bahn. Genau das Richtige, um Zeit zu sparen und nicht durch die groÃe Stadt eiern zu müssen mit all ihren Sonntagsfahrern und âFleppen-auf-dem-Rummel-Gewinnernâ. Viel zu gefährlich!
S-Bahn hingegen macht SpaÃ. Zwölf Minuten am Fahrkartenautomaten stehen weil die Urlaubsausländer weder Deutsch noch Englisch verstehen, derweil den Zug verpassen und keinen Koffi tu goh mehr bekommen. Denn die hübsche Italienerin vom Backshop macht erst um Elf auf. Aber das wusste ich ja vorher, bin schlieÃlich ihr Lieblingsstammkunde. Wirklich!
5,30 ⬠forderte der Automat. Hallo??? Ich will doch nur nach Strausberg! Strausberg, das kleine Dorf gleich neben Berlin! Sei`s drum, das Ticket in die Freiheit ist mir jede Mark wert. Wo muss man eigentlich unterschreiben, um bei der Preispolitik der BVG Mitspracherecht zu bekommen? Oder besser noch, Gewinnbeteiligung?!
Doch die nächste halbe Stunde bekam ich volle Leistung für mein Geld. Sightseeing quer durch Deutschlands gröÃte Stadt - FriedrichstraÃe-Regierungsviertel-Alex-Ostbahnhof-Lichtenberg - und ich hatte den ganzen Waggon für mich alleine. Der Zug war leeeeeeer. Und das für nur FünfeurodreiÃig! Wahnsinn!
Die Giftnatter angeschnallt, konnte ich mich gar nicht entscheiden wo ich sitzen sollte. Am besten überall: links, rechts, am Fenster, am Gang. An jeder Station konnte ich den Platz wechseln. Musste! Es war schon fast wie ein Zwang. SchlieÃlich wollte ich die erkaufte Fahrt mit der S-Bahn im vollen Umfang auskosten. Was für ein Stressâ¦
Lichtenberg. Endlich! Bloà raus hier. So viel Entscheidungsfreiheit bei der Platzwahl ist man ja gar nicht mehr gewohnt.
Dagegen war der Zug nach Kostrzyn, also für mich nur eine Station bis Strausberg, am Bahnhof schon dermaÃen überfüllt, dass keine Fahrgäste mehr aufgenommen werden konnten. Die Fahrräder stapelte man schon übereinander, Kinderwagen, Hunde, schwitzende und schon am Morgen stinkende Radtouristen, bekiffte Jugendliche mit Kinnhaaren bis zum Bauch, der Zug platzte aus allen Nähten.
Geil!!! Jetzt kann ich endlich in vollen Zügen genieÃen. Ist schon der Hammer, was einem die Bahn für FünfeurodreiÃig alles bietet
Nach langer Ãberredungskunst hatte ich das Zugpersonal überzeugen können, mich für eine Station noch einzupacken. Nur eine Station, dann steig ich aus, versprochen! Ich bettelte fast, nur um in einem bis zur Decke vollgestopften Zug mitfahren zu dürfen. Schon recht makaber. Berlin hat 3,5 Mio. Einwohner. Mit 3 Mio. davon stand ich im gleichen Abteil. Nun kenne ich quasi fast jeden in dieser Stadt.
In Strausberg kroch ich hyperventilierend aus der Bahn. Die zwischen vergammelten Stahlrädern eingepferchte Giftnatter lieà sich tatsächlich noch befreien und ich durfte sie auch mitnehmen. Vielen Dank.
11 Uhr. Strausberg. Am FuÃe der Route 66 - am Tor zur Freiheit!
Wo bleiben die denn? Die Zeit ist knapp! Derweil ist es schon mollig warm und es tun sich Gedanken zur alternativen, wetterangepassten Tagesgestaltung auf. Der Straussee gleich ums Eck ist 5km lang. Den einfach durchschwimmen, dann den Kohldampf mit Fastfood stillen und dann noch ein Stündchen am Ufer in der Sonne brutzeln...
â¦aus der Traum. In dem Moment schieÃen mod31, norwpet und titzy vorbei. Ich will dann auch endlich los, doch die Plinsen wollen Pause machen. Pause? Wovon?
Achso, von über 130 km warmfahren! Nungut. 130 hatte ich bis dato aber auch schon auf dem Tacho. Meter! Von Gleis 2 bis zum Bäcker am Bahnhof
3, 2, 1.. Peng!
Der Startschuss fiel, doch wo war die Route 66 hin? Hier ist sie nicht, da ist sie nicht⦠Ein Spähtrupp wurde entsandt, während titzy und ich die Nachhut bildeten und Stellung am Markierungspunkt bezogen.
Das Annaflieà war tückisch, versperrte uns den Zutritt zu den 66 Seen. Rückzug!
12 Uhr. Der Einstieg war endlich gefunden. Transponder festziehen, einmal über die Matte, piiiiiep...
Feuer frei!
30 km weiter, erste Verpflegungsstation.
Müssen wir da etwa lang?
In Vorbereitung auf das kommende Crossrennen galt es auch Hindernisse laufend zu bewältigen.
Da ich noch entspannt von der Anreise und ausgeruht in den Beinen war, also über 150 Kilometer weniger drin hatte, setzte ich mich nach vorne und zog das Tempo an. Die Drei sind fit, die können ruhig leiden! Doch entweder war die eine Blase leer oder die Andere voll. Bei leer half kaltes, klares Wasser.
Ich füllte meinen Urinbeutel⦠ähmmm, meine Trinkblase mit dem Wasser aus dem Fass. Das war schön warm und somit magenverträglicher als das Kalte aus dem Hahn und glich optisch leckerem Apfelsaft. Nur das Getier, welches drin schwamm blieb später beim Trinken immer im
Schlauch stecken
Nochmal den
Helm ersaufen, die Polster ordentlich vollsaugen lassen und weiter gehtâs.
Flucht vor der glühenden Sonne am Bahnübergang.
In Biesenthal sollte bighitpdm sich zu uns gesellen. Und es war Zeit für eine Pause und allerhöchste Zeit um ein paar Kohlen nachzufeuern. Nur wo? Zur Auswahl standen Ouzo im Athentempel bei Dimitri, Broiler (ostdeutsch: = Grillhähnchen) vom geschlossenen Dönerladen und Eis.
Wenn eine Horde verdreckter, unterzuckerter, dehydrierter Radfahrer mit Geldscheinen wedelnd den Eisladen von Oma Brigitte stürmt, wird schon mal das Personal auf volle Mannschaftsstärke hoch gefahren und das halbe Sortiment verkauft. Inklusive Inventar!
titzy, mod31, bighitpdm
norwpet bekam endlich mal einen halbwegs vernünftigen Cappuccino und freute sich schon auf die abschlieÃende Berlinumrundung bis Potsdam.
am HellflieÃ
Liepnitzsee. Und hier schlieÃt sich der Kreis. Die 3 Mio. Berliner, mit denen ich im Zug stand waren allesamt hier am See verteilt! Kurze Abkühlung, Happihappi, Grimassenwettbewerb und weiter.
Gegen 19 Uhr erreichten wir Birkenwerder und hier trennten sich unsere Wege.
Die
dreisten
Drei wollten noch die
DREI vors Tacho bekommen, bighitpdm und ich nochmal in den See hüppen und den nächsten Imbiss plündern. Während die Berlin Umfahrer sich auf einen Nightride einstellten, lockte mich der Briesesee mit Beachvolleyball, Grill und Musik in seinen Bann. Zum Thema baden wurde nur gewarnt, das Wasser sei sehr⦠sehr kalt. Jaja, spottete ich noch mit einem Grinsen.
Holla die Waldfee!!! Wer hat denn diesen Tümpel gekühlt? Eiskalt wars. Dagegen ist die Ostsee wie das Mittelmeer im Juli. Oder ist das ein Hochgebirgssee? Aber wo sind die Alpen?
Bighitpdm hat gleich wieder umgedreht. Ich wartete noch bis sich die Lungenbläschen wieder mit Luft füllten, nachdem mir der Atem stockte und das Schwindelgefühl nachlieà und zog eine Ehrenrunde durch das Kühlwasser. Eher eine Zwangsrunde. Ganz Birkenwerder gammelte am Strand rum und hatte mit scharfem Blick unseren Badeversuch dokumentiert. Gehofft, ach⦠die haben sicherlich schon gewettet wann wir aus dem Nass die Flucht ergreifen. Brrrrâ¦
Und weil das mit der Bahn auf der Anreise so toll geklappt hat gab es auch auf dem Heimweg Nachschlag.
Watt`n geiler Tach mit Euch!!!