17. September
Als ich am Morgen aus meinem kalten Schlafsaal zu Fenster rausschaue, sehe ich, wie der Wind über den Stausee peitscht. Wenn es bei mir im Haus drin schon so kalt ist, wie kalt mag es wohl draussen sein? Immerhin, es herrscht strahlender Sonnenschein.
Alle meine Tracks, die ich habe, folgen bis Sampeyre der Hauptstrasse. Vor dem Einschlafen hab ich aber auf der Karte gesehen, dass es daneben fast immer auch eine gestrichelte Linie hat. Die probier ich aus, ich fahr doch nicht die Hauptstrasse runter, wenn ich nicht unbedingt muss ;-)
So fahr ich auf der rechten Seite des Sees entlang und hab an dessen Ende einen hübschen Blick zurück nach Pontechianale.
Der Wanderweg nach Casteldelfino runter stellt sich dann als Glücksgriff raus. Der Weg war wohl früher mal die Hauptverkehrsachse im Tal, ist jetzt aber meistens bis auf einen grosszügigen Singletrail zugewachsen, der sich sehr gut rollen lässt. Darum versuch ichs auch nach der Dorfpassage wieder mit dem Wanderweg. Das beginnt zunächst gut, ich flowe über abgegraste Weiden und durch verbuschendes Kulturland, doch irgendwann steh ich am Berg. Also dreh ich um und merke erst da, dass ich durch den Bach muss, um wieder auf die Strasse zu kommen. Der Bach ist klar und scheint nicht tief, also froh reingefahren. Der Bach ich dann saukalt und so tief, dass ich nun komplett durchnässte Schuhe hab. So hab ich vorläufig genug von Experimenten und rolle mit zwei Eisklötzen an den Beinen nach Sampeyre.
Hier stehe ich wieder vor der Aufgabe, Vorräte zu bunkern. Das ist in diesen Bergdörfern meist nicht so einfach. Zwar führen mich meine Tracks direkt zu einem kleinen Laden, doch ich will keine halbe Kuh und auch keinen Familienpanettone. Auch blendendweisses Brot muss es nicht unbedingt sein. Also suche ich weiter und finde etwas, das als Supermercato angeschrieben ist. Auch hier ist es schwierig, etwas Brauchbares zu finden. So muss ich mich zuerst von meinen fixen Vorstellungen lösen, dass es unbedingt trockener Kuchen sein muss, und mich auf das landestypische Angebot einstellen.
Schliesslich mach ich mich an den Anstieg zum Colle di Sampeyre. Ich hoffe, dass es mir beim Berghochfahren endlich warm wird, doch der kalte Wind macht all diese Hoffnungen zunichte. So muss ich auf halbem Weg tatsächlich mehr Kleider anziehen, weil mir so kalt ist. Langsam habe ich Bedenken, dass ich dabei bin krank zu werden.
Der untere Teil des Aufstiegs ist nicht besonders interessant. Es geht lange durch das Skigebiet von Sampeyre. Weiter oben windet's dann noch mehr, dafür treffe ich auf Horden von Murmeltieren. Kurz vor der Passhöhe überholt mich noch ein gut eingepackter Rennradler und dann bin ich oben und mir graut schon vor der kalten Abfahrt.
Und immer grüsst der Monviso.
Auf dem Pass will ich mich zuerst einmal orientieren und schauen, wo mich meine Tracks hinleiten - doch, oh Schreck! Der Track endet hier... Ich schau auf dem Tablet nach, da geht er weiter. Also übetrage ich den Weg manuell auf mein
Garmin, versuche ihn noch mit der Routenbeschreibung, die ich ebenfalls im Internet gefunden habe, abzugleichen und beschliesse dann, dass ich wohl am besten einfach der Mountainbikeausschilderung folge Von denen hat's recht viel. Das Valle Maira scheint also nicht nur in deutschen Internetforen als Mountainbike-Mekka gehandelt zu werden, sondern wird wohl auch vor Ort als solches verstanden.
Die ausgeschilderte Abfahrt ist dann, wie eine ausgeschilderte Abfahrt halt so ist. Wie zu Hause im Toggenburg geht's auf Alpsstrassen runter. Kiesstrassenrallye halt. Ganz so schlimm find ich das für's erste nicht, denn auf dieser Seite des Passes weht der Wind deutlich weniger stark und ich befinde mich nun auf der Sonnenseite.
Blick ins Valle Maira
Ich fahr runter nach Elva und finde da ein windgeschütztes sonniges Plätzchen. Hier ess ich erst mal und wärme meine tiefgefrorenen Glieder wieder auf.