Westalpencross: Ebnat - XXMiglia 2013

Nach wie vor spannend :daumen: Aber hast du zwischendrin dann mal ein Päuschen eingelegt (vielleicht mal ordentlich im eigenen Bett auspennen oder so ;)), es geht dann ja im Dezember erst weiter :rolleyes:
 
Hallo olev

Hut aber vor deiner leistung! Super bericht!

Ich habe mir erlaubt, deinen bericht als paradebeispiel eines erlebnisberichts meinen primarschülern an der grossleinwand zu zeigen und vorzulesen. Danke.
 
Dann bin ich ja froh. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Bericht für Primarschüler, die noch nicht mit dem Mountainbikevirus befallen sind und die Faszination eines Alpencross noch nicht kennengelernt haben, eher zäh sein mag.
 
Dann bin ich ja froh. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Bericht für Primarschüler, die noch nicht mit dem Mountainbikevirus befallen sind und die Faszination eines Alpencross noch nicht kennengelernt haben, eher zäh sein mag.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Primarschüler endlich mal die ganze Stunde durchgehalten haben ohne einzunicken :D (Sorry brösmeli, war nur ein kleiner Gag ;))
 
17. September

Als ich am Morgen aus meinem kalten Schlafsaal zu Fenster rausschaue, sehe ich, wie der Wind über den Stausee peitscht. Wenn es bei mir im Haus drin schon so kalt ist, wie kalt mag es wohl draussen sein? Immerhin, es herrscht strahlender Sonnenschein.

Alle meine Tracks, die ich habe, folgen bis Sampeyre der Hauptstrasse. Vor dem Einschlafen hab ich aber auf der Karte gesehen, dass es daneben fast immer auch eine gestrichelte Linie hat. Die probier ich aus, ich fahr doch nicht die Hauptstrasse runter, wenn ich nicht unbedingt muss ;-)

So fahr ich auf der rechten Seite des Sees entlang und hab an dessen Ende einen hübschen Blick zurück nach Pontechianale.

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Der Wanderweg nach Casteldelfino runter stellt sich dann als Glücksgriff raus. Der Weg war wohl früher mal die Hauptverkehrsachse im Tal, ist jetzt aber meistens bis auf einen grosszügigen Singletrail zugewachsen, der sich sehr gut rollen lässt. Darum versuch ichs auch nach der Dorfpassage wieder mit dem Wanderweg. Das beginnt zunächst gut, ich flowe über abgegraste Weiden und durch verbuschendes Kulturland, doch irgendwann steh ich am Berg. Also dreh ich um und merke erst da, dass ich durch den Bach muss, um wieder auf die Strasse zu kommen. Der Bach ist klar und scheint nicht tief, also froh reingefahren. Der Bach ich dann saukalt und so tief, dass ich nun komplett durchnässte Schuhe hab. So hab ich vorläufig genug von Experimenten und rolle mit zwei Eisklötzen an den Beinen nach Sampeyre.

Hier stehe ich wieder vor der Aufgabe, Vorräte zu bunkern. Das ist in diesen Bergdörfern meist nicht so einfach. Zwar führen mich meine Tracks direkt zu einem kleinen Laden, doch ich will keine halbe Kuh und auch keinen Familienpanettone. Auch blendendweisses Brot muss es nicht unbedingt sein. Also suche ich weiter und finde etwas, das als Supermercato angeschrieben ist. Auch hier ist es schwierig, etwas Brauchbares zu finden. So muss ich mich zuerst von meinen fixen Vorstellungen lösen, dass es unbedingt trockener Kuchen sein muss, und mich auf das landestypische Angebot einstellen.

Schliesslich mach ich mich an den Anstieg zum Colle di Sampeyre. Ich hoffe, dass es mir beim Berghochfahren endlich warm wird, doch der kalte Wind macht all diese Hoffnungen zunichte. So muss ich auf halbem Weg tatsächlich mehr Kleider anziehen, weil mir so kalt ist. Langsam habe ich Bedenken, dass ich dabei bin krank zu werden.
Der untere Teil des Aufstiegs ist nicht besonders interessant. Es geht lange durch das Skigebiet von Sampeyre. Weiter oben windet's dann noch mehr, dafür treffe ich auf Horden von Murmeltieren. Kurz vor der Passhöhe überholt mich noch ein gut eingepackter Rennradler und dann bin ich oben und mir graut schon vor der kalten Abfahrt.

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Und immer grüsst der Monviso.

Auf dem Pass will ich mich zuerst einmal orientieren und schauen, wo mich meine Tracks hinleiten - doch, oh Schreck! Der Track endet hier... Ich schau auf dem Tablet nach, da geht er weiter. Also übetrage ich den Weg manuell auf mein Garmin, versuche ihn noch mit der Routenbeschreibung, die ich ebenfalls im Internet gefunden habe, abzugleichen und beschliesse dann, dass ich wohl am besten einfach der Mountainbikeausschilderung folge Von denen hat's recht viel. Das Valle Maira scheint also nicht nur in deutschen Internetforen als Mountainbike-Mekka gehandelt zu werden, sondern wird wohl auch vor Ort als solches verstanden.

Die ausgeschilderte Abfahrt ist dann, wie eine ausgeschilderte Abfahrt halt so ist. Wie zu Hause im Toggenburg geht's auf Alpsstrassen runter. Kiesstrassenrallye halt. Ganz so schlimm find ich das für's erste nicht, denn auf dieser Seite des Passes weht der Wind deutlich weniger stark und ich befinde mich nun auf der Sonnenseite.

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Blick ins Valle Maira

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Ich fahr runter nach Elva und finde da ein windgeschütztes sonniges Plätzchen. Hier ess ich erst mal und wärme meine tiefgefrorenen Glieder wieder auf.
 
Nun hab ich aber doch noch Lust auf einen Trail! So grase ich die Karte ab und finde tatsächlich etwas, was funktionieren könnte. Das Weglein ist zwar nur ca. 2km lang doch durchaus hübsch zu fahren und sehr fotogen.

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Es wird immer schluchtiger und auf einmal ist der Weg zu Ende!

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Ja, da war ich mal wieder nicht genug aufmerksam und hab den Abzweiger verpasst. Ich finde den Fehler schnell, muss nur wenig hochtragen und weiter geht's und ich lande wieder auf der Strasse.

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Die Singletrails gehen wohl alle weiter oben durch.

Auf dem Strässchen komm ich schnell runter ins Haupttal. Hier ist jetzt auch wieder schön warm - das mit dem Krankwerden verschiebe ich noch eine Weile. Ich schnall meinen Rucksack wieder auf meinen "Gepäckträger" und fahre die letzten Kilometer bis Marmora Vernetti. Zwar ist's noch relativ früh und so richtig gemountainbiket bin ich heute auch noch nicht. Aber ich habe keine Lust, weiter das Tal hochzufahren und dann irgendwo in der Kälte zu biwakieren. Also gehe ich hier auf den Zeltplatz. Da gibt's sogar einen kleinen Laden für meine kümmerlichen Vorräte. Und eine Waschmaschine.
Wobei Waschmaschine: Bis ich die endlich zum Laufen bringe, ist die Sonne schon fast hinter den Bergen verschwunden. Dementsprechend trocken sind meine Kleider am anderen Morgen dann auch.

Dafür wird heute mal wieder geschlemmt. Zum Camping gehört ein Restaurant und das hat ein piemontesisches Menü. Schon nur die Antipastiauswahl bevor es losgeht, ist ausgezeichnet und reichlich. Dazu prasselt ein Feuer im Kamin und die Alten aus dem Dorf am Stammtisch sprechen Okzitanisch. Spät abends holen sie ihre Einmachgläser raus, in denen Zuckerwürfel in selbstgemachtem Genepy oder was auch immer schwimmen. Und der Schweizer muss von allen mindestens einen Zucker probieren. So frier ich denn auch gar nicht in meinem tropfsteinhöhlenähnlichen Zelt.

Aber morn, ja morn, da wird mal wieder richtig gebiket! Nicht so Strässli gefahren wie heute.

http://www.strava.com/activities/85573618
 
Ein Bild- und wortgewaltiger Bericht, vielen Dank!

"und manchmal sogar etwas zu trinken" ... Eine grosse Tour würde mich ja schon mal reizen, aber Deine Risikofreude und Leidensfähigkeit hätte ich nie!
 
Das mit der 1-Literflasche macht wohl Eindruck. Meistens hat's ganz gut gereicht, aber zwischendurch war's schon etwas wenig. Ganz lernunfähig bin ich ja nicht, so hab ich mir manchmal, wenn ich mir dachte, dass es knapp werden könnte, eine PET-Flasche in den Rucksack gepackt. Leider war ich meist kein guter Prophet, wie sich noch zeigen wird.
 
18. September

Am Abend am Kaminfeuer habe ich wieder Karten gewälzt. Die einen fahren von hier direkt zum Rifugio la Gardetta hoch. Umgekehrt soll es da oben noch eine imposante Alplandschaft geben, die man aber verpasst, wenn man direkt zum Rifugio fährt. Und schliesslich finde ich auf der Karte noch den Hinweis auf ein Denkmal für Marco Pantani. Somit ist die Route fürs erste mal klar.

Relativ hohe Tagestemperaturen und dann Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt sind des Campers Tod. Kalte Luft kann bekanntlich weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme und so ist heute Morgen alles tropfnass. An meine Wäsche auf der Leine, die ich gleich anziehen muss, will ich gar nicht denken. Und Sonne gibt's vorerst auch keine, die versteckt sich noch hinter den Bergen und zudem hat's hohe Bewölkung
Aber genug gejammert! Es geht gleich von Anfang an den Berg hoch. Wind hat's auch keinen und so wird mir, o Wunder! bald warm. Ich scheine mir allerdings etwas vorgenommen zu haben. Als ich das Dorf in Richtung Colle d'Esischie verlasse, warnt mich ein Schilderwald vor allen möglichen Gefahren.

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Für einen Radfahrer, der sich gerne auf schmalen Singletrails über schwindelnden Abgründen bewegt, ist diese gefährliche Gebirgsstrasse dann aber natürlich ein Spaziergang. Langsam schraube ich mich zuerst durch Wald und Siedlungen höher.

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Mit Wolkenkappe grüsst aus der Ferne der Monviso.
 
Dann verlasse ich den Wald, in dem die Hirsche röhren und gelange in das Reich der Murmeltiere. So viele Murmeli wie heute habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Mehr als einmal muss ich sogar bremsen, weil eines noch knapp die Strasse überqueren will. Also verhungern würde man hier oben nicht.

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Leider beginnt wieder ein kalter Wind zu wehen. Ich bin nun aber einigermassen trocken, darum wird's nicht so schlimm wie gestern.
Vom Colle d'Esischie hat man eine schöne Aussicht in die Poebene. Es fasziniert mich immer wieder, wie abrupt die Alpen hier aufhören. Bei uns auf der Nordseite laufen sie ja allmählich in eine Hügellandschaft aus.

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Noch ein bisschen weiter oben auf dem Col Cuneo treffe ich dann auf den Piraten. Ein bisschen seltsam ist es ja schon, dass Pantani ein Denkmal kriegt. Und noch seltsamer ist es, dass es auf diesem gottverlassenen Pass steht. Immerhin: Ein Auto steht da und der Fahrer knippst mich mit dem Helten meiner Jugend ;-)

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Hier oben ist alles voller Strässchen, darum ist die Navigation etwas verwirrlich. Mein Tagesziel ist Sambuco. Dahin könnte ich von hier ziemlich direkt runterfahren. Doch ich will ja mountainbiken. Also mach ich mich auf den Weg zum Rifugio la Gardetta. Kaum habe ich den Asphalt verlassen kommen mit grosse LKWs entgegen.

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Die Alpen werden geleert. Da ist es wohl auch für mich an der Zeit, langsam ans Mittelmeer zu kommen. Auf der Alp zwischen Colle Valcavera und Colle Margherina fülle ich meine Wasserflasche wieder auf und versteck mich dann zwischen Militärruinen, um mein kümmerliches Mittagsmahl einzunehmen. Der Wind ist in der Zwischenzeit so ungemütlich geworden, dass ich mich frage, ob ich nicht doch besser gleich nach Sambuco runter soll. Ich schiebe zitternd Karten auf meinem Tablet rum und finde dann: Nur die Harten kommen in den Garten. Also weiter geht's oben drüber.

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Blick zurück - der Blick in die andere Richtung ist nicht sehr einladend, weil zu viele schwarze Wolken rumhängen.
 
In stetem Auf und Ab geht's auf einer immer schlechter werdender Strasse durch die Hochtäler. Jetzt macht mein Mountainbike wenigstens Sinn, aber Mountainbiken ist das so richtig eigentlich auch noch nicht. Ein selbsternannter Bikephilosoph, den ich in Argentinien mal getroffen habe, rümpfte die Nase, als er mein Mountainbike sah, und meinte, Mountainbikes gehören auf Singletrails. Trotzdem treff ich hier oben wohl zum ersten mal seit der Assietta-Kammstrasse auf andere Mountainbiker.

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Weil sich in Fahrtrichtung immer schwärzere Wolken zusammenballen, lass ich die Gardettahütte links liegen und mach mich sofort an den Aufstieg zum Passo di Rocca Brancia auf 2620m. Zunächst geht's auf und neben einer sich windenden Strasse gut den Berg hoch.

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Auf dem Passo della Gardetta biege ich nach links auf eine kleinere Militärstrasse ab, die bald zu einem Weg wird, der aber weiterhin fahrbar bleibt, und zum wolkenverhangenen Pass führt.

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Kurz vor der Passhöhe ist dann fertig mit Fahren, weil das Geröll über das Strässchen gerutscht ist. Es nieselt und ich frage mich, was mich wohl auf der anderen Seite erwarten wird.

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Na was wohl? Bunker, Nebel und Singletrails - und bald auch ein Silberstreif am Horizont :-D

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Ich habe zwei Wege zur Auswahl: Die alte Militärstrasse, die mit wenig Gefälle dem Hang entlang führt und einen wohl moderneren Wanderweg im Tal. Ich entschliesse mich für die Militärstrasse, sie ist ok - falls ich aber nochmals hier durchkommen sollte, werde ich den Wanderweg ausprobieren. Auf jeden Fall radelt es sich mit dem Silberstreif am Horizont entspannter, als wenn man auf eine schwarze Wand zufahren muss.

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Nach einer Weile fahr ich links runter ins Tal und folge dem Wanderweg, der stellenweise vom Viehtrieb arg in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Die Abfahrt ist aber dennoch eine der besseren der Tour.

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Ich gelange zu einem Ruinendörfchen, das bis 1943 bewohnt war. In der Kirche steht sogar noch, wann die letzte Messe gefeiert worden war. Das Dorf muss von Faschisten und Nazis zerstört worden sein, so steht es zumindest auf einer anderen Hauswand.

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Heute führt der Wanderweg direkt durch die Ruinen. Nach dem Dorf folgen dutzende Serpentinen. Der Weg wäre also sehr cool, nur leider hat der Bauer den Zaun so gespannt, dass man nach fast jeder Kurve da untendurchkriechen muss :-(

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Zuunterst spuckt mich der Trail an einer Passstrasse raus, auf der schwere LKWs verkehren. Ich durchaus etwas überrascht, hier auf eine so gut ausgebaute Strasse zu treffen.

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Zum Glück muss ich fast nichts auf dieser Strasse fahren. Ich organisiere mir eine Übernachtung im Posto Tappa in Sambuco und treffe da auf René, einen Deutschen, der die Grande Traversata delle Alpi läuft und es sich jeden Abend gut gehen lässt. Heut abend hab ich also Gesellschaft und so schmeckt der piemontesische Vielgänger gleich noch viel besser. Und da Meer kommt langsam näher! Noch drei, vier Tage und ich sollte da sein.

Mit dem heutigen Tag bin ich zufrieden. Da war einiges an Mountainbiken dabei.

http://www.strava.com/activities/85573619
 
Hey deine Berichte und deine Tour sind der Hammer, ich lese alles begeistert mit. Und da ich letztes Jahr eine Woche in der Gegend war, kommen natürlich auch die Erinnerungen hoch, insbesondere auch der Campingplatz in Marmora, wo wir auch waren. Ich liebe die Gegend und wollte eigentlich dieses Jahr auch eine Westalpentour von Bern ans Mittelmeer machen. Einzig dass niemand mitkommen will und die Herdenschutzhunde überall halten mich (vorerst noch) davon ab. Ich bin gespannt, wie es weitergeht auf Deiner Tour.
 
da kommen schöne Erinnerungen auf. Wir sind 2007 teilweise die gleichen Strecken gefahren.
Der Pass nach dem Rif. Gardetta ist der Passo di Rocca Brancia. Schade nur wenn man die gefühlten 250 Spitzkehren wegen des Zauns nicht mehr am Stück fahren kann :-(
Ein Pano mit der Auffahrt von der Gardettta zum Brancia.
 
19. September

Am Morgen ist es mal wieder saukalt, mir brummt der Schädel, doch es ist besstes Wetter. Das Frühstücksbuffet der Osteria della Pace lässt genauso wenig zu wünschen übrig wie gestern das Abendessen und so mach ich mich mit einem gut gefüllten Bauch auf den Weg.
Ich kann wieder auf der rechten Seite des Baches auf Natursträsschen dem Verkehr auf der Hauptstrasse ausweichen und erreiche bald die Sonne und Pratolungo, wo die Strasse zum Col de la Lombarde abzweigt.

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So radle ich erneut im Schatten die Serpentinen hoch und gelange in ein Hochtal. Hier oben ist offensichtlich, dass sich langsam der Herbst einstellt.

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Der Col de Lombarde ist zwar auch eine Militärstrasse, aber für einmal war da vorher schon etwas da. Am Ende des Tals befindet sich das Kloster Sant' Anna di Vinadio - es soll das höchste Kloster Europas sein - und zu diesem Kloster führen natürlich Pilgerpfade. Ich bleibe auf der Asphaltstrasse, denn es hat praktisch keinen Verkehr, und mach dann gegenüber vom Kloster Znünipause.

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Während ich an irgendwas kaue, kann ich sehen, wie sich auf der anderen Talseite Motocrossfahrer an einem Singletrail versuchen. An einer Engstelle kommen sie nicht weiter und beginnen zu dritt an ihren Motorrädern rumzuschaukeln. Da fühl ich mich mit meinem Bike ein bisschen überlegen. Ich komm zwar nur langsam den Berg hoch, dafür fast überall durch.
Nach einer letzten Kurve kommt die Passhöhe in Sicht.

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Ich fahre an einem Shooting von Renault vorbei; die neuen Modelle werden im gelben Gras vor der Bergkulisse abgelichtet, und komme dann bald zur Passhöhe, die hier gleichzeitig die Landesgrenze zwischen Frankreich und Italien ist. Französische Touristen finden es ungeheuer unterhaltsam, mal in Frankreich und mal in Italien zu sein.
Ich finde die Tatsache viel spannender, dass ich von hier nur 90km den Berg runterzurollen brauchte, um nach Nizza und damit ans Meer zu kommen.

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Bevor ich auf der Strasse nach Isola runterfahre, versuche ich den Trail, der oberhalb der Skistation am Hang quert, weil mir aber scheint, dass der v.a. den Berg hoch geht, entschliesse ich mich doch für die Strasse. Ich bin wohl vom vielen Reiseradeln auf der Tour schon so verweichlicht, dass ich Singletrails auslasse...
Isola 2000 hat einen Daseinszweck: Skifahren. Das ist ganz offensichtlich.

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Als ich durch den Ort fahre, scheint niemand da zu sein. Einzig ein paar Bauarbeiter bauen an einem Betonchalet. So such ich mir ein schattiges Plätzchen und esse mein mitgebrachtes Mitagessen. Zwar konnte ich meine Flasche im Aufstieg auffüllen, doch nun wird sie wieder langsam leer. Das Bächli, das neben mir plätschert, scheint mir nicht über alle Zweifel erhaben, denn gleich etwas oberhalb hat es eine Pferdeweide. Aber noch weiter oben sollte sich schon was finden lassen.
 
Nach dem Mittag fahre ich auf grenzwertig steilen Skipisten den Berg hoch. Meist kann ich grad noch so fahren, zumindest bis zum Col Mercière. Da biege ich nach Norden ab und finde mich bald in einer grossblockigen Schuttlandschaft.

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Mit meinen bescheidenen Geologiekenntnissen identifiziere ich die Steine als Gneiss. Um zu merken, dass wieder einmal Tragen angesagt ist, brauche ich dagegen überhaupt keine weiteren Kenntnisse. Die Wanderer, die mir entgegenkommen schütteln nur den Kopf und fragen mich, wo ich denn hinwolle.

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Dahin will ich: Zur Baisse de Druos (2628m)

Dank meiner OpenCycleMap finde ich eine Quelle, die meine Wassernot beendet, bevor sie zu akut wird. Leider hole ich mir an einem der scharfkantigen Gneisse einen tiefen Kratzer auf dem Zifferblatt meiner Uhr. Naja, dann ist das halt eine Erinnerung an diesen Spaziergang. Wobei: Fürs Foto steig ich auch mal aufs Bike.

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Schliesslich bin ich oben und gespannt, was mich wohl auf der anderen Seite erwartet. Ich habe eine dunkle Erinnerung an eine Schimpftirade von Stuntzi über diese Abfahrt, hab allerdings nicht mehr überprüft, ob das wirklich hier ist. Bei diesem Wetter sieht auf jeden Fall alles schon mal ganz hübsch aus.

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Es bleibt hübsch. Doch es stellt sich heraus, dass Stuntzis Tirade wirklich diesen Weg meinte. Die Abfahrt ist komplett fahrbar - aber sowas von unnötig: Fast ohne technischen Anspruch, dafür ein nicht endenwollendes Geschüttel. Zum Teil ist der Weg ganz grob gepflastert, zum Teil löst sich das Pflaster langsam in seine Einzelteile auf. Trotz allem erkennt man, was da für ein Aufwand betrieben worden war, um in dem Tal eine Strasse zu bauen.

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Das Rifugio Valasco ist eine eher unkonventionelle Unterkunft. Ein ehemaliges Jagdschloss von Vittorio Emanuele II wurde bunt gestrichen und dient jetzt als Rifugio.

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Der Rest ist schnell erzählt. In Terme di Valdieri hört das Geschüttel auf und ich treffe auf eine Asphaltstrasse. Ebenfalls habe ich hier wieder Handyempfang, so dass ich mir eine Unterkunft organisieren kann. Dann roll ich mit Rückenwindunterstützung die Strasse runter bis rechts die Strasse nach Entracque weggeht.
In Entracque versuche ich mal wieder meine Nahrungsmittelvorräte aufzufrischen. Dies ist einmal mehr ein schwieriges Unterfangen. Besonders weil ich annehme, dass es in nächster Zeit abgesehen vom Posto Tappa nichts mehr geben wird. Dann fahr ich noch nach Trinità hoch und störe da die Wirte vom Posto Tappa mit meiner Anwesenheit. Ich bin einmal mehr der einzige Gast.

http://www.strava.com/activities/85573624
 
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