Andix - von Kolumbien nach Feuerland

Scheint als ob Stuntzi wieder mal nach Argentinien gewechselt hat...

P.S.: Nix mit "vorweihnachtliche Ruhe" oder "Shoppen". Hier wird noch gearbeitet.
 

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Re: Andix - von Kolumbien nach Feuerland
20.12. 21:00 Laguna Jeinimeni im Reserva Nacional Jeinimeni, 840m


Von Chilechico klettere ich den ganzen Tag über eine holprige und gegenwindige Piste entlang der argentinischen Grenze in die Berge. Der Weg bleibt dabei immer auf der chilenischen Seite, aber der Wind bläst gewaltig kräftig aus dem Nachbarland. Kein Wunder, bei den Argentiniern drüben ist alles flach und kahl. Kein Spaß beim Uphill, bis ich am Nachmittag endlich den lustig benamten Naturpark "Jeinimeni" mit seinem einsamen Bergsee inmitten von patagonischen Schneebergen erreiche.


Kaum fünf Minuten nach dem sonnigen Seefoto sieht die Gegend dann schon etwas weniger spaßig aus. Ein Frühlingsschneesturm jagt den nächsten, unterbrochen von kurzen Hagelschauern oder sintflutartigen Regenfällen.


Da trifft es sich hervorragend, dass der Campground im Naturpark freundlich abschirmende Holzhüttchen bietet, komplett ausgestattet mit Tisch, Bank, Feuerstelle und Holzvorrat.


Das spart Gas...


... und trocknet die Füße für den nächsten Tag. Morgen will ich in den Jeinimeini-Park mit dem Bike durchqueren, gefolgt von einem wilden Trekking-Übergang ins Aviles-Tal im Chacabuco-Reservat und weiter nach Süden in Richtung Cochrane an der Carretera Austral. Hatte bis vor zwei Tagen noch keine Ahnung von diesem Weg, Patagonien scheint doch mehr zu bieten als anfangs gedacht.

Freilich schlägt der freundliche Ranger in Jeinimeni die Hände über dem Kopf zusammen, als ich ihm von dem Plan berichte. Mit einen Radl wär da noch keiner durch, das sei vollkommen unmöglich. Die Hälfte der Strecke gibt's wohl nicht mal einen Weg, sondern einfach nur wilde, schottrige Flussbette. Und Flüsse müssten gleich haufenweise durchquert werden, Wasserstand teils bis zum Bauch. Da steh ich drauf!

Am Abend kommt noch ein paar etwas abgeschlafft aussehende Trekker aus dem Reservat geschlichen. Sie wären zwei Tage lang durch Nebel und Schneestürme gewandert, hätten nix gesehen und seien bei den Flussquerungen fortgespült worden. Der Übergang ins nächste Tal war auch nicht zu finden. Hört sich alles so richtig erfrischend gut an für meine geplante Erstbefahrung. Aber jetzt bin ich schon mal hier, jetzt werd ich das auch probieren. Fehlt nur noch das Wetter dazu, aber morgen scheint bestimmt wieder die Sonne!
 
Nee, nee Leute, jagt mir den Stuntzi mit Spionin nicht in ein unbedachtes Abenteuer. Nachher müssen sie im Schneesturm noch irgendwo nach einem Unterschlupf suchen. Das hatten wir doch vor Jahren schon mal.

Ich wünsche euch beiden zur Feier des Tages ein wetterfestes Dach über dem Kopf und eine vernünftige Wegbeschreibung für die nächsten Tage. NICHT dem erstbesten Stern folgen.

Jürgen
 
Das ist aber alles andere als ruhige, besinnliche Weihnachten, was Ihr da vorhabt. Ich wünsche schöne Weihnachten und das weiterhin alles gut geht.
 
@stuntzi: Perfekt chillige Weihnachten. Für das Abenteuer hast Du Dir ja wie immer ein nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengestelltes Nahrungs-Paket besorgt. Da kann ja nix mehr schiefgehen. Und die Waden hast Du auch schon gedehnt - ganz der Profi.
Schöne Tage Euch beiden.

PS: Die Schaumkronen da überall auf dem See und bei dem Panorama hätt ich jetzt nicht sehen müssen. Ist ja eine richtig geile Freeride-Piste. Und keine Kiter...
 
Das hört sich an nach riesen Action... Klar Sicherheit und Gesundheit gehen vor.
Stunzi weiß sicher was er sich erlauben kann und ist nicht alleine.
Ich mache mir da keine Sorgen und bin gespannt auf das Abenteuer. :)
 
21.12. 21:30 Refugio Valle Hermoso im Reserva Nacional Jeinimeni, 850m


Auf gehts ins Abenteuer... erst mal gemütlich auf einem Karrenweg entlang...


... der malerischen Laguna Jeinimeni.


Specki ist bis zum Platzen aufgebrezelt: Nachdem die Durchquerung von Jeinimeni nach Chacabuco mich weiter nach Süden bringt und nur mühsam als Rundtour zu organisieren wäre, hab ich meinen gesamten Krempel an Bord und konnte nix für ein paar Tage irgendwo deponieren. Dazu noch Essen für drei Tage, da kommt ganz schön was zusammen. Was solls... wird ja leichter mit der Zeit. Muss halt ständig essen.


Hinter der Lagune folge ich eine Weile lang dem flachen Talboden auf grasigen Wegspuren.


Dann ein trailiges Stück durch wunderschönen, sonnendurchfluteten patagonischen Bergwald...


... und weiter relativ flach, viele Kilometer durch breite, schottrige Flusstäler. Wege gibt's hier keine mehr, aber die Brocken lassen sich mit etwas Mühe recht gut strampeln. Die Flüsse und Bäche meandern dabei ständig durch die Gegend und müssen quasi ständig gequert werden. Nasse Füße sind garantiert, aber bis hierher ist alles im grünen Bereich und maximal knietief. Und bei wärmender Sonne macht die Sache durchaus Spaß.


Irgendwann verlasse ich das zweite breite Flusstal, um linkerhand steil auf einen kleinen Pass zu schieben. Drüben gehts dann gleich wieder runter zum nächsten See: Laguna Verde.


Der Trail ist kurz, steil, knackig und fahrbar und wartet dabei mit fantastischen Tiefblicken auf die Laguna Verde auf.


Die Gipfel sind panoramatechnisch zwar abhanden genommen und es bläst ein eisiger Wind von vorn, aber die Schneestürme der letzten Tage halten sich freundlicherweise noch vornehm zurück. Besser ist das, ...


... denn das dicke Ende kommt noch. Sieht tief aus...


... und ist es auch. Hätte vielleicht besser das Unterhoserl auch noch weggelassen, aber dann könnt man ja keine Bilder machen ;-). Wenigstens hält sich die Strömung in gemütlichen Grenzen, sonst wäre an dieser Stelle Schicht im Schacht. Das vier Grad kalte Gletscherwasser lässt sich schon ne Weile ertragen.


Ein paar weitere Schotterkilometer flussaufwärts mit nur noch moderat tiefen Flussquerungen bietet dann dieses einsame und windschiefe Hüttchen im Valle Hermoso einen guten Schlafplatz für die erste Nacht. Auch mit nur noch halb vorhandenem Dach ist man doch ein wenig geschützt vor den nächtlichen Stürmen.


Und die kommen in Patagonien mit ziemlicher Sicherheit.


Statt der brandneuen Registrierungstafel hätten sie besser mal die Löcher in der Decke geflickt.


Aber immerhin funktioniert der Kamin... und genug Holz vor der Hüttn ist auch vorhanden. Schuhe trocknen...


... und dann das Zelt mitten rein vor den Ofen gepflanzt. So muss das sein, dann stört auch das lecke Dach nicht weiter.

Fazit zum ersten Tag mit dem Bike in Jeinimeni: Passt, wackelt und hat Luft. Etwa eine Stunde insgesamt zu schieben, ca. 33 Nassfussflussquerungen, davon eine tief und eine sehr tief. Ansonsten alles halbwegs fahrbar, vor allem die breiten, flachen Schottertäler in wunderschöner und wahnsinnig einsamer Bergkulisse habens mit angetan. Sowas findet man daheim nicht. Wenn der morgige Tag auch so gut klappt, wird diese Erstbefahrung ein voller Erfolg.
 
22.12. 18:00 Campground im Valle Chacabuco, 380m


Nächster Morgen... weiter im Text: Leicht bergauf durch breite Schottertäler...


... mit vielen Flüssen und Flüsschen. Keine größeren Probleme mehr, bis auf nasse Füße.


An der richtigen Stelle muss man das Tal verlassen und links in den Wald verschwinden. Hab zum Glück eine ganz gute Beschreibung aus dem Netz dabei, sonst hätte ich diesen Abzweig wohl verpasst. Das Stöckerl könnte ruhig ein paar Zentimeter höher sein. Bei Sauwetter gäbs keine Chance, das vom Flussbett aus zu sehen. Aber Patagonien ist halt anders... Wegweiserorgien oder Wegebau wie in den Alpen sollte man hier nicht erwarten.


Eine knappe Stunde schiebe ich durch wilden Wald mit viel Totholz bergauf, dann beginnt an einem kleinen Pass das Tal des Aviles-Flusses.








Hier endet auch das Naturreservat Jeinimeni und der privat verwaltete Chacabuco-Park beginnt. Prompt ist der Wegebau deutlich ausgeprägter und ich komme recht schnell voran.






Das ist auch besser so, denn das Aviles-Tal ist fast dreißig Kilometer lang. Wäre ein mühsames Stück Arbeit geworden, das alles zu schieben. So flutscht es dagegen richtig gut, wenn auch die großen Höhenunterschiede fehlen. Ist mehr ein größtenteils recht flüssiger Strampeltrail mit Expeditionscharakter, dafür aber wirklich nicht übel.


Noch kurz übers Hängebrückli...


... und die letzten Kilometer hinab ins Valle Chacabuco abgeritten. Durchquerung und Erstbefahrung beendet, mit zwanzig Kilometern Singletrack gestern und dreiunddreißig heute. Keine Menschenseele unterwegs getroffen, Patagonien macht Laune!


Auch Laune machen die Campsites am Trailhead im Chacabuco-Tal, bei denen ich mich häuslich einrichte. Jetzt kann der Sturm ruhig kommen!
 
na, dass ist doch mal ne weihnachtsgeschichte :daumen: und dabei wolltest du schon die berichterstattung einstellen ... schön, das es so weitergeht. patagonien gefällt nämlich gewaltig !
 
Wow' was für ein Weihnachtsausflug. Ein besseres Geschenk gibts ja gar nicht! Jedenfalls viel besser als Socken geschmückt mit Familienqnatsch :)
Frohe Weihnachten!!!!!

Der Lange

P.S.: Immer noch kein Schnee in Sicht, Skigebiete können teilweise selbst jetzt nicht offene und wenn dann nur Kunstschneepisten... Patagonien ist aktuell definitiv die bessere Wahl!
 
Großartig! "...wartet dabei mit fantastischen Tiefblicken auf die Laguna Verde auf..." Das erinnert mich doch an einen anderen Münchener, der auch eine gute Schreibe hatte und von dem im Gegensatz zu Dir allerdings keine mir bekannten öffentlichen Fotos existieren - Spion sozusagen (Hach, die Zeiten ohne GPS...).
Übrigens Spion: Die Nationalität Deiner Begleiterin ist damit wohl endgültig geklärt... Am Tag vor Euch waren Landsleute aus B unterwegs - hast Du sie noch gesehen ("keine Menschenseele unterwegs getroffen" spricht ja dagegen...)?
Wie auch immer, kleines Weihnachtsgeschenk gibt's schon jetzt :)
 
Coole Tour, super Fotos und g... Eindrücke von einem Land, dass ich so nie kennen gelernt hätte!
Wünsche euch beiden Frohe Weihnachten und weiter so :daumen::daumen::daumen:
 
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