Die von amtlicher Seite in Rheinland-Pfalz vertretenen Auffassungen dazu, welche Wege unter den Begriff "forstliche Wirtschaftswege" fallen, sind allesamt rechtlich nicht haltbar und basieren auf Wunschdenken. Das Landeswaldgesetz definiert an keiner Stelle - auch nicht in dem immer wieder gerne angeführten § 3 Abs. 7 - den Begriff "forstliche Wirtschaftswege". Auch wird nicht definiert, was man unter den weiteren Begriffen wie z. B. Maschinenweg, Rückeschneisen, Gliederungslinien der Betriebsplanung sowie Fußwege und -pfade, bei denen es sich nicht um Waldwege im Sinne des Landeswaldgesetzes handeln soll, zu verstehen ist.
Es stellt jedoch in Rheinland-Pfalz eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn man außerhalb von Waldwegen, wie sie in § 3 Abs. 7 Landeswaldgesetz definiert sind, mit dem Fahrrad oder Mountainbike fährt (§ 37 Abs. 2 Nr. 3 Landeswaldgesetz). Für das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt auch in Rheinland-Pfalz das sog. Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Verbotsnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Schaut man sich mit diesem Wissen noch einmal den § 3 Abs. 7 des Landeswaldgesetzes an, so stellen sich mehrere Fragen:
- Was ist ein forstlicher Wirtschaftsweg? Der Begriff wird im Landeswaldgesetz nicht weiter definiert.
- Was ist ein Maschinenweg und was unterscheidet ihn von einem forstlichen Wirtschaftsweg? Auch hier fehlt es an einer weiteren Definition.
- Was ist eine Rückeschneise und was unterscheidet sie von einem forstlichen Wirtschaftsweg? Auch hier fehlt es an einer weiteren Definition.
- Was ist eine Gliederungslinie der Betriebsplanung und wie unterscheidet sie sich von einem forstlichen Wirtschaftsweg? Auch hier fehlt es an einer weiteren Definition.
- Was ist ein Fußweg und was ist ein Fußpfad und wie unterscheiden die sich von einem forstlichen Wirtschaftsweg? Auch hier fehlt es an einer weiteren Definition.
Damit haben wir schon mal fünf Fragen, in denen das Gesetz den Bürger im unklaren lässt, ihn aber bestrafen will, wenn er mit dem Rad nicht auf einem forstlichen Wirtschaftsweg, sondern auf einem anderen Weg im Wald fährt. Ob und wie Forstbeamte oder Bürger mit besonderen Kenntnissen der Forstwirtschaft ein Gesetz oder darin verwendete Begriffe verstehen, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass sich das Gesetz an den Bürger wendet und es für den Bürger klar und bestimmt sein muss.
Was ein Weg ist, dass weiß ein Bürger, der der deutschen Sprache mächtig ist. Weiß er es nicht, dann kann er das in einem Wörterbuch der deutschen Sprache (die gleichzeitig auch die maßgebliche Gesetzessprache ist) nachschlagen. Und wenn das auch nicht hilft, dann kann er nachschauen, was z. B. das VG Münster, Urteil vom 19.09.2005, 7 K 1509/02 (Wegedefinition) dazu sagt
:
„
Ein Weg i. S. d. § 49 Abs. 1 LG liegt vor, wenn er den Erholungssuchenden von einem Ziel zu einem oder mehreren anderen in der freien Landschaft führt und von der Oberflächenbeschaffenheit das Begehen oder das Befahren mit Fahrrädern oder Krankenfahrstühlen ermöglicht." (Orientierungsatz)
„Auch an den Begriff des Weges sind vor dem Hintergrund der mit dem Landschaftsgesetz verfolgten Ziele geringe Anforderungen zu stellen. ...... Es kommt nicht darauf an, wie die Verbindung historisch entstanden ist und mit wessen Mitteln sie errichtet und unterhalten wird."
Diese Aussagen beziehen sich zwar auf die Rechtslage in NRW, sind aber grundsätzlich auch auf alle anderen Landeswaldgesetze, die den Begriff "Weg" verwenden, übertragbar. Und davon ausgehend ist auch klar, was ein Bürger normalerweise unter einem "Waldweg" verstehen würde: einen Weg im Wald! Aber was machen wir nun mit all den anderen Begriffen in § 3 Abs. 7 des Landeswaldgesetzes? In Rheinlandpfalz wird jedenfalls im Gesetz nicht weiter definiert, was darunter zu verstehen ist. Schauen wir also mal im Duden (
https://www.duden.de), auch wenn er heutzutage nicht mehr die alleinige Oberinstanz für die deutsche Sprache ist nach:
Wirtschaftsweg: Leider gibt es für Ihre Suchanfrage keine Treffer
Maschinenweg: Leider gibt es für Ihre Suchanfrage keine Treffer
Gliederungslinie: Leider gibt es für Ihre Suchanfrage keine Treffer
Rückeschneise: Leider gibt es für Ihre Suchanfrage keine Treffer
Aber wenigstens kennt der Duden den Begriff "Schneise" ("(künstlich geschaffener) gerader, einen Wald zerteilender Streifen von Bäumen und Sträuchern befreiten Geländes; Waldschneise"). Nach der Erklärung im Duden würde auch ein gerade Weg eine Schneise bilden! Aber weiter mit der Suche im Duden:
Fußweg: Weg für Fußgänger
Fußpfad: schmaler Weg für Fußgänger
Das war es dann aber auch schon (Übrigens auch, wenn man Wiktionary benutzt). Von sechs in der Definition "Waldweg" verwendeten Begriffen, die das Gesetz nicht weiter definiert, stehen 4 noch nicht einmal im Duden und das, obwohl sie Tatbestandsmerkmale einer Ordnungswidrigkeit betreffen.Und die anderen beiden Begriffe (Fußweg/-pfad) geben auch recht wenig her. Schaut man aber in das Wiktionary, dann wird es schon ein wenig klarer:
[1] (durch eine Markierung ausgewiesener) Weg, der von Fußgängern und Fußängerinnen benutzt wird
Da es hier aber um eine Ordnungswidrigkeit geht, kann das nicht irgendeine Markierung sein, sondern es muss eine amtliche Beschilderung mit amtlichen Kennzeichen die Ausweisung eines Weges als Fußweg oder Fußpfad deutlich machen. Solche amtlichen Beschilderungen (rundes blaues Schild mit einem Fußgänger-Piktogramm) findet man im Wald aber eher selten.
Als Fazit ist also festzuhalten, dass das Landeswaldgesetz in § 3 Abs. 7 mit seiner Bestimmung des Begriffes "Waldwege" gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz verstößt. Und das gilt natürlich auch in Bezug auf die immer wieder von amtlicher Seite verbreiteten Aussagen/Interpretationen des Gesetzes. Wenn das Gesetz Begriffe verwendet, die der Bürger noch nicht einmal in einem Wörterbuch der deutschen Sprache wie dem Duden finden kann und diese dann noch nicht einmal selbst definiert, wie das bei den Begriffen "forstlicher Wirtschaftsweg", "Maschinenschneise", "Rückeschneise" oder "Gliederungslinie der Betriebsplanung" der Fall ist, dann kann die Exekutive auf dieser Basis keine Strafen verhängen oder Weisungen wie z. B. wo man fahren darf (oder nicht) erteilen. Ganz im Gegenteil: Wenn eine Exekutive wie in Rheinland-Pfalz auf der Basis eines derart unbestimmtes Gesetzes ihr eigenes Verständnis heranzieht, um dem Bürger vorschreiben zu wollen, wo er mit dem Fahrrad/Mountainbike fahren darf (oder nicht), dann handelt sie ohne gesetzliche Grundlage und verstößt gegen das Grundgesetz. Aus gutem Grund hat sich die Exekutive an Gesetz und Recht zu halten und ist nicht befugt, selbst Gesetze zu machen oder lückenhafte/unbestimmte Gesetze mit ihrem eigenen Verständnis aufzufüllen.