Endlich, gestern Abend war es soweit...mein Patient mit gelöster Muffe ging es an den Kragen - das Muffensausen war ca. zwei Stunden zu spüren...ok, kleiner Rückblick in das Jahr 2013.
Ein paar Posts weiter oben sieht man Fotos vom fertig aufgebauten Kuwa...das Rollout verlief super, bis ich bemerkte, dass auf einmal das Schaltwerk zu stottern anfing. Erst dachte ich das der Zug sich gelockert hat - war aber nicht der Fall. Dann schwenkte mein Blick über das Tretlager hinweg und ich verfiel in Schockstarre - die Unterrohr löste sich ein zwei mm von der Tretlagermuffe. Ich konnte es nicht fassen - da hatte der Kleber tatsächlich aufgegeben. Da bekam die Niete, welche durch den Vorbesitzer am Unterrohr gesetzt wurde ihre Berechtigung. Ich fragte mich von Anfang an - original oder nicht? Leider fand ich nie Fotos bei der man diese Stelle genauer sehen konnte. Als wäre es nicht genug zeigte sich am Oberrohr (Übergang Carbo-Titanrohr und Alumuffe) ein Spannungsriss in der neongelben Lackierung. Der Tag war gelaufen...
Im Schockzustand schob ich dann die angeschlagene, gerade erst zum Leben erweckte Ingenieurskunst bestehend aus allen vier Grundmaterialien des Fahrradbaus wieder nach Hause.
Ich versuchte dann gleich die nächsten Tage alles mögliche über Klebung und Fertigungsverfahren herauszubekommen. Ich hatte einen funken Hoffnung in die Jungs von FES, Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten hier in Berlin gesetzt. Die Spezialisten im Umgang mit Carbon...leider Fehlanzeige.
Bei weiteren Nachforschungen und Kontakten kam nichts bei rum. Es vergingen Monate...bis ich dann mit Jürgen
@DEAN48 ins Gespräch kam. Er hatte bereits einiges geklebt und konnte mir den Kleber UHU endfest 300 empfehlen. Das klang schon mal nach einer Hoffnung. Die Frage war nur, wie den Kleber auf die Muffe bekommen wenn das Rahmendreieck selbst in sich noch fest ist. Es gab zwei Möglichkeiten, die Grobe - das Ober- und Unterrohr von der Steuerrohrmuffe lösen. Da würde nur große Hitze helfen, die Lackierung wäre damit hin.
Die behutsame Variante, das Rahmendreieck leicht aufspannen und über den Spalt den Kleber zuführen. Problem hierbei sind vorhandene Klebereste und die Viskosität des Klebers muss gering sein damit es gut fließen kann.
Somit wären wir bei gestern Abend...nach verstrichenen knappen 3 Jahren.
Das Hauptproblem war den Rahmen auf Spannung zu bringen und natürlich zu halten. Spanngurte waren da, es mussten also Ankerpunkte gefunden werden die den Rahmen einerseits spannen und das Unterrohr nach unten ausrichtet um die Schwerkraft auszunutzen.
Eingespannt sah das dann so aus:
Da zwei Hände hier nicht ausreichen war Boris
@tatau77 natürlich mit von der Partie - Operation Carbo-Titan konnte beginnen.
Der OP war verriegelt - die Werkzeuge und Hilfsmittel lagen bereit
Nach dem wir den Patienten auf Spannung gebracht hatten folgte sofort eine erste Reaktion - Unterrohr und Muffe entfernten sich voneinander und hinterließen eine 3 mm Spaltöffnung.
Das war geschafft

Jetzt noch etwas eingeheizt damit alles gut rutscht...
und sogleich den 2K-Kleber angerührt und den Rahmen abgeklebt. Da der Kleber ca. 90 min verarbeitbar ist, gab es zumindest keine Hektik...die Kehle war schon voller Aufregung ausgetrocknet und musste vorerst gefüllt werden
Gestärkt ging es dann ans verkleben. Anfangs noch mit Spachtel und Luftdruckdose, was sich aber nicht bewerte. Schnell musste ein andere Lösung her - Schwester Boris riet zur Spritze


Ok, gesagt getan - aufgefüllt und reingedrückt. Ging ganz gut, gespachtelt musste dennoch...lange...
sehr lange...
Das hatte zur Folge das sich der Kleber langsam auch an den Fingern verteilte...OP-Handschuhe vergessen

...egal, Nagellackentferner lag noch im Schränkchen
Nach der einstündigen Spachtel-OP wurden Überreste abgewischt, der Spalt überklebt und die Gurte gelöst. Der Patient zeigte keine Regung...der Spalt war immer noch da!?!? Jetzt mussten Kräfte walten...ich konnte gar nicht so schnell gucken da hatte ihn Boris schon in der Mangel...und *Klack*...verschlossen

Da wollte er also schon loskleben...
Sofort Klebebänder und - reste entfernt und die Aufheizphase vorbereitet. Natürlich war auch hier wieder eine Konstruktion notwendig...keiner wollte sich 45 min hinstellen und die Heißluftpistole schwingen
Die zusätzliche Wärme bringt zusätzliche Festigkeit:
70°C > 45 min > ca. 20 N/mm2
100°C > 10 min > ca. 25 N/mm2
180°C > 5 min > ca. 30 N/mm2
Die richtige Entfernung anhand der Finger-Temperatur-Messsensoren eingestellt und die korrekte Zeit berechnet. bei 70° > 45 min, bei 100° 10 min. - Da unsere Aushärtungstemperatur bei ca. 80° liegen sollte (Vorsicht Lack!) haben wir ihn mal 30 min eingeheizt.
Das wars

...jetzt entspannt sich das Kuwa von seinen Strapazen und hat mind. 12 Stunden Kellerruhe verordnet bekommen...die jetzt schon um sind

Die Tage wird es wieder rollen...Daumen drücken das er durchkommt!!! Ich berichte....
Grüße
Norman