So, das Problem mit der SD-Karte ist behoben
Draussen kalt, drinnen ein gemütliches Bett, da bleibe ich gerne noch ein bisschen liegen. Inzwischen bin ich so weit nach Westen gefahren, dass die Sonne eine halbe Stunde später aufgeht als in Savièse, entsprechend liegt vor dem Losfahren sogar ein ausgiebiges Frühstück drin.
Cognac ist charmant, die Bäckersfrau nett und die Umgebung schön. Hier könnte man auch mal ein paar Tage länger verweilen.
In der Fussgängerzone liest ein alter Mann Zeitung, neben sich ein einfaches, mit Schlafsack und vielen anderen Sachen beladenes Velo. Ich bin zu scheu ihn anzusprechen, aber als ich zwei Dorfpolizisten treffe, ist die Neugier zu gross, und ich frage sie, wer das sei. Es ist kein freakiger Tourenfahrer, sondern ein obdachloser Schotte, der hier seit Jahren auf der Strasse lebt.
Kurz nach Cognac bricht eine Hirschkuh aus dem Unterholz und springt 3-4 Meter vor mir über den Feldweg. So eine Urgewalt will man lieber nicht im Vorderrad...
Ebenfalls kurz nach Cognac riecht es mal verführerisch nach - Cognac?
Herrlich, durch den sanften Bodennebel zu schweben.
Montils liegt tatsächlich auf einem Berglein. Wegen der absoluten Weite und Leere der Landschaft sieht man auf 40 müM weit, sehr weit. Im Wallis müsste man mindestens auf einen Viertausender für so viel Weitblick
Was schön ist an einer Dezembertour: überall ist dekoriert. Zum Teil sind die Dekos so knuffig, dass man am liebsten das Ensemble in der Hosensack packen möchte (hier zum Biespiel die beiden stiliserten Weihnachtsbäume im Vordergrund

).
Wow, die Departemente Charente und Charente-Maritime sind einfach schön!
Später ist die Landschaft wieder ein bisschen weniger prickelnd. Ich vertreibe mir die Zeit mit Lenkerfotografie und ausnahmsweise Musik auf den Ohren.
L.A. Woman von den Doors macht mich dabei ziemlich schnell.
In Meursac kehre ich auf eine heisse Schokolade ein. Ein anderer Gast guckt sich interessiert mein Setup an. Im Juni will er in fünf Wochen von hier nach Tallinn radeln. Er freut sich wie Bolle, ist aber auch ein bisschen aufgeregt-besorgt.
An der Theke schwadroniert einer mit dem jungen Wirt darüber, dass sie mit ihren nervigen Quads nicht mehr überall rumnerven können. Für einmal fällt mir der Abschied aus einem Restaurant eher leicht, zumal draussen bestes Velowetter herrscht
Wenn
Gravel schnell zu
Gravel langsam wird...
...und am Ende sogar ich Velo-Non-Verhätschler das Cutthie putzen will
Es hat mehr und mehr Möwen, und es scheint mir, als liege der Duft nach Salz in der Luft.
Noch ein paar Misteln für
@freakforti, bevor es für einige Kilomter über putzige Waldvelowege geht.
Als ich aus dem Wald komme, erblicke ich am Horizont das Ziel der Reise.
Es geht nochmal ein bisschen über Waldvelowege. Hinter einem hohen Zaun haben sich viele Jäger versammelt. Als ich rüberrufe und das Zeichen für
Trinken mache, kommt einer an den Zaun und füllt mir freundlich meine Flasche. Ich bin eigentlich nicht so Jagd, aber die Jäger sind meistens echt nett und hilfsbereit.
Und dann erreichen das Cutthie und ich unser Ziel: La phare de la Coubre
Nach 8 Tagen, 966 km und 10'700 Hm kommen wir am Atlantik an.
Es ist ein toller Moment, und zugleich lässt mich das Erreichen des Ziels seltsam unberührt.
Erst als ich an den Weg hierhin denke, schüttelt es mich: Der Lastwagenschauffeur auf der vereisten Abfahrt im Jura, der mir freundlich zuwinkte, als ich ihn mit seinem Holztransporter vorbeiziehen liess. Der Morgen, als ich mir im Zimmer mit
Ride now, ride now! halblaut Mut zusprach, bevor es raus in die Kälte ging. Der winzige Jagdhund in Vodable, der mir in all der Kälte und Härte mit seinem Fell und Kuscheligkit ein wenig Weichheit und Wärme schenkte. Die Kinder der Gastgeber im Herrenhaus, die die gleichen Sendungen guckten wie einst meine Kinder. Der Fuchs, der auf dem Trassee der Flow Vélo davonspang. Und all die Menschen, die mir unterwegs Mut zusprachen und ein bisschen Lebenszeit mit mir teilten.
Welt, wie schön Du bist
Zweiter Teil von diesem Tag: hier.
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