Tag 6 (oder so) â das Rennen
Schon vor dem Weckerklingeln bin ich wach und fühle mich dennoch wie gerädert. Nach dem ursprünglichen Plan müsste ich jetzt schon seit einer Stunde unterwegs sein. Ich setze Kaffee auf und mich an den Küchentisch. Essen. Müsste man auch. Ich will renn.schnecke nacheifern und gieÃe mein Müsli mit heiÃem Wasser auf. Schmeckt überraschenderweise sogar. Ich kriege dennoch nichts runter. Gut, dass ich ca. 1 Kilo Gels in meine Trikottasche gestopft habe, heute ist wohl eher Flüssignahrung angesagt. Da mein reservierter Shuttle schon um 4 Uhr zum Start gefahren ist, rollen wir die 20 km bis nach Bad Goisern mit den Rädern. Rollen? Bei Eispickel, will und schnecke ist wohl nicht angekommen, dass der Start erst um 9:00 ist. Aber so wird man wenigstens wach, wenn der Puls vorher schon mal die 160 übersteigt.
Am Start wird uns dann unsere Favoritin weggefangen. Führende in der MME-Gesamtwertung werden vor dem ersten Startblock aufgestellt und vom Stadionsprecher persönlich vorgestellt. Schade, dass die Zweite der Gesamtwertung sich auf die 60km-Runde umgemeldet hat...
Wir Wasserträger müssen uns von hinten durchmogeln um uns wenigstens in den ersten Startblock vorzudrängeln. Runterrauf steht noch relativ weit vorne, Eispickel kann sich auch noch ganz gut nach vorne arbeiten, schmadde und ich bleiben weiter hinten stecken... Dann der Startschuss. Sofort setzt auch der Regen ein. Nur Minuten später setzen auch wir uns in Bewegung. Wie immer wird gleich vom Start weg geheizt. Nur gut, dass ich heute nur ankommen will. Möglichst ohne Sturz, einer pro Woche reicht. Daher wird mir auch nicht schon nach den ersten 2 km bei Puls 190 schwarz vor Augen, wie letztes Jahr. Dafür tut mir mein Knie weh. Ich fühle mich mehr so wie auf den letzten km des Rossalm-Anstiegs. Absteigen? Verlockende Option. Vorne ist Eispickel. Komisch, scheint auch nicht so gut drauf zu sein â dabei ist er vorhin doch noch so geheizt. Dummerweise mache ich den Fehler und überhole ihn. Das weckt ihn auf, und schon zieht er wieder los. Der Asphalt-Anstieg geht jetzt in den Single-Trail über. Letztes Jahr konnte ich hier schön Plätze gut machen, in dem ich an allen Schiebenden vorbeigefahren bin. Diesmal haben sich die Bremser eine perfidere Taktik ausgedacht und nehmen mich in die Zange. Na gut, ich wollte ja sowieso absteigen. Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Irgendwie kommen wir doch noch oben an und es geht in die erste Abfahrt. So lange es über Schotter geht, rollt es ganz gut, aber dann wird es geländiger. Das Gewackel ist Gift für meinen angeschlagenen Schädel. Besonders schlimm ist es, wenn man bremst. Also besser nicht. Blöderweise stehen auf dem Schlammtrail Richtung Ewige Wand ständig welche im Weg rum. Muss ich doch
bremsen. Ich beglückwünsche mich innerlich mehrfach zu meiner Reifenwahl, während um mich rum alle im Regen und Schlamm rumrutschen.
Endlich im Tal angekommen, das Flachstück. Ich weià vom letzten Jahr (wo ich das verpennt habe), dass man hier eine gute Gruppe suchen sollte, um schön Windschatten mitzunehmen. Da kommt auch schon ein 2m-Mensch an mir vorbeigerauscht, während ich noch meine Regenjacke ausziehe. Also schnell hinterher, so einen Windschatten gibt es nicht noch mal. Der Typ ist schnell, meistert auch die technischen Stellen bravourös. Die XCR Mud rollen doch auch auf Asphalt ganz ordentlich. Mittlerweile haben wir auch Eispickel wieder eingeholt, der sich ebenfalls in den Wind hängt. Flach liegt mir irgendwie doch besser als Berge, ich ziehe das Tempo weiter an, unsere inzwischen recht groà gewordenen Gruppe fliegt an den kleinen Wellen zwischendurch wieder auseinander. Nur Eispickel und der Typ vom Anfang bleiben noch dran, bis wir die Verpflegung erreichen, wo auch Runterrauf rumsteht. Schnell die Trinkflaschen aufgefüllt, der Anstieg zur Rossalm ist lang, und weiter. Runterrauf und Eispickel sind irgendwie weg, egal, bergauf werden sie mich schon wieder einkassieren.
Am Beginn des Anstiegs ist wieder der 2m-Typ neben mir. âJetzt anderthalb Stunden da hochâ sind seine Worte, mit denen er von dannen zieht. 1.5 stunden ist ne Ansage, es ist genau 12.30. Also los, immer darauf achten, dass der Tacho möglichst zweistellig bleibt, oder wenigstens nicht unter 6 km/h fällt. Glücklicherweise gibt es diesmal auf halber Höhe einen Getränkestand, so dass mir der Flaschenstopp am Bergbach erspart bleibt. Wieso ist es eigentlich so, dass wir das ganze Rennen im Regen fahren, an diesem beschi55enen Anstieg brutzelt aber wieder die Sonne bei 30° im nicht vorhanden Schatten?? Anders als im letzten Jahr fahre ich die 1000 Höhenmeter komplett durch. Scheint doch noch was zu gehen, auch wenn mittlerweile beide Knie schmerzen. Punkt 14:00 bin ich auf der Passhöhe â wenn das kein Timing ist. Unter acht Stunden sollten also drin sein. Die Abfahrt ist erholsam, nur die Gegenanstiege sind Gift für die Knie, die sich gerade an den Zustand âsteifâ gewöhnt haben. Jetzt bin ich auf unserem âHometrailâ: Gosausee, Gosautal, Schäferalm. Kurz vor dem Festzelt in Gosau Hintertal hätte mich eine nasse Wurzel im Schlamm kurz vor einer Bachquerung beinahe vom Rad geholt. Noch mal gut gegangen, dafür lasse ich die Verpflegung im Festzelt aus und hetze die Schäferalm hoch. Es fängt wieder leicht an zu regnen.
Die Abfahrt von der Schäferalm ist eine der schönsten und anspruchsvollsten der Strecke. Leider nur am Renntag befahrbar, da sonst eingezäunt. SchlieÃlich die letzte Verpflegung, ich schütte einen Becher Tee hinunter. War aber leider Red Bull, den ekligen Geschmack werde ich jetzt bis zum Ziel aufstoÃen. Den wieder eingesetzten Regen merke ich gar nicht mehr, auf den letzten 20km ist Endspurt angesagt. Windschatten ist auch nicht mehr, kann eh keiner hinter mir dran bleiben. Wo ich am Ende immer diese Reserven hernehme ist mir unklar, die Körner wären vorher auch manchmal hilfreich. Auf den letzten 1000m fliege ich beinahe ins Ziel, unter 7,5 Stunden, Schnitt von 16 km/h: weitaus besser als letztes Jahr trotz Sturz â ich bin zufrieden. Wenn man's hochrechnen könnte, wäre das Zeitlimit bei den 200km kein Problem geworden. Naja, nächstes Jahr dann aber.
Viel passiert nicht mehr an dem Tag, schnecke, runterrauf und ich gammeln noch ein bisschen im Regen in Bad Goisern rum und fahren dann erschöpft im Auto gen Ferienwohnung.
Tag 7
Abreise. Eigentlich unspektakulär. Aber wer denkt, wir würden nach dieser Woche in meinem Auto so ganz ohne Komplikationen nach Hause kommen, hat sich auch geschnitten. Irgendwo kurz hinterm Hermsdorfer Kreuz leuchtet die Ãllampe auf. Eigentlich kein Problem, so ein alter Wagen verbraucht schon mal etwas Ãl. Allerdings hatte ich beim Tankstopp 50km vorher doch gerade den Ãlstand kontrolliert und was nachgefüllt?? Also raus auf den Parkplatz und Motorhaube auf. Glücklicherweise hatte ich ânurâ den Verschluss vom Einfüllstutzen nicht richtig zu. Noch mal Glück gehabt...