Vandrer unterwegs

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Marburg
Salut!

Früher war ich meist wandernd unterwegs und habe dabei das - nicht in letzter Konsequenz betriebene - Ultraleicht-Wandern für mich entdeckt. Irgendwann wollte ich mit reiner Muskelkraft größere Distanzen bewältigen und so rückte dann das Fahrrad in den Horizont meiner Überlegungen. 2019 habe ich das Bikepacking/Radwandern/Bike Touring mit simplen Mitteln (altes MTB meines Vaters, Isomatte vorne dran, Rucksack auf den Buckel) mal ausprobiert und habe sofort Blut geleckt. Beruf und sonstiges Leben lassen leider wenig Zeit, aber schon allein gedanklich loszuziehen, bereichert den Alltag.

Hier will ich zurückliegende kleine Touren sammeln und künftig weitere dokumentieren. Das Ganze ist "work in progress". Vielleicht gibt es hier einmal tatsächlich "Liveberichte" - oder doch eher wie jetzt knappe Foto-Berichte. Mal schauen ...

Vorerst aber: Viel Spaß mit den bisherigen Berichten und Bildern :)

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Inhaltsverzeichnis

2019
Bericht 1: Marburg - Bad Endbach (2 Tage)

2020
Bericht 2: Marburg - Schmittlotheim (2 Tage)
Bericht 3: Frankfurt - Marburg (2 Tage)

2021
Bericht 4: Marburg - Gera (X Tage - Bericht folgt)

2022
Bericht 5: Marburger - Eschbacher Klippen - Marburg (2 Tage)

2023
Bericht 6: Marburg - Schutzhütte bei Schwarzenborn - Marburg (2 Tage)
Bericht 7: Marburg - Rachelshausen - Marburg (2 Tage)

2024
Bericht 8: Rhöntour (3 Tage)
Bericht 9: Marburg - Lahn - Rhein - Wiesbaden (3 Tage)

2025
Bericht 10: Marburg - Ober-Mörlen - Wiesbaden - Marburg (3 Tage)
Bericht 11: Marburger - Tübingen - Marburg (11 Tage)
Bericht 12: Vogesen-Tour (5 Tage)
 
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BERICHT 1: MARBURG - BAD ENDBACH

Tag 1: Marburg - Rachelshausen

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Aus Marburg konsequent steil hoch bis zur Alten Eiche

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Schee Blümmsche

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Stahlrahmen (knapp im Bild) trifft Blechgesellen

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Da war ich nochmal am Schwitzen.

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Pferdchen-Romantik bei langsam sinkender Sonne

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Am Hünstein-Turm vorbei (in dem ich auch schon einmal gepennt habe)

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Nettes Nachtlager bei Rachelshausen (zugleich mit der Erkenntnis, dass der Anti-Mücken-Biwacksack einfach zu klein ist, um erholsam zu schlafen)

Tag 2: Rachelshausen - Bad Endbach

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Das Schöne an Strecken jenseits der Straße ist die Ruhe, das (mitunter) saftige Grün und immer wieder beeindruckende alte Bäume.

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Armhaltung wie auf dem MTB
 
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BERICHT 2: MARBURG - SCHMITTLOTHEIM

Tag 1: Marburg - Viermünden


Zunächst ab mittags auf dem Burgwaldpfad (eigentlich ein Wanderweg) unterwegs. Schöne, teils urige Wege, die immer wieder an Burgruinen (Weißenstein, Mellnau) oder auch der imposanten Kirche auf dem Christenberg vorbeiführen.

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Blick von der Burgruine Weißenstein zurück auf Marburg

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Burgruine Weißenstein

Aber eben Wanderwege: Teilweise ist schieben angesagt. Dafür ist man "weitab der Zivilisation" unterwegs, sprich: Mir ist fast niemand begegnet. Ich genieße die hügelig-schweißtreibende, aber abwechslungsreiche Landschaft und gönne mir schließlich auf dem Christenberg Äbbelwoi, Pommes und Woscht.

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Kirche auf dem Christenberg (hinter der Kirche gibt's deftiges Essen)

Danach geht's weiter und recht zügig nach Frankenberg. Dort verliere ich den Burgwaldpfad aus den Augen und wechsele auf den Radweg nach Herzhausen. Hier rollt sich's natürlich viel leichter und schneller. Wohl auch deshalb verpasse ich in Viermünden ein Abfahrt, fahre (zunehmend skeptischer werdend) weiter auf dem Feldweg, der sich irgendwann in einer weiten Wiesenlandschaft zwischen Eder und Bundesstraße verläuft. Da ich ziemlich müde bin, wird das Zelt aufgebaut, die Füße und dreckbesetzten Beine bekommen noch ein erfrischendes Bad in der Eder und dann versuche ich's mir möglichst bequem zu machen.

Tag 2: Viermünden - Schmittlotheim

Die Rechnung habe ich ohne den Heuschnupfen gemacht: Die Nacht habe ich eher schniefend als schlafend verbracht, dennoch ist das Erwachen ein angenehmes.

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Der Nebel liegt noch über den Gräsern, die Luft ist frisch, die Vögel legen eine imposante Chorprobe hin und langsam kriecht die Sonne über die Hügel. Ich futtere etwas, wasche mich in der Eder und radele zurück nach Viermünden, finde sofort den Radweg und genieße den kühlen, morgendlichen Fahrtwind. Zwei Füchse überraschen mich - und ich sie - am Wegesrand. Prächtig! Schnell bin ich in Schmittlotheim. Da ich nur 5 Minuten auf den Zug nach Marburg warten muss, erspare ich mir die restlichen paar Kilometer zum Edersee und sitze um 6.52 Uhr müde, aber ziemlich zufrieden im Zug zurück.
 
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BERICHT 3: FRANKFURT - MARBURG

Hier sind kaum Bilder entstanden, weil mein Radgenosse und ich uns meist entweder unterhalten oder den Taunus hochgekeucht sind (waren zu Beginn auf dem Elisabethpfad, einem Wanderweg, unterwegs).

Tag 1: Frankfurt - Eschbach

In Frankfurt per Zug angekommen stelle ich erstmal fest, dass ich die Kette zwar gereinigt, nicht aber neu geölt habe. Kollege F. ist aber bestens präpariert und gönnt mir ein paar edle Tropfen aus seinem Fläschchen, sodass es zügig losgehen kann. Und zügig wollen wir loskommen: Erst das schöne Ambiente am Frankfurter Bahnhof, dann die Innenstadt voller Autos und schließlich ein paar wenig wohnliche Bezirke am Stadtrand ... was sind wir froh, endlich freies Feld zu erreichen! Hier kommen wir dann auch erstmal richtig ins Plaudern, was aber schlagartig endet, als es in den Taunus hinein geht. Den ersten Tag sind wir fast vollständig auf dem Elisabethpfad unterwegs und insbesondere direkt zu Beginn ging es steil und auf Schotter den Berg/Hügel "ruff".

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Blick zurück auf "Mainhattan"

Während wir an der Stelle Pause machen, hören wir mitten im Wald Techno-Bässe, die langsam lauter werden. Irgendwann tauchen zwei Jugendliche mit Boombox, Bierflaschen und entsprechend klirrendem Rucksack auf. Wirkte kurz wie ein Fehler in der Matrix ...

Die restliche Route ist relativ unspektakulär, sodass wir beide auch wenig Photos machen. Abends finden wir jedoch bei Eschbach eine luxuriöse und vom örtlichen Seniorenclub liebevoll gestaltete Schutzhütte, wo wir bleiben. Der Rindenmulch auf dem Boden ist eine Wohltat für die Hüftknochen!

Nachts hält kurz ein Auto vor der Hütte und leuchtet einige Zeit voll hinein. Wir stellen uns beide schlafend und sind froh, als es weiterfährt.

Tag 2: Eschbach - Marburg

An Tag 2 beschließen wir - ich glaube, spätestens im beschaulichen Wetzlar, wo wir es uns beim Orient-Gourmet gutgehen lassen - uns einfach nach Radwegen zu orientieren. Der "geneigte Leser" mag hier herauslesen, dass wir ohne großartige Navigationsmittel bis auf ein gelegentlich mal sparsam genutztes Smartphone unterwegs sind. Das hebt deutlich die Stimmung, weil das Vorankommen teils doch etwas mühselig war.

Von dem Tag gibt es nur noch ein Bild unserer beiden Räder (links/vorne Kollege F., rechts hinten ich):

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Es ist nicht nur die Perspektive: Er ist auf 28 Zoll und ich auf 26 Zoll unterwegs ...

Auf den Radwegen hängt er mich dann "gnadenlos" ab. Ich schieb's auf den Rennlenker, die größeren und feineren Reifen, die längeren Beine - und nehme mir innerlich vor: nicht nur vom Rad sprichwörtlich umzusatteln, sondern auch mal etwas mehr zu trainieren.
Wie auch immer: Gegen Mittag sind wir in Marburg. Für ihn geht's mit dem Zug weiter, für mich in die Badewanne. Herrlich!
 
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BERICHT 5: MARBURG - ESCHBACHER KLIPPEN - MARBURG

Tag 1: Marburg - Eschbacher Klippen (82 km)


Mit zunehmender Begeisterung rolle ich von Marburg gen Bad Nauheim los. Technik funktioniert, Körper spielt mit, Wetter ist top (leicht sonnig, aber nicht zu heiß).

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Schneller als erwartet bin ich auf einer Anhöhe vor Bad Nauheim und gönne mir im Schatten eine Pause. Auf dem Buckel habe ich noch einen ca. 20 Liter Rucksack getragen, in dem nur leichter Kram war (Schlafsack, Wechselkleidung, restlicher Proviant ...). In der Lenkertasche war 3 Kilo Kleinkram (Kamera, Handy, Werkzeug, Proviant, Akkus ...). Hinten das bisher unverwüstliche JW Gossamer (1 Person) und oben drauf eine ultraleichte Iso-Matte (künftig braucht's aber doch mal etwas Dickeres).
In Bad Nauheim gönne ich mir eine Kalte Schokolade mit Vanilleeis, beobachte ein Eichhörnchen, das zwischen den Tischen herumwuselt, und eine Dame mit Wespen-Panik. Bald ist mein Kollege aber da und es geht los.

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In Ziegenhain-Langenberg war einst eines jener "Führerhauptquartiere". Man hat sich aber entschieden, es der Öffentlichkeit nicht zugänglich zu machen, um wohl keine "Pilgerreisen" zu provozieren. Sicherlich eine kontroverse Frage. Von außen sichtbar ist jedenfalls nur ein Bunkerrest, der mal als normales Haus getarnt war. Oben sieht man, wie ein Teil der Verkleidung weggebrochen ist und der Bunkerteil zum Vorschein kommt. Insgesamt einmal mehr eine irrtierende Begegnung mit deutscher Vergangenheit: Mitten in einem heute wie vermutlich damals kleinen, augenscheinlich friedlichen Ort verkehrten 1944-45 neben Hitler notwendig auch andere Nazi-Größen ...

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Direkt ums Eck (Grundstücksgrenzen waren uns nicht recht klar) begegnen wir der älteren deutschen Vergangenheit und radeln philosophisch inspiriert weiter.

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Angekommen bei den Eschbacher Klippen (nach schweißtreibendem Anstieg) ist klar: Hier bleiben wir. Ursprünglich sollte es eine einmal entdeckte Luxus-Schutzhütte in der Nähe werden, aber die Stimmung an den Klippen begeistert uns.

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Blick von den Klippen auf unser abendliches Restaurant (Freudscher Tippfehler: Restourant) mit perfekter Bestuhlung (etwas reinzoomen)

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Die Schatten werden länger, der Hunger größer. Wir hauen uns die Plautze voll. Auf einmal stürmen ein großer, weißer und ein kleiner, weißer Hund auf uns zu. Beide sind aber derart flauschig, das es uns nicht schwerfällt, entspannt zu bleiben, auch wenn kein Besitzer zu sehen ist. Dieser kommt bald jedoch in Gestalt einer älteren Dame. Sie fragt, ob wir etwas zu essen dabei hätten. Wir bejahen und der Grund des "hündischen Ansturms" ist gefunden. Wir plaudern etwas und dann ziehen die Drei weiter. Der kleine Hund kommt aber nach 100 Meter noch einmal zurück und probiert es noch einmal mit fröhlich-treudoofem Blick und artistischen Sprüngen. Leider muss er unverköstigt von dannen ziehen.
Es wird frisch und wir bauen unser Lager auf.

Tag 2: Eschbacher Klippen - Marburg (80 km)

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Der nächste Morgen zeigt: Während mein Zelt halbwegs erkennbar ist, ist mein Kumpel (rechts neben den Rädern liegend) kaum bis gar nicht zu sehen. Während ich um 7 Uhr nochmal auf die Klippen kraxele, ratzt mein Mitradler noch ein Weilchen. Ich packe schon mal und penne noch ein Stündchen auf der Wiese - zur sichtlichen Irritation von Passanten, die wohl eine Isomatte und einen Helm, aber kein Zelt und kein Rad sehen.
Schließlich ist mein Radgenosse wach, wir plaudern noch etwas und verabschieden uns dann wieder in unsere jeweiligen Himmelsrichtungen. Von der Rückfahrt gibt es keine Photos mehr, da mich das erste Drittel zu sehr geschlaucht, das zweite Drittel eher gelangweilt und das letzte Drittel wieder dank starken Gegenwinds und leider doch deutlicher Knieschmerzen wieder geschlaucht hat. Eine kurze Futterpause in einem Campingplatz-Lokal machte mir einmal mehr deutlich, dass man auf Deutschlands Radwegen (anscheinend - oder nur scheinbar?) als "Bio-Biker" zunehmend zur Minderheit wird. Jedenfalls war mein Rad als einziges unmotorisiert, während die anderen Gäste zum Pommes- und Pizza-Futtern mit ihrem E-Bike-Fuhrpark angereist sind ...
Positiv erstaunt war ich unterm Strich, was mit diesem umgebauten Rad doch alles möglich ist. Die mitgelieferten 32 mm-Reifen ("Slick Edition") haben auch leichte Gravel-Strecken gut mitgemacht.
Kurzum: Ein gelungenes Bikepacking-/Radreise-Wochenende!
 
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BERICHT 6: MARBURG - SCHUTZHÜTTE BEI SCHWARZENBORN - MARBURG

Tag 1: Marburg - Schutzhütte bei Schwarzenborn (ca. 17 km)


Hier stand eher gemeinsame Zeit mit einem Freund im Vordergrund, der wiederum noch nie irgendwie Bikepacking o.ä. betrieben hatte und nur ein altes Damen-Stadtrad besitzt. Der Schwalbe Marathon-Reifen hatte schon kaum Profil mehr, die uralte Kette war rostig braun und der Sattel zerfetzt. Insofern war unser Ziel eher, eine kurze angenehme Runde zu drehen. Und so landeten wir bei einer nahe gelegenen Schutzhütte, bei der wir es uns mit Wein, Chips, Salat und Snacks sowie bei langen Gesprächen gutgehen ließen.

Tag 2: Schutzhütte bei Schwarzenborn (ca. 17 km)

Nach einer kurzen Nacht (bis 3 Uhr geschwatzt, aber ca. 5:30 Uhr Sonnenschein und Hitze auch in der Hütte) ging es mit einem kleinen Frühstück beim Hof Fleckenbühl zurück nach Marburg.

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Unsere luxuriöse Hütte

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Ausblick von der Hütte
 
BERICHT 7: MARBURG - RACHELSHAUSEN - MARBURG

Tag 1: Marburg - Rachelshausen (ca. 25 km)


Auf den Geschmack kurzer Wochenendtrips gekommen, bei denen noch vom Restwochenende Zeit für Anderes bleibt, ging es direkt nach dem letzten Wochenende schon wieder los. Ein anderer Kumpel begleitete mich noch bis knapp vor Rachelshausen. In der Zeit entstanden auch kaum Bilder, weil wir uns eher unterhielten.
Auf den letzten Metern wurde es etwas dunkel:

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Tag 2: Rachelshausen - Marburg (ca. 25 km)

In der Nacht beim Rachelshäuser Steinbruch habe ich wenig geschlafen, weil ich irgendein Fauchen gehört und in etwa 100 Meter Entfernung mit der Lampe zwei reflektierende Augen, aber nicht das Tier selbst gesehen habe. Letztlich vermute ich einen Waschbären und wie so oft beim Pennen im Wald ist die Phantasie meist wilder als die Wirklichkeit 😅
Der nächste Morgen war jedoch herrlich und mein Platz mit perfekter Aussicht beim Frühstück war einmal mehr traumhaft.

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Dann ging es zurück über meist schöne Waldwege, die aber bei einigen Steigungen doch recht schweißttreibend waren.

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Der Blick vom Rimberg-Turm ist immer wieder mal einen Ausflug wert.

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Getrunken habe ich übrigens wie ein Kamel bei jeder Gelegenheit 😅
 
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BERICHT 8: RHÖNTOUR

Der erste richtige Urlaub seit langem steht an und geplant ist eine schöne Tour u.a. durch die Alpen. Dann fallen zwei während der Tour geplante Besuche flach und vor allem scheint das Wetter auch nicht mitspielen zu wollen. Will ich mir nun knapp zwei Wochen mit Regen, Gewitter und ggf. sogar Hagel als Begleiter geben? Nein, nicht in diesem URLAUB 😅
Da ich nun aber auch seit Jahren nicht mehr fliege, kommt nur eine pragmatische, lokale Lösung infrage. Heißt: Erstmal wird zuhause ausgeschlafen, dann radel ich hier vor Ort etwas durch die Gegend und breche dann zu drei relativ entspannten Tagen mit sicher gutem Wetter in die Rhön auf ...

Tag 1: Rotenburg (Fulda) - Wüstensachsen/Rhön Camping (105 km)

"Übermotiviert" bin ich zwei Haltestellen früher ausgestiegen ... geht ja gut los! Also grob dem alten Garmin, grob gelegentlichen Beschilderungen folgend erstmal (unnötig) einen Berg rauf, aber dann irgendwann auf richtiger Route nach Bad Hersfeld, von wo es eigentlich losgehen sollte - und nun endlich geht.
Der Himmel ist gräulich, aber es bleibt abgesehen von kurzem Nieselregen trocken. Jedenfalls habe ich die Strecke für mich allein, bis ich plötzlich einen Blick im Nacken spüre. Dieser Blick, der sagt: "Ich sehe dich und behalte dich genau im Auge, Freundchen!" Also langsam angehalten, umgedreht und dann gab es etwa eine Minute Blickkontakt mit Herrn Reineke.

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Das ist schon ein besonderer Moment (den ich hier nur pixelig reingezoomt wiedergeben kann). Gleichzeitig wirkt der Gute schon etwas in die Jahre gekommen und altersschwach (oder krank?). Jedenfalls ziehen wir dann irgendwann einvernehmlich doch jeder wieder unserer Wege.
Für mich geht es auf sehr ruhigen, meist glatt asphaltierten Wegen Richtung Süd-Ost. Gelegentlich streife ich kleinere Dörfer oder Ortschaften, von denen ich nicht weiß, ob sie sich schon "Kleinstadt" nennen.

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Den Biologen vermutlich klar, ich muss zweimal hingucken: Der Kopf ist links.

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Eine eigene Lostplaces-Tour wäre in der Rhön sicher mal interessant (wobei in diesem Fall dahinter noch jemand wohnt).

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Tja, und dann habe ich mich zur Milseburg emporpedaliert. Zur Milseburg? Nein, genauer gesagt nur bis kurz nach der Milseburgstube, denn dann heißt es für mich: Schieben!

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Eine kurze Passage ist noch einmal fahrbar (für mein bepacktes Tourenrad - der Rest ginge vllt. auch mit MTB?) und von hier aus gibt es einen schönen Blick nach Süden zur Wasserkuppe (Mitte des Bildes, rechts neben den Bäumen). Zu Rucksack-Wanderzeiten habe ich auch einmal bei einer Schutzhütte an dem hellen Weg im Tal gepennt.

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Irgendwann ist es aber auch mit dem Schieben vorbei und ich muss das Rad an einen Baum anschließen, die Packtaschen zumindest abnehmen und den felsigen Weg weiter emporstapfen. Da merke ich dann langsam doch die bisherige Strecke, die Höhenmeter und die Knie. Aber die Aussicht von der Milseburg oder mehr noch: die gesamte Atmosphäre da oben lohnt einfach die Mühen. Kurz bin ich dort tatsächlich auch allein. Ein kurzer Schnappschuss und dann sind schon wieder andere Menschen da - die sich natürlich schon gefragt haben, wem dieses einsame Rad mitten im Wald auf unfahrbarem Weg gehören würde. Kurzer Smalltalk, dann aber weiter, denn die Zeit drängt: Ich will noch vor 18 Uhr den Camping-Platz erreichen.

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Irgendwie habe ich mir das Höhenprofil aber falsch gemerkt: Statt schnurrstracks und nur noch bergab zum Platz zu rauschen, zieht sich das Ganze noch ewig mit stetem Auf und Ab hin. Ziemlich platt rolle ich dann erst ca. 18:45 beim Camping-Platz in der Nähe von Wüstensachsen ein. Dort dann das übliche Procedere und zur Feier das Tages eine kalte Cola, während noch zwei Kinder im Dunkeln fangen spielen und die Erwachsenen mit Kerzen vor ihren Wohnwägen hockten.

Tag 2: Rotenburg (Fulda) - Camping Strandbad Breitungen (81 km)

Überraschend erholt (für Camping-Verhältnisse auf einer Radtour ☝️) wache ich nach der ersten Nacht im neuen Lanshan 1 auf. Dazu hat beigetragen, dass ich erstmalig (1.) eine aufblasbare Isomatte (mit der alten Isomatte als Unterlage), (2.) ein aufblasbares Kopfkissen und (3.) Ohrenstöpsel dabei hatte. Man wird alt - aber nicht unglücklicher. Ich jedenfalls bin heilfroh, halbwegs gepennt zu haben und so erholt in einen Tag starten zu können, von dem ich noch nicht weiß, dass ich zweimal den puren Hass auf die (bzw. meine ...) Streckenplanung von Brouter entwickeln würde.

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Nachdem ich nämlich meinen Kram zusammengepackt habe und nun bereit bin für die Attacke auf die Wasserkuppe lotst mich mein Garmin (bzw. der Track bzw. letztlich meine Streckenauswahl) bald immer mehr auf nicht mehr fahrbare Wanderwege. Eine Zeit lang mache ich das Geschiebe noch mit - in der Hoffnung auf Besserung. Dann kommt neben dem ersten Moment des Hasses die Einsicht: Ich habe zuhause vermutlich "sicherste Route" bei Brouter ausgewählt und lande nun entsprechend auf der "sicherste Route", während die nicht allzu ferne Landstraße die todbringende Gefahr darstellt. Waghalsig wähle ich aber nun genau diesen Weg und kurbele schwitzend, aber deutlich zufriedener gen Wasserkuppe.

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Dort oben ist ein riesiges Spektaktel. Massen an Segelfliegern sind unterwegs. Ein Trupp älterer Herren vom Amateurfunk-Verein geht seinem Hobby nach. Viele Familien, viele Radler, viel Trubel. Während ich im Schatten raste, Kalorien nachschiebe und Wasser nachkippe lausche ich dem "Gespräch" eines älteren Herren mit seiner Familie und bin einmal mehr froh, "normale" Kommunikationsformen erfahren zu haben, statt seines permanenten Gemotzes und Geblaffes - vermutlich war er noch nicht einmal wütend. Naja, ich genieße dann lieber die Aussicht und das spätere Gespräch mit einem weiteren älteren Herren, der wegen Schulter-OP nun ein Jahr auf dem Liegerad verbringt und sich dann auf weitere Brevets freut. Chapeau!

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Nach dem Trubel geht's in die Waldeinsamkeit. Die Ulsterquelle kommt dann wie gerufen, denn die eigentlich zuvor anvisierte Fuldaquelle war nur noch ein Rinnsal.

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Über den dann folgenden Landstraßen-Abschnitt freue ich mich aber doch auch, weil's einfach flüssiger rollt. Da auf dem Smartphone-Bild von mir eh kaum etwas zu erkennen ist, gibt's auch mal Mensch + Maschine - und im Hintergrund die Wasserkuppe.

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Dann kommt der Satan mit all seinen schaurigen Schergen im Schlepptau und führt mich in Versuchung: Es ist heiß, ich bin durstig und hungrig und dann steht da am Wegesrand "EIS!". Keine Sekunde widerstehe ich und stapfe damit in die nächste Falle, denn das Eis befindet sich in einem Selbstbedienungsladen und kostet 3 Euro pro Becher. Hätte man 3 Euro passend, sähe das dann so aus:

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Wenn man aber nur 1 Euro und einen 5 Euro Schein hat, sieht das quasi naturgesetzlich so aus:

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Ich komme mir etwas dekadent vor, aber das Eis ist köstlich und ich werde die Energie brauchen, denn der zweite Moment des puren Hasses kommt bald. Ich folge brav meinem Track und ich folge damit auch brav einem Radweg. Nur, der Radweg geht dann so weiter:

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Man sieht links Wiese und rechts Acker. Man erahnt vielleicht noch Reifenspuren. Das ist meine Hoffnung und ich kämpfe mich da auch im leichtesten Gang eine Zeit lang durch die buckelige Wiese, aber irgendwann ist der Ofen aus und ich schiebe wieder wie ein Ochse meinen Bock den Berg durchs hohe Gras bergauf. Sowas schlaucht mitunter mehr als langes Strampeln auf einer asphaltierten Straße.
Aber auch das währt nicht ewig und so komme ich schließlich noch halbwegs zeitig am Campingplatz an. Auf dem Weg dahin passiere ich noch einen weiteren Lostplace, der mich sehr gereizt hätte, aber auch direkt an der Straße liegt.

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Der Campingplatz vom Strandbad Breitungen ist günstig und groß. Der gestrige Platz gefällt mir besser, aber auch hier will ich mich nicht beschweren: knapp 20 Euro, im einen Teil ordentliche/saubere Sanitäranlagen, ein Badesee und unkomplizierte Abwicklung. Alt werde ich aber auch hier nicht.

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Tag 3: Camping Strandbad Breitungen - Bebra (60 km)

Heute bin ich früher als gestern auf den Beinen und rolle bereits um 8 Uhr los. Sehr erfreut bin ich darüber, dass die Knie sich bisher nicht beschweren. Weniger erfreut bin ich (wie schon am Tag zuvor) darüber, dass die Klamotten über Nacht kaum getrocknet sind. Immerhin die Radhose habe ich in zweifacher Ausführung mit. Also Regenjacke drüber und strampeln, damit es warm wird. Bei der "Hohle[n]hütte" mache ich nochmal Pause - nicht zuletzt weil sie so kurios war. Der "Galgen" rechts ist ein Grill und für den geneigten Grillmeister ist an alles gedacht (inklusive eines geschmiedeten Bierflaschen-Halters). Da Martin Luther familiäre Wurzeln in der Ecke hat, darf natürlich auch eine seiner wesentlichen Sentenzen auf dem Grill nicht fehlen: "Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?"

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Danach geht's meist auf weiterhin ruhigen Wegen - mal asphaltiert, mal geschottert - weiter nach Bebra.

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Ein Highlight (?) der Region ist noch der "Monte Kali", eine Salzaufschüttung des dortigen Kalibergbaus, der sich tatsächlich pompös auf einmal in der sonst wieder etwas flacher werdenden Landschaft abzeichnet.

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Fast als Punktlandung komme ich in Bebra an, steige in den Zug und fahre tatsächlich ohne größere Ausfälle (bis auf das WC der DB, aber man ist ja froh, wenn die Züge in Deutschland überhaupt rollen) nachhause. Dort angekommen empfängt mich Regen. Das trockene Zeitfenster habe ich also voll ausgenutzt und vor allem die Tour sehr genossen.
 
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BERICHT 9: MARBURG - LAHN - RHEIN - WIESBADEN (3 Tage)

Angefixt von der letzten Tour geht es wenige Tage später im spontan umgeplanten Radurlaub noch einmal los. Dieses Mal erst an der Lahn, dann am Rhein entlang zu einem Freund nach Wiesbaden. Im Wesentlichen bleibt alles gleich, nur dass ich dieses mal hinten 2 x 20 statt 2 x 12,5 Liter-Taschen mitnehme, um ein etwas größeres Zelt einpacken und mit weniger Druck die Taschen schließen zu können. Los geht's ...


Tag 1: Marburg - Runkel (101 km) - 12.09.2024

Am Morgen ist es noch recht frisch und wenige Kilometer nach Marburg setze ich erstmal die Sturmhaube auf und packe mich ein. Später kommt aber die Sonne raus und echsengleich strecke ich ihr beim Café Schäfer alle Glieder entgegen.

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Sonnen- und koffeingetränkt kommt der Organismus langsam auf Touren. Tatsächlich fahre ich an dem Tag fast wie im Rausch. Keinerlei Steigung, sonnig oder zumindest trocken, fast durchgehend asphaltiert - so schnurren die Kilometer dahin. Immer wieder komme ich an Stellen vorbei, die Erinnerungen an eine Kanutour auf der Lahn vor vielen Jahren wecken ...

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Überhaupt die Lahn - kein spektakulärer, aber irgendwie ein sympathischer Fluss, wie er sich da langsam dem Rhein entgegenschlängelt und im etwa letzten Drittel immer uriger wird.

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Einer etwas esoterisch angehauchten Frau helfe ich noch bei der Suche nach der verlorenen Hundeleine. Erfolglos, aber dennoch ein netter Kontakt.
Am späten Nachmittag laufe ich in Runkel ein, schlage das Zelt auf und gönne mir einen Salat mit Rosé.

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Frisch geduscht, mit vollem Bauch und guter Dinge krieche ich dann in den Schlafsack, während über mir das Schloss/die Burg Schadeck thront (wenn man diese/dieses über Google Maps sucht, stößt man statt des Namens auf einen Eintrag "My - BLOG", der wiederum auf eine mindestens kuriose Website führt ...).

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Tag 2: Runkel - Braubach (74 km) - 13.09.2024

Relativ gut erholt starte ich am ebenfalls recht frischen Morgen Richtung Rhein und bin schon sehr gespannt, denn am Rhein bin ich noch nie entlang geradelt. Erst einmal geht's aber durch Limburg mit Blick auf den schönen Dom (während im Hinterkopf immer dieser leicht wahnsinnig wirkende Bischof Tebartz-van Elst herumspukt).

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Die Temperaturen bleiben aber frisch.

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Zwischendurch immer wieder Lahn-Romantik ...

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An der folgenden Stelle war ich echt am Schreien!

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Erst habe ich mich (nachdem ich zugegebenermaßen einen früheren Warnhinweis ignoriert habe) einen extrem steilen Anstieg hochgequält, um dann vor final versperrtem Weg zu stehen. Klüger wäre es gewesen, an der Stelle umzudrehen. Ich mühe mich aber lieber über eine steilen Schotterweg weiter ab und rolle dann irgendwann nach einigem Gefluche doch noch nach und durch Bad Ems ...

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... und stehe endlich am Rhein! Schon ein etwas erhabenes Gefühl ...

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Ein Platzregen zwingt mich in Braubach zu einer längeren Pause. Irgendwann ist es schon so spät, dass ich entscheide, hier zu bleiben. Beim Camping in Braubach werde ich sehr freundlich begrüßt (auch Sanitär etc. ist top - gerade auch angesichts des günstigen Preises), allerdings müsse aktuell das Wasser abgekocht werden. Heißt für mich ohne Kocher wiederum: Ich muss noch einmal los, Trinkwasser besorgen. Erstmal schlage ich aber das Lager auf und biete meinen Zeltnachbarn (ein ebenfalls am Rhein entlang fahrendes Pärchen) an, ihnen auch noch etwas mitzubringen. Das wird sich noch rentieren! Mit Dönerbox und keimfreiem Trinkwasser lasse ich dann den Abend ausklingen - und bekomme noch (Überraschung 1) von den Nachbarn ein paar leckere Chilis und Oliven angeboten.
 
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[Nachtrag zu Tag 2, da nur 20 Bilder pro Beitrag erlaubt sind: Abendstimmung am Rhein!]

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Tag 3: Braubach - Wiesbaden (88 km) - 13.09.2024

Kurz bevor ich starte, kommen die beiden noch einmal rüber und bieten mir an, mir am Empfang noch einen Kaffee auszugeben (Überraschung 2). Nicht nur wegen des Koffeins, sondern auch wegen der netten Gesellschaft nehme ich das dankbar an und lerne so J. und K. (? - Pardon fürs schwache Gedächtnis, falls ihr hier mitlest, und danke noch einmal sehr für die Einladung!) vom Radkombinat Lüneburg kennen. Das war eine sehr angenehme Begegnung und ein perfekter Start in den Tag!
Kurz nach Abfahrt quere ich bei Boppard per Fähre den Rhein.

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Ab jetzt ist immer wieder Rhein-Romantik angesagt. Die folgenden Bilder sind alle auf der Strecke nach Wiesbaden entstanden.

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Ein Wort noch zur Rhein-Romantik: Ein Teil der Ortschaften wirkte allerdings auch etwas ... verlebt, in die Jahre gekommen, trist. Vielleicht lag es am Wetter, vielleicht waren es die eigenen allzu "nostalgisch-glorifizierenden" Vorstellungen, aber mitunter kam stellenweise etwas Melancholie auf.
Nichtsdestotrotz rolle ich guter Dinge in Wiesbaden ein und freue mich sehr, meinen guten Freund J. einmal wiederzusehen!

Epilog: Gießen - Marburg (30 km) - 14.09.2024

Tja, eigentlich hätte es mit dem Zug nachhause gehen sollen. Wie das aber bei der DB (= Drecksbahn) so ist, wird man dann in Gießen ohne Anschluss rausgeschmissen. Während sich allerorten einen Heulen und Zähneklappern biblischen Ausmaßes erhebt, kann ich mich immerhin, wenn auch mürrisch, auf den Drahtesel schwingen und die letzten Kilometer aus eigener Kraft zurücklegen. Einmal mehr und immer wieder verblüffend: Die Laune bessert sich auf dem Rad bald und schließlich bin ich doch noch bester Dinge in der Heimat angekommen!
 
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BERICHT 10: MARBURG - OBER-MÖRLEN - WIESBADEN - MARBURG (3 Tage)

Dieses Mal sollte es nur eine kleine Tour ohne Übernachtungen im Zelt, sondern bei Freunden werden. Im Fokus stand das Gespräch, der kulinarische Genuss und die gute Zeit ...

Tag 1: Marburg - Ober-Mörlen (61 km)
Von dem Tag habe ich keine Bilder. Kurz zusammengefasst ging es mittags los, schnurstracks gen Süden und es lief einfach gut. Übernachten durfte ich in einem schönen Fachwerk-Häuschen und vor allem gab es vorher gute Gespräche, leckeres Essen und fast etwas zu köstlichen Wein ...

Tag 2: Ober-Mörlen - Wiesbaden (77 km)
Gut regeneriert ging es an Tag 2 erst noch etwas weiter Richtung Süden und dann gen Westen. Hier hat mir der massive Gegenwind fast den Stecker gezogen. Offenbar war ich damit nicht allein:

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Im Hintergrund ist die Frankfurter Skyline zu sehen. Es war schon ein bemerkenswerter Moment, wie sich diese Silhouette von "Mainhattan" langsam über die Wipfeln und Hügelkämmen abzeichnete und schließlich - nach Stunden in der Pampa - voll zeigte.

In Wiesbaden angekommen ging es erst unter die Dusche und dann mit Äbbelwoi in der Hand zum Dilthey-Haus:

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(Dilthey ist für die (deutsche) Geisteswissenschaft eine zentrale Figur und für mich von besonderem Interesse. Insofern war es schon ein Erlebnis, mit einem sehr guten Freund einmal zu diesem Ort gewandert zu sein.)

Anschließend schlenderten wir noch durch den Park vom Schloss Biebrich:

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Tag 3: Wiesbaden - Marburg (122 km)
Der dritte Tag sollte der spannendste werden: Ursprünglich hatte ich mal die Idee, die ganzen 135 km nach Marburg zurückzufahren. Das hatte ich aufgrund des "brunchbedingt" späten Starts schon fast (aber auch nur: fast!) als Zukunftsprojekt "abgehakt", allerdings packte mich der Ehrgeiz, nachdem ich dann mittags aufgebrochen war. Ohne wesentliche Pausen ging es zügig ost- und dann nordwärts.

Dann klatsche mir bei schneller Abfahrt eine Biene oder Wespe heftig gegen die Unterlippe. Der Schlag war schon ganz ordentlich, kurz danach spürte ich aber noch einen stechend-brennenden Schmerz und ich hielt sofort an. Ich drückte und zog etwas unbeholfen an der Unterlippe - und dann klebte zumindest der Stachel samt Unterleibrestes an meinem Daumen:

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Erstaunlicherweise ist die Lippe inzwischen wieder halbwegs normal, aber erstmal war sie recht blutig und geschwollen. Pfeifen kann ich immer noch nicht ...
Das bremste das bisherige Tempo erstmal etwas, aber allmählich kam ich wieder in den Tritt - bis ich dann bei km 92/93 mit Blick in den Himmel und aufs Handy eine sinnvolle Entscheidung fällte: Bei dem nahenden Gewitter wollte ich nicht auf offener Landstraße unterwegs sein. Also habe ich den nächsten Bahnhof aufgesucht. In Klein Göns ist die Welt noch in Ordnung - Stillleben der deutschen Pampa mit nahendem Gewitter im Hintergrund:

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Ich habe mich dann aber lieber doch nicht im Wartehäuschen aus Metall, sondern bei Privatleuten vor der Garage untergestellt. Und bald krachte es auch schon heftig und blies mir den Hagel ins Gesicht (bzw. in den Rücken, nachdem ich mich umgedreht und in die Ecke gestellt hatte). Netterweise öffnete der Hausbesitzer auf einmal das Garagentor (er hatte mich wohl vorher gesehen) und ließ mich kurz "abwettern". Dann ging es per Zug nach Gießen.

In Gießen wollte ich eigentlich den Anschlusszug nach Marburg nehmen ... der aber ausfiel wegen Gleisarbeiten. Gewitter und Sturm hatten wohl ordentlich gewütet und auch Bäume am Gleis umgelegt. Also hieß es einmal mehr nach dem Stranden in Gießen per Rad weiter nachhause, was mich mit müden Beinen, ohne Lampen und relativ wenig Zeit bis Sonnenuntergang mäßig begeisterte - aber dann irgendwann auch positiv antrieb. Immerhin kein Regen, kein Hagel und vor allem keine Blitze mehr. Die Spuren waren aber überall zu sehen:

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Die letzten Kilometer zogen sich etwas, aber es zeichnete sich ab, dass ich noch gerade so in der Dämmerung nachhause kommen würde. Ein letztes Bild und dann voller Fokus aufs In-die-Pedale-Treten:

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Gerade so im Dämmerlicht nach drei schönen Tagen bei wunderbaren Menschen zuhause angekommen hieß es dann nur noch: duschen und futtern - und Schicht!
 
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BERICHT 11: MARBURG - TÜBINGEN - MARBURG (11 Tage)

Tag 1: Marburg - Echzell (67 km)
- 17.05.2025

Bei schönem Wetter, aber wechselhaften Temperaturen sind mein Vater und ich pünktlich um kurz nach 10 Uhr an unserem Treffpunkt am Marburger Bahnhof gestartet. Von dem Tag gibt's keine Bilder, weil wir genug zu beschwatzen hatten und schon auch ein bisschen Aufregung angesichts der ersten größeren Vater-Sohn-Radtour in der Luft lag. Es lief aber alles gut und entsprechend zeitig kamen wir in Echzell im Landhotel Solmser Hof an. Wir gewannen schnell den Eindruck, dass die "Alten" eher wortkarg-knurrig unterwegs waren, während die Dorfjugend bis an die Grenze fast schon zur Provokation höflich/freundlich war. Im und vor dem Echzeller Rewe bildete sich ein regelrechtes Kaffeekränzchen (wohlgemerkt: zwei reine "Herren"runden), wobei der dortige Bäckereiverkäufer, ein eher lockerer Typ, fast schon den Eindruck eines halben Sozialarbeiters/Jugendbetreuers machte. Das spätere Essen in der gutbürgerlichen Weinscheune war ziemlich schlicht und wurde trotz des (inzwischen ja überall gestiegenen) Preises nicht mit gleichermaßen gestiegener Freundlichkeit serviert - ein Eindruck, den wir häufiger auf der Tour bekommen sollten.

Tag 2: Echzell - Obernburg a. M. (83 km) - 18.05.2025

Dafür gab es (wie in allen Unterkünften) ein sehr ordentliches Frühstück um 8 Uhr. Aufgebrochen sind wir kurz nach 9 Uhr und für meinen Vater ging es langsam ans Eingemachte: Mit 71 Jahren, einem Herzeingriff erst vor sechs Wochen und einer leichtesten Übersetzung von 30 vorne und 34 hinten (selbstverständlich am "Bio-Bike") machten ihm einige der Anstiege zu schaffen (und hätten es mir ebenso - ich war einmal mehr froh über meine Bastelei mit 24 vorne und 42 hinten).

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Nach einem Kaffeestop an einem fast schon ostentativ bayerisch gehaltenen, aber (wahlweise zu ersetzen durch: "und selbstverständlich") sehr guten Gasthaus am Großkrotzenburger See, durch den eben die hessisch-bayerische Grenze verläuft, rollten wir dann flacher und schneller dahin. Immer wieder ging es dabei schön am Main entlang.

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Kuriose Momente auch hier mit den "Alten": Sie latschten - uns entgegen kommend und uns also von weitem sehend - auf der gesamten Breite des Weges und blafften uns, die wir schon bewusst sehr langsam fuhren, an, dass wir doch mal abbremsen sollten. Letztlich sind wir aber müde und gleichermaßen zufrieden in Obernburg im Römerhof eingelaufen (wobei der eigentliche Übernachtungsort weniger repräsentativ ist als das Gebäude, mit dem geworben wird und in dem man speist). Das Abendessen war wieder (zu dem Zeitpunkt noch: willkommen) fett- und fleischreich und nach Bier und Äppelwoi ging's um 22 Uhr in die Horizontale. Vorher hatte ich mir noch eine Lektüre aus einem öffentlichen Bücherregal mitgenommen (Fontanes Irrungen Wirrungen), da das im Packstress unterging.

Tag 3: Obernburg a. M. - Randersacker (110 km) - 19.05.2025

Vor dem riesigen Frühstücksbuffet standen wir morgens nur zu zweit, was uns für den erst sehr ruhigen, dann aber auftauenden und freundlichen Wirt leidtat - da hätte es definitiv auch weniger getan. Dennoch haben wir ordentlich reingehauen und noch etwas für die Fahrt eingepackt. Dann ging's los zur längsten Etappe der gemeinsamen Tour und die ersten 60 km kamen wir auch gut voran. Nach einem Kaffee-Päuschen ging es jedoch allmählich in die Höhe und für meinen geplagten Mitreisenden war der erste Anstieg beim Wertheim Village schon schweißtreibend, wurde dann aber noch getoppt, nachdem die weitere Route gesperrt war und wir eine üble Umleitung fahren mussten: knackiger Anstieg, grober Schotter, Hitze und die besagte eher geringe Untersetzung ließen den Schweiß nun bei uns beiden weiter fließen. Irgendwann waren wir's leid und sind im Zick-Zack auf Wirtschaftswegen durch die Weinberge gefahren, bis wir wieder auf der Route waren. Von da an lief es abgesehen von zwei Anstiegen wieder geschmeidig über Würzburg bis nach Randersacker. Im sympathisch-skurrilen Brunnenhof sind wir gut untergekommen und haben beim Butterfly (mit diesmal sehr netter Bedienung) mächtig gefuttert. Den angebotenen Espresso "aufs Haus" haben wir ausgeschlagen, denn uns fielen bereits langsam die Augen zu …

Tag 4: Randersacker - Bad Mergentheim (50 km) - 20.05.2025

Während mein Vater seine Hörgeräte noch nicht eingesetzt hatte, durfte ich morgens von uns beiden alleiniger Ohren-Zeuge eines Streits (oder einer sehr lautstarken "Unterhaltung") zwischen dem alten Chef (ca. 70-75) und mutmaßlich seiner "asiatischen" Frau werden. Jedenfalls konnte ich die Wortfetzen auch mit größter Phantasie keinem vorstellbaren deutschen Dialekt zuordnen und assoziierte grob "Asien", eventuell Thailändisch. Dem war auch so: Unten empfing uns (s)eine etwas jüngere "asiatisch" aussehende Frau (ca. 50-60) mit eher knappen Worten bzw. "Einweisungen". Das Frühstück war aber gut und das rustikal-bürgerliche Ambiente der deutschen 60/70er Jahre begleitete uns sowieso auf der Tour. Froh waren wir nur, in diesem dunkeleichenen Ambiente mit kleinen Fenstern und wohl ohne Heizung auch unsere Pullis mitgenommen zu haben - das Paar am Nebentisch fing nach einer halben Stunde an zu niesen.
Motiviert sind wir bald darauf in Anbetracht einer kurzen Strecke aufgebrochen. Auf einem Spielplatz haben wir eine kurze Pause eingelegt, die ich für eine Pinkelpause - wohlgemerkt: außerhalb des Geländes im Gebüsch - genutzt habe. Eine dialekttechnisch vermutlich bayerische Omi muss aber durch ihr Fenster jenseits meines Gebüsches etwas blitzen gesehen haben und schlug nach dem empörten Ausruf "Joa, Woansinn!" laut das Fenster zu. Ohne sonstige Vorkommnisse rollten wir gut bis nach Bad Mergentheim.

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Dort genossen wir auf dem Marktplatz je einen Cappuccino und fragten uns, warum bei so schönem Wetter und in so schöner Umgebung so viele Leute an den Nachbartischen so mürrisch guckten. Eingecheckt haben wir im Deutschmeister-Hotel (was seinen imposanten Titel dem Deutschen Orden und einem seiner früheren Schlösser vor Ort, weniger seinem eigenen Ambiente verdankte). Da mich der Heuschnupfen die letzten Tage nahezu schachmatt gesetzt hatte, besorgten wir mir bei einem Spaziergang noch Augentropfen und hockten etwas im beschaulichen Garten jenes Schlosses, das einst dem Deutschen Orden gehörte. Im Kidano haben wir asiatisch inspiriert gut gespeist und zumindest ich habe mich sehr über die Abwechslung zu Fleisch und Pommes/Bratkartoffeln gefreut (bin glutenunverträglichkeitsbedingt da oft in der Auswahl etwas eingeschränkt).

Tag 5: Bad Mergentheim - Besigheim (83 km) - 21.05.2025

Der Wecker stand auf 6 Uhr, um zeitig loszukommen. Das Frühstück nahmen wir unter einem skurrilen Stillleben ein: ein verwesender Ziegenkopf liegt auf einem Tisch und wird von Fliegen umschwärmt. Immer wieder ging mein Blick vom Marmeladenbrötchen zu meinem Vater und über seine Schulter hin zu diesem Bild. Dazu gab es eine bunte Gästeschar: einige osteuropäische Handwerker, zwei sich auf englisch Unterhaltende mit jeweils anderer, nicht-deutscher Muttersprache (wirkten ein bisschen wie ältere Austauschstudenten), mindestens eine weitere Radlerin sowie ein Trupp einheimischer Rentner. Aus deren Gesprächen: “Des Ei ruft!” (man musste sich einen je eigenen Timer für die selbst zu kochenden Eier stellen). Antwort: “Wer ruft an?” - “Des Ei. Es ruft!” - "Wie?" - "Ei, der Weggä! Vom Ei!" Loriot pur! Bei der heutigen Tour war bei meinem Vater schnell die Luft raus und die Motivation weg.

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Und auch bei mir war heuschnupfenbedingt anders, aber ähnlich erschöpfend sprichwörtlich die Luft raus/weg, auch wenn wir durchaus idyllische Landschaften durchfuhren.

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Als dann Regen angesagt war, wollte er abkürzen und so haben wir in Sindringen nach Öhringen abgekürzt und von da den Zug nach Heilbronn genommen. Von dort aus ging's eben und ganz nett bis nach Besigheim, wo wir perfekt knapp vorm Regenschauer in der Unterkunft mit sehr freundlicher Chefin angekommen sind.

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Mental und energietechnisch war der Tag für uns beide wohl der Tiefpunkt. Ich war gegen Ende sehr gereizt und gelobte innerlich Besserung (und wohl auch umgekehrt mein Vater). Zu futtern gab es diesen Abend schlicht jeweils einen Dönerteller und auch hier - in einer ganz normalen Dönerbude - hatten wir den Eindruck, freundlicher behandelt zu werden als in mancher "gutbürgerlichen Stube". Nach einem etwas zu süßen Riesling (natürlich nicht mehr in der Dönerbude) ging's ins Reich der Radler-Träume ...

Tag 6: Besigheim - Tübingen (87 km) - 22.05.2025

Nach dem Regen war meine Welt eine andere: Endlich wieder Atmen! Endlich keine verquollenen Augen! Endlich wieder Energie! So sind wir dann auch erstmal los - mit unsicheren Wetterprognosen bzgl. des restlichen Tages sowie deutlich kühleren Temperaturen. Auch das hat meinen Vater veranlasst, in Bad Cannstatt einige Kilometer per Zug abzukürzen. Ich habe mich hingegen entschieden, trotz (geringer) Regenwahrscheinlichkeit die Gunst der frischen bzw. pollenfreien Luft zu nutzen und den restlichen Teil nach Tübingen alleine zu fahren. Zäh war der lange Anstieg aus dem Stuttgarter Kessel hinaus, wobei mich der folgende Jugendstil-Brunnen faszinierte.

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Landschaftlich eher unspektakulär war die Fahrt ohne Heuschnupfensymptome eine große Freude und die lange Abfahrt runter nach Tübingen ab dem dem Naturpark Schönbuch war sehr fein.

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In Tübingen trafen wir uns dann wieder und gemeinsam einen alten Freund der Familie, was mir nach einigen Jahren inzwischen sehr wichtig war. Dennoch haben wir an dem Abend erstmal früh Schluss gemacht und uns dann auf den morgigen Pausentag gefreut.

Tag 7: Pausentag in Tübingen - 23.05.2025

Am Pausentag ließen wir es entsprechend sehr gemütlich angehen. Mittags trafen wir den erwähnten Freund zum Falafel-Futtern in der sehr schönen Tübinger Altstadt.

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Dann flanierten wir noch etwas zu zweit durch die Gassen, zum Hölderlin-Turm und zum Schloss hoch (wo mich ein etwas wirr wirkender Typ Mitte/Ende 20 mit Sakko und Wanderstock nach dem Weg zu irgendeiner Kapelle fragte - während er ohne hilfreiche Auskunft meinerseits von dannen zog, fragte ich mich, ob mir in ihm gerade der Geist des (zeitweise) irren Hölderlin begnet wäre ...).

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Abends kochten wir ausgiebig, lecker und angenehm leicht mit dem gemeinsamen Freund.

Tag 8: Tübingen - Freudenstadt (65 km) - 24.05.2025

Mit einer gewissen Anspannung starteten wir angesichts der Etappe mit den meisten Höhenmetern, allerdings lief es überraschend und nach dem Prinzip “slow but steady” echt gut. Ein Highlight war für uns der Kaffee bei Ziegler's Backstube am Dorfausgang von Schopfloch. Gegen Ende gab es einige schöne Fernblicke auf den Südschwarzwald. Die letzten Meter zum Schwarzwaldhotel waren nochmal etwas zäh, aber dann sind wir in einer angenehmen Unterkunft untergekommen.

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Gefuttert haben wir - der Name ist Programm - im Speckwirt und "erlebten" dort die mit Abstand unfreundlichste Bedienung.
Leider haben sich bei mir inzwischen Sitz- und Knieprobleme entwickelt. In Verbindung mit der Heuschnupfenproblematik bahnt sich für mich die Frage an, wie sinnvoll eine Fortsetzung der Gesamttour in Frankreich ist. Geplant war bis dato, von Strasbourg nach Avignon den TGV zu nehmen und dann ca. 2,5 Wochen Südfrankreich zu erkunden. Die Entscheidung wollte ich mir noch offenhalten, aber es setzte trotz vieler positiver Momente eine recht grundsätzliche Erschöpfung ein.

Tag 9: Freudenstadt - Offenburg (57 km) - 25.05.2025

Frühstück gab es in einer großen Halle im Chic der 50er/60er Jahre - irgendwie aus der Zeit gefallen, aber irgendwie auch gut. Bis zuletzt haben wir angesichts unsicherer Wetterprognosen gehadert, ob wir den (für Hotelgäste kostenlosen) Zug oder das Rad nach Offenburg nehmen sollen. Zum großen Glück haben wir uns dann fürs Rad und damit für einen genialen Abschluss entschieden: Erst ging's lang, aber weitgehend moderat bergauf bis auf knapp 1000 hm .

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Dann kam die schnelle Abfahrt vom Kamm des Schwarzwalds mit grandiosen Weitblicken bis zu den Vogesen.

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Alleine dafür hatte sich alles gelohnt! Im ersten Ort gab's dann den "Sieger-Kaffee" und ein paar Geschichten aus der Radfahr-Vergangenheit meines Vaters. Auf dem Weg weiter nach Offenburg war auch der Wechsel von "einsamer Bergwelt" zu quasi-alpiner Kulturlandschaft hin zu den nun allgegenwärtigen Obstplantagen mit mächtigem und herrlichem Erdbeerduft interessant zu beobachten. Nachdem die letzten Kilometer mit noch ein paar Höhenmetern und gelegentlichem Gegenwind meinem Vater eher mental als wirklich körperlich zu schaffen machten, erreichten wir letztlich doch wohlbehalten das Endziel unserer gemeinsamen Tour: den Rammersweier Hof. Wie jedes Mal war die Dusche eine große Freude und auch das nun wieder klassisch deftige Essen tat gut (auch wenn ich es hier das erste Mal erlebt habe, dass eine Kellnerin in einem Restaurant beim Ausschenken verschütteten Wein erstmal mit dem Finger wegzuwischen versucht, bevor sie die Serviette nutzt ...).
Später fiel dann schweren Herzens meine Entscheidung gegen die Frankreich-Tour. Gerne hätte ich das Meer, den Lavendel, die typische südfranzösische Mittelmeer-Landschaft gesehen und vielleicht sogar den Col de la Bonnette befahren - aber Heuschnupfen, Knie, Gesäß, mentale Verfasstheit sagten in Summe: "Nein, nicht dieses Mal."

Tag 10: Offenburg - Camping Erlichsee (115 km) - 26.05.2025

So trennten sich dann unsere Wege. Während mein Vater später mit dem Zug in den Norden fuhr, ging es für mich statt wie geplant von Strasbourg per Zug nach Süden, ebenfalls nach Norden - aber per Rad. In zwei Etappen wollte ich Marburg erreichen. Mindestziel war Darmstadt, um von da aus den Zug zu nehmen. Also galt es zeitig, aber kniebedingt mit moderatem Tempo loszufahren. Sowohl von diesem wie vom kommenden Tag gibt es landschaftlich nicht viel Spannendes zu berichten. Es war schlicht eine notwendige Rückfahrt, die mich aber zunächst immerhin zu einem netten Campingplatz am Erlichsee führte, wo ich neben dem Gespräch mit einem sympathischen Radler aus der Schweiz auf dem Weg nach Rotterdam (melde dich, Se. ..., gerne mal, solltest du das lesen!) bei später warmer Sonne den Blick auf den See und ein paar Snickers genoss, während um mich herum die Nilgänse Gras futterten, gackerten und alles vollkackten.

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Tag 11: Camping Erlichsee - Marburg (215 km) - 27.05.2025

Nachdem ich relativ gut geschlafen hatte (die Luftmatratze und das aufblasbare Kopfkissen sind mit die besten Equipment-Investitionen der letzten Jahre!), rollte ich recht guter Dinge los. Um Knie, Heuschnupfen, Hintern musste ich mir keine Gedanken mehr machen, denn ich würde nun ja keine weiteren 2,5 Wochen unterwegs sein. Und so keimte in mir die Idee, wie weit ich heute wohl käme, wenn ich keine "Rücksicht auf Verluste" nehmen müsste. Nachdem Darmstadt gegen Mittag etwa erreicht war, erschien Frankfurt auch nicht mehr weit weg. Nachdem Frankfurt erreicht war, hielt ich auch Gießen nicht mehr für ausgeschlossen. Als Gießen erreicht war, wollte ich trotz drohenden Regens mein Jahresziel, einmal 200 km am Stück zu fahren, nicht aufgeben. Also weiter. Als die 200 km erreicht waren, waren es nur noch wenige Kilometer bis nach Marburg und es nieselte nur leicht, fast erfrischend. Der Kopf war zu dem Zeitpunkt schon lang "aus". Ich summte nur ständig, mantraartig "Hejo, spann den Wagen an" vor mich, versuchte möglichst schmerzfrei zu fahren und kurbelte teils im Schneckentemp aber doch stetig weiter. Irgendwann war ich dann da. Alles fühlte sich ziemlich taub an, aber eine solche Distanz mit dem schweren Reiserad abgespult zu haben, war doch ein kleiner Triumph - zumal dadurch ein Jahresziel erreicht wurde und ich den Kreis der Tour "schließen" konnte. Dies auch im metaphorischen Sinn. Ansporn gab dazu nicht zuletzt einige Kilometer vorher der Anblick der Bank, an der mein Vater und ich am ersten Tag unsere erste Pause gemacht hatten und die ich nun im Vorbeifahren als einziges Photo des Tages noch schnell knippste:

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Was bleibt? Zentral ist die Erkenntnis, nie mehr so dumm zu sein und seinen Urlaub in die Heuschnupfenzeit zu legen. Zentral ist aber auch die Erkenntnis, dass es manchmal einfach dennoch Urlaub braucht. Entsprechend folgt schließlich die Erkenntnis, sich mitunter freimachen zu müssen von eigenen (und ggf. eingebildeten fremden) Erwartungen gegenüber gemachten Plänen und "notfalls" eben Pläne zu ändern. Vor allem aber bleibt die Erinnerung an eine tolle Tour mit einem tollen und immer noch ziemlich fitten Vat(t)er!
 
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BERICHT 12: VOGESEN-TOUR (5 Tage) - Teil 1/3

Tag 1: Offenburg - Schirmeck (75 km)
- 09.06.2025

Nach einer kurzen Nacht ging's um 5 Uhr aus den Federn, um die verschiedenen Nahverkehrszüge nach Offenburg mit dem Quer-durchs-Land-Ticket zu nehmen. Die ganze Tour war eine extrem spontane Sache, weshalb ich auf diese Notlösung ausweichen musste, statt bequemer die ICE-Variante zu wählen. Hintergrund: Ursprünglich hätte ich zu dem Zeitpunkt bereits einige Zeit in Südfrankreich unterwegs sein wollen, allerdings hat mir der Heuschnupfen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Daher Planänderung und erst Regeneration zuhause und dann nur noch eine (eben sehr spontan geplante) kurze Tour durch die Vogesen mit festen Unterkünften, um den Pollen zumindest nachts ausweichen zu können.

Geplant, getan: Erstaunlich komplikationsfrei kam ich in Offenburg an und konnte dort um kurz nach 12 Uhr losrollen. Erstmal ging's nach Strasbourg, auch weil ich mit einer Arbeitskollegin darüber mal gesprochen hatte und ich ihr dieses Bild schicken wollte:

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Dann folgte ich eine ganze Weile dem Canal de la Bruche, einem Fluß-Rad-/Spazierweg, der mir fast schon zu voll war. Schon allein die dringender werdende Pinkelpause war kaum möglich, weil ich kaum ausweichen konnte und quasi permanent "unter Beobachtung" stand. Dennoch war's auch nett, so viele Radler zu sehen.

Froh war ich aber trotzdem, bald aus dem Trubel rauszukommen. In der Ferne kündigten sich sodann auch schnell die Vogesen an:

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Und auch der Donon zeichnete sich markant als kegeliger Berg mit seinen 1009 m ab:

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Um ca. 17 Uhr bin ich in Schirmeck in der Unterkunft eingelaufen und wurde von dem sehr freundlichen Vermieterpärchen empfangen. Insbesondere er war recht kommunikativ und erzählte mir bei einem Apfelsaft und einem Kaffee auch von seinen Reisen in jüngeren Jahren (per Rad den Jakobsweg, Amerika mit Campingwagen durchquert und mit Gewinn verkauft, mit altem Mercedes bis nach Angola gefahren etc. pp.). Es war in der Unterkunft alles etwas in die Jahre gekommen, aber mir hat es dort sehr, eben auch menschlich gefallen.

Tag 2: Schirmeck - Le Régit (100 km) - 10.06.2025

Morgens grüßte mit den ersten Sonnenstrahlen die Heilige Maria vom Schirmecker Schloss durchs Fenster und hilft sicher auch einem Agnostiker, wohlbehalten auf den Donon und wieder runter zu kommen. Zweimal war ich dort bereits (zu Fuß) und war jedes Mal fasziniert. Irgendwie hat dieser Berg/Hügel etwas. In keltischen Zeiten wurde dort wohl dem Gott Vosegus, nach dem möglicherweise die Vogesen benannt wurden, gehuldigt.

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Ich habe aber erstmal massiv der Leibesertüchtigung und der kontinuierlichen Fresserei gehuldigt (zugleich Programm der nächsten Tage), denn es ging ordentlich bergauf (was in der Planung deutlich moderater aussah - auch das ein wiederkehrendes Motiv in den kommenden Tagen):

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Zwischendurch bereits schöne Ausblicke:

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Die letzten Meter müssen zu Fuß überwunden werden:

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Und dann steht man auf dem Gipfel mit dem unter Napoleon III. errichteten "Tempel" und hat einen herrlichen Blick in alle Himmelsrichtungen:

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Da oben habe ich mit einem netten Belgier gequatscht und eine Weile gerastet. Dann ging es naturgemäß flott bergab, wobei die verschiedenen Schlaglöcher eine gewisse Achtsamkeit erforderten:

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In der Ebene gab es noch einmal einen lohnenden Blick zurück zum Donon:

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Im Moment, als diese Bild entstanden ist, hörte ich ein merkwürdiges Rauschen und spürte fast schon einen gewissen "Druck". Einen Sekundenbruchteil später donnerten drei Düsenjäger im für meinen laienhaften Eindruck ziemlichen Tiefflug über die Gegend hinweg. Jedenfalls hatte ich so einen Tiefflug noch nie erlebt. Es waren sogar Details der Maschinen von unten zu erkennen. Diese (militärische) Kraft/Macht war schon ziemlich eindrücklich und bildete einen merkwürdigen Kontrast zur ansonsten äußerst friedlichen Umgebung. (In Klammern: Natürlich sind die ganzen Vogesen u.a. von der (deutsch-französischen) Kriegsgeschichte gezeichnet und natürlich ist auch der Frieden in der Landschaft, durch die ich radelte, kaum zu trennen von militärischer Verteidigungsfähigkeit. Auch das wird für mich in den Vogesen immer besonders greifbar.)

Für mich ging es danach gewissermaßen auch "in die Lüfte", zumindest aber in die Höhe. Bis zu meiner Unterkunft in Le Régit wollten nämlich noch etliche weitere Höhenmeter erklommen werden. Ab einem gewissen Punkt ging das Wasser zu Neige und der Kopf hämmerte. Diese Quelle war meine Rettung:

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Danach ging es noch zum Col des Feignes und von da dann endlich runter zur Unterkunft. Die Vermieterin war etwas weniger gesprächig, aber auch sehr freundlich und ich war absolut zufrieden. Ich versuchte noch im nahegelegenen Restaurant etwas zu futtern zu bekommen, allerdings erfolglos. Also habe ich meinen mitgebrachten Kram gegessen, habe noch die Kette nachgewachst und bin ziemlich bald eingeschlafen.
 
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BERICHT 12: VOGESEN-TOUR (5 Tage) - Teil 2/3

Tag 3: Le Régit - Vieux-Thann (80 km)
- 11.06.2025

Gut erholt (und der eigenen Entscheidung für feste Unterkünfte in der Heuschnupfen-Zeit dankbar) rolle ich los und runter nach La Bresse. Mich packt immer etwas die Fremdscham, wenn diese Bikepacking-Influencer bei ihren Trips das Heulen kriegen und sich dabei filmen. Man könnte langsam echt Klischee-Drehbücher für diese Art der Video-Berichte schreiben. Ich jedenfalls habe zwar nicht das Heulen gekriegt bei der Abfahrt, aber es war schon eine unerwartet berührende Situation. Es kam einfach mehreres zusammen: Gute Regeneration und gute Stimmung, dazu eine perfekt schnurrende Maschine, guter Straßenbelag, perfektes Wetter, tolle Ausblicke und das Gefühl, in der Tour "angekommen" zu sein. Das ergibt so einen dieser seltenen "Klick-Momente", in dem alles perfekt ist.

Aber wie das Leben ist, währt nichts ewig. Heute sollte es auf den Ballon d'Alsace gehen. Das bedeutete in meinem Fall erst über den noch niedrigen Col de Ménil, dann runter und schließlich einen Anstieg von 495 m auf 1171 m Höhe. Bei der Streckenplanung habe ich dabei ein Detail übersehen: Mein Track führte über ca. 2,5 km nicht über die Straße zum Ballon, sondern über einen Forstweg. Hier glaubte ich noch, dass es sich nur um eine kurze Rampe handeln würde:

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Dem war aber leider nicht so und so schob ich bald vor Schweiß triefend das Rad über Schotter immer weiter mit einer Geschwindigkeit von 1 bis max. 2 km/h den Berg hoch. Hier bekommt man eine Ahnung von der Steigung:

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Das zog ordentlich Energie und ich war heilfroh, irgendwann wieder auf der Straße zu sein:

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Dieser Aufstieg lehrte mich (unabhängig vom Bodenbelag) Demut vor den Höhenmetern. Immer wieder zogen dünne Typen mit dicken Waden und Rennrädern (oder halt nicht relevante E-Biker) an mir vorbei. Ich war froh, nicht auch noch Zelt, Isomatte und Schlafsack dabei gehabt zu haben. Dennoch: Das selbst für ein Stahl-Gravelbike recht schwere Marin Four Corners, die für diese Tour wieder eingebauten schweren Laufräder und natürlich das sonstige Gepäck zerrten an mir. Und - um ehrlich zu sein - natürlich könnten auch am eigenen Gewicht locker 10 Kilo weniger nach oben geschleppt werden. Alles Erkenntnisse für künftige Touren. In der Konsequenz habe ich jedenfalls viele Pausen eingelegt und mich langsam, aber stetig nach oben gestrampelt, bis ich dann auf dem Col du Ballon d'Alsace war:

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Dort habe ich mir meinen Kaffee gegönnt und mit zwei deutschen Rennradlern etwas geschwatzt. Danach ging's in ziemlich flotter Fahrt bergab nach Vieux-Thann, das dann nach Überwindung eines letzten kleinen Buckels vor mir lag, wobei sich am Horizont bereits das morgige Mittagsziel, der Grand Ballon mit seinem Col auf 1343 m Höhe, abzeichnete:

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In der Unterkunft angekommen konnte ich mein Glück kaum fassen: Für 47 Euro eine große Wohnung mit riesigem Wohnzimmer, guter Küche und Balkon ganz für mich alleine! Also habe ich mich ausgebreitet, geduscht und mich zum Einkaufen aufgemacht.

Als ich zurückkam, war die Tür nicht mehr abgeschlossen und die Waschmaschine brummte. Ich rief "Salut?" - und da kam ein freundlich guckender Franzose aus der Küche. Auf meine Frage, wer er sei, erklärte er, dass er mit seiner Frau eines der anderen Zimmer gebucht habe. Auch Thomas, ein anderer Deutscher, sei inzwischen da. Es war mir natürlich entsprechend peinlich, meinen ganzen Kram überall verteilt zu haben und das Rad im Wohnzimmer geparkt zu haben ...

Erst war ich etwas irritiert (ging für mich so klar nicht aus der Wohnungsbeschreibung hervor), dass noch andere anwesend sein würden, allerdings stellte sich vor allem das französische Pärchen als Glücksfall heraus. Beide waren auf dem GR 5 unterwegs, den ich auch schon in unterschiedlichen Teilen gewandert war, und wir kamen gut ins Gespräch. Er war Koch und kreierte seiner Frau (Medizinerin) und sich ein leckeres Essen, während ich - eine Tradition fortsetzend - mein eingekauftes Cassoulet aufwärmte. Dann futterten wir gemeinsam auf dem Balkon und sprachen über Gott und die Welt.

Da beide heute auf Alkohol verzichten wollten, musste ich meinen Wein komplett selbst trinken und genoss schließlich den Rest alleine bei angenehmen Temperaturen und untergehender Sonne auf dem Balkon:

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Tag 4: Vieux-Thann - Sainte-Marie-aux-Mines (97 km) - 12.06.2025

Zum Frühstück gab es - um nichts wegzuschmeißen - neben zwei Äpfeln das komplette, kleinste Nutella-Glas, das ich am Vortag kaufte: Also erstmal 200 Gramm Nutella auf Brotscheiben rein in den Organismus! Die Energie würde ich an dem Tag aber auch brauchen. Brouter, das Streckenplanungsprogramm, hatte für die heutige Tour bereits mit ca. 7:20 Stunden reiner Fahrzeit, gut 95 Kilometern und etwa 1800 Höhenmetern gerechnet. Nach den bisherigen Erfahrungen war ich also "gewarnt" ...

Entsprechend war das heute ein häufiger Anblick:

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Lange Zeit ging es hauptsächlich bergauf. Ich versuchte, mich innerlich in keinster Weise mit den vorbeiziehenden Rennradlern zu messen, und machte halt eben häufig Pausen im Schatten. Die Temperaturen gingen im Laufe des Tages ungefähr Richtung 30 Grad.

Das Nationaldenkmal/Mémorial du Hartmannswillerkopf wäre bei mehr Zeit definitiv eine genauere Besichtigung wert:

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Militärisch ist der Hartmannswillerkopf mit seinem Blick in die Rheinebene im Ersten Weltkrieg relevant und entsprechend umkämpft (bei dem Dunst in der Ebene ließ sich heute die Rheinebene nur grob erkennen):

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Es gibt hier eine Ausstellung, einen großen Friedhof und einen Wanderweg. Wie oben bereits geschrieben: Die Vogesen sind an verschiedenen Stellen geprägt von den deutsch-französischen Kriegen. Umso wichtiger wird einem oder zumindest mir das gegenwärtige Europa. In der Beflaggung (Frankreich, EU, Deutschland) spiegelt sich das auch wider:

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Für mich ging es aber weiter Richtung Grand Ballon, der sich nach dem Denkmal auch schon greifbarer, aber immer noch imponierend hoch und fern präsentierte:

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Die Abfahrt war dann erstmal herrlich, bis es wieder lange und zäh zum Col du Grand Ballon empor ging. Da die Beine müde waren, saß ich fast die gesamt Zeit. Der Hinten schmerzte, der Schweiß ran, der Kopf wummerte, aber nach etlichen Pausen war es geschafft und ich hatte den Col erreicht:

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Dort schlürfte ich einen Kaffee und füllte die Wasserflaschen mit etwas "Getrink Wasser" wieder auf:

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Abgesehen von den bereits den ganzen Tag ätzenden, dröhnenden bzw. röhrenden Motorradfahrern (besonders idiotisch: ein Schweizer mit lauter Anlage auf seiner Maschine) war die Strecke nun aber herrlich. Deswegen wollte ich unbedingt den/die Crête des Vosges fahren und wurde mit entsprechenden Ausblicken belohnt:

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Schließlich endete diese Straße und ich kam an eine Stelle, den Col des Bagenelles, wo ich vor 13 Jahren bereits mit einem Freund stand:

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Einige Erinnerungen kamen wieder hoch und ich nahm mir vor, den leider abgerissenen Kontakt wieder aufzunehmen.

Ab diesem Col gab es zur Unterkunft in Sainte-Marie-aux-Mines eine Abfahrt, die diesen härtesten, aber auch für mich spektakulärsten Tag der Tour unerwartet krönte: Über 13 Kilometer hatte ich die Landstraße für mich alleine und konnte es laufen lassen und brauchte nur noch genießen. Wahnsinn!

Kulinarische Krönung war dann endlich meine zweite Tradition in Frankreich (oder zumindest im Elsaß): Ein regionales Lokal hatte offen und es gab Choucroute und dazu einen Riesling!

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Beim Abräumen hob die Kellnerin noch einmal prüfend den Deckel des Topfes und guckte anerkennend, als lediglich letzte Reste des Sauerkrauts zu finden waren.

Pappsatt bin ich kurz darauf in meiner Unterkunft eingepennt.
 
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BERICHT 12: VOGESEN-TOUR (5 Tage) - Teil 3/3

Tag 5: Sainte-Marie-aux-Mines - Offenburg (84 km)
- 13.06.2025

Sowohl der Leib wie der Geist waren am Morgen arg schwerfällig und auch das Wissen um den Anbruch des letzten Tags der Tour hat mich nicht wirklich aus dem gemütlichen Bett getrieben. Allerdings half auch mehrfaches Rotieren um die Achse nichts: Ich musste los, wollte ich nicht am Ende komplett gestresst um den letzten Zug kämpfen müssen.

Und so ging es erst durch kleine Gassen und dann auf Fahrradwegen bei weiterhin bestem Wetter auf zu den letzten Kilometern:

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Ich passierte auch mit einiger Entfernung die Haut-Koenigsburg, die ebenfalls einen Besuch wert ist:

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Dann war ich auch schon in der Rhein- und Wein-Ebene mit Blick auf die beiden Châteaus de Ramstein und d'Ortenburg:

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Die Hitze war inzwischen echt ordentlich und der Hintern war langsam am Ende seiner Leidensfähigkeit. Also freute ich mich über den Schatten, den mir ein Baum mit Bank an der Chapelle de la Feldlach bot. Das war dann auch der letzte Blick zurück auf die Vogesen:

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Den Spruch unter dem leidenden Jesus - "Ihr alle[,] die hier vorübergeht, sehet[,] ob es ein[en] Schmerz gibt wie de[n] meinige[n]." - nahm ich mir (die Zeichensetzungs- und Grammatik"fehler" so gnädig ignorierend, wie es hoffentlich auch die Leser dieses Berichts tun ...) als motivierende Mahnung für die nächsten Kilometer mit:

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In Erstein legte ich noch einen kurzen Stop beim Supermarkt ein, um mir noch eine Dose Cassoulet als Abendessen mitzunehmen, das Wasser aufzufüllen und um vier Magnums in einem Rutsch zu verschlingen. Einige Kilometer später fuhr ich über die Pierre-Pfimlin-Brücke zurück nach Deutschland:

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Der letzte Teil des Radweges nach Offenburg war keine Freude, da er meistenteils parallel zu einer dicht befahrenen Bundes-/Landstraße führte und mir da dann fast schon wieder die nervigen Motorradfahrer lieber waren. Am Bahnhof gab es noch einen Kaffee, ich rieb mir die Marinade aus Sonnencreme, Schweiß, Staub und Viechzeug bestmöglich vom Körper, wechselte das Oberteil und stieg um kurz nach 17 Uhr in den ersten Zug Richtung Heimat.

Hatte auf dem Hinweg noch alles überraschend gut geklappt, machte die D(recks)B(ahn) ihrem Namen auf dem Rückweg wieder alle Ehre und es fielen ständig Züge und Halte aus, Gleise wurden geändert, Züge waren massiv überfüllt, das Sicherheitspersonal hatte teils einen unfassbaren Ton am Leib usw. usf. Kurzum: Bis zum Schluss hatte ich Bammel, am Ende wieder irgendwo in der Pampa rausgeschmissen zu werden. Doch nein, der Segen der Vogesen-Maria hielt offenbar an! Gegen Mitternacht lag ich geduscht und selig im heimischen Bett und war sehr froh, diese Tour noch so spontan umgesetzt zu haben. Den christlichen, keltischen und sonstigen Wettergöttern war ich dankbar für perfektes Wetter und meinen Beinen und Knien für ihr tapferes und überraschend klagloses Durchhalten. Und neben vielen tollen Eindrücken, die noch nachwirken, nehme ich auch einige Anregungen/Fragen zur Vorbereitung auf kommende Touren mit (etwa Training/Gewichtsreduktion, Ausrüstung anlassbezogen weiter optimieren und "Bahnfahrkompatibilität" von Rad und Ausrüstung). Ein rundum gelungener Trip also!
 
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