Alle Berge mit S... (kleiner Rapport)

jockel

Cpt.Ahab
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12. August 2001
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Heute morgen konnte man sich beim Blick aus dem Fenster davon überzeugen, dass der Herr einen weiteren schönen Tag hat werden lassen. Da ich dienstlich in der südlichen Peripherie Berlins zu tun hatte, bot es sich, wie schon oft, an, die Heimreise per Rad zu unternehmen. In jener Gegend, in die es mich heute verschlug, habe ich so etwas wie einen Intimfeind. Und wie das mit Intimfeinden so ist, kann man fast von einer Hassliebe sprechen. Obschon ich um die eigentliche Unbefahrbarkeit des „Schei* Glauer Berges“ (dieses war der erste Streich, doch der nächste folgt...) weiß, zieht es mich doch wie an Schnüren gezogen, meine Reifchen in seine sandigen Flanken zu treiben.

Doch vorher galt es erst mal Ludwigsfelde zu verlassen, jene Kleinstadt, die das Glück hat, vom Berliner Autobahnring direkt durchschnitten zu werden. Dem entsprechend fällt es nicht schwer, diesen heimeligen Ort zu verlassen. Da Potsdam mein erklärtes Ziel war, tat ich dies in annähernd westlicher Richtung. Kurze Zeit später war Siethen erreicht und noch Abfahrung des Nordufers des Siethener Sees, kam auch schon Gröben in Sicht. Wer mit Fontanes Wanderungen durch die Mark vertraut ist, wird diese Namen, verbunden mit zeitgenössischen Schilderungen, bereits aus Band 4 derselben kennen. Tatsächlich handelt es sich zumindest bei Gröben um ein durchaus schönes Dorf, mit allem,, was dazu gehört. Selbst ein ansehnlicher Greifvogel ließ sich blicken und drehte anmutig seine Kreise über der weiten Landschaft der Nuthewiesen.



Nun ging es mir am heutigen Tage aber nicht nur darum, Fontanes Spuren im märkischen Sand nachzuzeichnen, sondern ich wollte meinem alten Kumpel dem Schei* Glauer Berg, diesem elenden Sandhaufen, dieser Ansammlung von Treibsand, meine Aufwartung machen.

Diesmal näherte ich mich diesem stinkenden Wal über Mietgendorf. Schon hier wurde mir klar, was auf mich zukam. Hatten sich doch anscheinend alle Ureinwohner dieses Kaffes der Pferdehege verschrieben. Und was macht man mit einem Gaul, wenn dem langweilig ist? Richtig, man treibt die elende Kreatur in den Wald, auf das sie sich dort austoben möge. Dreimal dürft Ihr raten, wer oder was von eben jenem Wald bedeckt ist, den Wochenende für Wochenende randalierende Reiterscharen heimsuchen? Richtig es ist dies der Glauer.


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Keine Ahnung, was mich jedes Mal veranlasst, hier wieder aufzukreuzen? Vielleicht bin ich schon ein wenig senil und vergesse stets, wie es beim letzten Mal war. Doch bereits am Fuß des Schicksalsberges fällt es mir wieder ein: „...oh Schei.., hier wolltest Du nie wieder her!“ Doch wat mut, dat mut. Also wieder kaum vorankommend, im Schneckentempo die Rampe rauf, bis einen die bis über die Felgen im Sand steckenden Reifen unweigerlich vom Rad holen. „Was für einen Schande. Hoffentlich sieht mich Keiner.“ Irgendwann oben, werden jedes Mal aufs neue die Hoffnungen begraben, man könne ja wenigstens den Kammweg wie ein richtiger Mann befahren. Zwar gibt es hin und wieder kurze Abschnitte, die man im Sattel sitzend abreiten kann, doch ebenso sicher sind die unzähligen Sandkuhlen, die eine kontinuierliche Vorwärtsbewegung hemmen.



Auch der beschissenste Berg hat mal eine Ende. Ich erreichte dies bei Blankensee. Da ich noch Leben in mir spürte, dachte ich, es kann ja wohl nichts schaden, wenn ich ab hier, in nördlicher Richtung eine hier schon länger vorhandene Hügelkette abgrase. Habe ich abgrasen gesagt? Wenn man „Abgrasen“ gleichsetzen kann mit Begriffen, wie „Kinderbergwerk“ oder „Russlandfeldzug“, dann mag es zutreffend sein. Ich versichere Euch, die Ihr lieber fahrt als schiebt, lasst die Finger von Hügeln die da heißen: „Schei* Hoher Berg“, „Schei* Stertberg“ , „Schei* Grämnitzberg“ , „Schei* Backofenberg“ oder „Schei* Ziebchenberg“. Diese elenden Gestalten wurden eigens aufgeschüttet, um Euch an Eurem Verstand zweifeln zu lassen. Ich habe keine Ahnung, wie die sich bis heute in der Landschaft gehalten haben. Jede noch so laue Briese, sollte in der Lage sein, diese Dünen sprichwörtlich in alle Winde zu zerstreuen, was bisher bedauerlicherweise unterblieb.

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Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, es mit dem „Schei* Ziebchenberg“ bewenden zu lassen, aber welche Kraft es auch immer war, es zog mich zum großen Finale noch zum und auf den „Schei* Saarmunder Berg“. Jeder, der schon mal per Bahn, zwischen Saarmund und Bergholz seinen Blick in Richtung Süden gewandt hat, bzw. Berlin über die A115 verließ und kurz vor Erreichen des Dreieck Drewitz die Zeit fand in Richtung Osten zu sehen, kennt seinen markanten Westhang. Im Unterschied zu den vorgenannten Hügeln, versucht es dieser erst gar nicht, durch eine wie auch immer geartete Vegetation eine Befahrbarkeit vorzutäuschen. Nein, er präsentiert seine hässliche Larve direkt und unbekleidet dem vorbeiziehenden Wandersmann. Doch, wenn auch teilweise schiebend, auch dieser wurde genommen, wie angefügtes Bildmaterial anschaulich präsentiert.

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Abschließend sei gesagt, dass ich ab da die Straße nahm, um ohne Umschweife den Potsdamer Hbf zu erreichen, von wo aus ich in angemessener Zeit meine Heimatstation erreicht habe.

Während ich hier sitze und schreibe, überlege ich, wen ich so wenig leiden kann, dass ich ihm eine „schöne“ Tour in besagte Gegend anbieten würde. Hmm, schwere Frage. Aber wie sieht es denn mit Euch aus Rikman und Rob? ;)


Kleine Randbemerkung: Die Gegend um Backofen- Ziebchen- und Saarmunder Berg, ist das Heimatrevier von unserem J-Coop. Das der Junge mit diesem Hintergrund immer noch Rad fährt, verdient meine tiefste Bewunderung.
 
ein wohltuender live-bericht aus der sandigen hölle südberlins. die durchquerung burkina fasos mit einem einrad wäre bequemer. anscheinend hat dieses feinsandige reic des teufels da unten wirklichen eine große anziehungskraft auf dich, anders ist es mir nicht erklärlich wie man sich selber motivieren kann noch diesen schei* berg, und noch jenen schei* berg und dann noch den nächsten und übernächsten schei* berg zu erkämpfen - mir wäre es ein graus, womit ich auch schon zum nächstens thema überleiten kann.


jockel schrieb:
wie sieht es denn mit Euch aus
diese angesprochenen haßlieben kennt wohl jeder biker und auch ich habe so einige. aber es gibt drei sachen die mir gewiss nicht den kleinsten, unscheinbarsten funken der freude entlocken: pferdepisswege, gegenwind und sand!
naja, aber was tut man nicht alles für die ehre des kaders. sprich: sollte es einmal dazu kommen, wird gebissen.


auch ich war heute mit dem fahrrad unterwegs, und hätte ich gewußt, jockel, dass es dich auch in die natur verschlägt, ich hätte gerne mit dir zusammen die prärie durchkemmt (da wiederspricht sich zwar deine routenwahl mit den von mir oben aufgezählten hässen* - aber egal). ich bin von erkner aus die löcknitz entlang gefahren nach alt-buchhorst, weiter diagonal ins verschlafene nest namens lichtenow und anschließend über hennickendorf, mit besichtigung des wachtel-turmes, nach torfhaus, von wo aus ich ein zweites mal die stienitzseepassage abgefahren bin, um auf altbekanntem wege, d.h. über rüdersdorf, mit der besichtigung einer gewissen lokalität und über woltersdorf nach rahnsdorf.

grüße, rb



*mehrzahl von haß?
 
Jockel, ich finde es mutig und tapfer, dass Du den Kampf um jenes Stückchen verfluchter erde nicht aufgibst.
Als Bruder im Geiste fand ich jedoch keine Ruhe und habe eben auf die Schnelle eine Vorrichtung konstruiert, die nei minimalen Leistungsverlusten aufgrund des Systemgewichts eine einwandfreie Traktion garantiert.
Schick mir doch bitte am Montag Dein Rad, dann bekommst Du es Donnerstag leicht modifiziert zurück.

Anbei die Konstruktionszeichnung (die ich bereits weiterverkauft habe):
http://www.unibw-muenchen.de/campus/MB/we3/we3_1/lehrang3_1/kett3_1/kettzeich.jpg
 
Danke Jockel, dass du uns allen Schönheit meiner Heimat einmal mehr so wunderbar geschildert hast.
Ich fahre diese Hügelkette eigentlich immer von Nord nach Süd ab, da die Nordhänge, abgesehen vom Backofenberg, die flacheren sind. Ein Grund mehr einmal mehr den Hut zu ziehen!
Und da sollen nochmal welche aus den Gebirgen kommen und sagen, wir Flachländer hätten keine langen Anstiege! Wer schon mal von Saarmund nach Glau oder andersrum gefahren ist, der hat mit etwa 20km schon einen recht langen Anstieg hinter sich!

Die lange Wische zwischen Langerwisch und Saarmund wird ja nun neben Autobahn und Eisenbahn auch noch von einer neuen eingezäunten Umgehungsstraße durchtrennt, so dass man leider kaum noch vom Saarmunder Eichberg zu den Leißbergen gelangt um die schöne Runde über den Galgenberg, die schönen Berge und schließlich die Ravensberge zu beenden.

Trotzdem ist auch der Berliner Süden, vermutlich auch aufgrund der unwirtlichen Bedingungen, Strapazen und Entbehrungen immer wieder eine reizvolle Gegend und ich hoffe, wir "fahren" die Ecke auch irgendwann mal wieder mit einer größeren Gruppe ab. Am besten wenn die Sonne im Zenit steht, die Krüppelkiefern richen als würden sie augenblicklich in Falmmen aufgehen, jeder Schweißtropfen sofort verdunstet, und der weiße Zuckersand für die berüchtigte Sandblindheit sorgt.

PS: Habe heute auch mal wieder eine kleine Runde gedreht und es aht richtig Spaß gemacht.
 
rob schrieb:
...auch ich war heute mit dem fahrrad unterwegs, und hätte ich gewußt, jockel, dass es dich auch in die natur verschlägt, ich hätte gerne mit dir zusammen die prärie durchkemmt
Und ich wollte Dich schon anrufen. Besser gesagt, ich habe Dich angerufen. Du warst aber mal wieder dabei, was für den Abend klar zu machen, oder die Terrorgefahr für Friedrichshain zu sondieren.


onkel schrieb:
Schick mir doch bitte am Montag Dein Rad, dann bekommst Du es Donnerstag leicht modifiziert zurück.
Ich weiß schon, warum gerade Du mein Lieblingsonkel bist. Danke Großer.


J-CooP schrieb:
Am besten wenn die Sonne im Zenit steht, die Krüppelkiefern richen als würden sie augenblicklich in Falmmen aufgehen, jeder Schweißtropfen sofort verdunstet, und der weiße Zuckersand für die berüchtigte Sandblindheit sorgt.
...und der Backofenberg seinem Namen alle Ehre macht.
Die Runde über die verschissenste Hügelkette (gleich nach den Wanderdünen der Namib) is natürlich jebongt Kollege. Und den Rest des Kollektivs nehmen wir auch noch mit (Wanderschuhe und Asbestanzug nicht vergessen!).
 
das sieht ja fast aus wie hier auf sinai- nur das mir hier keiner ein rad besorgen kann, noch nich mal gegen euro


aber unterhaltung und abwechselung gint dieser bericht einem taucher


micha
 
schön wieder zuhause zu sein! beim lesen deiner sandigen geschichte stellte sich eine deutliche verhärtung der oberschenkelmuskulatur, begleitet von schweisstropfenbildung auf stirn und unter axel, bei mir ein.

gern hätte ich diese mission an deiner seite bestritten, zumal ich bekannterweise dazu neige, schlechte wegstrecke persönlich zu nehmen und somit zu übertriebener frustration zu neigen.

aus therapeutischer sicht wäre es heilsam gewesen, auch dich EINMAL angesichts der zu befahrenden wegstrecke mit dem schicksal hardern zu sehen.

nun wurde daraus leider nichts. vielleicht ein anderes mal - wenn du mit rikman und rob die strecke fährst vielleicht. beste grüsse... menis
 
Jockel, Du olle Heulsuse,

ich bin entsetzt über eine solche Anhäufung von Gezeter und Wehgeklage! Ich erinnere frühere Berichte von Bezwingungen des Glauer Sandhaufens, die in einem heroischeren Tenor verfasst wurden. Sicher, die ganze Graumsamkeit der Region setzt Du durchaus realistisch in Szene, aber dieser weinerliche, polemische Ton! Gänzlich unangemessen.

Wie auch Jcoop nenne ich jene liebliche Dünenlandschaft mein Heimatrevier und verbitte mir eine derartige Fäkalisierung der südwestlichen Topografie!

bis denn




PS: Was das elende Pferdegezerre angeht hast Du allerdings nicht unrecht und ist wohl auch der Ton angemessen. Was die Abtragung der Berge durch Winde angeht so bin ich der Meinung, dass sowohl der Saarmunder als auch die Glauer Berge mit ca. 2m/Woche nach Osten wandern und wir es bald erleben werden, dass die A13 auf Höhe Schönefelder Kreuz eine Zeitlang für den Kraftverkehr gesperrt sein wird, während nämlich diese Berge dort die Fahrbahn überqueren. Es dürfte in ca. 133 Jahren ein einmaliges Radioerlebnis zu erleben sein, wenn die entsprechende Meldung in den Verkehrsnachrichten kommt.
 
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