Hier noch der versprochene "ausführlichere" Tourenbericht:
Warum eigentlich die Diretissima? Die Tour hat zwar "nur" 11000hm und 330km, dafür werden die aber im Idealfall in 4 Tagen abgerockt. Hinzu kommt noch eine nicht unwesentliche fahrtechnische Schwierigkeit, sowie ein paar durchaus heikle Passagen, die tragenderweise zu bewältigen sind. Nun, um es kurz zu machen: Ich hatte schon immer einen gewissen Hang, so eine Herausforderung anzunehmen und zweitens hatte ich letztes Jahr, als ich die Tour eigentlich geplant hatte, genau 5 Tage Zeit - Nachtzug nach Oberstdorf - 4 Tage Alp-X - Nachtzug zurück und dann 1 Tag Pause. So war der Plan. Ging nicht wegen Corona und so habe ich es dann auf dieses Jahr verschoben. Jetzt hatte ich zwar mehr Zeit, aber da ich mir die Tour so in den Kopf gesetzt hatte, sollte sie auch so stattfinden. Kommen wir nun zum Tourbericht:
Anreise:
Nachtzug von Frankfurt nach Augsburg und dann RB von Augsburg nach Oberstdorf. Problem war, dass man in dem ICE eigentlich keine Fahrräder mitnehmen durfte. Ich habe mir dann einen einfachen Bikekoffer besorgt, den ich in Oberstdorf mit GLS wieder heim schicken wollte. Der Zug hatte in Frankfurt leider über eine Stunde Verspätung, sodass ich Angst bekam, den Anschlusszug in Augsburg zu verpassen. Das hat sich glücklicherweise so nicht bestätigt. Leider konnte ich, trotz 1. Klasse-Ticket, kaum ein Auge zu bekommen, es war einfach zu hell und Laut, sodass ich dann ziemlich platt um 8:20 Uhr in Oberstdorf angekommen bin. Ich hatte früher schon öfter solche Nachtzugfahrten in die Berge unternommen und wesentlich entspannter in Erinnerung. Vielleicht werde ich aber auch älter. Würde ich so nicht nochmal machen. In Oberstdorf dann noch schnell Frühstück besorgt, Bikekoffer zusammengefaltet, mit Klebeband umwickelt und zu GLS gebracht, sowie Ersatz-
Bremsbeläge und Trinkflasche beim Heckmaier besorgt (hatte ich beides zu Hause vergessen...).
Etappe 1:
Um 9:15 Uhr ging es dann in Oberstdorf los Richtung Schrofenpass. Auffahrt wäre grundsätzlich entspannt gewesen, wenn mich nicht eine junge Gravelbikerin mit einem fürchterlich quietschenden Antrieb überholt hätte, woraufhin ich entschloss ihr eine spontane Kettenölung anzubieten. Es war schlicht nicht auszuhalten. Die Kette muss Monate nicht geölt worden sein. Sie fand das ganz nett und so ergab es sich, dass wir ein paar Kilometer zusammen Richtung Pass geradelt sind, was sich später noch rächen sollte. Die junge Dame hatte zwar offensichtlich kein sonderliches Interesse an gründlicher Bikewartung, dafür umso mehr in körperlicher Fitness (sie ist die ganze Zeit auf dem großen Blatt gefahren) und hat mich leider zum überpacen genötigt. Sie ist mir zu liebe sicherlich langsamer gefahren, aber trotzdem war es zu schnell für mich. An der Speicherhütte ist sie dann zurück und ich hab mir erstmal ne Pause gegönnt. Was hat mich nur geritten? Gleich am ersten Tag nach 30 Minuten schon die erste Grundregel gebrochen: Nicht überpacen. Die Tour hat wenig Spielraum für Erholung. Die Tage sind lang und schwer. Wenn man die Körner am Anfang verschießt, wird es hintenraus schwer. Leider sollte mich mein Fehler keines Besseren belehren. Aber erstmal ging es schiebenderweise zum Schrofenpass hoch, was keinerlei Schwierigkeiten machte. Ich hatte immer auf die berühmte Leiter gewartet, bis ich oben festgestellt habe, dass die Leiter eine Treppe ist. Nun gut... Ein paar Wanderer wollten oben wissen, wo ich hinwill. "Na runter nach Steeg!" "Das geht nicht, das ist verrückt mit dem Rad!" Da wusste ich, es würde eine nette Abfahrt. Schwierig war sie nicht wirklich.
Ab Steeg ging es dann nach einer Pause hoch Richtung Almajurtal. Zunächst fährt man über die Straße, dann über einen Schotterweg. Plötzlich am Ende dieses Weges dann eine irritierende Botschaft: "Ab hier alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich!" stand auf einem großen Schild. Sollte ich mich in der Strecke geirrt haben? Das schrofiges Gelände kommen würde, wusste ich, aber die Warnung ließ nichts Gutes erahnen. Der Weg war korrekt. Mittlerweile war es schon am Nachmittag und ich hatte mir vorgenommen, nicht wie in der Empfehlung vom Achim Zahn auf der Konstanzer Hütte zu nächtigen, sondern bis zur Heilbronner weiterzufahren. Ich wusste, es würde knapp werden, wenn sich die Warnung bewahrheiten sollte, was sie leider auch tat. Was jetzt folgte, war für mich der schwierigste Teil der Tour. Ich war platt durch Schlafmangel, das Überpacen am Schrofenpass und quälte mich über 3h über steiles, schotteriges, schrofiges und mitunter extrem matschiges und rutschiges Gelände zur Leutkircher Hütte. Um 18:00 Uhr bin ich da oben vorbeigekommen. Die Wanderer saßen gerade auf der Terrasse und genossen das ein oder andere Weizenbier. Wie gerne, hätte ich mich dazugesellt, aber ich musste weiter und hatte jetzt richtig Stress, zeitlich und körperlich. Immerhin: Die Abfahrt nach St. Jakob war spitze. Und so bin ich dann mit frischer Motivation und Stärkung von der örtlichen Tankstelle um 19:00 Uhr Richtung Verwall aufgebrochen. Da klar war, dass ich es niemals vor Einbruch der Dunkelheit bis zur Heilbronner schaffen würde, hatte ich mein Tagesziel dann kurzerhand auf die Konstanzer vorverlegt. Um 20:20 Uhr bin ich dort angekommen. Nach Dusche, Weizenbier und einem Speckknödel (mehr gab es leider nicht mehr zu essen...) bin ich schnell in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Kraft, mir über den morgigen Tag Gedanken zu machen, hatte ich keine mehr. War wohl ganz gut so...
Etappe 2:
Um Punkt 6:00 Uhr hat mich mein Wecker aus dem Schlaf geholt. Erholt fühlte ich mich und der Schmerz in denBeinen war auch viel weniger als erwartet. Das waren doch schonmal gute Vorzeichen. Der Wetterbericht wollte leider nicht so recht in die Euphorie mit einstimmen. Heute sollte es bis zur Sesvennahütte in den Vinschgau gehen. Immerhin: Der Tag würde so lang werden, dass ich ab dem späten Nachmittag noch gute Chancen auf etwas Sonne haben würde.
Nach einem guten Frühstück bin ich um 7:30 Uhr zur Heilbronner Hütte aufgebrochen, die ich, im Nebel kaum erkennbar, um Punkt 9:00 Uhr erreicht habe. War gar nicht anstrengend bis hierher. Nach einem kurzen Snack ging es dann direkt weiter in das El-Arenal der österreichischen Apres-Ski-Idustrie: Ischgl. So ein Schotterautobahn-Downhill kann auch Spaß machen und da ich schon vorher wusste, dass mancher im Abfahrtsrausch den Linksabzweig Richtung Kopsee verpasst, bin ich auch nicht im Montafon gelandet (da hatte ich mir nach einem fürchterlichen Bikeurlaub geschworen, nie mehr hin zu fahren...), sondern schön brav in Ischgl angekommen. Ging gut bis hierher und Schnitzelbrötchen und Cola haben die Stimmung weiter gesteigert. Da konnte mir auch das neblige Wetter nichts mehr anhaben. Guten Mutes ging es nun Richtung Fimberpass. Ich bin gut vorwärts gekommen. Das einzige Problem war der stetig zunehmende Regen und die fallenden Temperaturen. Gore-Tex-Bekleidung ist genial, aber bei solchen Bedingungen lässt auch sie einem nur die Wahl zwischen nass von oben und unten oder nass von innen. Der Kälte wegen habe ich mich für nass von innen entschieden. Anfangs habe ich mich noch bei jedem schwächer werdenden Regen entschieden, die Klamotten wieder auszuziehen. Da es aber gleich danach wieder stärker regnete, habe ich das aufgeben. Nass vor Schweiß bin ich um 12:30 Uhr an der Heidelberger Hütte angekommen und hab mir erstmal ein mächtiges Mittagessen gegönnt. Weil ich gleichzeitig auch sehr durchgefroren war, habe ich mich entschieden, die Pause etwas zu verlängern, sodass ich erst um 13:45 Uhr Richtung Fimberpass weiter bin. Schon am morgen hatte ich mir vorgenommen, wo es Sinn macht, zu schieben oder zu tragen und mir nichts beweisen zu müssen. Ich hatte festgestellt, dass man schiebend in solchen Passagen oft genau so schnell ist wie fahrend, nur weniger Kraft verbraucht. So habe ich es auch ab der Heidelberger gehandhabt. Leider war ich immer noch nicht ganz auf Normaltemparatur, aber da musste ich jetzt durch. Im strömenden Regen bin ich um 15:00 Uhr und 8 Grad Temperatur auf dem Pass angekommen. Jetzt musste ich nur noch nach Sur-En runter und die Uina-Schlucht rauf. Um 20:00 Uhr wollte ich auf der Sesvenna ankommen. Das könnte eine Punktlandung werden. Allegra. Auf gehts! Die Abfahrt vom Fimber ist der Hammer. Technisch anspruchsvoll, aber fast alles fahrbar (wahrscheinlich auch alles, aber beim Alp-X fährt man doch meist defensiver...). Weiter unten haben Kuhfüße, -kacke und Regen den Wiesenpfad mittlerweile in eine braune, stinkende Rutschbahn verwandelt. So nicht wirklich fahrbar. Aber nach (gefühlt) 2km hat man das auch hinter sich gebracht. Auf halber Strecke nach unten noch schnell die hinteren Bremsklötze getauscht und um 16:30 Uhr bin ich in Sur-En angekommen. Jetzt stand nur noch die Uina-Schlucht vor mir. Das würde ich schaffen. Zwei Energieriegel und eine kurze Pause später bin ich um Punkt 16:45 Uhr zum letzten Abschnitt für den heutigen Tag aufgebrochen. Die Uina-Schlucht ist der Hammer. Das Wetter lockerte wie versprochen auf und so hatte ich immer wieder tolle Aussicht auf dieses wunderbare Stück Schöpfung, was dazu führte, dass ich wahrscheinlich mehr Fotos gemacht habe, als nötig gewesen wären. Aber was sollte es, 20:10 Uhr habe ich die Eingangtür zur Sesvennahütte betreten. Voller Euphorie von der geschafften Etappe und den krassen Eindrücken, habe ich mich bei der Hüttenwirtin vorgestellt und wurde erstmal angeblafft. "Wie stellst du dir das vor? Hast du mal auf die Uhr geschaut? Essen ist um 18:30 Uhr." "Ja, aber ich habe doch schon bei der Anmeldung Bescheid gegeben, dass ich wahrscheinlich erst gegen 20:00 Uhr da sein werde." "Das ist uns aber egal, Essen gibt es um 18:30 Uhr für alle." "Das passt schon, ich rechne auch nicht mit einem großen Menü. ich freue mich einfach über eine Stulle und ein Stück Wurst. Mehr brauche ich nicht" "Na wenn es so ist, können wir das schon machen. Vielleicht haben wir sogar noch Nachtisch übrig." "Bitte keinen Stress, ich freue mich über alles, was möglich ist." "Na, jetzt setzt dich erstmal und trinkst was. Wir schauen, was mir machen können." Am Ende war die Wirtin wieder ganz freundlich und ich habe, wie sollte es anders sein, natürlich das gleiche, sehr reichhaltige 3-Gänge-Menü bekommen, was die anderen Gäste um 18:30 Uhr bekommen habe. Bin ich froh, dass ich nicht angefangen habe mit der Wirtin zu streiten. Vom Wirt gab es dann auch noch einen Schnaps und nach einer warmen Dusche (ich war echt sehr durchgefroren) habe ich mich schlafen gelegt.
Etappe 3:
Frühstück auf der Sesvennahütte war eine halbe Stunde später als am Vortag, sodass ich mir eine halbe Stunde Schlaf mehr gegönnt habe. Der Ausblick aus dem Fester ließ Großes verheißen. Es war Kaiserwetter und ich fühlte mich erstaunlich gut. Nach einem sehr guten Frühstück habe ich mich um 7:45 Uhr aufs Rad geschwungen. Komische Geräusche von vorne.
Bremsbeläge vorne verschlissen. Wie gut, dass ich beim Heckmaier 2 Paar gekauft habe. Leider habe ich beim Wechseln mein
Multitool an der Sesvenna liegen lassen, aber immerhin hatte ich jetzt 2 Paar neue Beläge drin und konnte mich um 8:00 Uhr Richtung Glurns aufmachen. Die Abfahrt über Schotter und Asphalt war jetzt nicht unbedingt der Brüller, aber der Espresso, den ich mir in Glurns gönnen wollte und das tolle Panorama, ließen trotzdem Freude aufkommen. Ab Glurns habe ich mich dann für eine kleine Streckenänderung entschieden. Bis Gomagoi wollte ich statt des Weges über die Schartalpe die Straße nehmen, also Glurns, Prad, Gomagoi. Leider wird im GPX-Track vom Zahn nicht deutlich, welche Variante man bevorzugen sollte, da beide enthalten sind. Evtl. ist es aber auch so, dass die Tour früher in 6 Tagen gefahren worden ist, statt 4 und der Abschnitt, auf dem ich mich befand, ursprünglich nur bis zur Schaibachhütte ging. Da waren die 500 zusätzlichen Hm's verschmerzbar. Durch die Zusammenlegung zweier Etappen hat Zahn wahrscheinlich die Schartalpe rausgenommen, so zumindest meine Vermutung. Wie auch immer: Die Strecke kannte ich schon. Ich wusste, dass die Steigung nicht allzu steil sein würde und so erhoffte ich, ein paar Körner zu sparen. Bis Sulden ging es dann gemütlich über die Straße. Ich hatte von der Erfahrung am ersten Tag gelernt und ließ mich nicht mehr locken. Ich hatte das Madritschjoch und die Fürkelescharte vor mir. Zahn gibt 12h Fahrtzeit an. Mit Pausen würde das definitiv knapp, und es ist so schon nicht klar, ob ich das überhaupt packen würde oder zwischendurch irgendwo einkehren muss, da kann ich mir ein leichtfertiges Überpacen am Anfang nicht erlauben. Ich bin also wirklich langsam die Straße hoch. Ich habe mich artig von allem auf zwei Rädern überholen lassen. Manchmal ist es mir unfassbar schwer gefallen, v.a. wenn dann irgendwelche optischen Antiathleten mit ihren Klapprädern mit einem freundlichen Guten Morgen an einem vorbeiziehen. Harte Persönlichkeitsschule. Aber ich habe es durchgehalten und so konnte ich mir in Sulden noch halbwegs beieinander erstmal zufrieden ein Pizzabaguette gönnen. Viel Zeit hatte ich durch das langsamere Angehen eh nicht verloren. Dafür viel Power für hinten raus gespart.
Von Sulden ging es dann zur Schaubachhütte. Ab der Seilbahnstation fräst sich eine breite, unglaublich steile Schotterpiste den Berg hinauf bis zur Hütte. Um die 20% hatte sie fast immer. In der Spitze waren es 25%. Gefahren bin ich hier um die 5km/h. Geschoben habe ich mit 4 km/h. Um Kräfte zu sparen, habe ich den meisten Teil dann geschoben. Oben auf der Schaubachhütte tobte der Bär und es war fast unmöglich eine Apfelschorle zu bekommen. Die Bedienung war alleine für alle Gäste zuständig. Ich habe mir dann eine an der Theke geholt und bin dann zügig weiter. Ich wollte keine weitere Zeit verlieren. Ab der Schaubachhütte geht es schiebender- und tragenderweise weiter Richtung Madritschjoch. Ein Münstertaler, der aussah, wie eine zu groß geratene Variante von Nino Schurter, wollte diesen Abschnitt krampfhaft fahren. Am Ende haben wir uns beim Tragen Gesellschaft geleistet. War wirklich nett, mal zur Abwechslung ein paar Meter gemeinsam zu bewältigen.
Oben angekommen gab es dann ein fantastisches Panorama mit Ausblick auf Hochkönig, Zebru und Ortler. Ein erhabener Moment. Nach den obligatorischen Gipfelfotos musste ich jetzt aber schnell weiter. Ich war in der Zeit, hatte aber keinen Spielraum. Also los. Abfahrt zur Zufallhütte war, bis auf wenige Stellen ein Traum. Der obere Teil des Martelltals auch. Leider ist ist der Teil zwischen Staumauer hinter der Zufallhütte und Martellhütte fast komplett unfassbar und auch ätzend zu tragen. Da bei mir der
Flaschenhalter unter dem Unterrohr montiert ist, tut das irgendwann auch richtig weh. Das war also schon eine Plackerei, aber die Aussicht auf diesem Abschnitt entschädigt für vieles. Um 17:15 Uhr habe ich die Martellhütte erreicht. Nachdem der Hüttenwirt mir versichert hat, dass ich die Fürkelescharte bis 20:00 Uhr schaffen kann ("Aber du musst tragen, fahren kannst du da nicht!" "Ja danke für die Info...:"

, bin ich um 17:30 Uhr los zur Schlüsselstelle der Tour. Bis zum Gletscher ist es ein einfaches Schieben und Tragen. Einige schlagen vor, den Ferner großteils auf der Moräne zu umgehen. Da der Permafrost um die Uhrzeit und der Temperatur weich und rutschig war, schien mir das keine gute Idee zu sein. Ich bin dann den Standardweg über den Gletscher. Es war, bis auf wenige Ausnahmen, weich und rutschig. Grödel wären bei den Bedingungen absolut von Vorteil gewesen, aber es ging auch so. Den letzten Aufschwung muss man sich dann nochmal placken. Aber man hat sein Bike schon so viele Stellen hochgewuchtet, dass das gar nicht mehr ins Gewicht gefallen ist. Um 19:15 Uhr stand ich oben und konnte kaum fassen, dass ich es tatsächlich geschafft hatte. Hinter mir lag der Fürkeleferner, auf dem man deutlich meine Spur erkennen konnte und vor mir das Pejotal. Ab jetzt würde nur noch italienisch gesprochen werden. Nach ein paar Fotos ging es dann in die Abfahrt, die erst unfahrbar und dann technisch, verblockt wird. Im Grunde nach meinem Geschmack. Aber ich merke schon auf der Abfahrt, dass mir der Rhythmus und die Sicherheit fehlt. Ich setze Bremspunkte zu früh oder zu spät und werde von Kurve zu Kurve unsicherer. Da es immer dunkler wird, muss ich mich beeilen. Sicherheit geht aber vor und so nehme ich Tempo raus und nehme die Abfahrt langsamer, als ich sie normal nehmen würde. Eine Stunde später bin ich ohne Sturz im Pejotal angekommen. Das ging nochmal gut. Jetzt hatte ich noch eine gute Stunde Straße vor mir bis Dimaro. Dass ich auf Licht verzichtet hatte, war ein grober Fehler und die letzte halbe Stunde bin ich im Verkehr ohne Licht gefahren. Das war stressig, aber auf dem Standstreifen fühlte ich mich halbwegs ok. Als ich dann 5km vor Dimaro durch einen Ort gefahren bin, in dem gerade ein Fest stattfand, fühlte ich mich endlich sicher. Ich würde es packen. Das Hotel war in greifbarer Nähe, die letzte Etappe nur noch Formsache. Yeah. Die Anspannung wich komplett aus mir. Da passierte es plötzlich. Mitten auf hell erleuchteter Straße. Ich richtete mich auf, um den Rücken durchzustrecken, da bin ich aus unerklärlicher Grund vom Pedal abgerutscht. Ich hatte etwa 25km/h drauf und der Fuß rutschte auf den Boden, wodurch die Spitze nach hinten gezogen wurde, der Fuß überstreckte und ich mir die Pedale hinten in die Wade gehauen habe. Immerhin bin ich nicht gestürzt. Slapstick pur. Und die hunderte Menschen, die beim Dorffest unterwegs waren, bekamen kostenlos was zu sehen. Da kein Blut zu sehen war, hatte ich nochmal Glück gehabt. Dachte ich. Je weiter ich fuhr, umso stärker wurden jedoch die Schmerzen. Als ich um 21.30 Uhr im Hotel angekommen bin, konnte ich kaum noch die Treppe zum Zimmer hoch laufen. So ein Ka..
Etappe 4:
Die Hoffnung, dass der Schmerz weniger werden würde, bestätigte sich nicht. Die Wade war dick und blau. Der Orthopäde, der gleich neben dem Hotel seine Praxis hatte, meinte Muskelfaserriss mit Einblutung usw. - 2 Wochen Bikepause. So sollte also meine Diretissima ein jähes Ende finden. Nicht im Almajurtal, nicht in der Uina-Schlucht, nicht am Madritschjoch und auch nicht am Fürkele, sondern auf glatter Straße ohne Not kurz vor Dimaro. Da meine Frau mich erst einen Tag später aufgabeln konnte, da noch war Dringendes zu Hause dazwischengekommen war, hatte ich einen Tag Pause im Hotel. Die Hotelinhaber waren wirklich sehr nett und umsorgten mich, aber es war schon irgendwie alles sehr deprimierend. Am nächsten Tag habe ich mich dann entschieden, meiner Frau bis Trient mit der Bahn entgegenzufahren. Als ich auf dem Rad vom Hotel bis zum Bahnhof gerollt bin, stellte ich fest, dass es gar nicht weh tat, locker zu rollen und so habe ich mich entschieden, an der Noce und dann an der Etsch bis Trient zu rollen. Ich hatte ja immer die Möglichkeit, in den Zug umzusteigen. Ging wirklich gut und so bin ich locker und ohne größere Schmerzen in Trient angekommen. Laufen ging leider immer noch nicht wirklich und auch Druck konnte ich kaum aufs Pedal geben, aber so hatte mein Alpencross doch noch irgendwie ein Ende bekommen.
Auch jetzt, 2 Wochen später bin ich immer noch ein bisschen enttäuscht, dass ich die letzte Etappe nicht mehr antreten konnte. Trotzdem bin ich ich irgendwie auch dankbar, dass ich es noch bis Trient geschafft habe. Insgesamt überwiegen ohnehin die Abenteuererlebnisse und das Wissen, es in der Zeit über die Fürkelescharte geschafft zu haben. Ich würde es wahrscheinlich nicht noch einmal machen und kann es auch nicht uneingeschränkt empfehlen. Wer aber ein bisschen verrückt ist und das Abenteuer mit einer sportlichen Herausforderung sucht, der kann das schon machen. Mehr intensive Erlebnisse in kürzerer Zeit sind in Europa auf dem Bike wahrscheinlich nicht möglich.