Tag 5: Mittwoch, 01.09.2010, San Lorenzo di Banale (Rif. Alpenrose) Tramin(er Hof)
Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein - und sollte mit jeder Menge Straßenbeleuchtung enden. Zwischendurch wird es eine neue, dunkle Erfahrung für uns geben. Doch davon ahnen wir noch nichts, als die Raupen EP und JPK die Küche leer mampfen bzw. die Wirtin irgendwann nicht mehr fragt, ob es noch was sein darf.
Ciao Rifugio Alpenrose
Schneggenfrühstück auf der grünen Wiese EP: Wohin fahren wir denn heute?
Gruppo di Brenta ist vorerst die Karte der heutigen Wahl. Wir fahren Richtung Norden am Lago di Nembia vorbei.
Wow, ist das Wasser hier klar... uund kalt
Schon erreichen wir den um eiiiiniges größeren Lago di Molveno. Die Aussicht ist nicht übel, der Weg dafür alle Mal. Schöner schmaler Ufertrail? Fehlanzeige!
Lago di Molveno
Zum Lago gehört auch die Stadt Molveno. Diese liegt dummerweise ein ganzes Stück unter unserem Weg. Also wieder raufkurbeln. Wir wollen die Dolomiti di Brenta Bike Strecke nach Andalo fahren. Nur wo ist das gute Stück? Mit der Panik im Nacken, bloß nicht wieder zu weit runter zu fahren, wo man doch grad so schön hochgeschnauft ist, ist das gar nicht so einfach. Bis wir sie gefunden haben, hat EP sein Italienisch aufgebessert und Renn.schnecke Deutsche kennen gelernt, die genauso auf der Suche waren.
So richtig spektakulär ist der Weg nicht, ein Aufpeppversuch erscheint angesichts der hundert unausgeschilderten Möglichkeiten im Wald aber nicht so sinnvoll und wird deswegen abgebrochen.
Genau dies versuchen wir hinter Andalo auf dem Weg nach Spormaggiore noch mal richtig

: Wir nehmen die Brenta-Strecke, allerdings erwischten wir den Brenta Trek-Weg und nicht den Brenta Bike-Weg. Wir verlieren uns in der Wildnis
Zwar finden wir einen offensichtlichen Singletrail, der bergab führt, doch ist er erstaunlicherweise letztendlich doch eine Sackgasse. Wir stehen jedenfalls mitten im Wald.
Auf der Suche nach dem Weg
Kämpfen wir uns jetzt nach unten? Laufen wir wieder hoch zum Einstieg? Wenn wir nach unten laufen, nehmen wir dann diesen fiesen Abstieg oder jenen? Halb zwei ist es mittlerweile auch schon wieder.
Wir hören einen Hund von unten her bellen. So weit kann es also nicht bis zum nächsten Grundstück sein. EP möchte nach unten, JPK nach oben. Die Entscheidung hängt also an der Frau. Na ja, oder an einer Münze. Denn die wird nun geworfen: Kopf heißt nach oben und Zahl nach unten. Na? Was wird die Münze sagen?
Zahl
Zahl heißt nun mal abwärts!!!
Mit dem Rad unterm Arm klettern wir ein Stück, kämpfen uns durch borstige Büsche, gehen links, gehen rechts und tatsächlich!: kehren auf einen markierten Weg zurück!
Schließlich erreichen wir Spormaggiore. Die Straße aufwärts gehts nach Vido ti Ton und Toss.
Wasser!
Per Wanderweg möchten wir nach Vervó. Landen aber wieder im Nichts. Also zurück und dem Wegweiser nach Dardine gefolgt.
Wir erreichen Vervó. Es ist halb fünf und wir wissen eigentlich nicht, wohin die Reise heute noch gehen soll. Vor uns liegt das Grauner Joch, aber so hoch wollen wir nicht mehr. Rifugio Sores, eine, laut Höhenprofil, Schiebestrecke und das Rifugio Predaia sollen erst einmal die nächsten Stationen sein. Die Malga Coredo oder die Selbstversorgerhütte Malga Coredo Vecchia könnten unsere Unterkunft für die Nacht werden. Aber kann man dort eine Nacht bleiben? Wir wissen es nicht. EP versucht, einen Italiener zu befragen, aber der ist eben Italiener und spricht nur italienisch.
Wir füllen unsere Vorräte im Konsum auf, da spricht die Angestellte beim Kassieren Renn.schnecke auf Deutsch an! Ha! Das muss genutzt werden und wir versuchen sie auszuquetschen, ob wir auf den Malgas bleiben können und wie die Ausstattung der Selbstversorgerhütte aussehen könnte
Tja, der Wille zu helfen war groß, letztendlich haben wir aber nichts herausfinden können.
Voll bepackt mit tollen Sachen...
Auf dem Weg zum Rifugio Predaia
Wir kurbeln weiter hinauf: Rifugio Sores lassen wir links liegen. Rifugio Predaia soll unsere Abendbrotstätte sein, auf der nächsten Malga wollen wir übernachten.
Rifugio Predaia endlich am Ziel!
Aber denkste! Rifugio Predaia hat
nur heute geschlossen, wie uns drei italienische Damen auf den Sonnenliegen klar machen. Morgen wieder! Aber morgen ist zu spät
Was nun?
Die Damen versuchen uns nach besten Kräften zu helfen. Weisen hierhin, weisen dorthin, Malga Coredo hier, Malga Coredo da. Also mindestens der Schneggenkopf ist zwischendurch einigermaßen verwirrt.
Nach dieser Pause fahren wir erstmal bis zur Malga Coredo weiter:
Wir sind da! ... mal wieder...
Schnell steht fest: Essen ja, schlafen nein. Wir entscheiden uns dafür, dass Schnegge die Selbstversorgerhütte auskundschaftet. 18:45 wird zur Malga Coredo geschneggt. Das Haus ist allerdings in einem - aus unserer Sicht gesehen - ungenügenden Zustand.
Selbstversorgerhütte nennt sich derlei
Ungefähr gleicher Zeitpunkt wie das Foto darüber, nur ein paar Meter weiter unten
Also wieder runter und Lagebesprechung mit den Jungs, welche immer noch leere Bäuche haben, obwohl es schon längst was hätte geben sollen. Doch dann ist es endlich soweit: die ersten Gäste der Gruppe, die offenbar zu diesem Mehrgangmenu in dieser herrlichen Malga eingeladen wurden erscheinen. Bald ist die gerade noch leere Bude voll und Klöße, Polenta und Fleisch, Salat, Kartoffelpuffer, Schinken und Käse werden nacheinander aufgetischt.
Aber wir müssen los! EP versucht, dem Mampfvergnügen Einhalt zu gebieten. Er wird noch Tage später so sehr von diesem unvergesslichen Menu schwärmen, das den Zuhörern das Wasser im Mund zusammen laufen wird. Aber jetzt heißt es erst einmal: rein in die warmen Klamotten und raus in die Dunkelheit. Denn nach fortwährendem Abwägen haben wir uns entschieden, doch noch in das nächste Tal zu fahren. Da Schnecken bekanntlich auf Salat stehen, wird dieser vom Nachbartisch noch schnell in den Schneggenmagen geschaufelt, was zu relativer Belustigung der Italiener führt.
Wir verlassen die gemütlich warme Hütte, montieren unsere Lichter (EP hat seine DX dabei, JPK seine Wilma, Renn.schnecke ein Frog-Positionslicht), machen noch Fotos von der verblassenden Helligkeit am Horizont, versuchen erfolglos, beim alten Mann am Lagerfeuer ein Feuerzeug zu ergattern, falls wir die Nacht im Wald stranden und fahren die Schotterstraße durch den Wald hinauf zur Malga Coredo und zum Grauner Joch.
gut zu erkennen: links die Malga Coredo
Gibt es in den Alpen so etwas wie Nightrides? Ist derlei ratsam?
Eher nicht, hm?!
Aber was solls!!! Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Wir fahren doch nicht wieder runter, nur, um irgendwo zu schlafen
wir haben Licht, wir bleiben zusammen, wir achten auf die Wegzeichen, wir schauen auf die Karte, wenn wir nicht sicher sind, wir fahren langsam, wir versuchen es! Haus Caroline wartet auf der anderen Seite auf uns! (Da wird schon was frei sein.)
Durch die Nacht radeln also diese drei Flachlandtiroler. Es gibt keine Straßenlaternen, es gibt keine Menschen, die hier noch unterwegs wären, die Sonne ist längst verschwunden, ein letztes Dämmerlicht über den Bergen
bei der Malga Coredo Vecchia
Wir erreichen die Malga Coredo Vecchia. Die war bestimmt Kulisse für den Film Blair Witch Project.
JPK schaut sich die Sache erstmal an
Dunkel wars
Mittlerweile ist uns ziemlich warm, wir gestalten unsere Textil-Verpackung neu. Anstrengend bleibt es: wir müssen circa 200 hm hinaufschieben: Steil und schotterig, was will man mehr? Vielleicht noch ein paar Geschichten über Bären, die in den Alpen arme Wanderer angegriffen haben. Was macht man eigentlich, wenn ein solches Tier plötzlich vor einem steht? Aufs Bike schwingen und über den groben Schotter in die Dunkelheit hinunter stürzen?
Wir erreichen ungeschoren Bocca di Val Calana in 1844 m. Jetzt kann es nicht mehr weit sein bis zum Grauner Joch in 1800 m Höhe.
Und da sind wir! Ein Lichtersee vor uns, ein Sternenmeer über uns.
gut zu erkennen: links JPK...
Stadtlichter und Sternenlicht
Und weiter: links sehen wir in 1000 m Tiefe die Lichter von Bozen. Rechts sehen wir in wahrscheinlich ähnlicher Tiefe ebenfalls Lichter. Es muss also zu beiden Seiten unseres Weges rapide abwärts gehen!
Die Nacht um uns herum ist tief, wahrscheinlich ist weit und breit kein Mensch mehr unterwegs, alle werden gerade zu Bett gehen oder schon tief schlummern. Hoffentlich tut dies Caroline noch nicht!!
wenn die DX mal nicht so viel Licht machen würde, würde man die Dunkelheit sehen
Ein bisschen Eile ist also angebracht. Besonnen (bemondet?) wie wir sind, finden wir im richtigen Moment die Schotterstraße hinunter in die Zivilisation. An Kreuzungen überprüfen wir unsere Position.
Es gelingt! Wir erreichen Zonen, in denen wir keine Angst vor Bären mehr haben müssen, und fragen gleich beim ersten Haus, ob wir bleiben können. D.h., Eispickel ruft die Bewohner heraus: es sind Deutsche und es ist eine Fewo, die leider voll ist.
Also weiter zu Caroline. Volles Haus, aber der Alkoholausschank ist noch lange nicht geschlossen. Keine Spur von Müdigkeit dort! Aber leider auch keine von einem freien Bett. Die Besenkammer ist leider auch schon voll.
Also weiter!
Eispickel quatscht mit Leuten hier und dort. Uns wird geraten, in der Pizzeria weiter unten zu fragen. Dort sollen wir einen Moment warten. Derweil geht Renn.schnecke aus dem Gastraum wieder hinaus und wird dadurch von einer Frau angesprochen, die meint, dass heute Nachmittag noch da und dort etwas frei gewesen sei. Also hin da! Aufgrund eines bellenden Hundes finden wir das Haus auch. Die Eigentümerin im Nachtkleid muss uns aber leider sagen, dass alles voll sei.
EP klingelt nach einigem Bedenken bei einem weiteren Vorschlag in Tramin. Dort macht aber keiner auf. Dann fragt er im Gwürzerkeller und hat langsam auch keine Lust mehr, immer wieder zu erklären, wie lange wir schon unterwegs seien und dass wir wissen, dass es spät sei und dass wir jetzt nicht noch die Leute aus dem Bett klingeln können und und und
Obwohl uns der Wirt des Kellers anfangs nicht gerade nett entgegen kommt, bekommen wir aber hier -mittlerweile ist es nach halb zwölf - endlich den richtigen Tipp: Wir sollen es im Traminer Hof versuchen! Dort gäbe es ein Hallenbad, zumindest dort könnten wir einen Platz finden. Und wir sollen schön grüßen.
Also auf zum Traminer Hof!
JPK und Renn.schnecke wird noch der Glaube an die
hilfsbereite Menschheit zurückgegeben: wir fragen einen jungen Mann, wo der Traminer Hof sei und da dieser es auch nicht weiß, ruft er kurzerhand einen Traminer an, der uns die Auskunft gibt. EP ist derweil vorgefahren und schwupps stehen wir vor unserer Rettung! Nach ein wenig Hin und Her mit dem Chef und ja, es ist schon spät dürfen wir in der Sauna übernachten
JUHU!
Renn.schnecke wird noch vom Chef angewiesen, die Liegestühle auf Schlaftauglichkeit zu überprüfen. EP meint zum Glück, dass das schon ginge und nicht nötig wär.
Eine nette ältere Dame bringt zwei große Decken und eine kleine, wofür sie sich entschuldigt. Aber Schnecken sind ja nicht so groß. Wir kriegen Kopfkissen und haben Massageduschen und Saunahandtücher für uns.
Herrlich, herrlich, herrlich! Ein Dach überm Kopf! Yes!!
102 km || 8:06 h || 2454 hm (hm ohne Auskundschaftung der Selbstversorgerhütte)