Die entscheidende Frage ist wohl, wer überhaupt ein Pedelec (Tretunterstützung bis 25 km/h, keine
Helm- und Zulassungspflicht) kaufen soll. Danach richtet sich die gesamte Debatte aus. Er gibt ja verschiedene Käufergruppen, z.B.:
a) Pendler mit Umstieg vom Auto
b) Pendler mit Umstieg vom Fahrrad
c) Hobbyfahrer mit Umstieg vom Fahrrad
d) Hobbyfahrer mit Erstnutzung eines Zweirades
Variante a, der Umstieg vom Auto, stellt wohl das Hauptargument der Industrie und Presse dar. Nachteile des Autos (Anschaffungspreis, monatliche Kosten, Platzbedarf) sollen hier zum Wechsel animieren. In meinen Augen stellen aber die Hemmschwellen Wetteranfälligkeit, fehlende Transportmöglichkeiten und fortlaufende Unterhaltskosten für das Auto für die meisten unüberwindbare Hindernisse dar. Sollte der Umstieg hier erfolgreich vollzogen sein, stellt dies natürlich einen Vorteil dar, sei es die geringere Verkehrsbelastung oder der gesteigerte Wunsch nach ordentlichen Radverkehrsanlagen. Diese Gruppe wird auch durch die umfangreiche Fahrpraxis kaum gehäuft Unfälle erleiden (in Form von Eigenunfällen), sieht man mal von der erhöhten Unfallträchtigkeit des Radverkehrs im Verhältnis zum Kfz-Verkehr ab.
Fazit: Mehr Radfahrer auf der Straße, geringere Verkehrsbelastung und Unfallgefahr für alle, aber mit großer Hemmschwelle und erhöhte Gefahr für den Umsteiger
Variante b, der Umstieg vom Fahrrad auf das Pedelec wird wohl kaum zu erhöhten Unfällen führen. Fast jeder Pendler sollte von sich aus in der Lage sein, ebenfalls mit einem 25er Schnitt zu fahren, auch gibt es in dieser Gruppe eine große Fahrpraxis samt der Kenntnisse über die Gefahren der Straßenbenutzung. Sieht man einmal von dem stark ideologisch eingefärbten Argument eines unnötigen Umstieges ab (auch meine Meinung), wird sich in diesem Szenario wenig ändern.
Fazit: Kaum Veränderungen am Modal Split und Unfallhäufungen
In Variante c kommt er, der träge gewordene Radfahrer, der auf die Krücke Pedelec vertrauen muss. Konnte oder wollte er zuvor aufgrund von Behinderungen, Leistungsunterschieden oder mangelnder Fitness nicht mithalten, braust er jetzt mit irrwitzigen 25 km/h auf dem Radweg, wo er vorher nur 15 km/h schaffte. Hier sehe ich schon ein paar Probleme auftauchen. Zu oft verschätzt sich der Autofahrer bei der Geschwindigkeit des Radlers, was bei mehr schnellen Radfahrern höchstwahrscheinlich auch häufiger geschehen wird. Hier sind es meiner Meinung nach vor allem die äußeren Faktoren, die zu mehr Unfällen führen werden, weniger die Fahrtechnik der Radfahrer an sich. Viel mehr Menschen werden erleben, dass Radwege für schnelle Radfahrer nicht geplant sind, dass Autofahrer sehr oft gnadenlos drängeln, wenn das Überholen unbequem wird. Die Gruppe der schneller werdenden Zweiradfahrer wird aber hoffentlich über kurz oder (wahrscheinlich) lang zu Änderungen führen, die allen Radfahrern zu Gute kommen.
Fazit: Viele Probleme mit dem motorisierten Verkehr, aber wohl eher kaum Veränderung in den Selbstunfällen
Und zum Schluss der Radanfänger/Wiedereinsteiger, Variante d - bisher sind mir ausschließlich solche Pedelecpiloten begegnet. Das Zweirad wird vom Heckfahrradträger des Mittelklassewagens abmontiert und der örtliche Badesee umrundet, häufig mit verächtlichen Blicken oder gar wildem Geklingel an die Adresse der langsameren Selbstfahrer, ganz wie man es von langjährigen Ausschließlich-Autofahrern erwarten würde (Tatsachenberichte). Aber weder wird diese Gruppe verstärkt in schwerere Unfälle verwickelt sein (Wo denn, auf breiten bequemen Wegen ohne Autos?) noch in mehr als dem Promillebereich auf das Fahrrad umsteigen. Warum auch, mit Motor geht es doch einfacher und man macht etwas für die Gesundheit. Nach ein paar Jahren gibt es den nächsten Gesundheitstrend und das Pedelec verstaubt wenig genutzt in der Garage.
Fazit: Wohl die größte Gruppe der Käufer, aber kaum mit Problemen
Die ganze Betrachtung bezog sich bisher ausschließlich auf den öffentlichen Verkehrsraum und Pedelecs. E-Mofas oder ähnliche Systeme sind in meinen Augen einzig Brückentechnologien bis die Autohersteller ihre Blechkarossen massentauglich elektrifiziert haben. Andere Probleme werden natürlich auch auftauchen, als GAU natürlich die Sperrung des Waldes für MTBler, weil ungeübte Pedelec-Fahrer im Wald Unsinn treiben. Ich stehe dem Ganzen skeptisch gegenüber, glaube aber auch, dass die Idee keine allzu lange Halbwertszeit in dieser Form haben wird und sich nur als Nischenprodukt auf dem Fahrradmarkt halten wird. E-Mofas mit Geschwindigkeiten bis 45 km/h haben vielleicht irgendwann das Zeug die heutigen Verbrenner abzulösen, aber Pedelecs werden kaum das Pendler- und Freizeitverhalten der aktuellen Fahrradfahrer ändern können. Bleibt bloß zu hoffen das Pestbeulen wie Nummernschilder /Versicherungspflicht und erneute Radwegeflut nicht auf der Welle der Elektromobilität Einzug in den Radfahrerallltag finden.