nein, heute Abend keine Pressekonferenz mehr
das Angebot von CSC ist finanziell zu schwach
Kriterium in Lüttich am Wochenende? Nein, da sind wir in Nizza
achso, Empfang beim Kanzler
Gerüchteküche brodelt: Husten weg von ESK und jetzt neuer Leader bei Gerolsteiner?
Und es fing alles so ganz anders an:
Menis, Husten, RiFli und Nautilus meldeten bereits vor Monaten ihre Teilnahme als Quartett bei den HEW-Cyclassics an. Ich bekam die Info erst recht spät und hatte legal keine Chance mehr, noch irgendwie in die Mannschaft zu kommen. Doch Gott hörte mein Jammern und ließ ein befreundetes Päarchen von Nauti die Hochzeitsglocken bimmeln, so dass dieser an diesem Wochenende an der Seite seiner Familie natürlich bei den Feierlichkeiten nicht fehlen durfte. Danke Nauti!!! Ich konnte mich natürlich mit keiner Ausrede so recht drücken und wurde somit der vierte Mann unseres ESK-Team.
Wir 4 (oder eigentlich 5, da Nauti bei jedem geheimen Training mit von der Partie war) zogen in der Vorbereitung das eine und andere Mal über die Pisten Brandenburgs, in der Hoffnung, ein homogenes Trüppchen bilden zu können. Es wurden Strategien entworfen, wie wir wann und wie schnell und warum und überhaupt
Jeder hatte eine ordentliche Portion Respekt vor diesem großen Rennen, und jeder machte sich auf seine Art jeden Tag mehr in die Hosen. Ich für meinen Teil dachte nur daran, bloß nicht zu stürzen, da dass mächtig weh tun kann (so klatsch auf den Asphalt). Wenn wir einen 39 Schnitt fahren würden und dabei noch alle 4 zusammen ins Ziel kämen, wären wir in der Mannschaftswertung bestimmt im vorderen Mittelfeld. Das wäre natürlich fantastisch.
Der Sonnabend (aus meiner Sicht):
Anreise am Morgen, Treffen mit Menis, Husten, RiFli und persönliche Betreuerin von RiFli. Akkreditierung, Kauf von 1L-Trinkflaschen und Powergelee, Kuchenessen und Kaffeesaufen. Abends bin ich dann mit meinen Gastgebern noch in eine Bar gegangen, nachdem es ca. 4,6 t Nudeln mit Thunfisch gab. Gegen 0000 lag ich dann endlich in der Heia.
Der Sonntag (auch aus meiner Sicht):
Weckertuten gegen 0600, Frühstück und Körperhygiene. Materialbesichtigung, Bekleidungsauswahl, dann machte ich mich auf. Ich brauchte mittels Rad exakt 2 min bis zur Bleibe von Menis/Husten. Wir rollten gemütlich auf leeren Straßen durch die Stadt und trafen wenige Minuten später schon am Startblock ein. Die Luft roch hier bereits verdammt nach Weltcup und die Schaulustigen umgarnten uns Aktive, als wären wir Heroen des Radsports. RiFli wurde in Empfang genommen, und jeder von uns mußte in der letzten halben Stunde bis zum Start bestimmt 4 oder 5 mal am Baum seine Notdurft verrichten.
Wir standen im Startblock F, der gleichzeitig mit E (in einer Parallelstraße) gestartet wurde. Exakt 0855 vernahm man den Gebrauch einer Handfeuerwaffe und die Startblöcke A und B rollten in zwei benachbarten Straßen los. 2 min später starteten die Blöcke C und D, bevor wir uns weitere 2 min auch auf den Weg machten. Klick, klack und Antritt. RiFli schräg vor mir, Husten und Menis irgendwo links hinter mir schossen wir auch schon durch die ersten Straßenzüge. Ich wusste bis dato gar nicht, dass mein Tacho vorn eine 5 anzeigen kann. Sofort versuchten sich einige Grüppchen aus dem riesigen Haufen zu bilden. Die einen sprangen vorn weg, die anderen retteten sich in eine Gruppe, wieder andere wurden einfach nach hinten ausgespuckt. Rifli ging in unserer kleinen Gruppe bei Km 6 in die Führung, übergab an mich, dass es mir die Oberschenkel fast bersten ließ. Es riss unsere Gruppe ein paar Male auseinander, bis wir uns schließlich mit ungefähr 80 Mann nun etwas gleichmäßiger fortbewegten. Die Pace lag dauerhaft zwischen 50 und 54 Km/h, und es wurde recht hektisch und aggressiv gefahren. Die hinteren der Gruppe versuchten andauernd nach vorn zufahren, drängelten sich von der Seite herein, dass die Fahrer in der Mitte des Feldes nach hinten gereicht wurden. Dann wieder alles von vorn: außen mit 56 Sachen nach vorn fahren, mit weit aufgerissener Klappe hecheln und irgendwo wieder ins Feld eintauchen. Ich hatte die Hände ausschließlich an den
Bremsen. Durch diese irre Eigenbewegung des Feldes stieß man ununterbrochen mit dem Lenkern zusammen, drückte die Schulter eines anderen weg oder drängte sich ignorant vor das Vorderrad eines Mitstreiters.
Bei Km 20 hatte ich sage und schreibe einen Schnitt von 48!!! RiFli postierte sich weiter vorn im Feld, um etwaigen Stürzen aus dem Weg zu gehen. Sein Fernsehturm-hoher
Helm war stets gut sichtbar, außerdem leuchteten die Farben des ESK aus dem anderen Trikotbrei wie eine Supernova hervor. Husten, Menis und ich tanzten innerhalb des Feldes herum, mal hintereinander, mal nebeneinander. Ich vergewisserte mich andauernd, noch irgendwo ein ESK-Trikot sehen zu können wir wollte auf jeden Fall als Gruppe ins Ziel kommen. Das Tempo pendelte sich jetzt bei 45 Sachen ein. Vorn erledigten ein oder zwei Teams die Führungsarbeit, während im Feld das Gerangel um die besten Positionen weiterging. Ich war dermaßen nervös und angespannt, Mannomannomann.
Dann auf einmal quietsch-zarr-klong-splang-klatsch! Genau hinter mir tauchte ein Fahrer ab und riß bestimmt ein oder zwei Dutzend andere mit zu Boden. Ein unvorstellbares Geräusch, wenn blankes Metall mit 45 Granaten über den Asphalt kratzt. Ich konnte mich nur kurz umdrehen und sah einen Haufen Schrott mit untergerührten Menschen. Was war ich erleichtert, als ich außer mir noch 3 andere ESK-Hemdchen vor mir strampeln sah.
So ging die Fahrt weiter, durch kleine Dörfer und an Deichen entlang. Wir rollten zweimal auf größere Gruppen auf sicher der C- und D-Block. Wow, wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon 2 min gutgemacht, selbst wenn diese jetzt bei uns mitfahren würden. Hinten fielen derweil Fahrer aus dem Feld heraus, die dem hohen Tempo Tribut zollten. Irgendwo vor dem ersten Berg in dieser Einkaufsstraße eines Dorfes hatten wir ein sehr großes Feld eingeholt. Wir pflügten wie die Ochsen den Anstieg hinauf. Oben angekommen wurde natürlich vorn wieder voll Tempo gemacht und hinten brachen immer mehr Fahrer weg. Dann sah ich in einer Kurve, dass vor uns mehrere Motorräder fuhren die Spitze!!! Wir hatten den A-Block eingeholt, in dem die ganz schnellen Typen und einige Ex-Profis fuhren. Irgendwie konnte ich das gar nicht glauben.
Das Tempo wurde wieder höher und lag jetzt bei über 50. Wir rollten nach Hamburg rein, und man konnte von weitem schon die Köhlbrandbrücke sehen. 80 Hm auf einen knappen Kilometer. Jetzt ging die Jagd los und das Feld platzte völlig auseinander. Ich merkte, dass einige schon etwas müde wirkten, ging sofort rechts raus und fuhr nach vorn. Mir tat alles mögliche weh, und ich kurbelte immer noch auf der großen Scheibe. Ich hatte eine ganze Gruppe hinter mir gelassen und versuchte, auf die ganz vorn fahrenden aufzuschließen, doch der Abstand verringerte sich nicht. Kurz vor Ende der Auffahrt gingen Husten und Menis an mir vorbei, und ich hängte mich rein. Husten zog in einer Höllenfahrt die Brücke runter, dass wir kaum im Windschatten bleiben konnten, hatten jedoch unten wieder den Anschluß an die vordere Gruppe geschafft. RiFli war im hinteren Feld geblieben, versuchte mit ein paar anderen Mutigen, die Verfolgung auf unsere Gruppe aufzunehmen und kreiselte mit ihnen um ihr Leben. In der Ebene wurde es wieder etwas ruhiger und der D-Zug mit RiFli kam von hinten angeschossen.
Es ging in die Endphase. Noch 10 Km nur durch verwinkelte Straßen. Es hieß Vollgas, runterbremsen auf 25 Km/h, 90°-Kurve und wieder volles Rohr auf 55 Km/h. Unser Feld bestand nun noch aus ungefähr 60 Fahrern. Die Flamme Rouge wurde durchfahren, zack noch eine Linkskurve, Antritt und Peng! Vor mir schlidderten mehrere Fahrer über die Straße oder flogen in die Absperrgitter. Ich griff voll in die Eisen, schwenkte ganz links rüber und kam an der Absperrung zum stehen, neben mir rasselten noch ein paar Fahrer in den Haufen. Einige versuchten hektisch aufzustehen und weiterzufahren, andere blieben mit schmerzverzerrten Gesichtern liegen. Ich schlängelte mich durch das Gemetzel hindurch und trat noch einmal voll an, um die letzten 200 m bis zum rettenden Ziel hinter mich zu bringen. Dann war es geschafft. Unter ohrenbetäubendem Lärm der Zuschauermassen fuhr ich über die Ziellinie.
Es war ein irres Gefühl, dermaßen im Mittelpunkt zu stehen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass wir so weit vorn angekommen sind. Kurz hinter dem Zielbereich trafen wir uns alle vier und fielen uns in die Arme. Dann hieß es Transponderabgabe und Trinken.
Es war ein wunderschöner Tag, vor dem alle Angst hatten. Nächstes Jahr müssen wir dann im A-Block starten