Faserspeichen selber bauen

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Hatte in einem anderen Thread über Faserspeichen etwas gepostet:

https://www.mtb-news.de/forum/t/ext...chen-speichenlaenge-erfahrungen.970568/page-6

und es kam der Vorschlag ein eigenes Thema zu erstellen. Ok, wenn es Interesse an dem Thema gibt und eventuell auch andere, die genau dasselbe gemacht haben bzw. vorhaben teile ich gerne meine Erkenntnisse.

Worum geht es: es gibt (schon länger (?)) Faserspeichen auf dem Markt, deren hervorstechendes Merkmal wohl das geringe Gewicht darstellt. Da ich mich (neuerdings) aus gewissen Gründen (exyle.de) mit dem Gewicht meines fahrbaren Untersatzes befasse (wir haben vor 30 Jahren mal gesagt, wenn wir alt und fett sind, dann kaufen wir uns die geilen, leichten Sachen und fahren die spazieren), bin ich über die Berd Spokes und dann auch die pi rope gestolpert.

Ich hatte etwas Dyneema Seil (Faden...?) da, sowie alte Speichen und Sekundenkleber und habe mal herumexperimentiert. Ehrlich gesagt konnte ich mir nicht vorstellen, dass das hält (was ich mache). Jetzt sind wir ein paar Wochen weiter und ich habe mein erstes Laufrad mit selbstgebauten Faserspeichen (fast) fertig.

Und um das vorab klarzustellen, alleine das Einspeichen und Zentrieren und Warten und, und, und dauert schon. Die Speichen noch selber bauen zu wollen dauert nochmal deutlich länger. Und dies ist Handarbeit, deshalb auch der Preis für z.B. berd spokes.

Aber wenn es darum geht, wie man es machen könnte, kann ich eventuell helfen...

Anbei die Speichen im noch nicht zentrierten Vorderrad...
 

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Hilfreichster Beitrag geschrieben von keuul

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und wie es losgeht: ich fange mit den Speichenresten an.

Alte Speichen (butted 2,0/1,8 bzw. 1,8 mm) genommen und auf eine Länge von 6 cm am Gewindeende abgelängt (5 cm erschien mir bei ersten Versuchen zu kurz, berd nimmt ca. 7cm), mit einer kleinen Dreiecksfeile bis auf 2 cm am Gewindeende sorgfältig aufgeraut und eine Spitze ausgeformt.

Das ganze 32 mal, denn es soll ein 32er Vorderrad 26'' eingespeicht werden.
 

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Hilfreichster Beitrag geschrieben von keuul

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Magst du die Dimensionen bzw Spezifikationen der Speichen und die Fixierung sowohl an der Nabe als auch der Felge näher erläutern?

Kilometerweise Dyneema bekommt man ja recht einfach beim Angelbedarf.

Aber dann?

Edit: Ich war wohl zu schnell. Also lass ich erstmal die Infos auf mich wirken die da kommen bevor ich weitere Fragen stelle.
 
Zweiter Teil, es folgt die Wahl der verfügbaren Faser. Ich bzw. wir (ich hatte Unterstützung einer Entwicklungswerkstatt) hatten zwei Fasern zur Verfügung:

Dyneema SK99 ca. 1,6 mm und Liros Aramid ca. 1,8 mm Durchmesser

Wir haben uns dafür entschieden, die beiden Fasern mal auf die Speichenreste aufzuziehen und festzukleben und in einer Material-Prüfmaschine zu testen. Geklebt wurde mit normalem Sekundkleber (flüssig nicht Gel), d.h. der Speichenrest wird in das Fasergeflecht eingeführt, straff gezogen (Chinese finger trap) und mit dem Sekundenkleber fixiert.

Wird übrigens alles im Berd Patent US bzw. EU recht genau erklärt. Damit sollte auch klar sein, dass dieser Aufbau nur ein Versuch ist um auszuprobieren, wie das genau funktioniert, die ganze 'Erfindung' ist patentiert.

Die Versuche an der Material-Prüfmaschine zeigten folgende Schwachstellen:

  • Riss am Übergang Speichenrest/Faser (Aramid bei ca. 1000 N wiederholt) Bild 1
  • Abrutschen der Faser vom Speichenrest (SK 99 bei ca. 2000 N) Bild 2
  • Riss am Übergang Speichenrest/Faser SK99 bei ca. 2400 N Bild 3
 

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Dritter Teil: die Gegenseite zum Speichenrest ist ein Augspleiß. Ich hatte schon Erfahrung mit dem Spleißen von einem anderen Bauteil, von daher ging es mir ganz gut von der Hand.

Hier ist ein ganz gutes Video, welches den Augspleiß erklärt.

Ein Bild von der "Rohspeiche", dann die mit dem Augspleiß und nach Vordehnen mit ca. 1000 N (von unten nach oben)
 

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Vierter Teil: Die Faserwahl war gefallen: SK99, dem Übergang Speichenrest/Faser musste mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, sowie die Klebung musste verbessert werden.

Ansonsten war ich schon ganz zufrieden mit den Ergebnissen.

Die Spitze des Speichenrestes wurde sorgfältiger/flacher ausgeführt und darauf geachtet, dass keine Grate entstehen, da diese die Fasern zerschneiden und zum Riss führen dürften.

Der Klebung wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt: sorgfältig aufgeraut und dann zusätzlich mit 90° heißer halbkonzentrierter Salzsäure ca. 2-3 Minuten angeätzt und zeitnah geklebt.

ACHTUNG! Für eventuelle Nachahmer: 90° heiße Salzsäure ist stark ätzend, auch die Dämpfe sind ätzend und nicht einzuatmen! Schutzausrüstung tragen und für gute Durchlüftung sorgen! Man/frau sollte wissen, was man tut. Kinder fernhalten! Beim Entsorgen Säure ins Wasser gießen ("Erst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Unge....")!

Speichenreste nach dem Ätzen in destilliertem Wasser neutralisieren, in Aceton entfetten und zeitnah Faser aufziehen und mit Sekundenkleber auf einer Länge von ca. 2 cm fixieren.

Der Speichenrest war teilweise so rau, dass ich die Faser kaum aufgezogen bekam, da sie 'hakte'. Dann alles ruhen lassen....
 

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Eine sehr interessante Selbst-Herausforderung. Meine Frau hat mich auf das Thema aufmerksam gemacht.
Danke fürs Thema!

Kannst du bitte auf die verwendete Dyneema-Leine noch einmal genauer eingehen? Also welche genau.
Ich habe letztens auch Kite-Leinen gespleißt und wenn mir der Hinweis zum Erklären vom Spleißen für den Anwendungsfall (Geflecht, kein Kernmantelseil) erlaubt ist, finde ich das Video passender. Da ist auch das Verjüngen gut zu sehen, also quasi das, was du mit den Speichenenden ja auch machen musstest.

Genug geklugecheißt, nur noch eine Frage: wie hast du die Speichen im Flansch befestigt? Knoten im Auge? Das lässt sich leider nicht ganz erkennen.
 
Sehr cooles Projekt!
Wie sieht es mit der Speichendehnung nach dem Vordehnen aus?
Also welche Steifigkeit lässt sich mit den Speichen am Ende erzielen?
 
Vierter Teil: Die Faserwahl war gefallen: SK99, dem Übergang Speichenrest/Faser musste mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, sowie die Klebung musste

Vierter Teil: Die Faserwahl war gefallen: SK99, dem Übergang Speichenrest/Faser musste mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, sowie die Klebung musste verbessert werden.

Ansonsten war ich schon ganz zufrieden mit den Ergebnissen.

Die Spitze des Speichenrestes wurde sorgfältiger/flacher ausgeführt und darauf geachtet, dass keine Grate entstehen, da diese die Fasern zerschneiden und zum Riss führen dürften.

Der Klebung wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt: sorgfältig aufgeraut und dann zusätzlich mit 90° heißer halbkonzentrierter Salzsäure ca. 2-3 Minuten angeätzt und zeitnah geklebt.

ACHTUNG! Für eventuelle Nachahmer: 90° heiße Salzsäure ist stark ätzend, auch die Dämpfe sind ätzend und nicht einzuatmen! Schutzausrüstung tragen und für gute Durchlüftung sorgen! Man/frau sollte wissen, was man tut. Kinder fernhalten! Beim Entsorgen Säure ins Wasser gießen ("Erst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Unge....")!

Speichenreste nach dem Ätzen in destilliertem Wasser neutralisieren, in Aceton entfetten und zeitnah Faser aufziehen und mit Sekundenkleber auf einer Länge von ca. 2 cm fixieren.

Der Speichenrest war teilweise so rau, dass ich die Faser kaum aufgezogen bekam, da sie 'hakte'. Dann alles ruhen lassen....
SK99 kriecht unter Last, dass heißt das Laufrad verliert die Vorspannung mit der Zeit.
Ich hatte mal versuchsweise SK75 für das stehende Gut meines Boot verwendet und ich musste vor jedem Segeln nachspannen. Ist also wieder durch Drahttauwerk ersetzt worden. Damals gab es nur SK75. Mittlerweile ist der Hersteller das Problem angegangen und hat Sk78, SK99 und DM20 angeboten. DM20 hat "kein" (bzw. das geringste) Kriechen. Das habe ich jetzt versuchsweise am Boot. Allerdings noch zu früh um zu schlussfolgern.

Alternativen wären Vectran und PBO (das ist der heiße Sche.. im Segelsport). Kriechen nicht, sind aber UV- und Wasseremfindlich.
 
Liros Aramid ca. 1,8 mm
Riss am Übergang Speichenrest/Faser (Aramid bei ca. 1000 N wiederholt)
Aramid bis Riss ca. 24 mm auf 250 mm Faserlänge

Dyneema SK99 ca. 1,6 mm
Riss am Übergang Speichenrest/Faser SK99 bei ca. 2400 N
SK99 bis Riss ca. 15 mm auf 250 mm Faserlänge

Sehe ich das richtig, dass die fertige Speiche mit Faser in der Mitte und konventioneller Speiche am Ende und einer Ausgangslänge von 250mm mit Liros Aramid mit einem Durchmesser von ca. 1,8 mm sich unter einer Belastung von 1000N um ganze 24mm gedehnt hatte.

Und der gleiche Aufbau mit Dyneema SK99 mit einem Durchmesser von ca. 1,6 mm sich unter einer Belastung von 2400N um 15mm gedehnt hatte. Bei der Annahme, die Dehnung sei konstant, wären das bei einer Belastung von 1000N immer noch eine Dehnung von etwas über 6mm.

Eine Stahlspeiche mit einem Durchmesser im Mittelteil von 1,8mm und einer Ausgangslänge von 250mm dehnt sich unter einer Belastung von 1000N im Vergleich dazu gerade einmal um 0,5mm.
Bei einer Speiche mit 1,5mm im Mittelteil sind das 0,75mm.

Wenn die Dehnung der Faserspeichen derart riesig ist und damit die Steifigkeit um den Faktor 10 niedriger als der von Stahlspeichen, wären mit den Fasertypen, der Stärke der Faser und dem gewählten Aufbau der Faserspeiche nur äußerst weiche Laufräder herstellbar.
 
(...) Wenn die Dehung der Faserspeichen derart riesig sind und damit die Steifigkeit um den Faktor 10 niedriger als der von Stahlspeichen, wären mit den Fasertypen, der Stärke der Faser und dem gewählten Aufbau der Faserspeiche nur äußerst weiche Laufräder herstellbar
Darum wird vorgedehnt. Es ist ja ein Geflecht, das sich in der maximalen Länge setzen muss.
 
Darum wird vorgedehnt. Es ist ja ein Geflecht, das sich in der maximalen Länge setzen muss.
Richtig, es gibt die Dehnung aus der Konstruktion und Dehnung aus dem Material, der sog. E-Modul.
Ersteres kann man durch Vordehnen teilweise kompensieren. Dennoch ist der E-Modul niedriger als bei Stahl, d.h. 1.6mm ist flexibler als 1.6mm Stahl. Die Speichen wird man dann nicht auf Festigkeit sondern Steifigkeit dimensionieren.
 

Der E-Modul vom reinen Faserwerkstoff ist uninteressant. Entscheidend ist das Verhältnis von Dehnung zu Kraft einer fertigen, geflochtenen Speiche mit Stahl-Anschlüssen in dem Kräftebereich, in dem die Speiche hinterher betrieben werden soll.

Das wäre die effektive Steifigkeit der Faserspeiche, welche dann mit der Steifigkeit von Stahlspeichen verglichen werden könnte.


Meine ursprüngliche Frage zielte genau darauf ab. Sorry, wenn das durch die gekürzte Fragestellung nicht eindeutig war.


Habt ihr @keuul solche Werte im Zugversuch ermittelt? Sprich, zwei Punkte von Kraft und zugehöriger Längung in einem typischen Bereich im Betrieb von Speichen.


Edit:
Habt ihr den Plot vom Zugversuch?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir haben jetzt keine wirklichen Testreihen gemacht, uns aber kurz angeschaut wie die Dyneema SK99 Speiche (nicht vorgedehnt) sich unter einer Last von 1000 N verhält, siehe Bild.

Also 1000 N Zug, dann Position 30 sek halten, dann wieder 1000 N Zug 30 sek halten. Laut Kollegen ein völlig typisches Verhalten solch einer Faser, wir haben dann auch nicht weitergemacht. Eine irreversible Längung unter Last, die mit jedem Mal weniger wird.

In der Praxis habe ich die Speichen dann von Hand mit ca. 1000 N belastet und alle paar Minuten nachgezogen. Der Einfachheithalber zuhause auf der Werkbank in einer selbstgebauten Vorspanneinheit (zweites Bild).
 

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Dyneema SK99 Speiche (nicht vorgedehnt) sich unter einer Last von 1000 N verhält, siehe Bild.

Interessant wäre jetzt noch die Kraft nicht über die Zeit sondern über den Weg aufzuzeichnen. Daraus ließe sich nämlich die Steifigkeit ermitteln.

Habt ihr diese Werte oder die Messung abgespeichert, so dass sich ein solcher Graph erstellen lassen würde?
 
So ein Kraft-Weg Diagramm der vorgesehenen Speiche wäre toll. Dann wüsste man, was man mit den Speichen anfangen kann und ob die neben leicht auch stabil können.
 
Interessant wäre jetzt noch die Kraft nicht über die Zeit sondern über den Weg aufzuzeichnen. Daraus ließe sich nämlich die Steifigkeit ermitteln.

Habt ihr diese Werte oder die Messung abgespeichert, so dass sich ein solcher Graph erstellen lassen würde?

Nein, haben wir nicht gespeichert :-(

Aber vielleicht kann man es ja nochmal angehen, eventuell auch im Vergleich zu einer "handelsüblichen" Berd Speiche, wenn jemand eine "über" hat, dann kann ich die mal testen...
 
Wäre sehr interessant und würde ich auch mitwirken, sofern möglich.
wie könnte ein Test aussehen?

Ich würde die Speiche(n) einspannen in die Zwick (Material-Prufmaschine), dann 1000 N anlegen, ein paar Minuten warten, dann wieder auf 1000 N spannen, warten, 1000N, und das einige Male wiederholen. Hinterher über 24 Stunden oder das Wochenende dann auf Zug stehen lassen (und messen natürlich). Ich frag die Woche den Techniker mal, ob das zu realisieren ist...
 
Vielleicht eine sehr schräge Idee, im Prinzip ist sie eh schon fast aufgetaucht:

Zum Thema Leinen und den Umgang damit kann der Kontakt zu Kite-, oder vielleicht noch besser, Paragleitbetrieben sehr hilfreich sein.

Die arbeiten permanent mit solchen Leitungen inkl. Befestigung und Co.
 
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