Geometrie - welcher Wert hilft bergauf, welcher hilft bergab?

54mm

Knie mit Leichtbaunarbe
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Ich versuche geradem durchzublicken wie man eine Geometrietabelle "lesen" kann. Also - was sagen mir die einzelnen Werte und wie kann ich aus ihnen ableiten, wie sich ein Rad verhalten wird?

Was ich bisher raus gefunden habe:

Kettenstreben:
  • Uphill: länger ist besser
  • Downhill: länger bringt Laufruhe zu Lasten von Wenigkeit und Manualtauglichkeit

Sitzwinkel:
  • Uphill: steiler ist besser, da man weniger von hinten tritt
  • Downhill: spielt das eine Rolle?

Lenkwinkel:
  • Uphill: spielt das eine Rolle?
  • Downhill: Flacher ist besser weil mehr Laufruhe und weniger Überschlagsgefühle? Zu flach wird aber kipplig?
Vorbau:
  • Uphill: länger ist besser weil mehr Gewicht über dem VR, das dann weniger steigt?
  • Downhill: kürzer ist besser, weil weniger Überschlagsgefühle?

Oberrohrlänge:
  • Uphill: länger ist besser, da man so einen kürzeren Vorbau simulieren kann, ohne die Nachteile des kurzen Vorbaus zu haben?
  • Downhill: spielt das eine Rolle?
Steuerrohrlänge:
  • Uphill: kürzer ist besser weil mehr Gewicht über dem VR, das dann weniger steigt?
  • Downhill: spielt das eine Rolle?

Sitzrohrlänge:
  • Uphill: spielt das eine Rolle? Wenn zu kurz, muss halt die Stütze länger...
  • Downhill: kürzer ist besser, da man mehr Bewegungsfreiheit bekommt?

Sind diese Annahmen soweit richtig? Könnt ihr mir helfen, meine Verständnislücken zu füllen?

Wenn ich nun also ein Rad haben möchte, das gleichgut bergauf wie bergab gehen soll, klingt das so nach: Kauf dir ein Rad in der Sitzrohrlänge die zu dir passt, mit langen Kettenstreben (z.b. 440mm), mit flachem Lenkwinkel (z.B. 66°), steilem Sitzwinkel (z.B. 75°), langem Oberrohr (z.B. 620mm in L), kurzem Steuerrohr (z.B. 110mm) und kurzem Vorbau (z.B. 40mm). Oder übersehe ich da was/sehe das ganz falsch?

Danke euch schon mal! :daumen:
 
Im wesentlichen hast Du das schon richtig verstanden. Beim Lenkwinkel hat man halt einen Zielkonflikt, zu flach wird bergauf leicht kippelig, zu steil bergab unruhig. Bergab ist der Sitzwinkel eher uninteressant, weil man meist nicht sitzt, ebenso die Oberrohrlänge, da interessiert eher der Reach. Die Sitzrohrlänge muss wahlweise eine ausreichende Mindesteinstecktiefe oder eben eine vollständige Versenkbarkeit der Sattelstütze ermöglichen, mehr eigentlich nicht.
 
Zum Thema Kettenstreben: Kürzer bedeutet nicht automatisch wendiger. Bikes mit etwas längerer Kettenstrebe und einem optimal platzierten, zentralen Schwerpunkt können mitunter wendiger sein als ein superkurzes, eher störrisches Bike.

Der Sitzwinkel spielt im Downhill eher keine Rolle.

Ein flacher Lenkwinkel wird tatsächlich bei langsamer Fahrt kippelig. Egal ob hoch oder runter.

Der Vorbau muß immer im Zusammenhang mit dem Reach bzw der Oberrohrlänge gesehen werden. Ein Bike mit langem Oberrohr kann auch bei kurzem Vorbau genügend Druck auf dem Vorderrad entwickeln.

Die Oberrohrlänge spielt im Downhill weniger eine Rolle, dafür aber der Reach: Je länger, desto "souveräner" ist das Bike. Kürzere Bikes sind oft verspielter (und manchmal auch nur schlecht).

Eine höhere Front (Stack) ist im Downhill eher von Vorteil, weil dadurch das Überschlagsgefühl sinkt.

Wichtig ist noch die Lenkerbreite: Je breiter, desto mehr Kontrolle. Muß aber zum Fahrer passen.

Außerdem enorm wichtig: Tretlagerhöhe. Je tiefer, desto besser "surft" das Bike durch Kurven. Gleichzeitig bleibt man schneller irgendwo hängen.
 
Die Oberrohrlänge spielt im Downhill weniger eine Rolle, dafür aber der Reach: Je länger, desto "souveräner" ist das Bike. Kürzere Bikes sind oft verspielter (und manchmal auch nur schlecht).

Finde ich zu einfach. Gerade der Reach ist meiner Meinung nach sehr vom eigenen Geschmack abhängig. Ich tue mir mit moderat langen Reaches (430mm bis 450mm bei Größe L) und dafür etwas längeren Kettenstreben deutlich leichter als mit langen Reaches und kurzen Kettenstreben. Für mich lässt sich das Bike so einfacher, aktiver und spaßiger fahren.

Aber wie gesagt, muss man ausprobieren.
 
Finde ich zu einfach. Gerade der Reach ist meiner Meinung nach sehr vom eigenen Geschmack abhängig. Ich tue mir mit moderat langen Reaches (430mm bis 450mm bei Größe L) und dafür etwas längeren Kettenstreben deutlich leichter als mit langen Reaches und kurzen Kettenstreben. Für mich lässt sich das Bike so einfacher, aktiver und spaßiger fahren.

Aber wie gesagt, muss man ausprobieren.

Der ganze Thread ist eine Verallgemeinerung...von daher :bier:

Ich bin gerade von moderatem Reach und langen Kettenstreben zu laaaaaangem Reach und immer noch fast genau so langen Kettenstreben gewechselt und im Downhill ist das eine Offenbarung. Kostet aber irre Kraft...:D

Während man Bikes mit kurzem oder mittlerem Reach quasi "hinter" dem Sattel fährt, also in einer eher "künstlichen" (nicht negativ gemeint!) Position, steht man mit sehr langem Reach über dem Sattel oder nur knapp dahinter, also in einer eher "natürlichen" Position direkt über dem Schwerpunkt des Bikes. Das fühlt sich für mich persönlich "souveräner" an.

@Kadauz haalt, Post war noch nicht fertig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ich mich dann jetzt frage: Wieso haben dann manche Bikes so einen flachen Sitzwinkel, wenn ein steilerer doch besser wäre?
Viele Enduros zB haben 73-74° meins hat einen 74,8er und könnte mir noch etwas steiler sein.
Durch den SAG vom Dämpfer wird es ja eher noch verschlimmert..
 
Was ich mich dann jetzt frage: Wieso haben dann manche Bikes so einen flachen Sitzwinkel, wenn ein steilerer doch besser wäre?
Viele Enduros zB haben 73-74° meins hat einen 74,8er und könnte mir noch etwas steiler sein.
Durch den SAG vom Dämpfer wird es ja eher noch verschlimmert..

Nicht nur der Dämpfer hat Sag, sondern auch die Gabel > gleicht sich aus.
Sitzwinkel > welchen meinst du, den realen oder den virtuellen? Zu flach ist er, wenn man den Sattel nicht weiter vorschieben kann ;)
 
Wieso haben dann manche Bikes so einen flachen Sitzwinkel, wenn ein steilerer doch besser wäre?

1. Ein steiler Sitzwinkel, zusammen mit einer großen Sattelüberhöhung, erhöht den Druck auf die Handgelenke. Bei Enduros kein Problem, weil die Front so hoch ist, bei Tourern schon.

2. Gerade ältere Bikes sind in ihrer Geo oft an Rennräder angelehnt...und die haben eher fllache Sítzwinkel um die 71 Grad.

3. Der Trend zu immer kürzeren Fully-Hinterbauten mit viel Federweg und der Trend zu immer steileren Sitzwinkeln sind nur eingeschränkt kompatibel. Paradebeispiel: Drössiger.
 
Genau, die Kraft fehlt mir

Man liest ja auch oft genug in irgendwelchen Kommentaren, dass "extreme" Geometrien für Otto Normalbiker eher ungeeignet seien (fragt sich nur, was extrem bedeutet. Sind meine 480 Reach schon extrem? Oder ist das erst ein Mondraker mit 5XX Reach?). Und das hat in sofern auch seine Berechtigung, als dass solche Räder erst ab einer gewissen Geschwindigkeit so richtig Sinn machen (an die taste ich mich zugegebenermaßen auch gerade erst ran :D). Außerdem muss man sowas eben etwas anders fahren, frontlastiger, mit viel mehr Arbeit am Lenker. Kein Bike für Jumplines, sondern eher für harte Kurven ohne Grip.

Wer lieber gern weit nach hinten geht und die Fahrt genießt oder wer gerne übers Hinterrad kommt und jeden Kiesel als Sprungschanze benutzt, für den ist das dann eben nix. Persönliche Vorlieben und jeweiliges Einsatzgebiet...
 
Genauso siehts aus. Ich z.B. kann mit hartem Downhill Grümpel (Abfahrten ala Bad Wildbad) etc. nicht wirklich viel anfangen. Bin mehr der klassiche Freerider mit Jumps, Drops und Steilkurven. Da taugt mir ein mittlerer Reach besser.

Um nochmal auf den Ursprungsthread zurückzukommen:
Tendenziell stimmt das alles. Dennoch ist ein Rad mehr als die Summe seiner Geodaten. Es spielen Faktoren wie Gewicht, Balance, Schwerpunkt, Hinterbau etc. eine wesentliche Rolle. Das Gesamtpaket entscheidet somit, wie sich das Bike in der Praxis anfühlt. Zwar lässt sich von der Geometrie her die Tendenz ableiten, aber eine verlässliche Aussage wird man erst nach einer Probefahrt machen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Um nochmal auf den Ursprungsthread zurückzukommen:
Tendenziell stimmt das alles. Dennoch ist ein Rad mehr als die Summe seiner Geodaten. Es spielen Faktoren wie Gewicht, Balance, Schwerpunkt, Hinterbau etc. eine wesentliche Rolle. Das Gesamtpaket entscheidet somit, wie sich das Bike in der Praxis anfühlt. Zwar lässt sich von der Geometrie her die Tendenz ableiten, aber eine verlässliche Aussage wird man erst nach einer Probefahrt machen können.

Genau. Beispiel: Mein Rad hat 29er Laufräder, gigantische 480 mm Reach, ralativ lange 448er Kettenstreben und unfassbare 1224 mm Radstand. Fährt sich in der Theorie wie ein Holzlaster. In der Praxis hingegen geht das um die Kurven wie eine Roulettekugel. Warum? Keine Ahnung. Ist einfach so.

@54mm Merke: Geodaten können einen ersten Ansatz bieten, was ein Bike kann und was es nicht kann. Das bewahrt einen aber nicht vor Überraschungen im positiven wie im negativen Sinne.
 
Danke euch allen! Ich bin zwar noch nicht sicher, ob ich jetzt schlauer bin, aber auf jeden Fall um einige Eindrücke reicher.

Den einschlägigen Antworten entnehme ich auch, dass man nicht einfach die Werte gegeneinander aufrechnen kann? Also z.B.

Annahme (fiktive Werte): 73° SW und 450mm Kettenstrebe grad geht bergauf genauso gut wie 74° SW und 440mm Kettenstrebe?
 
Den einschlägigen Antworten entnehme ich auch, dass man nicht einfach die Werte gegeneinander aufrechnen kann? Also z.B.

Annahme (fiktive Werte): 73° SW und 450mm Kettenstrebe grad geht bergauf genauso gut wie 74° SW und 440mm Kettenstrebe?

Richtig. Kann man nicht. Zumal grad bei einem Fully der Hinterbau entscheidend bei den Kletterfähigkeiten mit reinspielt, egal wie lang das Heck ist.
 
So einfach ist es nicht!

Was fährst du denn aktuell für ein Bike (bitte mit Geodaten) und was stört dich daran? Dann kann man vielleicht etwas konkreter werden!

Ich bin gerade Rad-los, aber ein Freund würde mir seinen alten Giant Trance Rahmen überlassen. Was ich also von mir gebe ist hauptsächlich angelesene Theorie bzw. nicht up-to-date.

Zuletzt hatte ich ein Giant Reign. Von 2005 oder 2006. Damals hatte ich das Gefühl, beim Bergauffahren sehr weit über dem Hinterrrad zu sitzen und damit bergauf den Freunden auf den Crossern kaum hinterherzukommen. Ja, sicher, ich weiß inzwischen auch, dass das ein sinnloses Unterfangen war, bei denen mitzufahren.

So sah das damals in etwa aus (Bild nicht von meinem, das hatte Maxxisreifen und kein drittes Kettenblatt)
Reign_XL.JPG


Hier die Geometrie laut Handbuch:


Etwa 2010 dürfte ich es verscherbelt haben, da ich zu schlecht bergauf kam und ich das Potential bergab mit meinen nicht vorhandenen Fahrkünsten nicht nutzen konnte. Daher könnte ich mir vorstellen, dass mir das Trance besser gefallen könnte. Ich bin mir auch nicht sicher, ob mir das Reign in M bei 185 nicht einfach zu klein war. Das Trance wäre in L, Geometrie wohl wie folgt:
9TranceCypher.jpg


Auf einem 20"-Trance (nebst Stumpjumper und Lapierre X-Control) bin ich 2008 oder so beim Händer auch schon mal gesessen und ich meine, dass mir das vom Gefühl her deutlich besser zugesagt hat als das Reign... Ich meine auch - hey - einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, aber wenn ich schon aus der Tabelle erkennen kann dass das nicht passen kann, lehne ich gleich dankend ab und brauch mir auch keine Mühe mit dem Aufbau zu machen.

Ich will halt halbwegs lebendig den berg rauf und fehlerverzeihend auch wieder runter kommen... (daher will ich auch kein Hardtail mehr, dass man damit Fahrtechnik lernt halte ich für Unfug, ich hatte zwei von den Dingern (und davor ein Starrbike) und das war bergab nur frustrierend) :ka:
 
Wobei es da das Problem mit dem 'echten' und den 'virtuellen' Sitzwinkel gibt. Das Reign z.B. hat nur 'virtuelle' 73.5 Grad, also 73.5 Grad wenn man die Sattelstuetze einen gewissen Wert weit auszieht - in Wirklichkeit ist das Rohr flacher.
 
Nicht nur der Dämpfer hat Sag, sondern auch die Gabel > gleicht sich aus.
Sitzwinkel > welchen meinst du, den realen oder den virtuellen? Zu flach ist er, wenn man den Sattel nicht weiter vorschieben kann ;)
Keine Ahnung.. Der den die meisten Hersteller angeben..

Mein Sattel ist ganz vorne, wobei ich mein Enduro auch zum touren nutze, also meinen Sattel so eingestellt habe, dass ein Lot zwischen Kniescheibe und Pedalachse herrscht. Also sicher ziemlich extrem..

Grüße
 
In der Ebene hat man beim Fully vielleicht vorn und hinten einen identischen SAG, am Berg verschiebt sich die Radlast aber deutlich nach hinten. Das geht je nach Steigung soweit das man vorn 0% und hinten über 40% SAG hat... Das hat die Konsequenz, dass der Sitzwinkel zur Fahrbahn beim Fully deutlich flacher wird als beim Hardtail. Deshalb sind die Sitzwinkel bei aktuellen Fullys mit relativ viel Federweg auch so steil...
 
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