Geschichten aus dem Arbeitsleben eines Fahrradmechanikers

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Re: Geschichten aus dem Arbeitsleben eines Fahrradmechanikers
Mein Kleinerer ist ab Mitte der 3. Klasse mit seinem modifizierten Scott Voltage alleine in die Schule gestrampelt, hab das Rad etwas aufgemotzt mit besseren Bremsen und Gabel. Da beinahe alle Materialien in der Schule blieben war das mit dem Rucksack gut zu bewältigen.
Nun geht er in die 5. Klasse und seine Tasche wiegt regelmäßig jenseits der 10 kg und das macht das sichere Fahren de facto unmöglich, wäre selbst für mich schon grenzwertig ob Helm oder nicht.

Geometrie bei Kinderrädern ist eine Sache für sich, ich seh das ja bei meinen Jungs und natürlich auch im Laden. Bei Kids ist das je nach Wachstum der Extremitäten noch stärker problematisch als bei Erwachsenen.
Ansatz von Marken wie Woom oder Vpace ist toll aber in vielen Fällen auch nicht so das Passende.

Um nicht zu sehr abzuschweifen und mir einen Rüffel einzufangen: habe Nachbarn wo der Junior es regelmäßig schafft seine Teile zu schrotten (das ist noch etwas das mir die letzten Jahre permanent sauer aufstößt: das die Jugendlichen keinerlei mehr Materialverantwortung übernehmen denn die Eltern zahlen ja fröhlich). Bei seiner Günstiggabel war die eine Buchse locker so das sie beim Einfedern immer nach oben gerutscht ist. Auf Tipp eines Bekannten mit blauem Loctite eingeklebt, hält bis heute. Was er seinem Umwerfer so antut erzähl ich mal lieber nicht ;)

Die Bilder von den Ninjasternen aka Schaltwerksröllchen kommen mir bekannt vor. Ich hatte das bei einem Kollegen der sein Trekkingrad 200 Tage im Jahr bei Wind und Wetter nutzt. Da war regelmäßig alles hinüber und nun hat er sich was mit Gates geholt. Mal sehen wie lange das hält ...
Als mein Neffe mit seinen alten Rad in die Werkstatt kam und fragte, ob ich es reparieren kann, war ich auch erschrocken. Ein Zündapp Fully Kernschrottrad. Alles ignoriert, was man ignorieren konnte. Habs wiederwillig fahrbar gemacht und überlegt, ob ich ihm zum Einkaufspreis ein Neurad hole und dann schenke. Hab mich aber dann dagegen entschieden, weil der damit umgeht wie Sau und ein Rad brauchte, mit dem man umgehen kann wie Sau. Hab dann für ihn ein altes Stahl MTB mit leichten Tangerohrsatz bei Kleinanzeigen ersteigert, dass Innenlagergehäuse auf 68mm plan gefräst und eine alte 165mm Kurbel mit schmalen 4 Kant innenlager als 1x8 mit Rennradschaltwerk und Schaltwerkschutzbügel daran gezimmert. Bei der Kurbel musste ich ordentlich mit der Feile dran, dass ich sie schmal genug sein konnte und nicht an der Kettenstrebe anstößt. Neue Laufräder gebaut, Son Edelux Scheinwerfer und Hermanns Rücklicht, Gepäckträger, Schutzbleche und Ständer dran. Und preislich 200€ über den EK des Neurad gewesen, obwohl ich viel Resteverwertung betrieben hatte. Hat er ne ganze Zeit gefahren, bis es dann irgendwann gestohlen wurde. Ich habe ihm gesagt, dass er dass nächste mit aufbauen soll, die Basis steht jetzt schon seit über einen halben Jahr im Lager und er kommt nicht :lol: Rahmen, Gabel sauber plangefräst und Gewinde nach geschnitten, hochglanz poliert. Laufräder schön stabile leichte Ritchey Felgen mit 1,5mm Speichen und DT hinterradnabe so wie Shimano DH-T670-2N Nabendynamo. Sauber aufgebaut und die Kreuzungen gebunden und verlötet. Ein Karton mit unterschiedlichen Schaltungen und Komponenten daneben, dass er frei auswählen kann. Sogar ne unverbaute Magura Raceline Felgenbremse. Ich könnte da mal wieder etwas in den Mittagspausen weiter dran schrauben. Wenn ich noch länger auf Ihn warte wird es wahrscheinlich in 10 Jahren noch nicht fertig sein :D

Da fällt mir ein, von einem Bekannten, der Sohn, hatte mal bei uns ein Rad gekauft. Dass war spätestens alle zwei drei Wochen wider bei uns in der Werkstatt. Der Hintere Mantel hatte höchstens mal einen Monat gehalten. Irgend wann rief mich der Bekannte dann zum xten mal wegen einen Werkstatttermin an. Ich hatte ihm angeboten mit den Preis für die Reparatur um die Hälfte runter zu gehen und einen von Neurad gebrauchten Mantel für eine schmale Mark zu verbauen, wenn sein Sohnemann die Hälfte der Rechnung von seinen eigenen Taschengeld bezahlt. Ich habe ihn seit letzten Winter keinen neuen Reifen mehr aufgezogen :lol:
 
Händler, die auch Kleinteile oder kleinere Serviceleistungen anbieten, schaffen Kundenbindung. Dann ist der Kunde zufrieden und kauft auch ein ganzes Rad. Das muss man strategisch sehen.
Das ist natürlich Quatsch.

Das führt nur dazu, daß Kunden wie Krösus daher kommen, aber ihren zusammengestanzten Müll möglichst auch noch für lau repariert haben wollen.

Noch undankbarer geht's nimmer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit wir beim Thema bleiben, noch ein Schwank aus meiner Schrauberzeit:
Der Kunde wollte ein superleichtes Fully. Carbon-Rahmen, Carbon-Dies und Carbon-Das. RockShox Sid Worlcup (die war damals noch richtig leicht). Gewicht fahrbereit etwa 10 kg.
Und dann kam die Ansage: "Da muss aber eine Gustav M dran" :lol:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hey zusammen, nach dem tollen Start des thread bin ich sehr enttäuscht, dass dieser in kürzester Zeit und über mehrere Seiten komplett abgedriftet ist. Hier geht es nur um die "Geschichten aus dem Arbeitsleben eines Fahrradmechanikers" und nicht um die Erfahrungen von Kunden in diversen Radläden.
Ich möchte euch bitten einen Parallelthread aufzumachen, wo die andere Seite der Medaille geschildert wird, denn auch das kann Seiten füllen und ist durchaus interessant. Name könnte z.B. wie folgt sein:
"Geschichten die man als Kunde im Fachgeschäft erlebt hat".

Ein Glück hat sich der Thread wieder etwas gefangen und ich möchte alle höflichst bitten dass das so bleibt. Ich weiß, euch juckt es in den Fingern meinen Beitrag zu kommentieren, jedoch wäre das dem Thread nicht dienlich, also seht bitte davon ab.

Ich würde gerne hier einmal feucht durchwischen lassen. @MikeyBaloooooza wie siehst du das?
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Ich habe viele Jahre als Nebenjob in einem größeren Radladen (inhabergeführt) gearbeitet. Allerdings im Verkauf. Als dann das Thema E-Bike einen immer grösseren Raum einnahm und immer mehr Nicht-Radfahrer aus Bequemlichkeit sich für diese Art des Radfahrens interessierten, habe ich den Job aufgegeben. Lieber nutze ich die Zeit und fahre selbst.

Aber eine Geschichte aus der Werkstatt ist mir in Erinnerung geblieben. Eine Kundin kam mit ihrem Mann Samstagmittag in den Laden. Dabei hatten die beiden ein Kalkhoff Tiefeinsteiger E-Bike. Die zwei erzählten, dass das Rad (ob mit oder ohne Fahrerin weiss ich nicht), leider im Urlaub in ein Hafenbecken (Salzwasser) gefallen sei und es nur dank der wasserdichten ortliebähnlichen Packtaschen nicht auf den Grund des Beckens abgesoffen sei.

Das Rad wurde dann geborgen und der Mann wusste nichts wichtigeres als anschliessend im Hotel den Akku ans Ladekabel zu hängen... weil er meinte, das beschleunigt den Trocknungsprozess...

Nachts dann Verpuffung im Hotelzimmer. Ganze Etage des Hotels wurde evakuiert.

Und die eigentliche Frage war dann: wie man das Rad wieder reparieren kann. Der Werkstattleiter hat dann freundlich angeboten, das Rad kostenlos zu entsorgen. Sogar das Display stand unter Wasser....

Unglaublich, was es da draussen für Leute gibt...
 
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Gestern kam ein Kunde mit seinem frisch gewaschenen Bike auf dem Heckträger und fragte nach Inspektionstermin. Meine Antwort: ab dem 6.12. wieder was frei. Große Enttäuschung und der Kommentar dann kann er den ganzen November nicht fahren. Auf Nachfrage warum dem so ist: meine Beläge am Hinterrad sind runter ... dann haben wir Termin für den 6.12. gemacht und die Beläge hab ich sofort getauscht. Sogar endlich mal Jemand der frische Beläge will bevor er auf der Trägerplatte bremst ;)
 
Nette ältere Dame kam in der Mittagspause auf den Hof.
Nach der ersten Annäherung doch etwas lauter, typisch schwäbische Art
Das neue E-Bike geht nicht mehr und die ist ohne Motor den Berg hochgefahren...leicht rote Gesichtsfarbe.
Kurz drübergeschaut und nett nachgefragt, was sie denn gemacht hätte...

Na ja, auf dem Markt gewesen und a schwätzle ghalten ( auf dem Markt zum einkaufen gewesen und mit anderen Frauen dann beim Gespräch verweilt)
OK, dann mal am intuvia den Einschaltknopf betätigt, und siehe da, des Mechanikers Zauberhände bewirken Wunder.
Bosch geht halt nach einiger Zeit in den Ruhestand um den Akku zu schonen, das schwätzle hat halt entsprechend lange gedauert....
 
Was ich auch schon min. drei vier mal hatte, war nach einer Inspektion, dass Kunden wieder kamen und sagten, dass das Rad kaputt sei.
Es würde viel schwer gängiger sein, oder sie müssten auf einmal viel zu viel treten.
Hat dann meistens etwas gedauert, bis ich gerallt hatte, dass ich einfach nur in der Inspektion, beim durchschalten, die Schaltung in einen anderen Gang eingestellt hatte:love:
 
Folgende Geschichte wurde mir vom Mechaniker meines Stammladens in den späten 90ern brühwarm übermittelt:

Er war zum ausleihen eines benötigten spezial-Werkzeugs in einem befreundeten Radladen, und wartete geduldig während der Chef einen Kunden bediente. Als der Kunde den Laden verließ, setzte in der Werkstatt ein sonderbar trockenes Geklopfe ein. Der Chef erstarrte leicht, entschuldige sich, und stürzte hinter den Tresen zum Werkstatt-Durchgang. Der Mechaniker, neugierig weshalb der Chef so alarmiert wirkte, spähte auch durch zur Werkstatt. Darin stand ein zotteliger Hippie-Typ mit Dreadlocks, und arbeitete sich am steuersatz eines Rennrads ab, welches im Montageständer hing. Er war dabei die obere Lagerschale des Steuersatzes einzubauen, und tat dies routiniert auf dieselbe Art, mit der er es vermutlich seit 20 Jahren an etlichen Hollandrädern getan hatte: mit einem Hammer. Der Grund weshalb der Chef so alarmiert reagiert hatte, war dem Mechaniker gleich klar. Der Steuersatz war ein lila eloxiertes highend Aluteil, und der Rahmen aus Carbon.
Was dann folgte passierte in einem Augenschlag. Der Chef rief aufgeregt "Hotte!!", Hotte blickte auf, und der Hammer sauste herab. Er traf nicht mehr die Alu-Lagerschale, sondern knapp daneben das Oberrohr - tschock - und bliebt darin stecken.

Hotte hieß fortan Carbon-Hotte, und montiert woanders - wieder an gebrauchten Hollandrädern.
 
Ich habe während dem Studium bei einer großen Kette im Verkauf gearbeitet. Kunde kommt zu mir mit einem Trekkingrad mit Felgenbremse. Die Laufräder waren so fertig, dass sich ringsherum ca. 5cm lange Risse in den Bremsflanken gebildet hatten. Die waren so groß, dass man in die Felge hinein schauen konnte. Wie man damit noch fahren konnte ist mir ein Rätsel. Wer so ein Rad fährt, hat aber höchst wahrscheinlich nicht genug Luft auf den Reifen, sonst wäre das Laufrad vermutlich explodiert 😂 ich hab leider kein Foto gemacht.
 
"Guten Tag, ich hätte gerne ein Fahrrad für meine Frau."

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"Es tut mir sehr leid, wir nehmen keine Frauen mehr in Zahlung."
Das waren immer die schlimmsten Kunden. Ich hab dann eigentlich immer den Mann ignoriert und die Frau direkt beraten, denn meistens hatte sie deutlich andere Vorstellungen von ihrem neuen Rad als der Mann. Die haben dann meistens trotzdem versucht sich einzumischen obwohl sie absolut keinen Plan hatten. Man kann sich vorstellen wie die Beziehung sonst so läuft...
 
Ich hatte nen halbes Jahr bei einem Repair-Cafe für Fahrräder mitgearbeitet. Man hatte sich auf die Fahnen geschrieben, mit dem "Kunden" das Fahrrad zu reparieren. Den Rotz wo die da angeschleppt haben... bäääh und dann noch permanent das Geschwafel dazu... Doppelbääh.
 
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