... und lesen dieser Text hat mir zu gefährlich geschickt...
Also viel Spaß!!
Erzählt von Atze persönlich:
Neulich im August, Sonntags, da hat mein TransAlp-Trainingspartner "Jupp" aus Stuttgart angerufen: "Hey Atze, lust auf en Käffchen?" Kurz überlegt und in den Trainingsplan geguckt. "Klar doch" sach ich zu ihm "Ich komme, und zwar locker und flach - wie immer. Setz den Kaffee auf!"
Ich rein in die Cipollinikluft, Butter aufs Sitzpolster, den Kilometerzähler genullt - nochmal die Kniekehlen nachrasiert und dann ab in die Garage - den topgepflegten maßgeschneiderten Krabo-Renner mit Liebe auf den Asphalt gestellt und die 19er
Reifen auf 10 Bar Betriebsdruck gebracht. Bei strahlendem Sonnenschein in lockerem Kompensationsbereich erstmal mit 35er Schnitt über die B7 raus aus Wuppertal..
Nach 48 Minuten in Köln am Rhein entlang, da steh ich schon im ersten Stau! Inlineskater wohin man blickt, mit wedelnden Armen und Füßen versuchen sich diese armselig krebsenden Kreaturen von einer Eisdiele zur nächsten zu bewegen, einige nennen das sogar "Speedskaten". "Chickenwatching" nenn ich dieses Gehampel höchstens - Spezialgebiet Sonntags 12.00 an der Kemnade, aber erst wenn das Thermometer bei 26 pegelt! Mein Schnitt fällt unter die 32er Marke, aber ich bleib ganz ruhig..
Locker im Tritt - 30er Schnitt
Bei Bonn gerate ich dann zufällig in eine RTF, ihr wißt schon R.T.F. - diese Veranstaltung mit diesen lustigen Leuten: "Rentner Treffen Farbenblinde".
Kuppiges Gelände - meine Beine treten lässig wie die Pleuelstangen eines Volvo-Penta Schiffsmotors eine exakte 95er Trittfrequenz - ich pflüge durch das "teilnehmerstärkste" Vereins-Treibholz der "6.00 Uhr" Abfahrzeitklasse. Ein paar Lenkertaschen und Dickbäuche versuchen hechelnd in meinem Windschatten zu lutschen, ein paar locker eingestreute 7 Sekunden Trainingssprints schaffen Klarheit an der Windkante - aber ich bleib ruhig, ganz ruhig.
Viehtransporte gehören verboten
Plötzlich treibt ein Bauer seine Schafe auf die Fahrbahn - ich in die Eisen, meine glänzenden Campas bringen die mattschwarzen Aerofelgen präzise zum Stehen. Es stinkt. Die Strasse ist voll von tierischen Exkrementen - na wir wollen doch heute abend nicht schon wieder das Rad putzen müssen! Da schiebt sich von hinten so eine Grausocke an mir vorbei und kommt genau vor mir mit dem Hinterrad in einem dicken Flatschen zum Stehen: Ich seh plötzlich nur noch behaarte Beine! Nein - nicht diese konturlosen leicht Behaarten - sondern so "10 Jahre keine Sonne"-käsige Stelzen mit richtig fett Fell auf der Patte! So Haare, wo auf den Haaren noch Haare zu sehen sind und der Übergang zu den Socken kaum zu erkennen ist! Ich sach Euch: E-kel-haft!!
Und dann dreht sich der Typ auch noch um und hebt die neongelbe Regenjacke um besser seine fünfstellige, in Folie eingeschweißte Startnummer präsentieren zu können! Unter dieser Optischen Beleidigung kommt ein Ötztal-Marathon Finishertrikot von 1816 zum Vorschein, leicht ausgebleicht an den Stellen wo es nicht von der Regenjacke überdeckt wird- das ist seit der legendären Neviges RTF von 1999 nicht mehr gewaschen worden.. Ein Geruch weht zu mir herüber- Paah! In dem Moment frag ich mich, ob der Viehtrieb hier vor oder neben mir stattfindet?!
Immer 10 Schläge unter GA1 - ich immer - standesgemäß - und Du?!
Hinter Koblenz steht dann wieder eine standesgemäße 34 auf dem Tacho, es geht leicht bergan, langes Teilstück, Schnellstrasse - und ich so in "Mitropa" Haltung: Handyknopf im Ohr den Erzählungen von meinem Trainingskumpel aus Malle lauschend, nen Riegel im Mund und mit der linken Hand durch die Pulswerte zappend - da kommt doch auf der linken Seite ein Rennradfahrer an mir vorbei! Blitzendes neues italienisches Aluminium, CarbonRearstay,
Shimano Dura Ace(?!), verspiegelte Sonnenbrille, Kappy auf und 1a geölte Beine - keine Miene verzogen..
Ich denk so: "Meister - wohl zu früh aus dem Trainingslager zurück? Was soll den das Manöver, ich soll in deinem miefigen Windschatten existieren?? Das haben wir ja gleich!" Die Kette geschmeidig aufs 53er geliftet, zieh ich erstmal auf seine Höhe und hab vorher den Polar auf Durchschnittswertanzeige gestellt. "Na, auch im GA1 Bereich? Ich bin noch 7 Schläge drunter" linse ich auf seinen HAC der schon weitaus höhere Zahlen offeriert. "Das muss wegen der Hochspannungsleitung sein" seine gezwungene Antwort, während er sofort das Tempo weiter anzieht. Ich denk: "Geiiil - Zuck nur - Du übertrainierter Schnauzbart. Darauf hab ich doch nur gewartet!" Und so treib ich ihn weiter mit lockeren "Kraft am Berg" Tritten vor mir her. Der Kerl wills wirklich wissen, langsam beginnt mir das Ganze Spass zu machen. Mein Puls tuckert gleichmäßig in der Nähe der aeroben Schwelle: Ich geh noch zwei Gänge runter, hole tief Luft und setz mich mit geschlossenen Mundwinkel so neben ihn, das er meine entspannte Gesichtsmimik nicht übersehen kann - wir rollen mit knapp 42 km/h die inzwischen schätzungsweise sieben prozentige Steigung hoch.
Let the Race begin
Das Rennen hat begonnen: 42,5 - 43,1 "Ist das alles was Du zu bieten hast, Oliba?? Ich schick Dich zurück ins Grupetto. Dich mach ich platt wie Virenque den Mont Ventoux" 43,4 - 43,8 - 44,5! "Jaaaaa - Gib alles! Heute entkommst Du mir nicht. Heute kannst Du nicht nach Deiner Freundin im Hauptfeld gucken, heute hast Du gefrühstückt, heute kann es nur einen geben..."
45 - Meine Kette surrt ihr ewiges Lied. Ich hör von seinem HAC4 schon ein verzweifeltes Piepen von der weit überschrittenen anaeroben Schwelle und will gerade zum finalen Todesstoß ansetzen: "Armstrong- Blick zurück während einer maximalpulsorientierten hochtrittfrequenten Konterattacke" - was macht der Vereinsheini da? Er rettet sich durch einen spontanen Schlenker auf eine Nebenstrasse?! Aber nicht mit mir - du Semiprofi! Ich überspringe das Blumenbankett auf der Verkehrsinsel und nehm den Kreisverkehr in Gegenrichtung und stell im nach. Er wählt die einzig mögliche Ausfahrt aus dem Kreisel - es geht leicht bergab - kurvig! Tief unten ist der blitzende Rhein zu sehen - Ser-Pen-Ti-Nen! "Meister! Bergab gibts Dickenrabatt - das ist mein Revier, hier sitz ich am Ende der Nahrungskette!!
Bergab bin ich der Meister vom Ruhrgebiet!
Die Kette liegt jetzt glatt rechts wie sein Mittelscheitel. Wir ziehen mit 53/11 Innenlinie an Schulbussen vorbei. Die Kinder johlen uns zu und haben die Rasseln wie bei HEW schon in der Hand, wir schiessen mit knapp 100 km/h in Aerohaltung mit Hände hinterm Rücken und den Lippen auf dem Vorbau die langen Geraden hinunter. Die Blitze der fest installierten Radaranlagen gleiten an unseren verspiegelten Brillen ab wie Wassertropfen von einem frisch gewachsten Oberrohr. Ortseingang, Tempo 75, jetzt zeig ich dem Weichei mal, warum man mich den "Falken von Unterbarmen" nennt! Ich seh die letzten entscheidenden Kurven, ich wähle das Hinterrad eines silbernen Mercedes mit örtlichem Kennzeichen um mich in die geeignete Sprintposition ziehen zu lassen - mein Antritt kommt - die Kurbeln biegen sich unter den 840 Watt die ich beim letzten Leistungstest auf die Hirsch'sche Pedale gezaubert habe - meine Beine trommeln eine 130er Frequenz das Michael Hübner und Laurent Ganet sofort ihre Karriere beenden würden: Da! Der dicke weiße Strich - ich rausche an dem Möchtegern-Sprinter vorbei wie Cipo an Zabel - ich reiße die Hände hoch um das Laktatexpresslogo in den Innenhandflächen der rehledernen Handschuhe zu zeigen - ich seh es vor mir: das Podium - die Küsschen - die Frauen mit dem Sekt und den Prämien - das grüne Trikot - das Gelbe - das mit den roten Punkten...
Rote Punkte...
Die seh ich auch als die Wirkung der Narkose langsam nachläßt. Dr. Ringers Laktatlösung gluckert langsam in meine Vene und der große klobige Monitor neben dem Stahlrohrbett hält meinen Puls bei konstant 89 Schlägen!
Nicht das ich nicht Glück gehabt hätte - als ich laut Polizeiangabe mit Finaltempo 79 über die dicke weiße Linie des Stopschildes geknallt bin. Über die Kreuzung an der Uferpromenade gings zum Glück ohne Probleme - die Blumenkübel, das grüne Bänkchen mit den zwei staunenden Rentnern drauf und die kleine Mauer am Rheinufer waren da schon eher ein Hindernis. Was mich allerdings nur davor bewahrte mit noch heilem Rad auf der Wasseroberfläche aufzuschlagen. Einer zufällig anwesenden Tauschsportgruppe aus den Niederlanden habe ich wohl zu verdanken, das ich nicht in Klickpedalen zehn Meter neben dem Nibelungenschatz abgesoffen bin.
Sowas kann jedem Rennfahrer mal passieren
Diverse Brüchen an den Extremitäten, ne Menge Pizza auf den Schenkel - ich mein sowas passiert jedem Rennfahrer ja mal! Zwei Wochen und ich sitzt wieder im
Sattel... Aber das Dilemma: Kiefer gebrochen! Und ich hatte doch, gerade aus dem Koma erwacht, von der Oberschwester als erstes die mir zustehende Renn-Wurst und das Regenerations-Bierchen geordert, mit Currysoße und Fritten. Und jetzt: Schiene vor der Kauleiste - Pilzsuppe aus dem Strohhalm - geschlagene zwei Monate lang!
Na, aber das Schlimmmste war, als mein Kumpel Jupp aus Stuttgart anrief: "Hö' mal Atze, wo bleib'se? Kettenriß?? Der Kaffee wird ha't!!"
(Dieser Text entstand beim zufälligen hören einer "Atze Schröder" Aufnahme auf dem langen Weg zurück von Südfrankreich! Wer das Original der Porschefahrt von Dortmund nach Bremen hören möchte, sollte sich schleunigst die CD kaufen und den Kreateur des Originals mit üppigen Tantiemen überschütten;-)) <
www.atze-schroeder.de>