Auch wenn Radfahrverbote in Landschaftsschutzgebietsverordnungen (z.B. an der Rotwand oder Nagelfluhkette) ein sehr interessantes Thema sind, geht´s jetzt erstmal wieder hier weiter.
3.2.2 Eingangs der Gründe weist das Gericht im Urteil auf die Novelle des Bayerischen Naturschutzgesetzes 1982 hin.
„Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG in der seit 1.9.1982 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 3.8.1982 (GVBI. S. 500) ergänzt die Grundsatznorm des Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG dahin, daß jeder auf Privatwegen in der freien Natur wandern und, soweit sich die Wege dafür eignen, reiten darf.“
Als unmittelbare Folge der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 16. Juni 1975 (GVBI S. 203), wurde das Reiten in den damaligen Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG (jetzt Art. 28) und in Art. 24 (jetzt Art. 29) eingefügt und
der für verfassungswidrig erklärte Absatz 2 in Art. 24 gestrichen. Der ursprüngliche Regelungsgehalt des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG wurde damit lediglich um das Reiten erweitert. Damit berücksichtige man zugleich die Änderung des Bundeswaldgesetzes (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BWaldG), wonach neben anderen Benutzungsmöglichkeiten auch das Reiten im Wald auf Straßen und Wegen grundsätzlich gestattet ist (BayVerfGH v. 16.6.1975, Az. Vf. 13-VII-74, RdNr. 122). Eine weitergehende Einschränkung wurde damit in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG nicht aufgenommen.
Hierzu führt die Gesetzesbegründung zur Novelle 1982 aus:
„Absatz 1 Satz 1 in seiner bisherigen Fassung korrespondierte mit Art. 24 Abs. 2 Satz 1: Jedermann durfte auf Privatwegen wandern und ohne Motorkraft fahren, Reiten war nur auf solchen Flächen und Privatwegen erlaubt, die dafür eigens freigegeben waren. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 16. Juni 1975 (GVBI S.203) Art. 24 Abs. 2 Satz 1 für nichtig erklärt. Er hat in den Gründen der Entscheidung ausgeführt, daß der Gesetzgeber gemäß der Forderung des Art. 141 Abs. 3 Satz 1 Bayerische Verfassung das Reiten als Erholungsart auch auf Privatwegen grundsätzlich erlauben muß. Das Reiten ist nach der Entscheidung nicht nur auf den eigens dafür freigegebenen Privatwegen zulässig, sondern auf allen Wegen“ (Drucksache 9/10375 zu Nr. 22 zu Buchstabe b).
Darüber hinaus folgte der Gesetzgeber bezüglich der Schranken des Grundrechts weitgehend dem Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 16.06.1975, RdNr. 103 (siehe Drucksache 9/10375 zu Nr. 22 zu c) und d), Seite 27):
So ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zum Schutz vor nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen, wie sie in besonderem Maße bei der Ausübung der Betretungsbefugnis durch Reiter drohen, bestimmte Flächen in der freien Natur (z.B. landwirtschaftlich genutzte Flächen oder aus Gründen des Waldschutzes) durch ein Wegegebot vom Betretungsrecht der Reiter ausnimmt. In Gebieten, in denen durch regelmäßiges oder starkes Reitaufkommen erhebliche Schäden oder Beeinträchtigungen zu erwarten sind, kann der Gesetzgeber darüber hinaus das Reiten auf Wege oder sonstige Flächen beschränken, die dafür bestimmt sind, oder von einer besonderen Befugnis abhängig machen. Dort wo etwa durch ein starkes oder regelmäßiges Reitaufkommen erhebliche, nicht zumutbare Schäden an Grundstücken eintreten oder die Gefahr eines solchen Eintritts droht, darf der Gesetzgeber etwa durch die Zulassung von Sperren seitens des Grundeigentümers oder durch Reitbeschränkungen durch Einführung eines behördlichen Genehmigungsverfahrens unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. BVerfGE 20, 150/155 ff.), durch Anordnung einer Kennzeichnungspflicht oder Einführung einer Pflichtversicherung Rechnung tragen.
Zum Schutz der Grundstückseigentümer vor Reitschäden, die über ein zumutbares Maß hinausgehen, hatte der Gesetzgeber durch das Anfügen der Absätze 2 und 3 in Art. 26 BayNatSchG 1982 (jetzt
Art. 31 BayNatSchG) und mit der Anfügung eines neuen Absatzes 2 in Art. 25 (jetzt Art. 30 BayNatSchG) durch ein gesetzliches Wegegebot im Wald Rechnung getragen. Eine Pflichtversicherung für Reiter hatte er allerdings nicht eingeführt
und Reitsperren durch den Grundeigentümer hatte der Gesetzgeber auch nicht eigens zugelassen.
Missverständlich ist allerdings in der Gesetzesbegründung die Formulierung:
„Gemäß § 14 Abs. 2 Bundeswaldgesetz sei der Landesgesetzgeber befugt das Reiten auf geeignete Wege einzuschränken.“
Diese Einschätzung widerspricht allerdings ganz klar der Vorgabe der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. RdNrn. 103 (sh. oben) und 105):
Die vom Gesetzgeber in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG getroffene Regelung geht darüber hinaus und überschreitet die mit der Grundrechtsgewährleistung in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV zu vereinbarenden zulässigen Beschränkungen der Betretungsbefugnis der freien Natur einschließlich des Waldes durch Reiter indem sie unter Verzicht auf eine Interessenabwägung, auf eine tatbestandliche Festlegung der Voraussetzungen für Grundstückssperren und der Vorkehrungen für ein objektives Verfahren das Reiten auf Privatwegen in Feld und Wald sowie auf freien Flächen in der Natur schlechthin von einer Freigabe durch die dafür Verfügungsberechtigten abhängig macht.
Da unzumutbare Schäden durch Reiter auf Wegen nicht der Regelfall sind, ginge eine solche Regelung über die mit der Grundrechtsgewährleistung in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV zu vereinbarenden zulässigen Beschränkungen der Betretungsbefugnis der freien Natur hinaus. Eine Einschränkung des Reitens auf „geeignete Wege“ würde ein gesetzliches Verbot für das Reiten auf „ungeeigneten“ Wegen unter Verzicht eines objektiven Verfahrens bei der zuständigen Behörde zur Abwägung aller Interessen bedeuten. Zudem ist aus dem Gesetz selbst überhaupt nicht ersichtlich unter welchen Voraussetzungen dieses vermeintliche gesetzliche Verbot gelten sollte, da es tatbestandlich nicht umgrenzt ist.
Dies hinderte allerdings das Gericht, und später auch die Literatur und manche Behörde, nicht diese vermeintliche Regelungslücke zu schließen indem sie selbst Tatbestände kreierten.
Fortsetzung folgt...