Nochmal Ötztaler...
War zwar nicht fürs IBC-Team gemeldet, habe aber trotzdem die IBC-Fahne in Form der Hose hochgehalten.
Ich hoffe, man verzeiht mir meinen etwas längeren Bericht...
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Der Wecker klingelt um 4:45 Uhr... Unmenschlich früh - konnte aber eh seit ner halben Stunde davor nicht mehr schlafen... Leicht verpeilt laufe ich erstmal zum Bäcker rüber und hol Frühstück... Man wünscht mir einen "schönen Rundflug"... Kurz nach Sechs tappen wir Richtung Start. Es ist übelst kalt... Es sind schon viele Leute hier. Ich reihe mich hinten ein.
Es wird immer voller. Um 6:45 Uhr erfolgt er Startschuss. Es dauert weitere 10 Minunten, bis sich das Feld auch hier in Bewegung setzt... So - jetzt endlich geht es los... Es geht Richtung Ötz runter. Nach ein paar Kilometern muss ich bemerken, dass die neuen Knielinge, die ich gekauft habe, totaler Mist sind. Die Dinger rutschen die ganze Zeit runter, ich bin nur mit zurechtziehen beschäftigt...
Nach nicht mal 6km - ich ziehe mal wieder meine Knielinge zurecht - staut es plötzlich. Ich fahre fast auf meine Vorderfrau auf... Rechts im Graben sitz der erste Gestürzte. Er scheint aber schon versorgt zu sein. Er ist nur total bleich im Gesicht. Der Arme Kerl, für den ist die Sache vermutlich schon vorbei.... Bis Ötz fahren wir noch an einem weiteren Sturz vorbei. Es ist immer noch unglaublich kalt, die Finger sind klamm, ich kann kaum schalten.... Nach 45 Minuten Sind wir in Ötz und es geht in den ersten Anstieg ins Kühtai hinein.
Eigentlich läuft der Aufstieg ganz gut. Einig mein Schaltwerk rasselt, die kleinsten 2 Gänge knallen manchmal raus. Das ist natürlich nicht gut... Gestern wars noch ok.... Hab ich vergessen nach dem Wechsel des Hinterrads die Kassette nochmal nachzuziehen?? An der Steilstelle, an der noch zum´sätzlich eine Baustelle ist, staut es sich wieder. Alle steigen ab. Es geht erstmal gar nichts mehr. Langsam schieben alle durch die Engstelle... Ein Rettungswagen mit eingeschaltener Sirene quetscht sich durch das Fahrerfeld... Irgendwie stressig... Doch immerhin komme ich dazu meine Schaltung zu kontrollieren... Ich spanne den Zug nach. Danach rennt das Ding endlich wieder... Ich bin beruhigt, langsam aber sicher geht es weiter Richtung Gipfel. Der ist nach 2:33 erreicht. Im Nachhinein sagt man mir, dass es hier 4°C kalt war. Am Gipfel des Kühtais ist eine Labe. Ich fülle meine Flaschen und futtere erstmal ein Käsebrot und ein paar Neapolitaner. Die Abfahrt ist unglaublich kalt. Ich zittere, ich schätze mal das ganze Rad hat sich auf der Abfahrt geschüttelt... Die Abfahrt ist relativ gerade, es wären schon höhere Geschwindigkeiten möglich. Nachdem ich 2 weitere Stürze gesehen habe, sehe ich davon aber ab und fahre in moderatem Tempo ab.
Nach dem Kühtai geht es Rechts in Richtung Innsbruck. Jetzt folgt der Aufstieg auf der alten Brennerautobahn. Dieser Aufstieg ist nicht steil. Man hat mich aber vorab gewarnt, hier vorsichtig zu Werke zu gehen und nicht zu schnell zu fahren... Ich finde eine große Gruppe, die in einem Tempo fährt, das ich ganz locker mitgehen kann. In der Gruppe muss ich kaum arbeiten... Ich ess in Ruhe eine Banane und trinke meine Flaschen leer.. Nach insgesamt 5:19h erreiche ich die Labe oben auf dem Brenner... Ich greife wieder zu Neapolitanern und Käsebrot. Optimal, es ist nämlich Mittagszeit... ich bleibe nur 10 Minuten, ich möchte möglichst schnell an den Jaufenpass...
Bergab hänge ich mich an eine Gruppe von Italienern... Ein Fehler. Die Typen sind nur am Quatschen und schreien. Wenn sie nicht labern rotzen die Jungs Richtung Strassengraben... Nur so unkoordiniert, dass man als dahinterfahrender die Hälfte auf der Brille hat. Darauf kann ich verzichten. Ich lass mich zurückfallen und fahren alleine den Brenner runter.
Kurz vor dem Jaufen findet sich eine kleine Gruppe zusammen... Irgendwie komme ich in Zeitnot. Angeblich soll auf der anderen Seite des Jaufenpasses in St. Leonhard für alle Fahrer nach 15:30 Schluss sein... Einzuschätzen wie lange ich für Auf- und Abfahrt des Jaufens benötige, fällt mir schwer. Den Jaufen hinauf läuft es nicht so gut. Zum einen möchte ich nicht überdrehen - der schwerste Pass kommt ja noch - zum anderen ist da die Unsicherheit mit dem Zeitlimit....
Man fährt durch Bilderbuchlandschaften bergauf. Ansonsten ist der Pass recht gleichmässig zu fahren - Für die meisten zumindest - einige schieben hier schon. Ab die das Ziel wohl erreichen? Mich quälen hier bisher nur meine Knie, die etwas schmerzen, sonst ist alles ok...
14:29 erreiche ich die beeindruckende Passhöhe. Auch hier gibts eine Labe. Ich frage einen anderen Fahrer, wie lange die Abfahrt nach St. Leonhard dauert. Angeblich ist man in 40 Minunten unten... Oha - ganz schön knapp kalkuliert - demnach wäre ich 20 Minuten vor dem Zeitlimit unten... Also wieder nur eine kleine Pause... Hier merke ich, dass meine Fuss-Sohlen irgendwie verkrampfen... Sehr unschön - ich hoffe, dass mir das nicht noch zum Verhängniss wird... Ich begebe mich auf die Passabfahrt... Der Pass bergab ist total klasse.... So gefällt mir das: Serpentine reiht sich an Serpentine mit beeindruckenden Aussichten ins Tal. Tatsächlich bin ich um 15:15 unten...
Nach ein paar Hundert Metern beginnt der Aufstieg zum Timmelsjoch... "Jetzt gehts los" denke ich mir. Es folgt der längste und höchste Pass und das nach etwa 180km, 3000hm und über 8h im
Sattel... Dazu kommt, dass es hier unten knappe 30°C hat. Mir ist warm, meine Knie schmerzen heftiger... Es geht bergauf... Nach einer gefühlten Ewigkeit zappe ich durch meinen Radcomputer... Ich habe grade mal 150hm von 1700hm geschafft... Das kann ja heiter werden... Ich beschliesse mir vorerst nicht mehr die Höhenmeter anzuschauen... Ich finde langsam wieder in meinen Tritt... Taufrisch bin ich sicher nicht mehr, aber ich beginne viele andere zu überholen. Nach etwa der Hälfte des Anstiegs kommt wieder eine Labe... Einigen Mitfahrern sieht man hier die Erschöpfung sehr deutlich an. Mir kommt einer entgegen, der versucht eine Melone zu essen. Geschätzte 70% davon laufen ihm irgendwie das Gesicht wieder runter - er scheint es nicht zu merken, oder es ist ihm egal...
Viele hängen am Rand - haben Krämpfe. Ich hol mir noch eine Ladung Neapolitaner und ein Käsebrot. 2 Becher Cola gibts auch noch dazu. Direkt danach gehts weiter... Die Cola zeigt Wirkung, es geht ganz gut den Berg hoch. Dazu kommt, dass wir teilweise im Schatten fahren. Ich überhole weiter andere Fahrer. Viele sind völlig platt, hängen mit Krämpfen an den Leitplanken, kämpfen gegen ihren inneren Schweinehund, gegen Krämpfe oder mit dem letzten Essen.... Es gibt noch eine Labestation, die brauche ich nicht, habe noch genug zu trinken, fahre einfach weiter.
Es geht in immer kürzeren Serpentinen bergauf. Wir sind lang wieder über der Baumgrenze - es ist kalt. Die Strasse türmt sich im Berg nach oben. Ein tolles Bild... Überhaupt ist es ein klasse Bild, die Strasse nach unten anzusehen.
Weit kann es nicht mehr sein - langsam habe ich keine Lust mehr - es ist schon kurz vor sechs Uhr. Endlich geht es in den berühmten Tunnel. An dessen Ende geht es noch ein paar Meter, dann ist die Passhöhe erreicht... Ich schliesse wieder auf die labernden Italiener auf.
Irgendwie ist hier am Timmelsjoch aber Ruhe - Keiner redet mehr irgendetwas... Nur einer singt oder brüllt irgendetwas als wir im Tunnel sind... Nach dem Tunnel ist es nicht mehr lang und wir sind endlich an dem Schild, dass ich am Donnerstag schon gesehen hatte: "Passhöhe Timmelsjoch". Über der Strasse hängt ein Banner:
"Nun hast Du Deinen Traum"...
Es ist 18:00. Ich fahre rechts ran, ziehe meinen Windstopper an... Einige, die über die Passhöhe fahren, schreien ihre Freude raus - ob die wohl wissen, dass noch ein Gegenanstieg folgt?
Ich fahre wieder vorsichtig den Pass bergab. Ich bemerke, dass ich mal wieder vergessen habe meine Sonnenbrille aufzusetzen, die Augen tränen im Fahrtwind. Auf Anhalten habe ich jetzt aber keine Lust mehr. Ich sehe den Gegenanstieg, lass das Rad frei laufen um möglichst viel Schwung mit zu nehmen...
Am Gegenanstieg hört man lautes Fluchen, ich muss im Stehen treten, irgendwie sind die Beine komisch... Ein Bus überholt uns... Es ist der Bus mit den Fahrern die aufgeben mussten... Einige sehen richtig fertig aus...
18:10 ist der Gegenanstieg geschafft - ich fahre durch die Mautstation... Bis auf eine kleine Rampe kurz vor Sölden geht es jetzt nur noch bergab... Jetzt glaube ich erst, dass ich es vermutlich schaffen werde...
Gut, dass ich hier schonmal war - ich kenne die Kurven. Ich bin doch ganz schön platt... Es geht durch Obergurgl, Zwieselstein. Die kleine Rampe vor Sölden ist mir nun auch egal - ab hier passiert nichts mehr... Ich rolle nach Sölden hinein... Vorbei an unserer Ferienwohnung.... Ich halte Ausschau nach der Karin... Ich sehe sie erst kurz vor dem Ziel...
Ich freu mich tierisch... Rolle über die Ziellinie... 11 Stunden 42 Minuten habe ich gebraucht...
Endlich im Ziel...