Danke für die schönen Fotos!
Mich würde interessieren wie ihr für gewöhnlich an die actionfotos rangeht wenn alles scharf sein soll? Zeitenvorwahl so schnell als möglich und so langsam wie nötig, dass die Belichtung noch passt? Oder Manuell? Viel Iso hilft natürlich.
Und verlasst ihr Euch auf den Autofocus oder fokusiert ihr vor dem auslösen?
Ich bin zwar nicht gefragt, kann dir aber vielleicht trotzdem eine hilfreiche Antwort geben. Allerdings ist die Antwort wie so oft: Kommt drauf an.
Worauf kommt es an: erstens, was du fotografierst, zweitens womit du fotografierst und drittens - im Rahmen von erstens und zweitens - auf deine persönlichen Vorlieben.
Es gibt im Profi-Bereich Leute, die fotografieren praktisch alles auch heute noch komplett manuell inklusive Scharfstellen. Das geht, weil es praktisch immer einen Work-around gibt, schließlich gab es vor fünfzig Jahren auch schon tolle Action-Fotografie. Und es gibt genauso Leute, die praktisch immer dem Autofokus und einer Blenden- oder Zeitautomatik vertrauen, auch wenn man das gar nicht muss. Und es gibt viele, die wechseln je nach Situation. Den Resultaten sieht man die Methode fast immer nicht an.
Was man sagen kann: Heutige Top-Kameras der großen Hersteller für Sport sind so gut, dass man unter sehr vielen Bedingungen mit dem Autofokus eine so hohe Hit-Rate hat, dass man das Risiko, dass der Autofokus daneben liegt, fast immer eingehen kann (denn es ist verschwindend gering). Einzige Ausnahmen: sehr geringe Kontraste, insgesamt sehr wenig Licht oder sehr starkes Gegenlicht. Und natürlich Anwenderfehler! Wer mit Autofokus fotografiert, sollte über sein Equipment Bescheid wissen und im Falle die richtigen Einstellungen vornehmen. Zum Beispiel nutzen viele die Einstellung von Autofokus-Sensitivität gar nicht oder gar falsch (Details würden hier zu weit führen, gibt aber im Netz genug Foto-Content, um sich einfach schlau zu machen.) Zudem braucht es für manche Anwendungsfälle mit Autofokus entsprechende Objektive mit schnellen Stellmotoren, bei anderen Szenarien ist das egal.
Kameramodelle, die unter der Topklasse liegen, haben zwar oft die Sensoren geerbt, es fehlt ihnen aber die Rechenpower, um das Potential der Sensoren komplett auszunutzen. Auch hier kommt es auf die Situation an, wie schnell die Kamera sein muss, ob das einen Unterschied macht. Deutlich öfter dürfte in dem Fall aber das Objektiv der limitierende Faktor sein, denn selten sieht man an günstigeren Kameras teure Objektive, eher umgekehrt. (Lustigerweise ist der wesentliche Grund, warum Profis Profikameras kaufen, deren Robustheit und nicht primär deren Elektronik. Bei Objektiven ist das anders.)
Was jetzt die Belichtungszeit betrifft, kommt es einfach darauf an, wie schnell sich dein Objekt quasi über den Sensor bewegt. Innerhalb der Belichtungszeit darf sich das Objekt nicht über mehr Pixel hinweg bewegen, als was du hinterher hinsichtlich Pixel noch als scharf am Bild erkennen kannst. Das mag je nach Ausgabemedium und Anspruch ganz unterschiedlich sein. Kann man sich am besten für die eigenen Bedürfnisse mal exemplarisch mit einem Zug oder Autos auf einer Landstraße erarbeiten, wo da die Grenzen liegen. Es gibt die Faustregel, dass Weitwinkel kürzere Zeiten brauchen (genau anders herum wie hinsichtlich Verwackeln), das rechnet aber ein, dass dann das Objekt meist recht nah vorbeikommt und man nicht mitzieht. Dann zieht eben das Objekt schnell vor dem Sensor vorbei und man braucht kurze Belichtungszeiten. Bei langen Brennweiten zieht man eher mit oder das Objekt ist recht klein im Bild, sonst würde man es ja nicht erwischen, weshalb sich da das Objekt relativ eher langsamer vor dem Sensor bewegt. Aber da gibt es natürlich tausend Ausnahmen.
Hinsichtlich ISO kann man sagen, dass die meisten ernsthaften Fotografen eh RAW fotografieren, und da ist ISO praktisch egal, solange man sich in der richtigen Gain-Stufe der Kamera bewegt. Ob die Verstärkung des Signals in der Kamera oder später am Rechner in der Bearbeitungssoftware stattfindet, macht kaum einen Unterschied. Die Bit-Tiefe der RAW Daten erlaubt da meistens genug Spielraum für nachträgliche Level-Anhebungen ohne irgendwelche Bandeffekte. (Damit ist auch schon gesagt, warum das bei JPG einen Unterschied macht, denn JPG ist nur 8 Bit.) Und falls jemand nicht weiß, was mit Gain-Stufen gemeint ist, der macht sich am besten mal im Netz schlau. „photons to photos“ ist da ein empfehlenswerter Anlaufpunkt.
Was schließlich noch die Frage manueller Fokus aka Pre-Fokus oder Autofokus betrifft, hängt es außer von der Kamera vor allem davon ab, ob man weiß, wo die Action stattfindet. Weiß man das, ist das Vor-Fokussieren sicherlich die sichere Variante. Allerdings ist das Einschätzen von Abständen manchmal schwieriger, als man denkt, wenn Leute große Sprünge machen. Auch zu beachten ist beim Pre-Fokus, ob das Objektiv tatsächliche Schärfenebenen hat oder es evtl sphärische Abweichungen gibt. (Ansonsten immer mit dem Punkt vorfokussieren, wo später das Objekt im Bild ist.) Letztlich kommt es meistens darauf an, wie tief der Schärfenbereich sein soll oder sein kann. Wenn der Hintergrund weit weg ist im Vergleich zum Objekt oder sehr homogen oder schön ist und deshalb nicht sehr unscharf sein muss oder soll, dann kann man die Blende zumachen - genug Licht vorausgesetzt - und der Schärfebereich ist so groß, dass Vorfokussieren kein Problem ist. Soll der Hintergrund aber maximal unscharf werden oder ist der Hintergrund sehr nah am Objekt, muss man die Blende maximal aufmachen und damit wird der Bereich der Schärfe eventuell sehr dünn. Das geht dann oft nur mit Autofokus, weil da manchmal Zentimeter etwas ausmachen. Ob das fotografisch aber Sinn macht, muss man wissen. Ich kann zB aus eigener Erfahrung sagen, dass wenn man einen Biker mit einem 70-200 mm Tele am langen Ende mit 2.8 Blende relativ formatfüllend auf einen zukommend fotografiert und dabei auf den Lenker scharfstellt, dann ist das Hinterrad schon so unscharf, dass es mich bei allen sonstigen Vorzügen der Einstellungen meistens so sehr stört, dass ich das vermeiden würde (es sei denn, das ist aus bestimmten Gründen gewollt, aber ansonsten ist ein Rad halt ein Rad und sollte also solches ganz erkennbar sein).
So, genug Text zum neuen Jahr. Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen etwas weiter.
PS: Die Aussagen gelten vor allem auch hinsichtlich des letzten Beispiels für klassische digitale Kleinbildkameras. Handy-Fotografie mit winzigen Sensoren und einem hohen Anteil an Computing Photography ist ein anderes Thema.