Der Anlass für diesen Thread ist, dass ich mich letztlich mit 29er-Geometrien auseinandergesetzt habe, da ich eine Kaufentscheidung für ein 29er treffen wollte (und getroffen habe).
Dabei sind mir einige Zusammenhänge aufgefallen, die ich hier darstellen möchte.
Wen es nicht interessiert: Nicht lesen. Wenn dieser Thread woanders besser aufgehoben ist An den Moderator: Bitte verschieben! Alle anderen: Kommentiert, ergänzt, zerreisst alles oder schweigt.
Viel Spaß!
Inhalt
#1 Je größer das Laufrad, desto größer der Reach.
#2 Je steiler der Lenkwinkel, desto größer der Reach.
#3 Je niedriger der Stack, desto größer der Reach.
#4 Je niedriger das Tretlager, desto länger der Reach.
#5 Fazit
#1
Die Laufradgröße hat einen Einfluss auf die Bike-Geometrie der bewirkt, dass bei gleichem Stack und gleichem Radstand gilt:
Je größer das Laufrad, desto größer der Reach.
Dieser Effekt kann am einfachsten mit einer Skizze veranschaulicht werden. Nehmen wir also folgendes Bike mit 26 Zoll Rädern an:
Um größere Laufräder zu ermöglichen wird die Radachse angehoben, die Tretlagerhöhe aber beibehalten:
Mit der Radachse wandert die Gabel nach oben. Dadurch wandert die Gabel automatisch auch weiter nach vorne. Hier ist die Darstellung etwas übertrieben um den Effekt zu verdeutlichen.
Daher soll die folgen Grafik den tatsächlichen Einfluss zeigen:
Unter den Voraussetzungen
hat das 29er im Vergleich zum 26er einen ca. 12mm längeren Reach.
Einfluss auf den Reach bei allen drei Laufradgrößen:
#2
Der Lenkwinkel hat einen Einfluss auf die Bike-Geometrie der bewirkt, dass bei gleichem Stack und gleichem Radstand gilt:
Je steiler der Lenkwinkel, desto größer der Reach.
Ein steilerer Lenkwinkel wird häufig eingesetzt, um Bikes einen lebendigen Charakter zu verleihen. Gerade bei Bikes, die aufgrund ihrer Auslegung und Ausstattung in der Regel langsam gefahren werden ist das ein erwünschtes Merkmal. Auch bei 29ern wird ist Lenkwinkel oftmals etwas steiler, um die Trägheit der Laufräder zu kompensieren.
Bei gleichbleibendem Radstand hat das Aufsteilen des Lenkwinkels einen Reach-verlängernden Effekt:
Der Einfluss des Lenkwinkels ist abhängig vom Stack. Bei einem Stack von 600mm bewirkt ein 1° steilerer Lenkwinkel bei gleichbleibender Vorderbaulänge eine Verlängerung des Reach um ca. 10mm.
Einfluss des Lenkwinkels bei verschiedenen Änderungen:
#3
Dadurch, dass die Gabel nicht senkrecht steht sondern sich nach vorne reckt, ist es auch entscheidend, auf welcher Höhe der Reach gemessen wird. Es gilt daher auch:
Je niedriger der Stack, desto größer der Reach.
Moderne Rahmen weisen häufig ein kurzes Steuerrohr auf:
Der Effekt fällt bei einem flachen Lenkwinkel deutlicher aus als bei einem steilen Winkel. Bei einem Lenkwinkel von 66° führt eine Verkürzung des Steuerrohrs um 25mm bei gleichbleibender Vorderbaulänge zu einer Verlängerung des Reach um ca. 10mm.
Doch warum haben moderne Rahmen häufig ein kurzes Steuerrohr? Das kurze Steuerohr wird verbaut, um der niedrigen Tretlagerhöhe gerecht zu werden und den Fahrer insgesamt tiefer über dem Bike zu positionieren. Daher…
#4
…gilt bei gleichem Stack und bei gleichbleibender Vorderbaulänge auch:
Je niedriger das Tretlager, desto länger der Reach.
Kompensations-Möglichkeiten
Ein längerer Reach ist nicht per se besser. Er muss schlicht zur Größe des Fahrers, zum Fahrstil und zur Auslegung des Bikes passen. Die dargestellten Zusammenhänge habe ich im Bezug auf eine gesetzte Vorderbaulänge formuliert.
Möglichkeit 1: Ein kürzerer Radstand
Die Vorderbaulänge natürlich auch eine variable Größe. Reach-Verlängernden Effekten kann entgegengewirkt werden, indem der Vorderbau (und somit auch der Radstand) verkürzt wird:
Mit dieser Maßnahme ist der Vorderbau beim 29er ca. 17mm kürzer im Vergleich zum entsprechenden 27,5 Zoll Bike mit 1° flacherem Lenkwinkel.
Beim 29er wird ein etwas längerer Hinterbaualso mit einem etwas kürzeren Vorderbau kombiniert. Das Vorderrad rückt etwas nach hinten „unter“ den Biker. Beide Merkmale positionieren den Biker somit weiter vorne auf dem Bike.
Wie sinnvoll ist diese Maßnahme? Nun, es kommt auf das Einsatzgebiet an.
Ich formuliere es mal positiv: Größere Laufräder lassen durch den beschriebenen Effekt eine kürzere und damit agilere Geometrie zu, ohne dass das Bike für den Fahrer zu klein wird.
Möglichkeit2: Ein größerer Gabel-Offset
Der Gabel-Offset kann ebenfalls eingesetzt werden, um bei gleichbleibendem Radstand zu einer Verkürzung des Reach zu kommen. Durch den „Offset“ sitzt das Vorderrad vor der Drehachse des Gabelschaftes. Ist dieser Offset größer, kann der Steuerkopf entsprechend nach hinten rücken.
Eine 29er-Gabel mit 51mm Offset kompensiert bei gleichem Lenkwinkel die Reach-Verlängerung perfekt. Der Reach und Vorderbaulänge sind dieselben wie beim entsprechenden 27,5er Bike. Der Nachlauf ist ebenfalls identisch:
Möglichkeit 3: Ein kürzerer Vorbau
Da für die Position des Bikers über dem Bike die Kontaktpunkte entscheidend sind, kann ein langer Reach natürlich auch mit einem kürzeren Vorbau ausgeglichen werden.
Auf einem langen Rahmen mit steilem Lenkwinkel und einer Gabel mit klassischem Offset führt der kurze Vorbau zu einer vergleichbaren Körperposition wie über einem kürzeren Rahmen mit flacherem Lenkwinkel und längerem Vorbau.
Ob das durch diese Maßnahme lebendiger werdende Lenkverhalten ein positiver oder negativer Nebeneffekt ist kommt auf den Einsatzbereich und die Vorlieben des Bikers an.
Um beim 29er dieselbe Schwerpunktlage des Bikers zu erreichen wie bei 26 oder 27,5 Zoll Bikes muss ein ca. 1,5 - 2cm kürzerer Vorbau mit einem entsprechend längeren Rahmen kombiniert werden.
#5 Fazit:
Die Weiterentwicklung der 29er-Geometrien hängt unter anderem zusammen mit der Verfügbarkeit von 29er-Gabeln mit angepasstem Offset. Mit diesen können heute 29er konstruiert werden, die in jedem Einsatzbereich einen vergleichbaren Lenkwinkel und Reach haben wie das entsprechende 26-Zoll oder 27,5-Zoll-Bike.
Durch die verfügbare Bandbreite an verschieden langen Rahmen mit verschiedenen Lenkwinkeln – selbst innerhalb einer Bike-Kategorie, durch verschieden langen Vorbauten und Gabeln mit verschiedenen Offsets hat jeder Biker heute unzählige Möglichkeiten, das für sich und seinen Einsatzbereich optimal passende Bike zu konzipieren.
Die „Dunkle Seite“ dieser Bandbreite ist jedoch, dass auch das Risiko groß ist, anhand von Geometrie-Daten falsche Rückschlüsse auf das Fahrverhalten zu ziehen oder gar eine Kaufentscheidung auf Basis falscher Annahmen zu treffen.
Zu einer kurzen Faustregel zusammengefasst:
Bei gleichem Radstand ist der Reach um so größer, je größer die Laufräder, je tiefer das Tretlager, je kürzer das Steuerrohr und je steiler der Lenkwinkel ist.
Spätestens wenn ein Rahmen zwei dieser Merkmale aufweist kann man sicher sein, dass das Konzept „langer Rahmen plus kurzer Vorbau“ aufgeht.
In diesem Sinne – weiterhin viel Spaß beim Testen, Vergleichen, Biken und Fachsimpeln!
Dabei sind mir einige Zusammenhänge aufgefallen, die ich hier darstellen möchte.
Wen es nicht interessiert: Nicht lesen. Wenn dieser Thread woanders besser aufgehoben ist An den Moderator: Bitte verschieben! Alle anderen: Kommentiert, ergänzt, zerreisst alles oder schweigt.
Viel Spaß!

Inhalt
#1 Je größer das Laufrad, desto größer der Reach.
#2 Je steiler der Lenkwinkel, desto größer der Reach.
#3 Je niedriger der Stack, desto größer der Reach.
#4 Je niedriger das Tretlager, desto länger der Reach.
#5 Fazit
#1
Die Laufradgröße hat einen Einfluss auf die Bike-Geometrie der bewirkt, dass bei gleichem Stack und gleichem Radstand gilt:
Je größer das Laufrad, desto größer der Reach.
Dieser Effekt kann am einfachsten mit einer Skizze veranschaulicht werden. Nehmen wir also folgendes Bike mit 26 Zoll Rädern an:

Um größere Laufräder zu ermöglichen wird die Radachse angehoben, die Tretlagerhöhe aber beibehalten:

Mit der Radachse wandert die Gabel nach oben. Dadurch wandert die Gabel automatisch auch weiter nach vorne. Hier ist die Darstellung etwas übertrieben um den Effekt zu verdeutlichen.
Daher soll die folgen Grafik den tatsächlichen Einfluss zeigen:

Unter den Voraussetzungen
- „gleicher Radstand“ (oder exakter „gleiche Vorderbaulänge“)
- „gleicher Lenkwinkel“
- „gleicher Stack“
hat das 29er im Vergleich zum 26er einen ca. 12mm längeren Reach.
Einfluss auf den Reach bei allen drei Laufradgrößen:
- 26 à 27,5: ca. +5mm Reach
- 27,5 à 29: ca. +7mm Reach
- 26 à 29: ca. +12mm Reach
#2
Der Lenkwinkel hat einen Einfluss auf die Bike-Geometrie der bewirkt, dass bei gleichem Stack und gleichem Radstand gilt:
Je steiler der Lenkwinkel, desto größer der Reach.
Ein steilerer Lenkwinkel wird häufig eingesetzt, um Bikes einen lebendigen Charakter zu verleihen. Gerade bei Bikes, die aufgrund ihrer Auslegung und Ausstattung in der Regel langsam gefahren werden ist das ein erwünschtes Merkmal. Auch bei 29ern wird ist Lenkwinkel oftmals etwas steiler, um die Trägheit der Laufräder zu kompensieren.
Bei gleichbleibendem Radstand hat das Aufsteilen des Lenkwinkels einen Reach-verlängernden Effekt:

Der Einfluss des Lenkwinkels ist abhängig vom Stack. Bei einem Stack von 600mm bewirkt ein 1° steilerer Lenkwinkel bei gleichbleibender Vorderbaulänge eine Verlängerung des Reach um ca. 10mm.
Einfluss des Lenkwinkels bei verschiedenen Änderungen:
- 66°à67°: ca. +10mm Reach
- 66°à68°: ca. +20mm Reach
- 66° à 69°: ca. +30mm Reach
#3
Dadurch, dass die Gabel nicht senkrecht steht sondern sich nach vorne reckt, ist es auch entscheidend, auf welcher Höhe der Reach gemessen wird. Es gilt daher auch:
Je niedriger der Stack, desto größer der Reach.
Moderne Rahmen weisen häufig ein kurzes Steuerrohr auf:

Der Effekt fällt bei einem flachen Lenkwinkel deutlicher aus als bei einem steilen Winkel. Bei einem Lenkwinkel von 66° führt eine Verkürzung des Steuerrohrs um 25mm bei gleichbleibender Vorderbaulänge zu einer Verlängerung des Reach um ca. 10mm.
Doch warum haben moderne Rahmen häufig ein kurzes Steuerrohr? Das kurze Steuerohr wird verbaut, um der niedrigen Tretlagerhöhe gerecht zu werden und den Fahrer insgesamt tiefer über dem Bike zu positionieren. Daher…
#4
…gilt bei gleichem Stack und bei gleichbleibender Vorderbaulänge auch:
Je niedriger das Tretlager, desto länger der Reach.
Kompensations-Möglichkeiten
Ein längerer Reach ist nicht per se besser. Er muss schlicht zur Größe des Fahrers, zum Fahrstil und zur Auslegung des Bikes passen. Die dargestellten Zusammenhänge habe ich im Bezug auf eine gesetzte Vorderbaulänge formuliert.
Möglichkeit 1: Ein kürzerer Radstand
Die Vorderbaulänge natürlich auch eine variable Größe. Reach-Verlängernden Effekten kann entgegengewirkt werden, indem der Vorderbau (und somit auch der Radstand) verkürzt wird:

Mit dieser Maßnahme ist der Vorderbau beim 29er ca. 17mm kürzer im Vergleich zum entsprechenden 27,5 Zoll Bike mit 1° flacherem Lenkwinkel.
Beim 29er wird ein etwas längerer Hinterbaualso mit einem etwas kürzeren Vorderbau kombiniert. Das Vorderrad rückt etwas nach hinten „unter“ den Biker. Beide Merkmale positionieren den Biker somit weiter vorne auf dem Bike.
Wie sinnvoll ist diese Maßnahme? Nun, es kommt auf das Einsatzgebiet an.
Ich formuliere es mal positiv: Größere Laufräder lassen durch den beschriebenen Effekt eine kürzere und damit agilere Geometrie zu, ohne dass das Bike für den Fahrer zu klein wird.
Möglichkeit2: Ein größerer Gabel-Offset
Der Gabel-Offset kann ebenfalls eingesetzt werden, um bei gleichbleibendem Radstand zu einer Verkürzung des Reach zu kommen. Durch den „Offset“ sitzt das Vorderrad vor der Drehachse des Gabelschaftes. Ist dieser Offset größer, kann der Steuerkopf entsprechend nach hinten rücken.
Eine 29er-Gabel mit 51mm Offset kompensiert bei gleichem Lenkwinkel die Reach-Verlängerung perfekt. Der Reach und Vorderbaulänge sind dieselben wie beim entsprechenden 27,5er Bike. Der Nachlauf ist ebenfalls identisch:

Möglichkeit 3: Ein kürzerer Vorbau
Da für die Position des Bikers über dem Bike die Kontaktpunkte entscheidend sind, kann ein langer Reach natürlich auch mit einem kürzeren Vorbau ausgeglichen werden.
Auf einem langen Rahmen mit steilem Lenkwinkel und einer Gabel mit klassischem Offset führt der kurze Vorbau zu einer vergleichbaren Körperposition wie über einem kürzeren Rahmen mit flacherem Lenkwinkel und längerem Vorbau.
Ob das durch diese Maßnahme lebendiger werdende Lenkverhalten ein positiver oder negativer Nebeneffekt ist kommt auf den Einsatzbereich und die Vorlieben des Bikers an.

Um beim 29er dieselbe Schwerpunktlage des Bikers zu erreichen wie bei 26 oder 27,5 Zoll Bikes muss ein ca. 1,5 - 2cm kürzerer Vorbau mit einem entsprechend längeren Rahmen kombiniert werden.
#5 Fazit:
Die Weiterentwicklung der 29er-Geometrien hängt unter anderem zusammen mit der Verfügbarkeit von 29er-Gabeln mit angepasstem Offset. Mit diesen können heute 29er konstruiert werden, die in jedem Einsatzbereich einen vergleichbaren Lenkwinkel und Reach haben wie das entsprechende 26-Zoll oder 27,5-Zoll-Bike.
Durch die verfügbare Bandbreite an verschieden langen Rahmen mit verschiedenen Lenkwinkeln – selbst innerhalb einer Bike-Kategorie, durch verschieden langen Vorbauten und Gabeln mit verschiedenen Offsets hat jeder Biker heute unzählige Möglichkeiten, das für sich und seinen Einsatzbereich optimal passende Bike zu konzipieren.
Die „Dunkle Seite“ dieser Bandbreite ist jedoch, dass auch das Risiko groß ist, anhand von Geometrie-Daten falsche Rückschlüsse auf das Fahrverhalten zu ziehen oder gar eine Kaufentscheidung auf Basis falscher Annahmen zu treffen.
Zu einer kurzen Faustregel zusammengefasst:
Bei gleichem Radstand ist der Reach um so größer, je größer die Laufräder, je tiefer das Tretlager, je kürzer das Steuerrohr und je steiler der Lenkwinkel ist.
Spätestens wenn ein Rahmen zwei dieser Merkmale aufweist kann man sicher sein, dass das Konzept „langer Rahmen plus kurzer Vorbau“ aufgeht.
In diesem Sinne – weiterhin viel Spaß beim Testen, Vergleichen, Biken und Fachsimpeln!
Zuletzt bearbeitet: