Gebogen oder nicht gebogen ...
Kann zufällig jemand hier Finite Elemente simulieren?
Fänd ich auch spannend.
Zwei Sachen will ich mir zu Herzen nehmen; die Physik und das Hinterfragen Dahergeschriebenem, wie Wolf Schneider es empfieht.
Natürlich erklärt es die Physik. Nur wie sie es erklärt, erklärt sich mir aus dem hier Geschriebenen noch nicht.
So habe ich mir das ein oder andere erlesen und erklären lassen. Christian Smolik schreibt:
http://www.smolik-velotech.de/glossar/g_GABEL.htm
„Federwirkung
Der Fahrkomfort eines Rades wird entscheidend durch die Federwirkung der Gabel bestimmt. Diese Wirkung ist abhängig von Vorbiegung und Dimensionierung der unteren Gabelbeinenden und auch der Werkstoff (Elastizitätsmodul) spielt eine Rolle.
Gabelbeine aus Aluminium weisen eine noch bessere Federungwirkung … (Anm.: das wurde hier auch schon anders gesehen, aber bisher noch nicht kritisiert) … und damit höheren Fahrkomfort auf als solche aus Stahl (1/3 des Elastizitätsmoduls), solche aus Carbon reduzieren sie (je nach Bauweise bis zum doppelten Elastizitätsmodul von Stahl).
Die Gabeln alter Rennräder sind ein klassisches Beispiel für einen idealen Kraftflußverlauf, da sich mit zunehmendem Hebelarm (vom Ausfallende zum Gabelkopf hin) der Rohrdurchmesser erhöht, womit die Biegesteifigkeit kontinuierlich zunimmt.“
Herr Smoliks Werke sind eigentlich über jeden Zweifel erhaben.
Ein Freund erklärt mir:
„Stelle Dir eine übertrieben gebogene Gabel vor, dann leuchtet es Dir schon von selbst ein, dass die gebogene Gabel mehr Federwirkung zeigt, als eine gerade.“
Hab ich gemacht und kann ich mir zunächst gut vorstellen:

Die Komfortgabel von Holger Koch.
https://www.fahrrad-rat.de/technische-faktoren-der-rahmengeometrie.html
Auf seiner Seite schreibt er:
„Gebogene Gabelscheiden sorgen für einen gewissen Federungskomfort (vertikale Elastizität). Dieser wird umso größer, je kleiner der Biegeradius und je größer der Versatz. Der Effekt wirkt umso stärker, je flacher der Lenkkopfrohrwinkel ist, denn die Ausschläge einer steilen Gabel tragen zur Vertikalfederung nur geringfügiger bei.“
Die Herren Smolik und Koch sind sich also einig, Herr Koch beschreibt es ein bisschen ansehnlicher, find ich.
Nun sollte es eigentlich angekommen sein. So scheint also die gesamte Starrgabel-Sportradbranche dem Colnago-Marketing auf den Leim gegangen zu sein, denn alle bauen sie gerade Gabeln.
Aber,
Beim Biegen entstehende Spannungen wirken sich also auf die Elastizität des Rohres aus. Und ein Maschinenbauer erklärt mir, jede Kaltverformung führe zu einer Versteifung des Materials, was man sich gut vorstellen könne; biege man es hin und her und hin und her …, so versteife jeder Biegevorgang das Material ein bisschen mehr, bis es bricht. Der Test mit der Büroklammer hat es bestätigt.
Wenn die Rohre der gebogenen Gabelscheiden in ihrem Herstellungsprozess schon in ihre gebogene Form gezogen und anschließend so vergütet würden, wäre es für mich klarer. Ich nehme aber an, dass die Gabelscheiden nach der Vergütung aus einem geraden Rohr gebogen werden, so wie es Mattia Paganotti in seinem Video bei etwa 1:52 min zeigt. Er biegt mit dem von Piero Serena geerbten
Werkzeug die Gabelscheiden kalt.
bei 1:52 min.
Ich betrachte zwei gleichartige Gabeln, die sich zum Ausfallende hin verjüngen. Die Biegung der Rechten würde ich als üblich für sportliche Räder bezeichnen und ist deutlich geringer als die der Koch-Komfortgabel.
Nochmal zu Herrn Koch:
„Gebogene Gabelscheiden sorgen für einen gewissen Federungskomfort (vertikale Elastizität). Dieser wird umso größer, je kleiner der Biegeradius und je größer der Versatz. Der Effekt wirkt umso stärker, je flacher der Lenkkopfrohrwinkel ist, denn die Ausschläge einer steilen Gabel tragen zur Vertikalfederung nur geringfügiger bei.“
Da die Ausfallenden beider Gabeln am gleichen geometrischen Punkt ankommen wollen, ist der Winkel der geraden Gabelscheiden notwendigerweise im oberen Dreiviertel (?) flacher als der Winkel der Gebogenen. Damit kann die gerade Gabel dort im Vergleich zur gebogenen Gabel an gleicher Stelle elastischer auf Impulse von der Straße reagieren. Im unteren Viertel (?), dem dünneren und damit schon elastischeren Teil der Gabel kommt die Biegung und der Versatz der von Koch beschriebenen Vertikalfederung der gebogenen Gabel zugute. In welchem Maße nun das eine oder andere sich hervortut, weiß ich nicht. Fraglich bleibt für mich auch, in wieweit Druckspannung und Streckdehnung aus dem Biegevorgang den Vorteil der gewöhnlichen gebogenen Gabel wieder reduzieren. Bei Herrn Kochs Komfortgabel kann ich mir vorstellen, dass für die Elastizität die Vorteile aus der intensiv gebogenen Form gegenüber den Nachteilen des Biegevorgangs überwiegen. Ist das bei „normal“ gebogenen Gabeln an sportlichen Rädern auch so?
Ich zweifle nicht an der Fachkenntnis der Herren Smolik und Koch. Da sich aber nicht weniger plausible Erklärungen zu Elastizitätsveränderung durch Biegung finden, könnte ich mir auch vorstellen, dass an den beschriebenen Erkenntnissen der Herren Colnago und Ferrari doch ein bisschen was dran ist.
Vielleicht gibt es hier ja Wissende, die ihre Kenntnisse verständlich und erhellend teilen möchten.