Hallo zusammen,
ich denke es ist mal wieder Zeit, etwas Licht ins Dunkel zu bringen
vorab aber erst einmal vielen Dank an Dani+L&S für ihre ausführlichen Erklärungen.
So, jetzt weiß ich eigentlich gar nicht wo ich zuerst anfangen soll, so umfangreich ist das Thema. Wie ihr ja alle wisst, gibt es unterschiedliche Hinterbausysteme. Eingelenker, Viergelenker, abgestützte Eingelenker usw..
Und so wie jedes Hinterbausystem, richtiger gesagt, so wie jede Hinterbau-Kinematik, auf den Kettenzug reagiert, reagiert jede Hinterbau-Kinematik auch irgendwie auf die eingeleiteten Bremskräfte. Eine Sonderstellung haben Bikes mit zusätzlicher Bremsmomentabstützung. Aber die lassen wir hier mal außen vor.
Wie gesagt, jede Hinterbau-Kinematik reagiert irgendwie auf die eingeleiteten Bremskräfte. Einen absolut Bremsneutralen Hinterbau gibt es nicht! Es gibt Hinterbaukonstruktionen die stärker auf die eingeleiteten Bremskräfte reagieren und welche, die weniger stark reagieren. So und jetzt wird`s schon komplizierter.
Manche Hinterbau-Kinematiken neigen dazu, beim
Bremsen auszufedern, andere einzufedern.
Jetzt stehe ich persönlich vor einem großen Rätsel?!
Ich glaube, hier wird ein Begriff, nämlich das Bremsverhärten (oder verhärten des Hinterbaus beim
Bremsen) ungewollt eingesetzt, bzw. falsch eingesetzt?!
Am Liteville 301 wird von einem Bremsverhärten gesprochen, weil beim
Bremsen ein Ausfedern des Hinterbaus zu sehen ist. Aber: das typische Bermsverhärten oder auch das echte Bremsverhärten, kennen wir von Eingelenkern. Und diese wiederum federn beim
Bremsen nicht aus, sondern ein!
Sicherlich kann, bzw. könnte ein Hinterbausystem, welches beim
Bremsen ausfedert, ein verhärten des Hinterbaus verursachen. Die Gretchen-Frage ist allerdings: Wie stark federt der Hinterbau bei
Bremsen aus?
Und mit wie stark meine ich nicht wie weit er ausfedert, sondern mit welcher Kraft federt er aus! Je größer die Kraft ist, mit der er ausfedert, desto stärker würde er verhärten.
Aber: Die Kräfte, welche den Hinterbau des Liteville 301 (und auch andere Mehrgelenker) ausfedern lassen, sind sehr gering. Das Ausfedern am Liteville 301 kommt nur zu einem sehr geringen Teil von den Bremseinflüssen. Vielmehr hat das Ausfedern mit dem relativ geringen Sag zu tun, den wir an unserem Liteville 301 fahren. Dazu kommt noch ein super leichtgängiger Hinterbau. Andere Hersteller mit schwergängigen Hinterbauten vertuschen nicht nur die Wipptendenz ihrer Bikes mit ihrem schwergängigen Hinterbauten, sondern auch das ausfedern solcher Hinterbauten wird dadurch gebremst. Das ist weiter nicht schlimm, sollte man allerdings wissen.
Genau wie beim Überprüfen, ob ein Fully wippt, schaut der Fahrer bei der Bremsprobe auf den Umlenkhebel am Bike. Der Hebel des einen Bikes macht mehr Weg, der Hebel des anderen Bikes macht weniger Weg.
Das ist aber so nicht richtig: Je nach Kinematik der Hinterbauten Lügen uns die Hebel der verschiedenen Bikes an.
Denn: Je nach Kinematik des Hinterbaus sind zwischen Hebelweg und tatsächlichem Weg (Weg den die Hinterradnabe zurück legt) riesige (bis zu 4 Mal soviel) Unterschiede!!!
Der allerwichtigste, von mir noch nicht angesprochene Punkt, ist jedoch, die dynamische Radlastverteilung beim
Bremsen.
Was geschieht?
Der Fleischklops auf dem Rad (also der Fahrer) ist mit Geschwindigkeit X unterwegs. Durch das Abbremsen will das Bike stehen bleiben, der Fahrer aber nicht. Er stützt sich über den Lenker ab, damit er nicht nach vorne über das Bike fliegt.
An einem Hardtail mit Starrgabel würde jetzt gar nichts passieren.
An einem Hardtail mit Federgabel wird die Federgabel (auf Grund der Gewichtsverlagerung des Fahrers nach vorne) einfedern, der Hinterbau macht gar nichts, kann er ja auch nicht, weil er starr ist.
Am Fully wird natürlich auch die Federgabel (auf Grund der Gewichtsverlagerung des Fahrers nach vorne) einfedern. Zeitgleich muss der Hinterbau aber auch ausfedern, weil das Gewicht des Fahrers durch das
Bremsen ja nach vorne verlagert wird und der Hinterbau somit entlastet wird.
Erstes Fazit: Beim
Bremsen muss die Federgabel ein und der Hinterbau ausfedern!
Egal, ob ihr mit der Vorderradbremse oder mit der Hinterradbremse bremst.
Macht selbst den Test: Bremst euer Bike einmal mit der Vorderradbremse ab und dann einmal mit der Hinterradbremse! Ihr werdet am Hinterbau die gleiche (oder zumindest eine sehr ähnliche) Bewegung sehen.
Allerdings werden jetzt vielleicht auch einige von euch testen und etwas anderes feststellen. Nämlich Besitzer von gewissen Fremdfabrikaten. Es gibt Bikes bei denen beim
Bremsen mit der Hinterradbremse nichts passiert. Das heißt der Hinterbau federt nicht aus, meist federt die Federgabel nicht mal sonderlich stark ein. Das sieht in der Ebene zwar gut aus und fühlt sich auf ebener Straße auch gut an, aber: Durch das
Bremsen federt der Hinterbau ein und verhärtet. Und zwar so sehr, dass dadurch sogar die Gewichtsverlagerung des Fahrers teilweise kompensiert wird. Jetzt sind wir wieder dort angelangt, wo ich angefangen habe
nämlich das ich glaube, dass hier der Begriff Bremsverhärten falsch, bzw. ungewollt falsch eingesetzt wird.
Es ist nämlich ein gravierender Unterschied, ob ein Hinterbau beim
Bremsen ein- oder ausfedert! Warum? Im Gelände passiert folgendes: Der beim
Bremsen ausfedernde Hinterbau kann beim Auftreffen auf ein Hindernis wie gewohnt , bzw. je nachdem wie stark der Bremseinfluss ist, fast wie gewohnt, einfedern. Der beim
Bremsen einfedernde Hinterbau kann beim Auftreffen auf ein Hindernis nicht wie gewohnt einfedern, weil der Hinterbau bereits weiter eingefedert ist, als er es in gleicher Fahrsituation ohne
Bremsen wäre. Das ganze fühlt sich quasi so an als wäre eine zu harte Feder, bzw. ein zu hoher Luftdruck im Dämpfer.
Meine Erklärung bisher hat zwar noch gar nichts mit dem Phänomen der Bremskontrolle am Hinterbau des Liteville 301 zu tun, war meiner Meinung nach aber nötig, um das Ganze besser verstehen zu können.
Dadurch dass das Liteville 301 mit relativ wenig Sag am Hinterbau fährt, federt der Hinterbau, im Vergleich zu Bikes, die mit wesentlich mehr Sag gefahren werden, bei steilen Bergabfahrten und beim Anbremsen zwar nicht weiter aus aber durch den geringen Sag ist das darauf folgende Ansprechen, einen tick bockiger als bei Bikes, die mit wesentlich mehr Sag gefahren werden, wobei die Betonung auf Bikes mit wesentlich mehr Sag liegt. Der Vergleich von
. war schließlich mit einem Torque, dass glaube ich um die 170mm Federweg hat und mit ca. 60mm Sag am Hinterrad eigentlich gar nicht mit dem Liteville 301 verglichen werden kann.
Noch einmal, weil es mir sehr am Herzen liegt:
Das Liteville 301 ist in diesem Punkt nicht schlechter als andere Bikes in dieser Federwegs-Kategorie.
Da schenken sich die einzelnen Bikes nicht viel.
Einziger Unterschied: Ein Bike mit gleichem Federweg, das mit wesentlich mehr Sag gefahren wird.
Aber: Das Rad hat dann aber viel gravierendere Einbußen, bzw. Nachteile gegenüber der angesprochenen Thematik.
Mein Test-Tipp: Wenn ihr verschiedene Bikes vergleicht, dann seit ehrlich zu euch selbst!
Vergleicht immer:
auf der selben Strecke
mit den selben Laufrädern und dem gleichen Luftdruck
mit derselben Abstimmung (also nicht das eine Bike soft das andere straff abgestimmt)
ohne Vorurteile
am besten ohne nach unten auf die Hebel zu schauen
Verlasst euch einfach darauf was ihr fühlt!
Apropos fühlen: vom 1.-3. Juni kann an unserem Liteville-Stand auf dem Festival in Willingen wieder gefühlt werden. Wir sind dort wieder mit unseren Testrädern und zwar mit mehr als jemals zuvor! Wegen der enormen Nachfrage haben wir extra für Willingen 6 zusätzliche Testbikes aufgebaut und sind, nun mit 17 Testbikes vertreten. Das ist übrigens die beste Möglichkeit die verschiedensten Bikes miteinander zu vergleichen.
Übrigens: Durch die jetzt 130mm Federweg am Hinterrad unseres aktuellen Liteville 301 und dem dadurch etwas größer gewordenen Sag am Hinterrad in zusammen hang mit einer etwas geänderten Kennlinie, wurde das 301 auch in dem hier diskutierten Punkt noch mal eine Hausnummer besser.
Ich hoffe wieder einmal ein bisschen mehr zur allgemeinen Aufklärung beigetragen zu haben und habe zum Abschluss noch ein kleines Ratespiel, bzw. einen Denkanstoß.
Gibt es wirklich ein zweites Bike, das so universell einsetzbar ist wie unser Liteville 301?
Beim Bike Festival in Riva war Frank Leyrer bei der Enduro Challenge (ein DH Race) auf seinem Liteville 301 auf Platz 4. Vor Fahrern die fast ausschließlich Freeridern oder auf DH-Bikes unterwegs waren. Die letzten beiden Wochenenden war Peter Nilges auf einem Liteville 301 jeweils der schnellste Fully Pilot auf Rang 3+5 beim der Bike Chellange Schottener Vulkan MTB Marathon und beim NRW Cup im Marathon.
Übrigens auf 2006er Modellen.
Die Bikes unterscheiden sich einzig durch die verwendeten Laufräder, Federgabeln,
Bremsen und die Lenkerbreite.
Viele Grüße,
Michi Grätz
P.S. Viele Grüße und gute Besserung an dieser Stelle an Frank, der seit letzter Woche mehr Titanschrauben in seinem Bein hat als an seinem 301.
Nämlich 15 Stück
