Tag 1 - Sonntag 14.08.2022
Garmisch-Partenkirchen - Eibsee - Ehrwald (AT) - Fernpass - Imst - Zams (bei Landeck)
83,5 km 1.841 hm
„Wat fott es, es fott.“
Strecke und Profil
Was für ein herrlicher Morgen! Schnell jetzt! Ein reichhaltiges Frühstücksbüffet erwartet uns, das nochmal Kraft für den Tag spendet. In allen Transalp-Vorbereitungstexten steht es immer wieder gebetsmühlenartig: ‚Frühstücken was das Zeug hält‘. Wir erweitern das noch um je ein oder zwei Weg-Semmeln (etwas das, je weiter wir in MTB/Transalp-Terrain vorstossen, immer öfter mit Verboten quittiert wird).
Noch einmal bewundern wir das Zugspitzpanorama
Die Räder haben wir abends alle bei Ingo ins Auto gepackt und jetzt fahren wir in Radklamotten die beiden Autos nach Garmisch runter in eine Tiefgarage. 30 EUR für eine Woche klingt fair. Was passiert, wenn wir wie überschlagen eine Woche und 5 Stunden in der Tiefgarage parken, zwickt einmal gedanklich kurz aber dann wischen wir den Gedanken hinweg und starten. Räderkontrolle, Rucksack auf und los gehts!
Gut gelaunt auf zur Tiefgarage!
Radfahren verboten!
Die Sonne scheint, es rollt sich herrlich durch Garmisch. Alle sind noch etwas nervös. Aber endlich aus der Stadt raus, schlängelt sich ein Radweg malerisch Richtung Eibsee. Es wird wärmer und wir müssen die ersten Lagen ausziehen. Dann wird der Weg steiler und steigt zum Eibsee hinauf und in Richtung Ehrwald. Es ist der erste richtige Anstieg.
Das offizielle Abfahrtsfoto
Erster Striptease - es wird warm!
Herrlich rollt es auf den leicht ansteigenden Radwegen Richtung Eibsee
Und dann, nach noch nicht einmal 15 km: ein provozierendes „Du schaltest jetzt schon aufs kleine Blatt, Lucas?!“ von mir und darauf ein lauter Knall. Jetzt schon eine gerissene Kette? Gut, dass wir Kettenschlösser und -stücke dabei haben. Pustekuchen - so einfach ist es nicht. Ein Blick auf Lucas Tretlager zeigt: hier ist mehr kaputt. Das kleine Kettenblatt hängt lustlos und reichlich verbogen von einer Schraube gehalten an der Kurbel. Was ist das?!
Das ist das Ende der Tour für Lucas. Wir gucken uns bedröppelt an. Nur Ingo analysiert schon. Er bestätigt, was ich schon befürchtete als ich eine der Kurbelschrauben aufgesammelt hatte: Die Schrauben sind viel (!) zu kurz. Man nimmt keine originalen XT-Schrauben für eine RF-Kurbel. Oder - wenn man es tut - hat man genau zwei Gewindegänge halt. Die Kurbelschrauben haben sich rausgezogen, das Kettenblatt ist stattlich verbogen. Nichts geht mehr.
Wilde Theorien werden ausgetauscht. Wieder anschrauben? Nein, das bringt nichts. Zwei Kurbelschrauben aus meiner Kurbel spenden? Das würde vielleicht auch nicht halten. Was also tun? Zurück nach Garmisch? Es ist Sonntag. Immerhin könnten wir einen Kurbelabzieher aus dem Auto holen. Aber 30km extra? Nach einem Blick auf meine Titan-Kurbelschrauben mit integrierten Abziehern entscheiden wir uns erstmal fürs weiterfahren. In Landeck wird man uns morgen schon helfen können. Das Kettenblatt befestigen wir notdürftig mit Kabelbindern am mittleren, damit es nicht rumklimpert und fahren weiter. Die Stimmung ist gedrückt. Besonders, nachdem uns klar ist, dass man in Bayern und auch Österreich am Montag Mariä Himmelfahrt feiert. Geschäfte? Zu.
Ingo bei der Fehleranalyse.
Lucas macht gute Mine zum bösen Spiel ;-)
Lustlos baumelt das 22er Syncros Kettenblatt herum
Wenigstens festmachen, damit wir weiterfahren können.
Schick!
Auf der Abfahrt wartete dann der erste richtige Trail auf uns und Ingo machte sich erstmal lang. Dabei stanzte er sich schön ein stück Haut aus, das es sich witzigerweise am Vorbau gemütlich machte. So richtig angekommen waren wir alle noch nicht. Ich fuhr oft mit ausgeklicktem Fuss, Lucas fast in Standgeschwindigkeit und Willi schob auch mal runter. Nach diesem fast erlösenden ersten Abgang über den Lenker wurde es dann aber besser und alle fanden nach und nach in ihren Flow.
Erster Trail - erste Wunde! Ingo!
Bergab gehts auch ohne kleines KB har har
Die Auffahrt nach Ehrwald Meistern wir inkl. Lucas gut, ab Biberwier geht es wieder hoch zum Fernpass. Die ersten „oooh“ und „aaaahs“ kommen uns über die Lippen und die Stimmung wird wieder besser, das Kettenblattproblem vergessen und Lucas gibt sich alle Mühe, dass das so bleibt. Aber in unseren Köpfen rattert es. Wir bekommen keine langen Kurbelschrauben, bestimmt nicht. Die sind so Race-Face-spezifisch, das hat kein noch so alter und kultiger Radladen (dass es weder das ein noch das andere geben würde, werden wir noch erfahren). Also eventuell eine neue Kurbel. Aber woher eine dreifach-Kurbel bekommen? Sowas hat doch keiner mehr.
Die kriminelle Energie steigt. In jedem Ort, durch den wir durchfahren, halten wir Ausschau. Nach dreifach-Kurbeln an defekten/liegengebliebenen 26er MTBs. Und da! Vollbremsung, in meinem Augenwinkel erspähe ich etwas. Leider entpuppt sich das Kunstwerk als nicht verwendungsfähig, aber wir sind überzeugt, wir klauen uns eine Kurbel!
Naja, ganz so drastisch waren unsere Überlegungen nicht, aber leihen vielleicht ;-)
Oben auf dem Fernpass treffen wir zwei Gravelfahrer, die ebenfalls über die Alpen wollen. Natürlich erwartet uns das volle Programm der Albrecht v2 Route. Mit einem Gravelbike unfahrbar. Ungefähr so unfahrbar wie mit einem klassischen MTB ohne kleines Kettenblatt.
Auf der Abfahrt sammeln wir noch unseren ersten (und einzigen!) Platten. Ingo wechselt in bester Samaritermanier Willis
Reifen im Handumdrehen. Äh Willi? Was ist das denn für ein Ersatzschlauch? 26“. Check. Oh 1,25“ breit - so dick wie Ingos kleiner Finger. Willi hat mal schnell falsch gegriffen und die
Reifen für die Slicks mitgenommen. Naja, wir sind ja gut bestückt (haha) und ein passender
Schlauch schnell wieder unter dem Mantel verschwunden.
Die Zugspitze von hinten
Lucas hat wieder Mut - selbst Wheelies (schlecht vom Fotografen eingefangen) gehen
Unser erster (und einziger) Platten
Schade - zu festgegammelt - hier können wir nichts verwenden
Hust hust...
Zum Abschluss des Tages wartet noch ein sehr schöner Wurzeltrail, der so ziemlich mit allem auf dem Rennsteig oder im Harz mithalten kann. Trotz unserer Klassiker sind Lucas und ich oft vorn mit dabei - wir haben auf dem Rennsteig gelernt, dass das Gerät (okay bis auf kleine Kettenbletter) ohne Probleme grobe Misshandlungen aushält und so brettern wir mit unseren Starrgabeln über Wurzeln und freuen uns dann doch irgendwann in Zams angekommen zu sein.
Abschluss-Trail mit schönen Wurzelpassagen - die Klassiker weit vorn!
Geschafft!
Als wir die Bikes in den Bikekeller der Pension schieben, traue ich meinen Augen nicht: Ein Trek 930 von ca. 1994 - lila/grün. Platt, staubig aber mit einer STX kompakt-Kurbel. Da würde sogar das Innenlager passen. Ja, ihr ahnt es schon. Beim folgenden Abendessen gab es fast nur ein Thema: Wie kommen wir an die Kurbel ohne schamlos letzte Ethik über Bord zu werfen?
Es war klar, wir würden die Kurbel nicht einfach so abnehmen. Erst fragen wir morgen früh in der Pension, wem das Rad gehöre, um uns die Kurbel auszuborgen und später zurückzusenden. Nach einer Dusche in einem bis oben hin gefliesten Schlachthaus-Bad und unserem Snack zu Abend machten wir uns rechtzeitig wieder in die 60er Jahre Betten. Morgen würde ein langer Tag werden.
... Fortsetzung folgt ...