In Baden-Württemberg scheint man ein seltsames Verständnis von Recht und Rechtsstaatlichkeit zu haben. Dazu lohnt sich noch einmal ein Blick in § 14 Bundeswaldgesetz (Hervorhebungen von mir):
"(1)
Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde
ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.
(2)
Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund, insbesondere des Forstschutzes, der Wald- oder Wildbewirtschaftung, zum Schutz der Waldbesucher oder zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers, einschränken und andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen."
Im ersten Absatz wird in Satz 1 ein allgemeines Recht zum Betreten geregelt und dann in Satz 2 dahingehend für das Radfahren konkretisiert, dass dieses nur auf Straßen und Wegen gestattet ist. Klar ist damit aber auch, dass dort, also auf Straßen und Wegen, das Radfahren allgemein erlaubt ist.
Im zweiten Absatz wird in Satz 1 das Recht zur Regelung von Einzelheiten den Ländern zugewiesen. Die Betonung liegt aber dabei auf Einzelheiten; die Länder können also nicht tun, was sie wollen. In Satz 2 wird diese Kompetenz konkretisiert und klargestellt, dass die im ersten Absatz gewährten Rechte, also auch das Recht zum Befahren von Straßen und Wegen nur aus wichtigem Grund eingeschränkt werden kann. Das ist auch richtig so in einem freiheitlichen Rechtsstaat, denn in diesem können Freiheitsrechte, zu denen auch das Betretungsrecht gehört, nicht einfach mal so eingeschränkt werden. Vielmehr haben Einschränkungen von Rechten strengen verfassungsrechtlichen Maßstäben zu genügen.
Nach dem Wort "inbesondere" in Satz 2 folgen einige Beispiele:
- Forstschutz
- Wald- oder Wildbewirtschaftung
- Schutz der Waldbesucher
- Vermeidung erheblicher Schäden oder Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers
Wir alle wissen und alle wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen dies, dass keiner der vorstehend aufgeführten Gründe in Bezug auf das Radfahren oder Mountainbiken auf Straßen und Wegen zutrifft. Man kann also mit Fug und Recht die Auffassung vertreten, dass die 2-Meter-Regelung in Baden-Württemberg jedenfalls nicht durch einen der in § 14 Abs. 2 Satz 2 BWaldG exemplarisch aufgeführten Grund gerechtfertigt ist.
Durch das Wort "insbesondere" macht der Gesetzgeber des BWaldG aber auch klar, dass es noch andere wichtige Gründe geben kann. Ein solcher Grund muss aber von erheblichem Gewicht sein, wenn er in die Freiheitsrechte, die auch für Radfahrer und Mountainbiker gelten, eingreifen und diese Beschränken will. Hier einfach zu sagen, dass andere wie z. B. Wanderer zuerst da waren, reicht nicht. Ein Freiheitsrecht, das nur den Ersten zusteht, wäre kein Freiheitsrecht. Auch der Umstand, dass andere Wege angelegt, unterhalten, bezahlt oder mitfinanziert haben, kann dafür nicht ausreichen; andernfalls könnten ja auch die privaten Waldbesitzer das Betreten der von ihnen privat angelegten Waldwege generell untersagen.
Wenn man sich dann auch noch das neue Hessische Waldgesetz anschaut und Berücksichtigt, dass dieses von allen, also sowohl Sportverbänden als auch Waldbesitzern, Jägern, Umweltverbänden, Jugendverbänden und sogar von den Wanderverbänden in Hessen als angemessener Interessenausgleich angesehen wird, dann wird augenfällig, dass die 2-Meter-Regelung in Baden-Württemberg auch nicht ansatzweise durch einen wichtigem Grund im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BWaldG gerechtfertigt ist. Und meiner Meinung nach muss sich jeder, der für die Beibehaltung der 2-Meter-Regelung eintritt, vorhalten lassen, dass er für eine Diskriminierung von Radfahrern und Mountainbikern steht, die eine Schande in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat darstellt.
Jede Einschränkung eines Freiheitsrechts muss nicht nur eine gesetzliche Grundlage haben, sondern sie muss zudem auch erforderlich, geeignet und angemessen sein. Dies ist ein elementarer Grundsatz des Grundgesetzes. Das Beispiel des neuen Waldgesetzes in Hessen, aber auch viele andere Forst- und Waldgesetze in den Bundesländern zeigen und beweisen, dass eine 2-Meter-Regelung weder erforderlich, noch geeignet noch angemessen ist. Wenn in Thüringen eine 2-Meter-Regelung sang- und klanglos beerdigt wird, wenn in Bayern ein Naturschutzgesetz, das auf eine Wegbreitenregelung verzichtet, als großer Erfolg bezeichnet wird und wenn jetzt auch in Hessen im Konsens aller Parteien, Organisationen und Verbände hinweg ein Waldgesetz, das auf Verbote verzichtet und auf gegenseitige Akzeptanz sowie Rücksichtnahme setzt, verabschiedet wird, dann wird augenfällig, dass die 2-Meter-Regelung in Baden-Württemberg nicht nur ein Irrweg ist, sondern zu Recht als eine unnötige und damit rechtswidrige Schikane bezeichnet werden darf und muss.