Aostatal: Val Ferret, Val di Rhêmes, Col Nivolet, Col Lauson, Col Invergneux

Ja - so ist es mir auch ergangen - man muss schon sehr genau auf den Weg achten.
Mag sein, dass ich nicht immer ganz auf dem Weg war und deshalb ein paar für mich unfahrbare Abschnitte runter getragen habe.
Ansonsten natürlich landschaftlich einfach nur schön und sehr unberührt.
Werde es bei Gelegenheit wohl nochmal versuchen.
 
Ähm, irgendwie irritiert mich dieses Leider, auch nach mehrmaligem lesen.
Dass du nicht Gaffen kannst, ehrt dich meiner Meinung nach und dass dein Kumpel eine Erinnerung auch ohne Fotos hat, davon kannst du ausgehen.
Über ein Foto des Hubschraubers hätten wir uns als Erinnerung tatsächlich beide gefreut.
Er sagte ja noch "mach mal ein Bild". Ich wollte aber nicht. Sozusagen aus Protest gegen die ganze Situation. Hat aber nicht geholfen 😳
 
Donnerstag, 3. September 2020, Valnontey (1670 m)

Es gibt Neuigkeiten. Der Krankenbericht listet bei Dirk einen Milzriss mit inneren Blutungen und eine Leberquetschung, keinen Rippenbruch. Er liegt auf der Intensivstation. Die Bergrettung hat sich gelohnt. Wie und wann wir heim kommen können, ist im Moment noch völlig offen. Ich mache mir da jetzt auch keine Gedanken drum und schmiede bereits einen Plan für den heutigen Tag. Mein Fuß tut nach wie vor im Bereich des Knöchels etwas weh und ist minimal dick. Sieht eigentlich nicht so wild aus (erst zu Hause erfahre ich, dass es ein Bänderriss ist). Ich werde nun nicht herumsitzen, sondern einfach mal weiter fahren. Heute stünde der Passo dell'Invergneux auf dem Tourplan. Das ist praktisch ein Kringel, was mir gut passt, da ich so flexibel bleibe und bei Bedarf am Abend auch bis Asota rollen kann. Außerdem will ich diesen Pass endlich mal machen, nach den vielen Lobpreisungen, die ich dazu gelesen habe. Er war eines der geplanten Highlights. Dirks Fahrrad lasse ich am Hotel zurück.

Valnontey mit Gran Paradiso
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Ich rolle die Straße nach Cogne (1550 m) hinunter und kaufe dort endlich etwas Verpflegung. Über einen kurzen Waldweg geht's nach Lillaz (1610 m), wo ich ein längeres Gespräch mit Dirks Frau führe. Dann beginnt der lange Aufstieg, den ich sogar schon kenne. Abwechselnd auf Asphalt und Schotter geht es ziemlich genau 1000 hm hinauf, begleitet von einem dekorativen Bündel Hochspannungsleitungen. Beim letzten Mal bin ich dann weiter nach Osten zum Col Pontonnet (hallo @freem@n), den man in Richtung Talschluss auch sehen kann.
Heute biege ich nach einer Frühstückspause links vom Weg ab. Die restlichen 300 hm müssen geschoben und getragen werden. Der Aufstieg bis zum Pass ist eher leicht. Ich bin dabei trotzdem äußerst vorsichtig, um nicht noch einmal mit dem Fuß umzuknicken. Schöne Blicke auf die „Rückseite” des Gran Paradiso und den Lauson gibt es auch noch mal.

Blick zum Col Lauson
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Blick zurück: Vallone dell'Urtier mit Lago di Ponton
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Am Passo dell'Invergneux (2902 m) sitzt bereits eine 4er Gruppe MTBler beim Mittagessen. Ich mache ein paar Fotos und starte direkt das Trailabenteuer. Es beginnt vielversprechend. Ein S1-Pfad schlängelt sich über harmlose Felsen und weite Wiesen ein bildschönes Hochtal hinunter. Leider fehlen mir mangels Mitfahrer schöne Radlbilder, aber auch die Stillleben sind sehr passend, um die Stimmung in diesem einsamen und ruhigen Tal auszudrücken.

Passo dell'Invergneux (2902 m)
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Invergneux-Trail (1)
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Invergneux-Trail (2)
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Bis zur verlassenen Siedlung Grauson Inferiore (2280 m) geht es ohne nennenswerten Schwierigkeiten mit Genusstrailen weiter. Dann zieht der Weg etwas an. Die Vegetation beginnt und es wird ausgesetzter und technisch fordernder. Ein paar Schiebestücke sind nun dabei. Immer mit viel Vorsicht wegen meines Fußes, dem ich nicht zu viel zumuten möchte. Mir wäre es lieber gewesen, durchfahren zu können bis zur ersten Ortschaft Gimillan (1790 m). Trotzdem eine geniale Abfahrt, die Erwartungen wurden erfüllt. Und der Spaß ist noch nicht zu Ende.

Valnontey und Gran Paradiso
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Ich mache aber erst mal Pause, um mit dem wiedergewonnen Mobilempfang ein paar Dinge zu regeln. Doch viel Neues gibt es noch nicht. Dirks Frau wird mit seinem Arbeitgeber klären, ob ich seinen Firmenwagen alleine heimfahren darf. Wie lange sein Krankenhausaufenthalt dauern wird, ist noch nicht bekannt. Ich stelle mich jedenfalls darauf ein, am nächsten Tag nach Aosta zu fahren, um den Autoschlüssel im Krankenhaus abzuholen. Mir war ohnehin klar, dass ich nicht zum Monte Fallere hinauf fahren werde, um die Tourplanung alleine durchzuprügeln. Außerdem erspare ich meinem Fuß so eine Menge Schieberei. Es war für mich allerdings nie eine Option, mein Rad ebenfalls stehen zu lassen, um mit dem Bus zurück in Schweiz zu fahren. Dazu ist alleine das Wetter zu gigantisch. Ich versuche einfach das Beste draus zu machen und die verbliebene Strecke sinnvoll zu gestalten.
 
Dieser Teil des Berichtes ist ziemlich bilderlos. Heute ärgere ich mich darüber, aber in dem Moment ging es einfach nicht.
So kenne ich das auch. Wenn so /richtig/ Drama ist, denke ich nie auch noch ans Fotografieren, sondern widme mich ausschliesslich dem Problem.
Danke für den unterhaltsamen und ergiebigen Bericht.
 
Der Bericht ist ergiebig, weil ich den Text für meine Webseite schreibe. Aus eigenem Interesse ist das eher ausführlich.
Fürs Forum lasse ich zwar manche Kleinigkeit weg, aber ich mache keinen komplett neuen Text.
 
Donnerstag, 3. September 2020, Gimillan (1790 m)

Von Gimillan führt ein weiterhin sehr schöner Mountainbike-Weg bis in den Talgrund bei Epinel (1460 m), wo sich die Straße dann nicht mehr vermeiden lässt. Aber 1500 hm Abfahrt sind ja schon mal was :) Die Straße runter zu blasen macht dann ebenfalls eine Menge Spaß. Mit den Gegenanstiegen hatte ich dabei nicht gerechnet. Bei Pondel bleibe ich auf der Straße und verlasse damit die Tourplanung. In meiner Erinnerung finde ich noch einen Tipp für eine Übernachtung in der Albergo Pineta (@baraber). Es ist zwar erst früher Nachmittag, aber da ich noch keine Bleibe habe, versuche ich es einfach mal. Nach Aosta ist es ja nicht mehr so weit.

Der Wirt kann oder will mich zuerst nicht verstehen, er wirkt zudem sehr unfreundlich. Es ist angeblich auch alles voll. Ich bin nicht böse, dass das jetzt nicht geklappt hat. Dann fahre ich halt weiter. Ebenfalls ein Tipp (@baraber) war der nun anschließende Trail, der sich langsam das Aostatal hinunter zieht. Am Anfang eher ein Forstweg, wird es später richtig schön. Kleine Gegenanstiege stören auch kaum und bringen etwas Abweschlung. So geht es noch mal 300 hm nach unten und der Tag geht in Summe mit einer waren Trailorgie in meine Erinnerung ein.

Jovençan
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Ich stehe nun vor den Toren von Jovençan, so etwas wie ein Vorort von Aosta. Booking.com liefert nur teure Treffer. Zu guter Letzt entscheide ich mich für ein wirklich hübsches Zimmer für 80€. Keine 10 Minuten später bin ich dort und stehe leider vor verschlossener Tür. Eine gute Stunde sitze ich dort und habe weder mit Mails noch Telefonanrufen irgendeinen Erfolg. Weiter fahren wäre trotzdem blöd, denn das Zimmer ist bereits bezahlt. So kontaktiere ich den Notruf von Booking.com. Auch die haben keinen Erfolg beim Kontaktieren. Wir vereinbaren, dass ich noch eine halbe Stunde warte und dann stornieren kann.

Dies ist dann zum Glück nicht mehr nötig, weil endlich eine Frau erscheint und sich für mich zuständig fühlt. Die Vermieter sind anscheinend im Urlaub und sie macht nur Vertretung. Ich habe jedenfalls gelernt, dass ich nicht mehr so kurzfristig etwas buchen werde. Man kann in dem Fall wirklich einfach vorbei fahren. Das Zimmer ist tatsächlich klasse. Äußerst stillvoll und modern. Da lass ich es mir mal gut gehen. Essen gibt es nebenan in einer Pizzeria. So etwas gab es zwar gestern erst, aber was soll's.

Wellness-Suite
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Freitag, 4. September 2020, Jovençan (600 m)

So gut das Zimmer, so armselig das Frühstück. Wegen Covid-19 musste ich dieses in der ungemütlichen Frühstücksbar einnehmen, die sich im Erdgeschoss befindet. Abgepackte Croissants und Cappucino. Das kann man mal machen, dafür war das Zimmer dann aber doch zu teuer. Schwamm drüber, es gab wahrlich unabgenehmere Erlebnisse auf dieser Tour.

Unterkunft in Jovençan
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Die geht nun so weiter, dass ich den Autoschlüssel beim Patienten holen werde. Er kommt nicht mit mir nach Hause, sondern wird im Krankenwagen transportiert. Ich bin also zeitlich mein eigener Herr und muss mich nicht nach ihm richten.

Über Radwege und Sträßchen gelange ich nach Aosta (580 m). Die Stadt, die dem Tal, der Region und der Tour den Namen gibt, die aber eigentlich gar nicht auf der geplanten Route liegt. Nachdem ich endlich am richtigen Krankenhaus aufgeschlagen bin, lotst mich eine Krankenschwester am sturen Empfang vorbei, sonst hätte ich wegen Corona gar nicht hinein gedurft. Dirk liegt zwar nicht mehr auf der Intensiven, aber er kann sich nur schlecht bewegen und wird künstlich ernährt. Wir quatschen ein paar Minuten, dann bin ich schon wieder weg.

Mir ist immer noch nicht klar, was ich nun machen soll. Das Tagesziel im ursprünglichem Tourplan wäre Étroubles auf halber Höhe zum Sankt Bernhard. Das kann ich ja mal ansteuern. Natürlich nicht auf der Originalroute, denn das wären nun schlappe 2000 hm zum Monte Fallere. Es gibt aber eine Alternative, an die ich mich erinnere, der Suonenweg Ru Neuf. Das ist ein Weg, der an einen Wasserkanal entlang nach Etroubles führt. Dahin werde ich mich mal orientieren.

Aostatal, links biegen die drei Täler Val di Cogne, Valsavarenche, Val di Rhêmes ab
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Ich verlasse Aosta bergan und trete die kleine Straße nach Arpuilles (1000 m) hoch. Leider habe ich versäumt, vorher in Aosta noch etwas Verpflegung zu kaufen. Das schränkt mich wieder ein. In Arpuilles herrscht tote Hose, kein Laden, keine Bar, kein Brunnen, nix. Vielleicht im nächsten Ort Excenex (1050 m). Aber auch das Nest ist eher verschlafen. Wenigstens einen Brunnen gibt es. Mit Wasser gestärkt erklimme ich die letzten Meter zu Suone (1200 m).

Was nun kommt, hätte ich so niemals erwartet. Brettflach schlängelt sich ein Pfad mal neben und mal über der kleinen Wasserrine entlang. Mal über Wiesen, mal durch den Wald. Wunderschön und abwechslungsreich. Ich bin richtig begeistert. Über 10 km reines Genussbiken. Ein klitzekleiner Schlussanstieg und ich lande direkt in Etroubles (1270 m). Als Tagesziel zwar viel zu früh, aber für ein Mittagessen genau passend. Das nehme ich im Hotel Beau Sejour zu mir, was leider viel Geduld erfordert.

Wiesen-Suone
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Wald-Suone

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Während des Essens ist bei mir der Entschluss gereift, die letzte Etappe zu beginnen und heute so weit zu fahren, wie möglich, also vielleicht bis La Fouly zum Auto. Ich sehe keinen Sinn darin, die Tour alleine noch lange Laufen zu lassen. Das ist tatsächlich ein Vorteil, wenn man sein eigener Herr ist. Man kann völlig frei entscheiden, was man tut. Den Nachteil, abends alleine herum zu sitzen, macht das aber nicht wett. Das Sicherheitsrisiko schon gar nicht.
 
...jawoll - weiter geht's !
Wenn ich im nächsten jahr wieder ins Aostatal fahren muss, dann ist das deine Schuld !!:)

Schön zu hören, dass es deinem Mitfahrer wieder richtig gut geht !
 
Dem geht es sehr gut. Dafür habe ich diese Woche noch mal einen Arzttermin wegen meines Fußes.
Ich habe im Alltag zwar keine Schmerzen oder Beeinträchtigungen, merke aber bei gewissen Bewegungen, dass da etwas nicht in Ordnung ist. An ein erneutes Umknicken will ich gar nicht denken.
So ein Geröllfeld wie am Col Manteau kann ich mit dem Fuß aktuell nicht zumuten.

Der Bericht neigt sich dem Ende. Das ist schon viel Zeit, die man sich mit so einer Tour beschäftigt. Von der Planung, der Durchführung bis zum Aufschreiben vergeht insgesamt gut ein halbes Jahr. Das ist aber auch das Schöne daran. So hat man verdammt viel von den paar Tagen, die man tatsächlich unterwegs ist. Kann ja nicht jeder Stuntzi-like monatelang planlos in echt durch die Gegend fahren.
Das Gefühl ohne Plan unterwegs zu sein, habe ich zumindest an diesem letzten Tag kennen gelernt. Das war auch mal schön, morgens nicht zu wissen, was der Tag so bringt.
 
Dem geht es sehr gut. Dafür habe ich diese Woche noch mal einen Arzttermin wegen meines Fußes.
Ich habe im Alltag zwar keine Schmerzen oder Beeinträchtigungen, merke aber bei gewissen Bewegungen, dass da etwas nicht in Ordnung ist. An ein erneutes Umknicken will ich gar nicht denken.
So ein Geröllfeld wie am Col Manteau kann ich mit dem Fuß aktuell nicht zumuten.

Der Bericht neigt sich dem Ende. Das ist schon viel Zeit, die man sich mit so einer Tour beschäftigt. Von der Planung, der Durchführung bis zum Aufschreiben vergeht insgesamt gut ein halbes Jahr. Das ist aber auch das Schöne daran. So hat man verdammt viel von den paar Tagen, die man tatsächlich unterwegs ist. Kann ja nicht jeder Stuntzi-like monatelang planlos in echt durch die Gegend fahren.
Das Gefühl ohne Plan unterwegs zu sein, habe ich zumindest an diesem letzten Tag kennen gelernt. Das war auch mal schön, morgens nicht zu wissen, was der Tag so bringt.
Vielen Dank für den tollen Reisebericht! Das Aostatal ist einfach einzigartig.

Wegen Deines Fußes: Gib dem Fuß etwas Zeit. Das tut noch ein paar Monate weh, kann vielleicht auch ein Jahr dauern, bis alle Bewegungen wieder schmerzlos sind. Und stärke den Fuß mit Muskel- bzw. Gleichgewichtsübungen, um ein weiteres Abknicken zu vermeiden. Ich hatte auch vor vielen Jahren einen Bänderriss und kann leider aus eigener Erfahrung sagen, dass das Risiko eines erneuten Umknickens nach einem Bänderriss grundsätzlich höher ist, wenn man nichts dagegen tut... leider.

Gute Besserung!
 
Freitag, 4. September 2020, Étroubles (1270 m)

Für den langen Aufstieg zum Sankt Bernhard habe ich eine Route bekommen, die abseits der Passstraße führt. Die will man auch nicht hinauf fahren. Über Saint-Oyen (1350 m) folge ich einer kleinen Straße bis Eternon-Dessus (1720 m). Die Auffahrt liegt voll in der Sonne und es ist das erste Mal richtig heiß. Dann wird es waldiger und angenehmer. Die 400 hm bis zum kleinen Zwischengipfel Plan Puitz (2104 m) ziehen sich allerdings, denn der Weg gewinnt nur sehr langsam an Höhe und zieht sehr großen Kehren. Wasser gibt es keines. Ich könnte aber gut wieder welches gebrauchen.

Étroubles
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Unter dem Plan Puitz ist eine alte Bunkeranlage in den Berg getrieben. Ich schaue sie mir nur teilweise an, will lieber weiter. Auf ein kurzes Tragestück folgt nun überraschenderweise eine steile Geländestufe, wo ich das Rad fast 100 hm bergab bugsieren darf. Das ist für meinen Fuß ziemlich unangenehm und gefällt mir überhaupt nicht. Im weiteren Verlauf scheint der Weg auch nicht mehr oft genutzt zu werden. Es könnte ebenso eine Tierwechselspur sein, so schmal und verwachsen ist alles. Dank GPS-Track komme ich zielsicher durch und verlasse den Wald. Nun folgen ein paar wirklich schöne Kilometer auf einem Panoramaweg bis zur Passstraße, stellenweise verfallen und nur Schiebend zu passieren, sonst mit angenehmer Steigung zu fahren. Ein paar erholsame Tropfen Wasser finden sich auch noch am Wegesrand. Dazu herrscht eine Geräuschkulisse wie am Nürgburgring durch die Motorradfahrer auf der Passstraße unten im Tal.

Sankt Bernhard-Tunnel und Passstraße
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Höhenweg zum Sankt Bernhard
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Auch ich muss noch ein paar Kehren auf der Straße hinauf, allerdings nicht bis ganz oben, denn der letzte Übergang für mich ist das Fenêtre Ferret, das noch einmal 300 hm Schieben und Tragen bedeutet. Am Abzweig von der Straße kaufe ich an einer Alm noch etwas Wasser. Die Versorgung ist heute wirklich etwas dürftig. Zum Pass stapfe ich mit ganz kleinen vorsichtigen Schritten. Ich bin sowieso schon etwas geschafft, es ist bereits ein langer Tag.

Fênetre Ferret mit Gran Paradiso am Horizont
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Fênetre Ferret (2698 m)
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Am Fenêtre Ferret ist es fast 18 Uhr. Also schnell runter und in La Fouly wieder ins Hotel Edelweiss. Die Abfahrt beginnt auch vielversprechend. Vor einer Traumkulisse geht es im Abendlicht an zwei Bergseen entlang hinunter. Es ist nicht alles fahrbar, doch die Landschaft entschädigt. Dann zieht der Weg noch ein bisschen stärker an. Auf S3-Niveau quäle ich mich nun müde zu Tal, immer darauf bedacht, beim Absteigen vom Rad den Fuß nicht falsch zu belasten. Nach 600 hm ist ein Almweg erreicht. Ziemlich genau die Stelle, an der wir am ersten Tag unseren Verfahrer bemerkt haben. Heute allerdings ohne Schnee in schöner Abendsonne. Ich sehe nun zu, dass ich das Ziel erreiche. Das Fênetre Ferret ist schon ein schöner Pass, aber vermutlich der schwierigste der ganzen Tour. Am Abend und mit 2600 hm in den Beinen konnte ich es jedenfalls nicht mehr so richtig genießen.

Abfahrt Fênetre Ferret
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Abfahrt Fênetre Ferret mit Mont Blanc (links)
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Gegen 19 Uhr bin ich in La Fouly (1600 m). Natürlich könnte ich nun ins Auto steigen und nach Hause fahren. Da ich aber auch noch Dirks Fahrrad in Valnontey abholen muss, völlig unrealistisch. Da sich das Hotel Edelweiss bereits bewährt hat, werde ich dort noch mal übernachten. Ein Zimmerchen ist zwar frei, doch leider ist der Preis für mich alleine eine Zumutung. 170 SFr soll ich berappen. Mein unglücklicher Blick zeigt aber Wirkung. Im Keller gibt es auch ein Matratzenlager. Preis 70 Sfr. Das ist ok. Das Lager gewinnt sicher keinen Schönheitspreis, erfüllt aber seinen Zweck.

Schlussendlich bin ich heute quasi 2½ Etappen durch gefahren, zumindest mit Blick auf meine originale Tourplanung. Das ist ganz ordentlich, auch wenn es nicht ganz genau die geplante Strecke war. So feiere ich alleine meine Zielankunft, die unabhängig von den Ereignissen bei einer Rundtour immer etwas weniger bewegend ist. Man steht halt wieder am Auto.
Landschaftlich und von der Strecke war es aber eine großartige Runde. Wir hatten großes Glück, dass der Schnee so schnell wieder weg war. Ich bin mit der Routenplanung absolut zufrieden und werde sicher wieder in die Gegend von Aosta kommen. Morgen stehen mir noch 5 bis 6h Autofahrt im Sonntagsausflugsverkehr über den Großen Sankt Bernhard bevor, um Dirks Fahrrad abzuholen, um dann noch mal so lange nach Hause zu fahren. Gleichzeitig wird Dirk im Krankenwagen nach Deutschland überführt. Dort wird er noch weitere 5 Tage im Krankenhaus verbringen.

Großer St. Bernhard am Morgen (mit dem Auto)
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Zuletzt bearbeitet:
Danke Dir für Deinen Bericht, da stecken ja so einige gute und schlechte Erlebnisse in den paar Tagen.
Dein Kollege hat es ja offenbar gut überstanden, dankt den Wanderern, die nicht lange gefackelt haben mit dem Hubschrauber :)
So eine innere Blutung ist eine üble Sache - merkt man nicht unbedingt mangels Nerven im Bauchraum, und schwups ist das Blut alle, oder vergiftet.
Gute Besserung Deinem Fuß, ganz wie zuvor wird es erfahrungsgemäß nicht (die "Umschnackel-Frequenz" steigt nach dem ersten größeren Schaden gefühlt), aber kein Grund zur Panik.

Die Gegend kann was, sollte man sich mal näher ansehen :)
 
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