Eine Solofahrt...

jockel

Cpt.Ahab
Registriert
12. August 2001
Reaktionspunkte
0
Ein Tage in der brandenburgischen Steppe ;)

Wie der Zufall so spielt, wurde ich mir bewusst, dass es an der Zeit wäre, mal wieder eine Solorunde zu drehen. Gestern nun ergab sich die Gelegenheit dazu und die wurde galt es auch genutzt. Kurzfristig wurde der Ein oder Andere potentielle Mitfahrer fernmündlich bzw. Elektronisch über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt, doch es fand sich keiner bereit, die bevorstehenden Strapazen mit mir zu teilen.

Dem aufmerksamen Leser wird es sicher nicht entgangen sein, dass es in letzter Zeit wiederholte Versuche gab, uns armen Hauptstädtern das Wasser abzugraben. Mal wurde öffentlich daran gezweifelt, dass man hier überhaupt Rad fahren kann. Wortführer dieser Gruppe waren hauptsächlich Subjekte, deren einziger Berlinbesuch im Zusammenhang mit einer einstmaligen Klassenfahrt steht, bei welcher, verursacht durch übermäßigen Sangria-„Genuߓ, nicht viel mehr, als der Bahnhof Zoo und vielleicht noch das Europacenter wahrgenommen wurde. Als dies nicht gelingen wollte, musste eben der Begriff „Mountainbike“ in seiner wörtlichen Übersetzung herhalten um den Nachweis zu führen, dass die MTB’s unseren Breiten sozusagen „Nicht artgerecht“ gehalten werden. Nun, sei es wie es sei, ich wollte mir auf einer Erkundungsfahrt ein Bild davon machen, ob ich, ausgestattet mit diesen neu erworbenen Erkenntnissen, weiterhin Freude an der geländeradsportlichen Tätigkeit empfinden konnte:


Dienstag Morgen (06:30):
Der Wecker klingelt und schon bin ich in den Sachen. Um Kind und Kegel kümmert sich heute meine liebe Frau, so dass ich pünktlich 07:21 den Zug in Richtung Frankfurt Oder erreiche.

08:31:
Der Zug erreicht pünktlich Frankfurt Oder Rosengarten. Dienstliche Obliegenheiten halten mich bis ca. 10:00 Uhr auf, dann kann der eigentliche Tag beginnen.

10:00:
Inzwischen scheint die Sonne, das Thermometer erreicht wohlige 5°C, kein Wölkchen am Horizont. Perfekte Bedingungen und es geht los.
Durch den Frankfurter Stadtwald geht es erst mal direkt nach Norden. Hügel um Hügel wird überrannt. Ich will nicht behaupten, dass es heute perfekt läuft, dennoch komme ich gut voran.

10:30:
An der pittoresk gelegenen Försterei „Eduardspring“ werde ich per Informationstafel mit einer Art Brauchtum des Brandenburger Landes bekannt gemacht. Im März des Jahres 1920 begab es sich, dass der pflichtbewusste Förster Burmeister in Ausübung seiner dienstlichen Pflichten von einem Wilddieb gemeuchelt wurde. Offen bleibt die Frage, ob sich das Brauchtum nun auf Forstwesen, die Wilddieberei, das Meucheln von Förstern, das Aufstellen von Gedenksteinen für erschossenen Förster oder aber die Summe aller Einzelkomponenten bezieht.

aab.jpg


Bis 13:30:
Immer weiter geht die sausende Fahrt über Sieversdorf, die Trepliner Seen nach dem Lietzener Vorwerk hin. Wolrin wird erreicht, kurze Zeit später Trebnitz, Obersdorf und schließlich Dahmsdorf.
Die Kälte zehrt, so dass des Öfteren Nahrung ergänzt werden muss. Kein Problem, habe ich doch zur Genüge lecker Schnittchen eingepackt. Die Landschaft gefällt mir, obwohl keine Berge im Sinne der MTB-Fundamentalisten zu „bezwingen“ sind, ausnehmend gut. Das Wetter tut sein Übriges.
Ich werde gewahr, dass ich mich ranhalten muss, wenn es gelingen soll, meine lieben Kleinen zur festgesetzten Zeit (16:15) aus ihrer Kindergarten/Schulhort-Gefangenschaft zu befreien. In Gedanken gehe ich die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durch. Jede Stunde gegen :45 geht ein Zug von Müncheberg nach Berlin-Lichtenberg, Strausberg ist gute 25km weiter – von dort geht alle 20min eine S-Bahn. Aber es sollte zu schaffen sein, wenn alles glatt geht, noch 40 Kilometer dranzuhängen und Erkner zu erreichen.

aae.jpg


Ab 13:30:
Ich muss mich ranhalten, nichts darf dazwischen kommen. Kurz überlege ich, in Hangelsberg oder Fangschleuse den Regionalexpress zu entern, da ich die Abfahrtszeiten aber nicht memorieren kann, erscheint mir die alle 20 Minuten ab Erkner verkehrende S-Bahn als der zwar weiter entferntere aber auch sicherere Hafen.
Kurz hinter Kienbaum, auf der sattsam bekannten 5 Kilometer Schneise passiert es. Mein Hirn, ausgelaugt durch die extrem reizarme Landschaft der herbstlichen Mark, meldet, sollten keine zuckerhaltigen Nährstoffe zugeführt werden, den baldigen Totalausfall wichtiger Systeme. Gleichzeitig wird meinem inneren Auge eine Innenansicht meines Reisegepäcks übermittelt, auf welcher ganz klar ein Beutelchen Powergel nebst einem Cornyriegel zu sehen ist. Flugs wird abgesessen und meinem Körper die überlebenswichtige Zuckerration zugeführt. Es geht weiter.
Klein Wall, Löcknitztal, Gottesbrück, da die Autobahn... Ich erreiche nach knapp 95km gegen 15:25 den S-Bahnhof Erkner. Ein Blick auf den Fahrplan verrät mir, dass bereits 15:28 eine S-Bahn in Richtung Ostbahnhof fährt. Rein und ab.

aaj.jpg


16:10:
Ich erreiche die Schule, greife mir mein Töchterchen und gemeinsam eisen wir den Sohnemann aus dem nahe gelegenem Kindergarten los.

17:00:
ich bin wieder zu hause und resümiere, dass ich Berlin und insbesondere seine Umgebung als wunderbar geeignet empfinde, um dem Geländeradsport zu frönen. Sollen die „Mountainbiker“ ihre Scheuklappen aufbehalten, ich fahre überall, wo es Landschaft zu erkunden gibt. Stellt Euch mal vor, Garry Fisher wäre auf die Idee gekommen, seine ersten Räder unter dem Namen „Fisherbike“ zu vertreiben. Dann würden die wahren „Fisherbiker“ immer eine Angel und einen Kescher mitführen.

aam.jpg


Sollten weitere Bilder gewünscht werden, so kann man hier ESK-Gallerie fündig werden
 
Also, da muss ich ja mal sagen: DANKE jockel fuer diese wirklich einmaligen Bilder! Habe lange nicht so etwas Schoenes gesehen. :daumen:

Ich waere ja mitgekommen, aber ...

Gruesse, Marcus
 
wirklich einmalig schöne bilder jockel, besonders das zweite. ich hoffe du bist auch ohne die entsprechende landkarte ausgekommen, denn die liegt ja noch bei mir.

ich habe heute auch einen kleinen abstecher in das berliner randgebiet gemacht und bin ebenfalls zu dem schluss gekommen, dass dies ein wirklich geeignetes terrain zum geländeradfahren ist. es gab alles was das herz begehrt: rampen, sand, wasser, dunkelheit.

gestartet bin ich, nachdem ich frühmorgens in der uni war und am mittag mit kumpels ein referat besprochen habe, kurz nach 1430 in ahrensfelde. der trümmerberg in bahnhofsnähe hat es mir zuerst angetan. ich umrundete ihn um in von östlicher seite über die steilsten stiche zu befahrem. puls, beine und lunge im roten bereich singalisierten, dass ich oben war. die sicht war zwar etwas diesig, doch konnte man wohl erahnen, dass man bei besseren sichtverhältnissen einen grandiosen blick auf die sozialistische städtebaukunst sowie das weitläufige brandenburger umland haben könnte.

von ahrensfelde ging es über eiche nach hönow. hinter hönow galt es die nächste prüfung zu bestehen. über gute anderthalb kilometer zog sich ein weg dahin wie er für märkische verhältnisse typisch ist: der grund besteh aus - wie könnte es anders sein - sand. dieser war schon recht fest aufgrund der witterung, doch dank der ausgeprägten spuren eines traktos und mehrerer pferde recht beschwerlich zu befahren. mit gutem willen war doch auch dies zu meistern.

weniger später folgte der aufgaben dritter teil. unter einer autobahnunterführung stand von einer seite der mauer bis zur anderen das wasser in undefinierbarer tiefe. die beschaffenheit des untergundes und die tiefe war auch bei genaueren untersuchung nicht festzustellen, da die brühe sehr aufgewirbelt und wenig durchscheinend war. so musste der praxistest ran. etwas zögerlich begab ich mich in die fluten. das vorderrad tauchte tiefer und tiefer ein und schwubs die wubs gab es punkt des no return. absteigen war unmöglich, wenden wohl auch und wenn es noch tiefer werden würde... die wasserhöhe pendelte sich auf unterkante kurblen ein, doch ein problem gab es noch: ich musste irgendwie vorwärts kommen, denn ich stand schon fast. also die kurblen immer rhythmisch vor und zurück gedreht - bloß doof das dabei jeweils abwechselnd die linke und rechte fussspitze ins kalte nass tunkte. fixed gear wäre hier sehr ungünstig gewesen. ich hatte die pfütze nun passiert und nasse schuhe/strümpfe/füße, was bei 2°C mit sommerschuhen ohne überschueh doch recht kühl war. die zehen sollte ich jedenfalls bis zum gang in die badewanne nicht mehr spüren.

der fahrt brachte mich an altlandsberg vorbei und über kilometerlange wege zur spitzmühle. die sonne hatte sich schon verabschiedet, doch das restlicht erlaubte noch eine umrundung von fänger- und bötzsee. mein folgender plan war es die mitgebrachte lupine anzustecken und über hegermühle, die dammwiesen, hennickendorf, den stienitzsee und rüdersdprf zu meinen eltern vorzustoßen, doch das lämpchen zeigte schon nach 2 minuten leuchtdauer ermüdungserscheinungen, obwohl es ewig und drei tage am netztgerät hing*.

ich bestieg also die recht bald heraneilende s-bahn in hegermühle und düste nach berlin zurück, wo ich lecker essen aß und im folgenden ein warmes bad nahm. eine nette geländeradsportausfahrt war es allemal.

rob, ichmussweg


*obwohl die rote warnleuchte unaufhörlich blinkt, was eigentlich bedeutet das nurnoch eine minimale rstenergie zur verfügung steht, leuchtet sie jetzt, wo ich zu hause sitze seit bestimmt einer stunde in voller stärke
 
Original geschrieben von rob
ich hoffe du bist auch ohne die entsprechende landkarte ausgekommen, denn die liegt ja noch bei mir.
Betrachte sie als Geschenk. Ist ja doch schon etwas "zerlesen" das gute Stück. Ich habe mir eine neue gekauft.

Original geschrieben von rob
...und tiefer ein und schwubs die wubs gab es punkt des no return. absteigen war unmöglich, wenden wohl auch und wenn es noch tiefer werden würde...
Jetzt stell Dir mal vor, Du wärst umgefallen :lol:

Original geschrieben von rob
...doch das lämpchen zeigte schon nach 2 minuten leuchtdauer ermüdungserscheinungen, obwohl es ewig und drei tage am netztgerät hing*.
Mit ca. 50,-€ (inkl. Versand) bist Du dabei. Du benötigst 6 Stücke von jenen hier (je 7,55):

NHJN800D-1Z.jpg


Das ganze fix verlötet, rin in de Pulle, zujemacht und ab dafür. Bei mir läuft das ohne Probleme.
 
Mensch Jockel - erstaunlich, dass Du es immer wieder schaffst gewisse Standards zu toppen. Welch ein Glück, wenn man gelegentlich Freiheit im Alltag genießen kann. Danke für die tollen Bilder.

bis denn
 
November 2001: Der Mountainbikebegeisterte H., alias Onkel, liest in senem neuen Forum erstmals Berichte der Berliner Fraktion, insbesondere des kleinen Haufens, der sich "Eisenschweinkader" nennt. Der junge Mann ist begeistert und versucht, bei diesem "Club" einen Fuß in die Tür zu bekommen.

November 2003: Onkel stößt beim routinierten Überfliegen seiner Netzheimat auf einen Titel, der so gar nicht ins Berlin-Forum passen mag: Solofahrt? Nach der Lektüre zweier guter Berichte und der Ansicht hervorragender Fotos beschließt er, heute etwas früher seien alma mater zu verlassen, um sein Rad etwas zu bewegen.

:love:

@rob: Bei dem Wetter solltest Du Deine Füße aus dem Wasser heraushalten. Oder willst Du da unten bald aussehen wie Reinhold Messner?
 
der bezeichnung freitag gerecht werdend habe ich meinen freien wochentag genutzt, um einen großen rundumschlag um in der östlichen mark brandenburg zu unternehmen. ich bin leider etwas geschwächt um einen längeren bericht zu verfassen und es ist ansich auch nichts wirklich spekatkuläres passiert dessen es sich lohnen würde erwähnung zu gewähren. es war aber trotzdem eine wunderschöne ausfahrt und auch eine meiner anstrengensten touren seit sehr langem. hier kurz die stationen zum nachfahren:

königs wusterhausen - senzig - gussow - bindow - blossin - wolzig - alt stahnsdorf - rieplos - lebbin - kolpin - rauener berge - petersdorf - fürstenwalde - an molkenberg vorbei - gölsdorf - eggersdrof - müncheberg - münchehofe - alte mühle - pritzhagener mühle - tornowsee - buckow - schermützelsee - hasenholz - ruhlsdorf - klosterdorf - strausberg nord - friedrich schiller höhe - spitzmühle - bötzsee - strausberg

zusammen 117km und 530hm


:) rob
 
sind denn berichte ohne ablichtungen auf weltklasse niveau überhaupt noch lesenswert? was wenn die qualität der poesie nicht die der ewig bleibenden dichter erreicht? was, wenn sich gar züge schnöder berichterstattung in die zeilen mogeln? jockel, du bist ein held - egal ob auf russischem titan, oder an koreanischem kunststofftasten... menis
 
Das passende Edelmetall dafür ist mir aber gerade in den Sinn gekommen. Ich denke SAUFKOP stimmt dem zu.
 

Anhänge

  • vorbildlich esk.jpg
    vorbildlich esk.jpg
    14,5 KB · Aufrufe: 137
Soll der etwa für mich sein? Ich bin gerührt und möchte an dieser Stelle auch meinen Eltern danken, ohne die ich heute nicht hier wäre. Außerdem allen meinen Lehrern und Förderern, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Dann noch...
 
Hmm, da wäre zunächst doch über die Erstellung einer solchen aus Goldschieds Meisterhand gefertigten Auszeichnung zu reden. Ham wa nen Kader-Goldschmied???
 
Zurück