Jena. Beim Osterspaziergang kann es wieder passieren: Mountainbiker kreuzen die Pfade im 550-Kilometer-Wanderweg-Netz der Stadt, so dass die Rehe springen und dem Spaziergänger die Luft wegbleibt vor Schreck. Im Naturschutzbeirat des Stadtrats kam das Dauerproblem jetzt zur Sprache. Und Vorsitzender Gottfried Jetschke gelangt auf Zeitungsanfrage zum eher resignierten Schluss: "Die Hartgesottenen machen es eh."
Jürgen Blank vom Umweltamt gibt zu bedenken, dass die Fans gar für Jenaer Routen im Internet werben würden, besonders gern nicht etwa für die befestigten ausgewiesenen Wege, sondern so genannte "Simple Trails": nicht befestigte, hängige Strecken. "Die sind besonders erosionsgefährdet", sagt Blank. "Außerdem behindern die Mountainbiker massiv die Wanderer; das ist ganz klare Gefährdung." Jene Leute seien "leider recht häufig in keiner Weise einsichtig". So bleibe zu schauen, ob der Zugang zu bestimmten Wegen gesperrt werden kann. "Beispiel: ein Drehkreuz. Das ist die Diskussion; das wäre ein Zeichen."
Nein, im Radverkehrsbeirat des Stadtrats ist dieses Problem noch nicht erörtert worden, sagt Vorsitzender Lutz Jacob auf Anfrage. Da gehe es nun einmal eher um infrastrukturelle Themen innerhalb der Stadt. "Ich selbst bin aber auch kein Fan dieser Philosophie, dass jeder Weg befahren werden muss."
Neu sei das Problem wahrlich nicht, sagt Stadtförster Olaf Schubert. Und nach Waldgesetz und Naturschutz-Recht bestünden auch gar keine Interpretationsspielräume: Radeln allein auf befestigten Wegen! "Nur ist die Kontrolle sehr schwer." Nach Schuberts Gefühl gibt es Tage, da seien auf der Horizontale "mehr Mountainbiker als Wanderer unterwegs". Zu tun habe das auch mit den technisch verbesserten E-Bikes. "Ich sage nur: Neue Mobilität – neue Strecken!"
Und doch sehe auch er sich als einer der Hauptverantwortlichen für Wanderwege "auf dem schmalen Pfad der vielen Interessen"; auch hier scheine ein "Konflikt der Nutzungen" des Waldes auf.
Mit den Touristikern des Eigenbetriebes Jenakultur bestehe Konsens: Das Mountainbike sei aus der Nutzung der Landschaft nicht wegzudenken. Eben diese Maßgabe sei auch in den Entwurf des neuen Jenaer Tourismus-Konzepts eingeflossen. Es sei also an der Stadt, hier eine Mittlerrolle zu übernehmen, sagt Olaf Schubert. Demnach sollen sinnvolle Mountainbike-Strecken angeboten werden. "Kanalisieren! Besucherlenkung! So nenne ich das." Etwa einen Berge-Burgen-Rundweg kann sich der Stadtförster vorstellen. – Ausgeschlossen hier natürlich zum Beispiel der "Qualitätswanderweg" Saale-Horizontale. "Da können wir keine Mountainbiker dulden." Und auch für "Hardcore", wie Schubert sagt: für die "Downhill"-Fahrer werde natürlich keine Strecke ausgewiesen. Dagegen spreche schon, dass niemand einer Verkehrssicherungspflicht nachkommen könnte.
Wo keine Schilder stehen, ist es also erlaubt?
Eine gute Vorarbeit sieht Schubert dank der Kooperation des Stadtforstes mit einer auf Geoinformationssysteme spezialisierten Firma, die bei der kompletten Überarbeitung der Wanderwege-Infrastruktur zur Seite steht. Studentische Praktikanten hätten auch erste Vorschläge für Mountainbike-Strecken erarbeitet, gleichwohl die Realisierung wohl noch fern scheint. – Schubert: "Wir haben einen Haufen Aufgaben, die nicht ausfinanziert sind." Und die Vorschläge abzustimmen, werde ohnehin nicht einfach sein.
Zurückhaltend reagiert der Stadtförster aber auch auf Rufe nach Schildern, die das Mountainbiking untersagen. "Das suggeriert doch zugleich: Wo keine Schilder stehen, ist es erlaubt."
Thomas Stridde / 13.04.17