Hallo zusammen,
ich habe Eure threads heute Nacht mal verfolgt und würde mich gerne mal einklinken. Ich fahre zwar kaum Rad, habe aber, wie Dominik, seit Jahren Erfahrung in der Leistungsdiagnostik. Ich entwickle seit 5 Jahren Software zur Berechnung der IANS (ind. anaerobe Schwelle) mit Trainingsplanableitung. Dominik's schöne Ausführungen kann ich voll unterstützen.
In Sachen "Schwellenwertmodelle" zur Bestimmung der IANS (leider zum Teil irreführend als IAS=ind. aerobe Schwelle bezeichnet) gibt es in der Tat einiges zu sagen. Wie bereits einige Male bei Euch angedeutet wurde, gibt es in Deutschland und erst recht im Ausland bis dato keine Standardisierung auf ein einziges Schwellenwertmodell für die Bestimmung des aerob-anaeroben Übergangs. Bis heute sind etwa 10 verschiedene Schwellenwertmodelle im Umlauf über die sich die Universitäten streiten. Dies zieht die gesamte Laktatleistungsdiagnostik, die an sich sehr verlässlich ist, in einen schlechten Ruf. Einige böse Zungen behaupten gar, dass bei schon 2 existenten Lösungen keine die richtige sein kann und daher das Prinzip ungültig ist.
Dabei ist kann man eigentlich folgendes festhalten:
- die Herzfrequenz ist zu anfällig und stark tagsformabhängig
- sie sollte lediglich der Trainingssteuerung, nicht aber dem Leistungstest, dienen
- Das Training sollte sich am letzten Stufentest orientieren
- dafür ist dem Probanden ein ausführliches Ergebnis-Protokoll auszuhändigen
- die Auswertung sollte individuell erfolgen, ein 4 mmo/l Madermodell erfüllt damit nicht die Voraussetzung, es ist eine sogenannte "Fixe Schwelle"
- individuell heisst, das zwischen a) Anfängern b) Trainierten und zudem zwischen a) Läufern und b) Radlern und c) Schwimmern usw. unterschieden werden muss.
- Ein Schwellenwertmodell kann bei einer Testmethode sinnvoll sein, bei einer anderen aber versagen
- Die Traininingsbereiche (Zonen) sollten nicht an der HFmax orientiert werden, da HFmax ausser vom Alter nicht signifikant mit dem Training verbessert wird (im Gegensatz zur VO2max)
- Die Zonen sollten sich besser an der IANS und zwar leistungsbezogen orientieren
- Die Zonen sollten sich, zur Verbesserung der anaeroben Kapazität, auch in in den anaeroben Bereich (IANS + x %) erstrecken (kurze, harte Sprints) -> Diagnostiker muss dies erlauben
- Wer zum Retest kommt, sollte für den intraindividuellen Längsschnitt mit dem gleichen Modell und gleicher Zonenberechnung ausgewertet werden
Eine Leistungsdiagnostik sollte nur jemand betreuen, der Erfahrung hat. Leistungsdiagnostiker gibt's zuhauf.
Zur IAS (hier ind. aerobe Schwelle):
Sie entspricht dem minimalen Laktatäquivalent oder aus Basislaktat also dem kleinsten Quotienten aus Laktat und Leistung auf der gesamten Kurve. Dies ist nicht unbedingt = Laktatminimum und daher nur mathematisch zu bestimmen. Aber dafür gibts ja Software ;-)
Ein Schwellenwertmodell basiert übrigens genau auf diesem Basislaktat: Man addiert 1,5 mmol/l auf das Basislaktat und erhält die IANS nach DICKHUTH (1998).
Das häufig zu beobachtende Laktatminimum in der Laktatkurve nennt man auch Laktatsenke. Es rührt von der Tatsache, dass die Laktat-Eliminationsrate des Körpers bei kleinen anfänglichen Belastungen erst hochgefahren werden muss, während die Laktatbildung schon im vollen Gange ist. Erst nach einer gewissen Zeit zieht die Elimination nach und, im Falle eines aeroben Energiebedarfs, holt diese die Laktat- Bildung auch ein: das resultierende Blutlaktat sinkt ab. Um diese Senke zu vermeiden, sollte man sich vor dem Test 5 min auf kleinster Teststufe warmfahren, um die Elimination anzutreiben.
Zur berühmten Stegmann Schwelle:
Diese "Berühmtheit" ist in der Tat sehr jung und wird zur Zeit weiterentwickelt. Man (Prof. Stegmann et al.) setzt die Idee auf die Tatsache auf, dass die Bildung und die Elimination im anaeroben Fall auseinanderdriften und das Resultat (das gemessene Laktat) mit der Zeit anwächst. Es kommt nach einer Ausbelastung im Stufentest sogar zu einem "Overshoot" des Laktats: Der Pegel steigt auch ohne Belastung weiter an. Je schneller dieser Pegel (in min) wieder den Ausbelastungszustand erreicht hat, desto höher ist die IANS: Es wird von diesem Punkt eine Tangente an die Laktatkurve projeziert: der Berührpunkt ist die IANS. Die mathematischen Hintergründe nehmen ein paar Seiten im Skript ein und sollen hier nicht interessieren. Die softwaretechnische Berechnung war aufwenig aber interessant.
Wichtig ist die Erkenntnis, die Erholung in die Berechnung der IANS einfliessen zu lassen. Kein anderes Modell tut dies zur Zeit (Ausnahme: Der Senkentest mit Senkenschwelle).
Wie eine zusammenhängende moderne Auswertung eines Leistungstest aussehen kann, liest sich hier
http://www.winlactat.de/Versions/20/2.htm
der Hautpseite
www.winlactat.de
Beispieltrainingsplan und Analysereports sind dort zu finden.
Wir führen auch günstige Seminare und Tests für Biker und Läufer vor Ort durch. Zudem bietet die Umgebung (Harz) einiges für Biker. Ich stehe für Informationen und Anregungen gerne zur Verfügung und organisiere auch Treffen mit hiesigen Bikergruppen.
Im Anhang ein typischer Längsschnitt.
Gruß
Joachim