Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Ein Grundrecht das Art. 111 der Bayerischen Verfassung (oder auch Art. 5 GG) gewährleistet und auf das man sich hierzulande auch verlassen kann.
Einschränkungen dieses Rechts werden angeprangert und Journalisten, die sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen, werden von der Politik verteidigt:
Pressefreiheit: Warum die EU stärker auf ihre Werte pochen sollte - NOZ
Medien: Berlin pocht im Satire-Streit mit Ankara auf Einhaltung der Pressefreiheit
Von Türkei konfisziertes DW-Interview: Regierung pocht auf Pressefreiheit
Landtagsmehrheit pocht auf Pressefreiheit - T-Online
Der Mountainbiker, der sich auf das Recht auf Erholung in freier Natur aus Art. 141 der Bayerischen Verfassung beruft, wird im Oberallgäu dagegen betrachtet wie Investigativjournalisten in Ankara.
So titelte das Allgäuer Anzeigeblatt am 24.03.2018:
Manche pochen aufs Betretungsrecht
Naturnutzer greifen dafür sogar zur Verfassung. Ein Jurist vom Landratsamt erklärt Grundlagen
Natürlich tun sie das. Aus dem selben Grund wie z. B. Deniz Yücel auf die Pressefreiheit. Sie haben das Recht dazu und tun nichts Unrechtes.
Natürlich gilt das Betretungsrecht nicht uneingeschränkt (
Art. 27 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG).
Ich hatte
hier mal etwas dazu geschrieben:
Mit dem Artikel "
Latentes Konfliktpotential unter Wegenutzern" von Curd Biederman kann man einen Eindruck gewinnen warum die geltenden Regelungen in Bayern auf der einen Seite Konflikte zwischen Erholungsuchenden untereinander sowie auch im Verhältnis zu Grundeigentümern befrieden und auf der anderen Seite einen pfleglichen Umgang mit der Natur gewährleisten (Begründung der Bayerischen Staatsregierung zum Bayerischen Naturschutzgesetz 2011 vom 06.10.2010 (Drucksache 16/5872) zu Art. 26, als Ministerpräsident Söder noch Umweltminister war).
Die zentrale Vorschrift im bayerischen Betretungsrecht
Art 141 Abs 3 Satz 1 BV - Recht zur Erholung in freier Natur
ist seit Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung 1946 unverändert geblieben und ist doch aktueller denn je.
"Der Genuß der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ist jedermann gestattet."
"Was sind wir in Bayern ... wegen dieser Bestimmung verlacht worden, insbesondere wegen ihres dritten Absatzes, der in großer Überlegenheit als das "Grundrecht des Pilzesammelns" lächerlich gemacht wurde. Sieht man von einigen etwas altväterlichen Redewendungen ab, so handelt es sich hier aber, wie wir heute wissen, um die modernste und weitschauendste Verfassungsnorm in diesem Zusammenhang, die immer noch so bestehen kann, wie sie 1946 formuliert wurde ...",
so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog 1992.
Auch der Landtagspräsident Johann Böhm würdigte in seinen Reden 1996 zum 50-jährigen Jubiläum der Bayerischen Verfassung nochmals explizit das Recht auf Erholung in der freien Natur:
"Soviel steht fest: Die Bayerische Verfassung ist nach wie vor zeitgemäß. Sie hat als "Magna Charta Libertatum" für die Bürgerinnen und Bürger Bayerns den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt des Freistaates ermöglicht und zugleich Vorsorge getroffen für die Pflege von Kultur und Brauchtum und für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Sie hat vor 50 Jahren bereits Themen vorweggenommen, die erst später ihre volle Aktualität entfalteten und zum Teil mit großer Leidenschaft diskutiert wurden. Als Beispiel nenne ich den Artikel 141 BV - oft als "Grundrecht des Pilzesammelns" belächelt und verspottet - mit den Worten Prof. Roman Herzogs aber "die modernste und weitschauendste Verfassungsnorm, die immer so bestehen kann, wie sie 1946 formuliert wurde"."
In seinem Beitrag zur FESTSCHRIFT ZUM 25-JÄHRIGEN BESTEHEN DES BAYER. VERFASSUNGSGERICHTSHOFS (1971), "Zur sozialen Programmatik der Bayerischen Verfassung", stellte Professor Dr. Hans F. Zacher bereits fest:
Die Normen über Natur- und Landschaftsschutz (Art. 141 Abs. 2 und 3) und den Genuß der Naturschönheiten durch jedermann (Art. 141 Abs. 3) mußten sich zwei Jahrzehnte lang von einer »aufgeklärten« gemeindeutschen Öffentlichkeit belächeln lassen, bis sich herausstellte, daß Bayern in seiner historischen Tendenz zur »Ungleichzeitigkeit« die Notwendigkeit des - heute nicht selten zur Hysterie geratenden - Umweltschutzes und auch dessen soziale Dimension schon im Jahre 1946 durch einen Verfassungsartikel anerkannt hat.
Die Qualifizierung als Grundrecht erfolgte bereits in der zweiten Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes zu dieser Norm, wodurch die zuvor verwendete Bezeichnung "verfassungsmäßiges Recht" überwunden und dem Recht die einem Grundrecht zukommende Bedeutung, Justiziabilität und Höherrangigkeit beigemessen wurde. Dieses Verständnis kann sich sowohl auf den Wortlaut ("ist jedermann gestattet") als auch auf den Willen des Verfassungsgebers stützen, der entgegen anderslautender Vorschläge (in Richtung Programmsatz) an der auf den Abgeordneten Hoegner zurückgehende Fassung festgehalten hat, wobei Hoegner selbst erklärt hatte, daß es "nicht um den Wert der Pilze, sondern um die Freiheit des Menschen" gehe (
Martin Burgi, "Erholung in der freien Natur", 1993).
Ohne bereits auf Details zum Grundrecht auf Erholung in der freien Natur einzugehen, zeigt schon der Blick auf die im Nachbarland Österreich zum Teil offen ausgetragene Feindseeligkeiten zwischen Erholungsuchenden untereinander (zumeist nur in den
Kommentarfunktionen von Onlinezeitungen) auf der einen Seite bzw. mit Wald- und Grundbesitzer und Jägern auf der anderen, wie aktuell, wie modern und vorausschauend Art 141 Abs. 3 Satz 1 BV war und immer noch ist, dessen Schranken sich diesbezüglich gerade in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme konkretisieren.
Aber auch ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt die Aktualität der befriedenden Wirkung der bayerischen Rechtslage. In Baden-Württemberg hatte sich nach einer intensiven Konfliktphase kurz nach dem Auftreten des Mountainbikens in den 1990er Jahren das Verhältnis auf den Wegen zwischen den Nutzern verbessert. Es verschlechterte sich durch eine neue Gesetzesregelung, der 2-Meter-Regel, 1995 wieder. Statt Konfliktpotentiale zu entschärfen hatte sie den sozialen Konflikt neu entfacht (
Konfliktanalyse aus 2006 S. 193).
Gerne schauen wir dagegen nach
Graubünden in der Schweiz. Um eventuelle Konflikte zwischen Wanderern und Bikern erst gar nicht entstehen zu lassen, gilt dort das Gebot der „Trail-Toleranz“:
Wanderer und Biker
respektieren sich gegenseitig und benutzen dieselben Wege. Ein Beispiel, dass dieses Nebeneinander in der Praxis sehr gut funktioniert.
Wer hats erfunden? - Die Bayern!
In letzter Zeit schießen in verschiedenen Regionen Bayerns jedoch seltsame Schilder, man möchte meinen, wie Pilze aus dem Boden.
Unter anderem am Ochsenkopf, im Allgäu, in den Bayerischen Voralpen, im Oberland, im Fränkischen und nun auch im Altmühltal verschandeln Beschilderungen die Landschaft, die gleichsam darüber Aufschluss geben, dass die jeweiligen Aufsteller die Regelungen des Bayerischen Naturschutzgesetzes nicht verstanden haben oder sich einfach darüber hinweg setzen, aber noch viel schlimmer die Errungenschaften des Art. 141 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Verfassung, insbesondere den gegenseitigen Respekt und die gegenseitige Rücksichtnahme der Erholungsuchenden untereinander (vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 3 BayNatSchG) untergraben.
"Die Rechtsausübung anderer darf nicht verhindert oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden (
Gemeinverträglichkeit)."
Österreich und Baden-Württemberg sollten hier mahnende Beispiele sein und Graubünden daran erinnern, wie begnadet Bayern ob des Art. 141 Abs. 3 in seiner Verfassung doch ist. In dessen Konkretisierung sorgt das Bayerische Naturschutzgesetz für einen vernünftigen Interessenausgleich, in den man auch aktuell vertrauen kann.
Dazu passt auch das Resümee am Ende der ausführlichen fast halbstündigen Urteilsbegründung des Richters Axel Hellriegel am Amtsgericht Aichach, der überregional beachtete Streit zwischen Waldbesitzer und Mountainbiker sei „bedauerlich und überflüssig“ und auch zu hoch gehängt. Tausende von Radfahrern seien täglich in Wäldern unterwegs und es „klappt doch in der Regel wunderbar. Es ist einfach kein Fall." (zum Urteil des Amtsgerichts Aichach, 101 C 153/17, 17.04.2018).
Tatsächlich ist es im Landkreis Oberallgäu viel weniger ein Mountainbiker-Problem als ein Problem der Grundbesitzer mit der Sozialpflichtigkeit ihres Eigentums (
Art. 158 BV), das den in Bayern
vorherrschenden Frieden um die Erholung in freier Natur gefährdet.
Noch ein kurzer Blick in die erste
Regierungserklärung unseres neuen Ministerpräsidenten.
II. Wir haben klare Prinzipien
Wie ist unser bayerischer Weg? Wir haben Prinzipien und Konzepte:
- Bayern ist weltoffen und traditionell zugleich: Wir schauen in die Welt hinaus und pflegen bayerisches Brauchtum und unsere christlich-abendländisch geprägte Kultur.
- Wir setzen auf einen starken und einen liberalen Staat zugleich. Ein Staat muss stark sein, wenn es um Schutz geht, aber er muss liberal sein, wenn es um Freiheit geht. Unser Motto lautet: „Leben und leben lassen!“ (Siehe auch meine Signatur)
Mal sehen, ob das auch für die erholungsuchenden Radlfahrer gilt.