Wie immer in aller kürze ...
9. Erfurter Bike Marathon oder Fully-Fahrschule in Erfurt
... es ist Montag, ein Blick aus dem Fenster und ich sehe ein graues und trübes Berlin :kotz: meine Erinnerungen schweifen immer wieder automatisch zurück ins letzte Wochenende und insbesondere zu gestern

.
Es ist Sonnabend, ich sitze bereits seit mehr als 30 Minuten entspannt auf meinem Balkon in der Sonne und überlege welches Bike ich denn nun für den Marathon in Erfurt nehmen sollte. Der Physioterrorist warnte dezent vor diversen Schlammpassagen im Erfurter Steigerwaldgebiet

Nehme ich das alte und bewährte Hardtail mit reduziertem Federverhalten oder doch lieber das neue leichte mit dem ich mich wippend und schaukelnd durch den Forst bewegen könnte?
Nach langem Hin und Her entscheide ich mich für das Fully, Hauptsächlich aus dem Grund, weil ich bei dem Hardtail noch die Kette kürzen müsste. Das Fully muss nur noch eingepackt werden und das ist irgendwie bequemer.
Wie gewohnt bin ich auch dieses Mal am Vorabend des Rennens spät dran. Runterrauf hat als geplante Abfahrtszeit 5:00Uhr ausgegeben. Ein kurzer Blick auf die Uhr, welche bereits 00:05 Uhr anzeigt, sagt mir dass es höchste Zeit ist für´s Bett. Beim nächsten Blick auf die Uhr ist es kurz vor 1:00 Uhr und irgendwie schlafe ich dann auch endlich ein ...
3 Stunden später - der Wecker klingelt, ich stelle fest, dass ausgeschlafen irgendwie anders ist

und stehe trotz allem oder gerade deswegen zügig auf. Schnell noch mal alles kontrolliert, ein Blitzfrühstück hingelegt und noch einen Riegel als Zweitfrühstück eingepackt und los geht´s. Bei traumhaften Verhältnissen - klarer Himmel, Sonnenaufgang im Frühsommer und Menschenleeren StraÃen fahre ich so schnell wie möglich Richtung RR - raus aus der Stadt.
Als ich bei Runterrauf ankomme werde ich bereits erwartet und wir können sogar mal pünktlich starten. In Ragow steigt dann noch Schnegge dazu und ich gebe mir alle Mühe das Gespräch so lange wie möglich aufrecht zu erhalten und nicht sofort einzuschlafen. Unser Smalltalk bricht kurz hinter Michendorf ab und beim nächsten Zeitzeichen sind wir bereits am Hermsdorfer Kreuz.
Beim nächsten Augenaufschlag fragt Runterrauf, ob wir hier schon von der Autobahn abfahren müssen. Wir sind eine Abfahrt vor Erfurt-Ost und die Sonne strahlt mich bereits auf´s heftigste an
Auch bei meiner fünften Teilnahme in Erfurt (wo für mich das Kapitel Mountainbikerennen irgendwann 2001 begann) bringen wir es mal wieder auf eine neue Variante der Anfahrt zum Steigerwaldstadion. Als wir kurz nach 8 vor Ort eintreffen ist der Parkplatz noch relativ leer. Das hat sich in der darauffolgenden Stunde allerdings noch deutlich geändert.
Wir entscheiden uns (wie sich kurze Zeit später herausstellt) schlauerweise dafür erstmal zur Anmeldung zu gehen und uns dann um alles andere zu kümmern. Wie letztes Jahr ist alles gut organisiert und die Anmeldung klappt auch reibungslos. Wie es der Zufall so will ist im Starterpaket eine
SKS Luftpumpe wie ich sie gerade sehr gut gebrauchen kann

Mit Startbeutel, Flyern, Pastagutscheinen und Startnummern versorgt geht´s zurück zum Auto in die heiÃe Phase der Vorbereitung.
Es ist kurz vor 9 als wir mit allem fertig sind. Die Räder sind zusammengebaut, Luftpumpen montiert, Ersatzschläuche wurden gekauft und verstaut. Trinkrucksack geschultert und eigentlich kann es losgehen. Eine kleine Stadtrunde (bei der noch die ersten Meter der Strecke abgefahren wurden) zum warmfahren und kurze Zeit später finden wir uns pünktlich 30min vor dem Start im Startblock ein.
Es ist bereits ordentlich voll und wir wählen den seitlichen Direkteinstieg im vorderen Bereich um nicht gleich von so weit hinten zu starten. Es wird auch noch verkündet, dass knapp 700 Fahrer starten (wenn ich heute auf die Ergebnisse schaue und davon gerade mal 50 Starter auf der langen Runde ins Ziel gekommen sind dann komme ich schon irgendwie ins grübeln)
10 Uhr ... kurz noch Glück und viel Spaà gewünscht und los geht´s ... ich bin die ersten 300m erstmal damit beschäftigt meine Stoppuhr zu aktivieren bevor auch ich mich auf den Weg nach vorne mache ... am ersten Anstieg ein gewohntes Bild - keine 100m gefahren und Runterrauf fliegt vorbei. Schnegge schlieÃt überraschenderweise erst deutlich später auf.
Ich versuche erstmal an Schnegge dranzubleiben und schaffe es auch einigermaÃen. Auf der ersten kleinen Abfahrt können wir wieder zu Runterrauf aufschlieÃen und so fahren wir erstmal eine Weile gemeinsam in die ersten Singletrails und Schlammlöcher hinein. Die erste Runde ist in Erfurt meistens ätzend weil zu viele der Fahrer zwar schnell fahren können aber sobald eine Kurve, Wurzel oder etwas schwierigere Passage kommt sind sie aufgeschmissen und steigen vom Rad - das heiÃt dann meistens Stau.
Der SpaÃfaktor ist demzufolge hier leider relativ gering und zu allem übel wirds auf einmal auch noch schlammig. Das Profil meiner Raketen Rons is zu und ich fahre wie auf Eiern. Glücklicherweise gehts alsbald wieder trockener weiter. Komischerweise hat mich der Schlamm gestern nicht mal ansatzweise gestört und ich bin fast schon mit Spaà durch die Schlammpfützen geballert
Am nächsten Anstieg wieder das gewohnte Bild - Runterrauf tritt herzhaft in die Pedalen

und schnell vergröÃert sich die Lücke. Ich folge Schnegge erstmal, trete kurze Zeit später aber auch die Flucht nach vorne an. Im Laufe der nächsten Kilometer verliere ich Schnegge aus dem Auge und kann sogar wieder zu Runterrauf aufschlieÃen - bis zum nächsten Anstieg.
Da ich weiÃ, welche Anstiege noch vor uns liegen gehe ich es etwas entspannter an und lasse Mr. Volldampf einfach mal fahren. Schnegge hat inzwischen auch fast wieder zu mir aufgeschlossen und wir nähern uns dem Höhepunkt der Runde - dem Riechheimer Berg.
Zu meiner Ãberraschung wurde die Strecke mal wieder leicht verändert und führt zu einem groÃen Teil über eine LandstraÃe bis kurz vor den Berg. Ich habe Glück und als es auf die Asphaltpassage geht machen sich aus meiner Gruppe 2 Fahrer im Expresstempo auf den Weg nach vorne. Grege´s Weisheiten im Ohr setze ich mich direkt in den Windschatten und lasse mich nach vorne bringen.
Schnell reiÃen wir eine Lücke und überholen mehrere kleine Grüppchen bis knapp 500m weiter eine gröÃere Gruppe auftaucht. Die Jungs vor mir fahren weiter Vollgas

und ich überlege schon mich im nächsten Mini-Gruppchen aus dem Express zu verabschieden als ich in der groÃen Gruppe Runterrauf mehr erahne als das ich ihn sehe.
Das heiÃt für mich natürlich dranbleiben ist angesagt. Kurz vor dem Abzweig von der StraÃe ins Gelände haben wir doch tatsächlich aufgeschlossen und ich bin schon ziemlich platt. Ein bisschen langsamer wäre jetzt nicht schlecht aber meine beiden Expressgenossen setzen doch anscheinend nicht schon wieder zum überholen an? Was mache ich wenn Runterrauf da jetzt mitfährt?
Meine Ãberlegungen werden abrupt vom Ende des Asphaltwahns gestoppt und es geht auf einen Singletrail rauf zum Gipfel. Ich verliere Runterrauf mal wieder aus den Augen habe aber in den Anstiegen genug mit mir selbst zu tun als das ich weiter darüber nachdenken könnte. Nachdem wir oben angekommen sind geht es auf der alten Strecke vom letzten Jahr wieder runter ... alles klar dann kommt jetzt gleich dieser giftige Anstieg rauf zum Gipfel.
Als wir in den letzten wirklichen Anstieg der Runde einbiegen steigen die ersten bereits ab. Nach gut der Hälfte schiebt alles um mich herum nur ich fahre im Schneckentempo weiter weil ich weià oben gibt es eine Super Unterstützung der Zuschauer. Auf einmal hören wir alle ein lautes Gekreische und alle um mich herum wundern sich genauso sehr wie ich ... je näher wir zum Gipfel kommen desto lauter und schriller der Sound. Ich merke wie mich das beflügelt und auch die anderen um mich herum steigen trotz einer undankbaren Steigung alle wieder auf.
Keiner will anscheinend da oben schiebend ankommen. Es ist echt Wahnsinn was man mit der Unterstützung von Zuschauern alles schafft und es ist ein tolles Gefühl wenn 50-80 Leute um einen herum toben, schreiben und dich den Berg hochtreiben. Gänsehautfeeling pur ...


Oben angekommen gab es wieder eine Verpflegung und ich hab mal meinen Rucksack nachgefüllt, da es sehr heià ist. Ich esse noch schnell eine Banane und trinke ausreichend bevor ich weiterfahre. Letztes Jahr kam in der ersten Runde Schnegge hier vorbeigeflogen aber dieses Mal ist nichts von ihr zu sehen. Runterrauf dürfte dafür wieder deutlich vor mir sein aber das Rennen ist ja noch lang.
Auf eine der folgenden Singletrailpassagen wird es wieder glatt und auch ich muss wieder aufpassen. Irgendwann in dem Trail kurz vor dem Ende der ersten Runde taucht auch Schnegge wieder im Rückspiegel auf und ich warte. Gerade als wir aus dem Trail wieder rausfahren höre ich von hinten einen Markerschütternden Schrei wie früher in den Indianerfilmen als die bösen Cowboys vom Pfeil getroffen von Ihrem Pferd gefallen sind. Eine Sekunde später rauscht es nochmal kräftig im Gebüsch und mir ist klar, dass da jemand ordentlich nen Abflug gemacht haben muss.

Ich merke mir die Stelle schon mal für die zweite Runde.
Die Strecke in Erfurt ist von Natur aus ziemlich schnell und die technischen Schwierigkeiten anderer Rennen gibt es hier nicht. Dafür gibt es einige Singletrailpassagen die richtig Laune machen. Es geht in Runde zwei - die Trails sind leergefegt und ich es geht mit vollem Einsatz zur Sache.
Schnegge hat anscheinend nicht ihren besten Tag erwischt und lässt kleine Schwächen erkennen. Oder sollten die kleinen Schneckentouren am Tag vor dem Rennen einfach mal verkürzt werden? Jedenfalls reiÃen immer wieder Löcher zwischen uns auf. Die Schlammpassagen sind auf der zweiten Runde deutlich trockener und so kann man auch diese Stellen zügig passieren.
Als sich ein Fahrer vor uns verfährt schlieÃen wir auf und fahren eine Weile gemeinsam. Schnegge is meistens zwischen 100 und 500m hinter uns ... ich überlege die ganze Zeit - warten oder weiterfahren. Wir fahren eine ganze Weile, ich fühle mich auch soweit ganz gut und es scheint so als kann Schnegge das Loch nicht zufahren.
Ich überlege ziemlich lange, entscheide mich aber letztendlich doch dafür mein Tempo weiterzufahren und werde versuchen den ein oder anderen Fahrer vielleicht doch noch zu überholen. Es geht lange Zeit relativ ereignislos über die altebkannten Pfade und auch der Prüfblick nach hinten - nach Schnegge (was für ne komische Formulierung

) bringt keine neuen Erkenntnisse.
Am Riechheimer Berg haben sich die Zuschauerreihen bereits deutlich gelichtet aber die Gruppe Cheerleeder die für die Einzigartigkeit der Tonlage bereits in der ersten Runde gesorgt hat ist noch da. Verhalten und vorsichtig wird angefeuert als ich mich nähere.
Da ich inzwischen ziemlich platt bin fordere ich per Handbewegung mehr Unterstützung und mein Wunsch wird erfüllt. Urplötzlich gehtâs auch wieder leichter und ich quäle mich bis nach oben. An der Verpflegung gibtâs noch mal Cola satt und ne Banane â das muss reichen bis ins Ziel.
Der Weg ins Ziel zieht sich aber ich merke, dass ich trotzdem noch ne Menge Spaà an dem Rennen habe. Runterrauf habe ich inzwischen abgeschrieben und auch von Schnegge ist weit und breit nichts zu sehen. Die Cowboyabschussstelle überstehe ich auch ohne Probleme und es geht auf direktem Wege weiter ins Ziel
Kurz vor dem Ziel auf dem Truppenübungsplatz kann ich noch mal einen Fahrer mit Krämpfen überholen ... dummerweise ist er davon anscheinend angestachelt. Wir unterhalten uns kurz beim vorbeifahren und ich empfehle ihm einfach schön langsam weiter zu fahren. Ich freue mich noch darüber was ich für taktisch tolle Tipps gebe doch was macht der Typ? Er hört natürlich nicht auf mich und fährt schneller weiter was die Krämpfe anscheinend wieder verschwinden lässt

warum hört der eigentlich nicht auf das was ich sage?
Auf der folgenden Gegenwindpassage (am morgen gab es auf dem Weg in entgegengesetzter Richtung noch einen passablen Gegenwind aus genau der anderen Richtung) auf dem Plattenweg gebe ich noch mal Gas und der Abstand wird beruhigender. Als es in den als er wieder in den Wald geht ist er glücklicherweise verschwunden

Auf so ne wilde Raserei vor dem Ziel hab ich nämlich keine Lust.
Die altbekannten Gemeinheiten mit den hässlichen kleinen Anstiegen kurz vor dem Ziel nehme ich auch noch mit ohne wirklich langsamer zu werden. Doch als ich auf der letzten Abfahrt parallel zu dem letzten Anstieg bin ist auf einmal Schnegge wieder da

Hab ich so gebummelt

Schnegge muss die letzten 20km ziemlich geballert sein sonst könnte sie noch nicht hier sein.
Das Loch ist allerdings zu groÃ, als das Schnegge noch mal rankommen könnte und warten will ich auch nicht ... im Zielhang springt mir dann bereits ein frischgeduschter Runterrauf

entgegen und ich teile ihm mit das Schnegge gleich ins Ziel kommt und er lieber sie anfeuern soll
Kurze Augenblicke später haben wir alles es hinter uns und sind im Ziel welches komischerweise verglichen mit dem letzten Jahr noch relativ gut besucht ist.
AnschlieÃend gabs noch Pasta futtern, Siegerehrung für Schnegge, Plaudern mit dem Veranstalter über seine Problem beim organisieren der Rennen und die fehlende Unterstützung durch die Stadt Erfurt, Abschiedsgruppenfoto und Duschen bevor es wieder zurück nach Berlin ging.
Mir hat es gestern riesigen Spaà gemacht und ich werde die ganze Woche davon zehren. Danke das ihr mitgekommen seid und mit dafür gesorgt habt, dass es so nen toller Sonntag geworden ist.
Das Fully funktioniert gut und so langsam komme ich damit zurecht.
PS: ich will zurück nach gestern früh
