Gude
Optisch ist der Rahmen jetzt nicht so meins.
Das geht schon in Ordnung, denn ich besteche auch nicht gerade durch Optik und wie würde ich da auf einem formschönen Fahrrad daher kommen?
Frei nach dem Motto: "Ist ja irgendwie freaky, sieht aber scheiße aus". Ich glaube das Fahrrad passt zu mir.
Aber mal Spaß beiseite, ich möchte dazu was schreiben.
Dieser Fahrradrahmen folgt keinen Trends, greift nichts Bekanntes auf und unterwirft sich auch keinen Erwartungen. Jede Linienführung, jeder Formschwung, jeder Querschnitt und jede Geometrie erwächst aus Parametern, die eine ergonomische, gewichtsoptimierte Struktur aus hochfestem Aluminium nun mal vorgibt. Die Erscheinung ist somit puristisch, minimalistisch und kompromisslos funktionsorientiert.
Das Teil muss zwangsläufig so aussehen und daher existiert so etwas wie „Optik“ eigentlich gar nicht, es darf nicht existieren. Auf dieser Grundlage entsteht meine Auffassung von Ästhetik.
Mich begeistert das Prinzip "form follows function" und ich möchte behaupten, sollten sich die Hintergründe und die konstruktiven Aspekte einem Betrachter erschließen, dann vermag jedes „Unding“ in einem anderen Licht erscheinen. Darf ich an dieser Stelle meinen Flugzeugbau-Meister zitieren?: „Was gut ist, sieht auch gut aus, nicht umgekehrt“. Ob es gut ist, wird sich zeigen, in jedem Falle behält mein Meister recht.
Nun, diese Ansicht teilt diese Welt nicht uneingeschränkt. Wenn ich mich umschaue finde ich kaum einen Gegenstand, der nicht irgendeinem gestalterischen Konzept oder einem Stil folgt. Von der Thermoskanne über die Türklinke bis zum Klobürstenhalter ist heute alles durchgestylt und der Name des zumeist italienischen Designers verdrängt sämtliche übrigen Aspekte, er rückt sogar in der Vordergrund.
Wenn die Automobilindustrie ihre neuen Modeljahre präsentiert, achten die Kunden auf Dinge wie die Form der Rückspiegel, der Rückleuchten oder auf den zyklisch wiederkehrenden Schwung in einem belanglosen Plastikteil. Hier definieren sich ganze Märkte, aber mich haut das nicht vom Hocker.
Auf dem Fahrrad möchte ich mich von allen diesen Dingen befreien, sie hinter mir lassen. Ich reduziere mich dort auf die Natur, ihre Gesetze und ihre Schönheit. Mir genügt es vollkommen, ausschließlich damit konfrontiert zu sein. Schnörkel, Lack und Farbe sind überflüssig, ich lehne sie ab.
Da bin ich im Fluss und brauche keine fließenden Übergänge. Die Linie, die ich in die Landschaft ziehe, ist die einzige die mich interessiert. Meine Räder sind kreisrund, eine einfache, schlichte, zeitlose, ideale Geometrie. Da gibt es keinen Vorgänger, keinen Nachfolger und keine Philosophie.
Überflüssiges habe ich nicht dabei und nicht weniges davon vorher sogar mit Begeisterung per Feile entfernt. Ich schulde niemandem eine optische Referenz und solange ich durch mein Erscheinen niemanden verärgere, sehe ich es extrem zweitrangig.
Aber mit eigener Muskelkraft auf einem unverfälschten, perfektionierten Gegenstand über möglichst große Distanzen durch das bergige Terrain zu rollen, das macht mich total an.
Wie gesagt, ich mache hier keine Designstudie und ich spiele nicht mit Formen. Ich glaube schlicht an diese Bauweise mit all ihren Eigenschaften. Wenn alles klappt, dann wird das Rad durch die Verwendung der hochfesten Aluminiumlegierungen leicht und steif. Vielleicht etwas mehr als bislang von Metallrahmen gekannt. Hier ist und bleibt der einzige Ansatz.
Aber um in naturwissenschaftlicher Manier auf die Frage zurückzukommen:
Ich verwende diverse Kleber und Dichtstoffe. Bei dem Strukturkleber handelt es sich um Körapur 666, ja das Zeug heißt echt so. Es ist ein Zweikomponenten Aluminium Spezialkleber.
Die „schwarze“ Masse ist Sikkaflex 521. Das ist schön zu verarbeiten, eignet sich aber nicht für Flächenklebungen, weil es mit der Luftfeuchtigkeit aushärtet.
Die Herausforderung besteht darin möglichst wenig zu verwenden. Es mag ja eine geringere Dichte haben als das Aluminium, aber da ist auch schnell mal der eine oder andere Millimeter aufgetragen und das geht aufs Gewicht.
Kunststoff ist leider auch nicht wirklich leicht. Ein gutes Beispiel sind die Erleichterungsbohrungen. Die sparen offensichtlich Aluminium aber wenn ich die mit auch noch so dünnen Kunststoff-Karosseriestopfen verschließen würde, wäre die Bilanz stehts negativ
Aber weiter geht es natürlich auch.
Hier ist mir eines morgens eingefallen, wie ich noch ein Gramm herunterdrehen kann.
Das macht vielleicht den Bock nicht fett aber ne Menge Spaß. Hier kommt die Hinterachse rein.
Hier ist mir wieder ein kleiner Gau passiert. Im Gegenlicht stellte ich eine kleine Beule fest, die beim Vernieten des Tretlagerbeschlages entstanden ist. Ich bin offensichtlich mit dem Niethammer etwas abgerutscht. Das kommt vor und das ist auch kein Problem. Ich begann damit, die Beule mit dem Kontereisen und einem kleinen Hammer herauszuarbeiten. Das klappte auch ganz gut und war auch kaum sichtbar. es ließ mir aber keine Ruhe und so dokterte ich da weiter herum, nicht weil es doof aussah, sondern weil es nicht perfekt war und ich nicht daran erinnert werden wollte. Irgendwann hatte ich die Sache so weit getrieben, dass ein sogenannter Frosch entstanden ist. Das Blech ploppte hin und her. Nun das lässt sich nur mit einer weiteren Verformung lösen. Ich entschied mich kurzerhand für eine weitere Erleichterungsbohrung und fertigte auch ein passendes Tiefziehwerkzeug an. Damit war die Beule raus, der Frosch verschwunden und wieder 1 Gramm gespart. Jetzt erinnert mich nichts mehr daran...
Das Loch wird selbstverständlich geschlossen, und zwar folgendermaßen.
Auf diese Idee brachte mich die NASA. Die hat bei der Entwicklung des LEM (Das ist die Mondlandefähre) Gewicht sparen müssen, da dort jedes Pfund zählt. Also tauschte man die Aluminiumverkleidung des Unterbaus durch Goldfolie. Ich werde meine Löcher mit runden Aufklebern schließen. Das ist an der Stelle gar nicht so empfindlich und klappt prima. Hier hatte ich noch zufällig einen runden Sticker übrig, der genau passte. „Sugar“ macht übrigens gute Laufräder.
Auch dieser Brocken sieht ein wenig nach Raumfahrt aus und könnte auch von der ISS abgefallen sein.
Sonderwerkzeug im Einsatz
Die fertig vernieteten Kettenstreben mit dem Aussteifungsblech. Die Niete sind eingeschliffen, weil da immer ne Menge Dreck hängt. Morgen badet das Stück in Owatrol, das verhindert die Fingerabdrücke beim Anfassen. Außerdem wird das Wetter nicht so toll und da ruft wieder die Werkstatt.
Gruß
Thomas