Ich finde das Interview insgesamt auch sehr sympathisch. Ich selbst fahre inzwischen mein drittes Radon Slide, meine Frau ihr Zweites und viele meiner Freunde fahren Radon. Alle aus dem selben Grund: die Bikes sind vom Preis-Leistungs-Verhältnis einfach gut. Ob sie nun optisch ansprechen, ist reine Geschmacksache. Es gibt aber nicht viele, bei denen man mehr Bike fürs Geld bekommt. Und ja, der Name macht nicht so viel her wie Specialized, Cannondale, Santa Cruz und Co. Aber genau das macht die Bikes für mich so ehrlich und sympathisch.
Ich selbst vertrete die Meinung, dass E-Bikes ihre Daseins-Berechtigung haben. Wie kann ich das auch anzweifeln, wenn der Markt das Gegenteil beweist? Ich bin weit davon entfernt, E-Bikes zu verteufeln. Ein MTB-Kollege (knapp 30 Jahre älter wie ich) kann mit einem solchen noch immer seinem langjährigen Hobby nachgehen; aus gesundheitlichen Gründen ist es ihm anders nicht mehr möglich. Ich bin selbst auch schon eines gefahren und das Erlebnis war schon recht witzig. Insofern: Leben und Leben lassen!
Dennoch bin ich persönlich kein Fan von E-MTB´s. Ein Kauf kommt für mich nicht in Frage und ich tue mich mit dem Thema ehrlich gesagt auch recht schwer. Weil es für mich einfach nicht das ist, was ich mit dem Biken verbinde. Die Gründe sind vielfältig. Vor allem aber: Ich fahre kein E-Bike, weil ich nicht muss! Nun versteht mich nicht falsch: Ich möchte E-Bikes nicht zu Krankenfahrstühlen herabwürdigen. Aber es bringt mir - und ich spreche hier einzig und alleine für mich - einfach nicht das Erlebnis, das ich auf einem MTB suche! Natürlich kommt man mit dem E-Bike leichter einen Berg hoch - aber für mich ist es das größte, einen Berg aus eigener Kraft zu erklimmen. Dabei suche ich gewiss nicht die Extreme und ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die sich über Maßen gerne quälen.
Insgesamt scheint sich das Verständnis zum MTB verändert zu haben. Ich hatte im letzten Jahr am Gardasee ein nettes Gespräch mit zwei Bikern (schätze 18-20 Jahre alt), welches meinen Eindruck hierzu vielleicht ganz gut darstellt: Wir wurden befragt, wo es denn hingehen soll. Nachdem wir unsere Tour erläutert hatten, kam im Anschluss direkt die - ernstgemeinte - Frage: "Und mit wem shuttelt Ihr"? Genau so unverständlich uns in diesem Moment diese Frage erschien, genauso unverständlich war für unser gegenüber, dass wir da selbst hochfahren wollten. Ich habe da eine ganze Weile drüber nachgedacht: Wer ist nun der "echte" Mountainbiker? Hierzu mag es unterschiedliche Meinungen geben. Mir gelingt ein Urteil darüber nicht; ich suche auch nicht mehr danach, weil es für beide Interpretationen des Bikens gute Gründe gibt.
Der Trend, auch in der Bikeentwicklung, scheint immer mehr Richtung Downhill zu gehen (Nicht im Sinne von "Downhill-Bike" sondern eher im Sinne von "Abfahrtsorientiert"). Und hey: Is alles gut so! Knalle auch ganz gerne im Park mit dem Bigbike runter, welches dann auch mit dem Lift wieder nach oben geht. Ist cool, auch anstrengend und macht super viel Spaß. Mich persönlich erfüllt es aber nicht zur Gänze. Ich versuche auch, mich mit (oder besser auf) dem Bike fit zu halten. Und ich suche gerne die sportliche Herausforderung bei (Mehr-)Tagestouren in den Alpen.
Ich hoffe, es wurde deutlich, dass es mir nicht um Prinzipienreiterei geht. Auch gehöre ich mit 37 noch nicht zu den ewig Gestrigen. Bin total technik-affin und freue mich über jedes neue Spielzeug. Wenn es nun aber wirklich so ist, dass mittelfristig Innovation nur noch im E-Bike-Sektor gibt, dann bin ich für meinen Teil raus. Nicht, weil die Dinger Mist sind. Sondern einfach, weil es nicht das ist, was ich suche. Aber kann ich das der Bike-Industrie vorwerfen? Ich glaube nein: Alles nur mit gutgemachtem Marketing zu erklären, greift einfach zu kurz und ist sicher nicht alleinig für den E-Bike-Boom verantwortlich. Die Leute wollen es, den Leuten macht es Spaß. Das Bedürfnis nach E-MTB´s scheint offenbar da gewesen zu sein und nun wird es bedient. Und wenn sich dann ein Hersteller wie Radon, welcher ja auch schauen muss, wie er in diesem kurzlebigen Geschäft überleben kann, in diese Richtung entwickelt, dann ist das in Ordnung und verständlich. Solange Radon auch noch Bikes ohne "E" entwickelt, wird mein drittes Radon auch nicht mein letztes gewesen sein.
Und wenn dem mal nicht mehr so ist, ja dann gehöre ich vermutlich wirklich zu den ewig Gestrigen und es wird Zeit, dass ich meinen Radl-Helm an den sprichwörtlichen Nagel hänge. Ich hoffe aber, dass ich noch viele Jahre ohne Motor fahren kann! Weil ich nicht muss! ;-)
Artikel zu dem Thema auf MTB-News interessieren mich bereits heute nicht und ich würde mir wünschen, dass sie konsequenter in den Foren landen, in denen Leute danach suchen.