1.7 Eignung von Wegen
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt auch fest:
„Das Bayer. Naturschutzgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, wer über die Eignung eines solchen Privatwegs zum Reiten befindet.“
Das verwundert auch nicht, da das Bayerische Naturschutzgesetz in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 der Gesetzesbegründung (Drucksache 7/3007, vom 02.08.1972, Seite 26 zu Art 16, jetzt Art 28) folgend lediglich eine Klarstellung enthält, dass das Betretungsrecht nach Art. 27 auch das Wandern und das Fahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft, also im Wesentlichen das Radfahren auf Privatwegen umfasst. Zudem erklärt der Gesetzgeber an dieser Stelle auch, dass ein echtes Bedürfnis für eine ausdrückliche Zulassung des Radfahrens auf Privatwegen besteht. Eine Einschränkung des Betretungsrechts nur auf „geeignete“ Wege hatte der Gesetzgeber ganz bewusst nicht im Sinn. Der Wille des Gesetzgebers kommt in der Zweiten Lesung zum Entwurf des Bayerischen Naturschutzgesetzes am 17.07.1973 klar zum Ausdruck: „Man hat aber nur festlegen wollen, wer fahren darf“ (Plenarprotokoll Nr. 69, Seite 3734), so dass für eine andere Anwendung der Vorschrift kein Raum ist. Insbesondere können daher auch keine unbeabsichtigten Regelungslücken hinsichtlich der vermeintlichen „Eignung“ von Wegen unterstellt werden.
Die Semantik der Formulierung des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG, „..., soweit sich die Wege dafür eignen, reiten und mit Fahrzeugen ohne Motorkraft sowie Krankenfahrstühlen fahren“, ist auch eindeutig, denn die Eignung bezieht sich ausschließlich auf die Möglichkeit die jeweilige Erholungsform auszuführen. Nur hierin liegt Kausalität zwischen dem Tatbestand und der Rechtsfolge der Vorschrift.
Wenn Flächen nicht für die gestatteten Aktivitäten geeignet sind, entfällt das Nutzungsrecht aus faktischen Gründen. Es besteht kein Anspruch auf einen bestimmten Zugang bzw. auf die Ermöglichung bestimmter Nutzungsarten (
Marzich/Wilrich „Bundesnaturschutzgesetz”, RdNr. 5 zu § 56, 1. Auflage 2004). So können Wege für Krankenfahrstühle ungeeignet sein, ohne dass dies ein Verbot bedeuten würde.
Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG klärt, in Konkretisierung des Grundrechts auf Erholung in der freien Natur, dass die Eigentümer zur Duldung der genannten Erholungsformen auch auf ihren Privatwegen verpflichtet sind und daher Abwehransprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 903 BGB gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sind.
Der Zweck der Formulierung „soweit sich die Wege dafür eignen“ ist primär den Grundeigentümern über die Duldung hinaus keine weiteren Pflichten anzutragen, insbesondere keine Wege für bestimmte Nutzungsarten ausbauen oder unterhalten zu müssen. Diese Pflicht geeignete Grundstücke für die Erholung und geeignete Wege und Flächen für den Reitsport zur Verfügung zu stellen, hat der Gesetzgeber in Art. 37 Abs. 2 BayNatSchG den bayerischen Gebietskörperschaften auferlegt.
Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sollen über den Begriff des „geeigneten Weges“ Wege kraft Gesetzes vom Betretungsrecht ausgenommen sein und wären somit dem durch die Verfassung geschützten Betretungsrecht der freien Natur entzogen. Bemerkenswert ist deshalb, dass trotz der damit einhergehenden weitreichendsten Beschränkung des Betretungsrechts im Bayerischen Naturschutzgesetz weder der Gesetzgeber selbst im Gesetz bzw. in der ausführlichen Begründung (Drucksache 7/3007) dazu, noch das Bayerische Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 16.06.1975 (GVBI S. 203), noch die Bayerische Staatsregierung in ihrer Bekanntmachung zum Vollzug des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG); V. Abschnitt "Erholung in der freien Natur" vom 30.07.1976 eine Notwendigkeit für eine genauere Erklärung gesehen haben.
So ist überhaupt nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG oder auch in Art. 37 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayNatSchG etwaige Grundrechtseinschränkungen im Sinn gehabt hätte.
Vielmehr erachtete der Gesetzgeber das Recht zur Nutzung von Privatwegen zumindest für Fußgänger und Radfahrer wohl eher als unproblematisch und dürfte deshalb überhaupt keine Notwendigkeit gesehen haben in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 einen über die Gewährung des Rechts hinausgehenden Regelungsgehalt einzubringen, so in der 2. Lesung vom 17.07.1973:
„Der Artikel 28 behandelt das Benutzungsrecht von Privatwegen zum Wandern und Radfahren, das von uns besonders begrüßt wird und auch problemlos erscheint, weil es vielerorts in den meisten Fällen bereits Gewohnheitsrecht geworden ist.“ Auch mit der Einfügung des Reitens in die Vorschrift hatte er den Regelungsgehalt ansonsten nicht verändert, da der Systematik des Gesetzes folgend hierfür keine Veranlassung bestand.
Passend hierzu hat nun auch der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt in der Begründung zur Novellierung 2015 des dortigen Landeswaldgesetzes ausgeführt (Drucksache 6/4449 v. 07.10.2015):
„Absatz 2 schränkt das Befahren mit Fahrrädern, Krankenfahrstühlen oder anderen Fahrzeugen ohne Motorkraft auf Wege ein. Auf die Eignung der Wege wird dabei im Unterschied zum bisherigen FFOG nicht mehr abgestellt. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht geeignete Wege auch nicht befahren werden.“
Insoweit entscheidet der Erholungsuchende selbst, ob ein Weg im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG für die von ihm gewählte Form der Erholung geeignet ist.
(Bild für etwas Farbe eingefügt)
Exkurs: Verkehrssicherungspflicht
Es ist anerkannt, dass der Eigentümer für Wege in der freien Natur nur diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zutreffen braucht, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. So haftet der Eigentümer insbesondere nicht für Gefahren, die ein Erholungsuchender rechtzeitig erkennen kann. Daher ist es auch vom Gesetzgeber aus schlüssig geregelt, wenn der Erholungsuchende unter den vorgenannten Bedingungen selbst entscheidet, ob er einen Weg für seine Erholungsform für geeignet hält.
Läge die Entscheidung diesbezüglich beim Eigentümer, so wäre die Sicherheitserwartung der Erholungsuchenden deutlich erhöht und entsprechend ging auch eine Steigerung der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers damit einher. Genau dies hat der Gesetzgeber jedoch nicht gewollt. Der Gesetzgeber hat hier die Eigenvorsorge, sich vor Schaden zu bewahren, in den Vordergrund gestellt. Damit berücksichtigt er, dass der Eigentümer durch das Grundrecht auf Erholung in seiner Verfügungsgewalt über sein Eigentum beschränkt wird. Der Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den Belangen der Eigentümer wird durch die in den § 60 BNatSchG und § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG normierte Risikoverteilung erreicht, indem den Erholungsuchenden eine Betretungsbefugnis eingeräumt wird, ihnen aber zugleich das Risiko auferlegt ist.
Fortsetzung folgt ...