Liebe Freunde der gepflegten Velotour auf dicken
Reifen mit Noppen (und auch die, die Noppen nicht so mögen
), gerne möchte ich mit Euch eine weitere Tour teilen.
Ich versuche mich heute mal an einem längeren Beschrieb. Ich freu mich, wenn es Euch gefällt und beim Lesen ein wenig Kurzweil bringt...
Ich bin zuletzt einen Abschnitt der Route du Pied du Jura gefahren. Siehe dazu auch hier:
https://www.schweizmobil.ch/fr/veloland/itineraires/route-050.html.
Ich wollte es mal gerne wieder etwas flacher haben und auch vom Feeling etwas mehr Strecke machen, eventuell mit einem Abstecher auf den Jurarücken am zweiten oder dritten Tag, zu dem es aber nicht kam, dazu aber später mehr.
Also sehr früh aufstehen, alles aufsatteln und auf zum örtlichen Bahnhof. Auf den Zug nach Süden, Velo ordnungsgemäss verstauen, so, wie der Zugchef es forderte (Können Sie die Taschen da abmachen?!?, war aber ein Netter und wir hatten das schnell geklärt...) und dann am Ziel nichts wie raus auf den zweirädrigen Bronco, der das am Vorderlauf Aufgehängtsein im Zug nicht so mag...
So startete ich in Yverdon les Bains gegen 0930 am Morgen, landschaftlich sehr schön gelegen am Südzipfel des Neuenburger Sees, in Richtung Nordosten entlang des Nordufers des Neuenburger Sees bei herrlichem Wetter. Leider hatte ich von Anfang an aber auch den herrlichsten Gegenwind und zwar voll auf die 12 von vorn...auf den Bildern könnt Ihr sehen, dass es auf dem See mächtig Schaumkronen gab...die Surfer und Kiter hats gefreut, wie immer, wenn es Bise hat, so heisst hier dieser Nordostwind...
Aber ich war ja nicht zum Kiten gekommen, sondern für ein schönes Bikepacking weekend...nun denn...wenn man genügend viele Riegel und Kraftstoff dabei hat, erreicht man dann irgendwann mal Neuchatel, oder auch Neuenburg genannt.
Hier gab es erstmal wieder ausreichend zu Essen und ich war deutlich hinter meinem "Zeitplan" (ich versuche zwar eigentlich keinen zu machen, aber irgendwie hat man ja doch eine grobe Idee, wann man gerne wo sein möchte...). Bis hierhin war die Strecke vom Fahrbelag her durchwachsen, teils Asphalt (grmmpf), teils Schotter und teils Wanderwege...wenn man ein wenig genauer hinsieht, kann man um den als Route 50 ausgewiesenen Weg sehr viele Teile des Wanderweges dort fahren, der eben dann nicht immer auf Asphalt, aber eher auf Feldwegen und teilweise sogar Trails geht. So habe ich mit etwas Naviaufwand meinen Weg zusammennavigiert, der dann recht abwechslungsreich wurde. Mitunter sehr schön und mit reizvollen Blicken auf den See und die Hochalpen. Das Panorama insbesondere der grossen Berge ist schon toll, wenn man gute Sicht hat. Eiger, Mönch und Jungfrau jedenfalls waren von Neuenburg aus bestens auszumachen, wenn auch etwas im Schleier... Jedenfalls war für die Strecke die ich bis dahin hinter mich gebracht hatte, deutlich mehr Zeit verstrichen, als ich vorher gedacht hätte...egal, erstmal schön (in Neuenburg) pausieren und essen, dabei den Windsurfern zuschauen, die einen echten Cityspot haben, wenn Neuenburg von der Bise besucht wird. Auch ein toller Luxus...
Nebenbei hab ich noch das Telefon nachgeladen, bei der Sonne (und wenn die Bise weht, dann hat es meistens sehr klare Luft) ein Fest für die Solarzelle. Nachdem dann Telefon und Pilot ge-recharged waren ging es weiter in Richtung St. Blaise, gelegen am Nordzipfel des Neuenburger Sees.
Von Dort geht es etwas südöstlich bis zum Zihlkanal, der dann wieder nach Nordosten verläuft und den Neuenburger- mit dem Bieler See verbindet. Sobald man den Kanal erreicht hat, folgt ein wirklich landschaftlich sehr reizvoller Abschnitt, den ich sehr genossen habe...allerdings nur visuell...der Gegenwind hielt konstant an und nachmittags dann weiter zunehmend...immer genau von vorn...
Hat man dann den Bieler See erreicht führt einen der Route 50er auf der Südöstlichen Seite des Sees entlang...tolle Strecke und sehr entspannt zu fahren auf zumeist Gravel und ein wenig Asphalt...Auch hier geht nahezu parallel ein Wanderweg. Steigungen hat es fast keine, man klettert zwar ab und an auch mal ein paar Höhenmeter, aber das ist absolut verkraftbar.
Interessant fand ich das Wasserkraftwerk in Hagneck, welches man passieren muss und was zu einer kleinen Besichtigung einlädt und nebenbei auch einen tollen Blick auf den See bietet.
Erreicht man Biel, muss man sich wiederum entscheiden, wie man seinen Weg fortsetzen will ... links oder rechts ist die Frage...ich entschied mich für rechts der Aare entlang, weil ich keine Lust hatte durch Biel zu fahren, ausserdem war ich noch mit allem versorgt und brauchte nichts zu kaufen. Später wollte ich dann so vielleicht bei Grenchen irgendwann mal in das Jura einfahren...dachte ich zu dem Zeitpunkt noch...
Allerdings wurde es nun doch schon recht spät, so 17 Uhr und ich sah meine Felle schwimmen, noch sehr viel weiter zu fahren. Hinzu kam, dass der Wind unvermindert weiterblies, teils mit heftigen Böen...und ich wurde auch langsam etwas müde, Hunger hatte ich auch und die Riegel und Bananen etc. schmeckten auch nicht mehr so recht...kurzum, mein Spass begann zu schwinden und das darf es bei mir auf biketouren möglichst nicht geben, dann muss ich sofort etwas ändern, weil ich um die möglichen Konsequenzen von "keinen Bock mehr" bei mir recht genau weiss
Kein Bock heisst meist auch kein Pedalieren mehr...
Die Fahrt entlang von Flüssen hat nun den schönen Nebeneffekt, dass man praktisch immer flach fährt, jedoch bedeutet das aber auch, dass man eben im Flachland fährt...klingt erstmal merkwürdig, hat aber eine gewisse Tiefe für den gemeinen Bikepacker.
Wer nämlich mal eine ähnliche Landschaft befahren hat, der wird sicher wissen, dass es in den "Bergen" fast immer viel einfacher ist, einen guten Schlafplatz zu finden, als in der Ebene, wo jeder Zipfel Land jemandem gehört, umzäunt ist, beackert oder sonstwie mit Verboten und anderen Errungenschaften der modernen Gesellschaft belegt ist. Wenn Du dann noch Sturm hast und gerne eine Schlafstelle hättest, die etwas Schutz bietet vor dem Wind und nicht direkt neben irgendeinem "ich führe mal den Hund vor dem Frühstück aus" oder "Schatz ich gehe vor dem Kaffee noch schnell Joggen" Weg entlanggeht, der Dir dann am Morgen Freude macht oder in der Nähe eines Grillplatzes, den die lokale Dorfjugend lautstark die halbe Nacht belegt, dann wird die Sache schon schnell etwas kompliziert.
Langer Rede kurzer Sinn, ich tat mich etwas schwer damit, einen geeigneten und nicht völlig verbotenen Schlafplatz zu finden, wurde immer müder, der Wind immer blöder und langsam fing ich an, es nicht mehr so cool zu finden...
In einem sehr kleinen Dörfchen kam ich noch an einem noch kleineren Dorfcamping vorbei. Das ist für mich normalerweise eigentlich keine bevorzugte Option, aber unter diesen Umständen hätte ich es ehrlicherweise sogar ganz gut gefunden, entspannt den Abend und die Nacht zu verbringen. Das Ding war aber wegen Corona geschlossen...wohlan denn...
Also fuhr ich noch etwas weiter und dann kam aber der "Kein Bock mehr" Punkt so nach ca. 100 TagesKm mit permanentem "vollindieFresseGegenwind". Da verschoben sich sofort bei mir die Prioritäten...Prio 1 was essen und zwar sofort...Prio 2 Danach dann Schlafplatz sichern, aber da denken wir erst wieder dran, wenn der Kocher verstaut und der Topf abgewaschen und verpackt ist und Sättigung da ist...
Also als erstes einen windgeschützten Platz suchen, damit einem der Kocher nicht auch noch streikt...den fand ich dann auch kurz darauf, und mein Spirit stieg wieder etwas nach einer mit erheblichem Nudelanteil angereicherten Tütensuppe plus Brot reingebröselt, dazu lecker Frubiasedrink
wegen dieser Elektrolyte und so...
Als ich mit dem Bankettieren fertig war, war es wohl auch schon fast 20 Uhr.
Den Teil der nun kam, ja kommen musste, der war nicht so mega, aber das Spiel war mir von anderen Touren mit ähnlichem Verlauf nicht ganz unbekannt, das hilft, damit man ruhig bleibt und nicht überreagiert...Nach meiner Erfahrung ist es mit dem Schlafen recht einfach. Kennt man einen coolen Platz, dann kann man da auch spät am Abend ankommen. Hat man aber nach ca 16 bis 17 uhr in einer fremden Gegend keinen guten Platz gefunden, wo man sich wohlfühlt und so die wesentlichen Kriterien erfüllt sind, die ich oben ja schon kurz gestreift habe (und noch ein paar andere), dann gibt es meistens eine verkrampfte Nacht...auf die eine oder andere Art, oder aber der Morgen wird verkrampft, weil man durch irgendetwas, auf das man nie gekommen wäre, unsanft geweckt wird....
Wenn man das aber von anderen Touren kennt und ein bisschen Campingerfahrung hat, dann kann man damit einigermassen gut umgehen. Meistens jedenfalls...
In diesem Falle war es ein Grillfest in Luv (also da, wo der Wind herkommt) das bis ca. 2 Uhr am Morgen ging und mir so alle Gesänge und Freudensbekundungen der Feiernden praktisch direkt in den Gehörgang geblasen wurden.... Der Wind erreichte zwischen ca. 1 Uhr und 3 Uhr nachts seinen nächtlichen Höhepunkt, um dann aber wenigstens bis ca. 0900 Uhr am nächsten Morgen fast komplett zu verschwinden... so konnte ich nach der Grillparty erstmal nicht schlafen, weil andauernd irgendwas flatterte und rauschte, sei es am Bivy oder in den Bäumen.
Die Krönung der Nacht bestand aber in meiner nächsten Lektion als radfahrender Ornithologe
, von denen habe ich schon einge hinter mich gebracht, aber diese war von besonderer Qualität.
Als ich so gegen wohl so halb 3 Uhr morgens endlich dauerhaftere Ruhe gefunden hatte (bis dahin hatte ich nur echt wenig geschlafen) war plötzlich ein regelrechtes Geschrei im Baum unweit von mir...Das fand ich erstmal sehr verstörend...mir war aber schnell klar, dass es sich um Tiere handeln musste. Irgendwas bewegte sich auch immer über den Himmel, wie ein Schatten. Kam der Schatten aus der einen Richtung war das Geschrei fürchterlich, kam der Schatten aus der anderen Richtung war es kurz besser, wurde aber dann duch ein zyklisches Gezeter abglöst...tatsächlich war es ein Reiher, der hoch im Baum seine Jungen fütterte. Immer wenn dann Mama (oder Papa) Reiher vom Jagdausflug zum nahegelegenen Wasser mit Beute retour kam, veranstalteten die Jungen ein dermassenes Geschrei, dass ich dachte die bringen sich da im Baum gegenseitig um. Das ging sicher eine gute Stunde so...schon effizient diese Reiher...die füttern ihr Jungen in der Nacht und haben dann tagsüber bestimmt frei zum Reihern...Jedenfalls machte sich dann ein sehr müder Veloist gegen 0600 Uhr bei erfrischenden 7.7 Grad auf den Weg in den Sonnenaufgang. Mein Spirit stieg schnell...nur müde war ich...hundemüde.
Es folgte ein wirklich lichtvoller und schöner Morgen und OHNE WIND.
Auf dem Weg durch die kalte Morgensonne kam ich dann auch durch Solothurn, wo aber ausser ein paar schönen Gebäuden in der Stadt und dem aufkommenden Markt für mich nicht viel Aufregendes zu finden war...war wohl noch zu früh und kalt war es auch, also weiter rollen...
Es folgte ein kleiner Umweg mit Schiebepassage bergauf, weil eine Brücke an der Aare gesperrt war, interessanterweise über einen Nebenzufluss, über den ich aber nun mal drüber musste...also retour, über den Fluss, eine schöne Schiebepassage echt steil bergauf und dann irgendwann wieder rüber auf die "richtige" Seite des Flusses...und weiter...voll gut, um den morgendlichen Fettstoffwechsel anzukurbeln, so wie wir das früher im Training gemacht haben...allerdings fand ich es ohne ordentliches Frühstück und Kaffee mit nahezu keinem Schlaf und bepacktem velo so eher richtig Kacke...um es mal auf Hochdeutsch zu sagen...
Schliesslich kam mal wieder ein Ort und ich fand einen Coop...und kaufte ordentlich ein...
Nachdem ich mir dann ein geschätzt 2000kcal Z'morge gegönnt hatte (die Nudeltütensuppe, angereichert oder nicht, war abends einfach nicht genug gewesen, das hatte ich in der Nacht schon gemerkt, aber der Reiher wollte mir keine Fischstäbchen abgeben), befiel mich aber erstmal eine unglaubliche Müdigkeit und ich pausierte erstmal gepflegt, sogar wäre ich fast eingeschlafen für sicher 45min oder so...aber nur fast
Jedenfalls entschied ich dann, dass ich an der Aare bis mindestens mittags bleiben und mir einen ruhigen Vormittag machen wollte und anschliessend mal lecker Pasta...bevor es weitergehen sollte nach dem Mittagessen.
Am Ende kam aber das Mittagessen und ich blieb noch etwas länger, trank noch einen guten Kaffee aus dem Pulver, das ich gerne hab und hatte ich einen wirklich gechillten sonnigen Tag, aber je wärmer es um den Mittag wurde, um so stärker kam auch die Bise zurück...und umso angnehmer war das Chillen in der Sonne...Die Aussicht, wie ich ursprünglich geplant hatte, aufs Jura zu fahren, war plötzlich nicht mehr so ansprechend, weil es von meiner aktuellen Position mehrheitlich bedeuten würde bergauf bei GEGENWIND zu fahren...nach sher kurzem (also seeeeeeehr kurz) Überlegen entschied ich mich, dass der Gegenwind und ich heute keine Freunde mehr in direktem Körperkontakt werden würden.
Letzlich entschied ich mich also abends einen Zug in einem nahegelegenen Städtchen zu erwischen und mich auf den Weg Heim zu machen. Und so trat ich dann nochmal ein paar KM gegen den Wind hin zum Bahnhof.
Es war somit ein schöner kleiner Kurztrip, nicht ganz so, wie geplant, denn eigentlich wollte ich 3 Tage unterwegs sein, aber seis drum...
So hatte ich schliesslich etwas mehr als 160 Km erfahren und werde künftig IMMER nach Reihern Ausschau halten, bevor ich mich des nächtens niederlege, wohl auch auf einem Berggipfel, wo es weit und breit keine Baüme hat
Ach und die nächste Tour geht wieder bergauf...Flachland ist einfach nichts für mich...
...Die Gegend am Klausenpass soll sehr schön sein, hab ich gehört...
Auch hab ich wieder einiges gelernt, worauf ich in Zukunft bei der Planung meiner Touren sicher auch achten werde. Ein paar Gegenstände der Ausrüstung werden auch dauerhaft ausgeräumt werden...also im Grunde ne coole Tour mit allem, was das Bikepacking so schön und spannend macht und einem so herrlich den Kopf von allem anderen freiräumt: körperliche Ertüchtigung an der frischen Luft (Wind), ein wenig Adventure, ein wenig Ungeplantes, neue Erfahrungen, wieder was gelernt und schöne Erinnerungen mitgenommen...Schön wars!
Zum Trinkwasser entlang der Strecke kann ich noch sagen, dass es in unregelmässigen Abständen aber häufig genug Brunnen / Quellen und Wasserhähne hat, sodass mein üblicher Setup, der 4,3 Liter Wasser erlaubt, an dieser Strecke völlig überdimensioniert war und ich irgendwann auch gar nicht mehr die Flaschen alle gefüllt habe sondern mit 2,4 Litern total ausreichend bis zur nächsten Wassermöglichkeit ausgerüstet war. Filter oder sowas braucht es auch nicht, oft steht sogar an den Quellen "Trinkwasser" geschrieben. So ist das eben in der schönen Schweiz..:
Mein Fazit:
Dies ist von der Strecke her eine landschaftlich sehr schöne Route, die einem bei gutem Wetter (ohne Wind) das Velofahren leicht macht, wenn man nicht, wie ich, den Wind von vorn erleben muss...Kaum Steigungen, daher auch für viele Leute gut und entspannt zu fahren; da kaum so richtig "offroad" geht das Ganze auch mit einem Tourenrad und Gepäcktaschen, wenn das jemand bevorzugt. Wenn man das mit dem Schlafen besser löst, als ich, dann kann auch hier der Einsteiger eine ganz tolle Tour mit einem richtig schönen "Ich habe eine tolle Velo-Tour gehabt" Erlebnis abschliessen. Die Länge kann man gut variieren zwischen 1-5,6,7 Tagen kann man sich hier was Nettes auf oder entlang der 50er Route zusammenstellen, könnte sicher auch auf diese Art von Lausanne oder gar Genf bis Basel fahren oder so.... Auch Abstecher über den Jura sind navigatorisch einfach einzubauen und landschaftlich sehr schön, wie ich aus früheren Touren weiss, da gibt es sogar hier und da ein kleines Gipfelerlebnis mit toller Aussicht auf den Alpenkamm quasi gegenüber. Man kann problemlos immer wieder Bahnhöfe ansteuern und ist so sehr flexibel, wenn man die Route ändern möchte. Einkaufen kein Problem, baden kann man praktisch immer entlang der Strecke in den Seen oder den Flüssen an denen man entlangfährt. Also eigentlich alles da, für eine tolle Tour...Allen, die mal in die Gegend kommen wünsche ich viel Freude und keine hungrigen Reiherkinder.
ich schieb noch ein paar Bilder in den post direkt hiernach, weil nur 20 Bilder in einen Post gehen...