Manitou
kommt und geht!!!
Am Sonntagabend werden in Baden-Baden die Sportler des Jahres geehrt - für WELT am SONNTAG sind es Hannah Stockbauer, Jan Ullrich und die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen
Andre Korf erzählt, wieso Jan Ullrich für ihn die Nummer eins ist.
Eine Jugendfreundschaft schweißt zusammen. Es sind die vielen Dinge, die man gemeinsam erlebt und nie wieder vergisst, die dafür sorgen. Jedenfalls ist das meine Erfahrung mit Jan Ullrich.
Wir sind beide Jahrgang 1973, und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Mit neun Jahren entschied ich mich für den Radsport. BSG Fischkombinat Rostock, kurz FriKo genannt, hieß mein erster Verein. Jan fuhr bereits Rad - für Dynamo-West Rostock. Sein älterer Bruder Stefan hatte ihn dorthin mitgenommen. Wir alle wohnten in der Wolgastraße in Rostock-Lichtenhagen, nur ein paar Häuser trennten uns. Weil Jan bei Dynamo so gut betreut wurde und es dort die besseren Rennräder gab, wechselte auch ich dorthin.
Oktober 1983, ich war bereits zehn, Ulle noch neun, da sind wir mit einem Lkw von Rostock nach Binz auf Rügen getrampt, 130 Kilometer waren das. Auf Rügen fand damals die Bergmeisterschaft der Schüler des Bezirkes Rostock statt. Es war hundekalt. Jan hat immer leicht gefroren. Wir wickelten ihn in dicke Decken ein während der Fahrt.
Beim Rennen wurde ihm dann schnell heiß. Wir strampelten über Kopfsteinpflaster etwa 1,5 Kilometer gegen die Uhr hoch zum Jagdschloss Granitz. Heute wirkt die Anhöhe, die wir da nahmen, auf mich wie eine Schippe Sand. Damals kam ich mir vor, als hätte ich einen Gebirgs-Pass bezwungen. Ich habe damals gewonnen. Jan landete als jüngster Starter auf Rang drei.
Ein Jahr später ereignete sich meine Lieblings-Geschichte mit Jan. Wir waren im Trainingslager in Wismar, da sagte Peter Sager, unser Trainer, auf einmal: "Wer am längsten auf seinem Rad steht ohne umzufallen, bekommt von mir eine Tafel Schokolade." Nach fünf Minuten stand nur noch einer - Jan. Peter Sager drehte sich um, ging in die Küche. Er begann, für uns Jungs Stullen zum Abendbrot zu schmieren und Suppe zu kochen. Wir deckten die Tische ein. Auf einmal rief einer ganz aufgeregt: "Herr Sager, Herr Sager, der Jan steht immer noch in der Turnhalle auf seinem Rad." Niemand hatte bemerkt, dass er gar nicht abgestiegen war und mit uns in die Küche kam. 31 Minuten waren vergangen, eine unglaubliche
Leistung für einen Zehnjährigen. Jan bekam eine ganze Schachtel Pralinen. Und ich hörte Peter Sager murmeln: "Ich glaube, das wird einmal ein Großer." Seine unglaubliche Disziplin ist es, die Jan so auszeichnet. Niemand sagte ihm, er könne absteigen - also blieb er auf dem Rad stehen ...
Am 1. September 1987 kamen Jan und ich zur Kinder- und Jugendsportschule, kurz KJS, nach Berlin. Wir teilten uns im Internat ein Zimmer. An unserer Wand hingen Bilder von Olaf Ludwig, unserem Rad-Idol - und von Susen Tiedtke, sie fanden wir einfach chic. 1989 guckten wir zum ersten Mal heimlich im West-Fernsehen ein paar Tour-Zusammenfassungen von Klaus Angermann. Das hat uns fasziniert.
In der achten Klasse erlebten wir ein mächtiges Donnerwetter: Vor der Glastür zum Internat veranstalteten wir Mutproben. Eine war: Wer es schafft, am dichtesten mit Volldampf an die Tür heranzufahren und rechtzeitig abzubremsen. Ich weiß nicht mehr genau, wer es war, es könnte der Sprinter Kai Melcher gewesen sein, auf jeden Fall versagten bei einem Bremsen. Der Arme flog durch die Scheibe. Zum Glück war außer den Scherben und einem Tadel nichts passiert.
Erst 1994 trennten sich die Wege von Jan und mir. Freunde blieben wir immer. Deshalb bin ich glücklich, dass mich Jan jetzt beim T-Mobile-Team wieder an seine Seite geholt hat. Eine große Geste. Für mich ist das eine riesige Chance, die ich hundertprozentig nutzen werde.
André Korff, 30, fährt im nächsten Juli mit Jan Ullrich beim T-Mobile-Team die Tour de France
Artikel erschienen am 21. Dez 2003
Alle Artikel vom 21. Dez 200
Andre Korf erzählt, wieso Jan Ullrich für ihn die Nummer eins ist.
Eine Jugendfreundschaft schweißt zusammen. Es sind die vielen Dinge, die man gemeinsam erlebt und nie wieder vergisst, die dafür sorgen. Jedenfalls ist das meine Erfahrung mit Jan Ullrich.
Wir sind beide Jahrgang 1973, und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Mit neun Jahren entschied ich mich für den Radsport. BSG Fischkombinat Rostock, kurz FriKo genannt, hieß mein erster Verein. Jan fuhr bereits Rad - für Dynamo-West Rostock. Sein älterer Bruder Stefan hatte ihn dorthin mitgenommen. Wir alle wohnten in der Wolgastraße in Rostock-Lichtenhagen, nur ein paar Häuser trennten uns. Weil Jan bei Dynamo so gut betreut wurde und es dort die besseren Rennräder gab, wechselte auch ich dorthin.
Oktober 1983, ich war bereits zehn, Ulle noch neun, da sind wir mit einem Lkw von Rostock nach Binz auf Rügen getrampt, 130 Kilometer waren das. Auf Rügen fand damals die Bergmeisterschaft der Schüler des Bezirkes Rostock statt. Es war hundekalt. Jan hat immer leicht gefroren. Wir wickelten ihn in dicke Decken ein während der Fahrt.
Beim Rennen wurde ihm dann schnell heiß. Wir strampelten über Kopfsteinpflaster etwa 1,5 Kilometer gegen die Uhr hoch zum Jagdschloss Granitz. Heute wirkt die Anhöhe, die wir da nahmen, auf mich wie eine Schippe Sand. Damals kam ich mir vor, als hätte ich einen Gebirgs-Pass bezwungen. Ich habe damals gewonnen. Jan landete als jüngster Starter auf Rang drei.
Ein Jahr später ereignete sich meine Lieblings-Geschichte mit Jan. Wir waren im Trainingslager in Wismar, da sagte Peter Sager, unser Trainer, auf einmal: "Wer am längsten auf seinem Rad steht ohne umzufallen, bekommt von mir eine Tafel Schokolade." Nach fünf Minuten stand nur noch einer - Jan. Peter Sager drehte sich um, ging in die Küche. Er begann, für uns Jungs Stullen zum Abendbrot zu schmieren und Suppe zu kochen. Wir deckten die Tische ein. Auf einmal rief einer ganz aufgeregt: "Herr Sager, Herr Sager, der Jan steht immer noch in der Turnhalle auf seinem Rad." Niemand hatte bemerkt, dass er gar nicht abgestiegen war und mit uns in die Küche kam. 31 Minuten waren vergangen, eine unglaubliche
Leistung für einen Zehnjährigen. Jan bekam eine ganze Schachtel Pralinen. Und ich hörte Peter Sager murmeln: "Ich glaube, das wird einmal ein Großer." Seine unglaubliche Disziplin ist es, die Jan so auszeichnet. Niemand sagte ihm, er könne absteigen - also blieb er auf dem Rad stehen ...
Am 1. September 1987 kamen Jan und ich zur Kinder- und Jugendsportschule, kurz KJS, nach Berlin. Wir teilten uns im Internat ein Zimmer. An unserer Wand hingen Bilder von Olaf Ludwig, unserem Rad-Idol - und von Susen Tiedtke, sie fanden wir einfach chic. 1989 guckten wir zum ersten Mal heimlich im West-Fernsehen ein paar Tour-Zusammenfassungen von Klaus Angermann. Das hat uns fasziniert.
In der achten Klasse erlebten wir ein mächtiges Donnerwetter: Vor der Glastür zum Internat veranstalteten wir Mutproben. Eine war: Wer es schafft, am dichtesten mit Volldampf an die Tür heranzufahren und rechtzeitig abzubremsen. Ich weiß nicht mehr genau, wer es war, es könnte der Sprinter Kai Melcher gewesen sein, auf jeden Fall versagten bei einem Bremsen. Der Arme flog durch die Scheibe. Zum Glück war außer den Scherben und einem Tadel nichts passiert.
Erst 1994 trennten sich die Wege von Jan und mir. Freunde blieben wir immer. Deshalb bin ich glücklich, dass mich Jan jetzt beim T-Mobile-Team wieder an seine Seite geholt hat. Eine große Geste. Für mich ist das eine riesige Chance, die ich hundertprozentig nutzen werde.
André Korff, 30, fährt im nächsten Juli mit Jan Ullrich beim T-Mobile-Team die Tour de France
Artikel erschienen am 21. Dez 2003
Alle Artikel vom 21. Dez 200